Sepiola
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Ein tieferes Bekanntwerden römischen Geistes, römischer Kultur und römischer Bildung in der Masse der Provinzialen, im einheimischen Volkstum, hat nicht stattgefunden. Dies zeigt auch die Tatsache, daß kein Ortsname aus der römischen Zeit unseres Landes, die immerhin Jahrhunderte gedauert hat, auf uns gekommen ist, zum Unterschied vom rätischen Gebiet.
Die einleuchtendste Erklärung für das Verschwinden so vieler Ortsnamen aus der römischen Zeit wäre der drastische Bevölkerungsschwund, von dem ja schon die Rede war.
Es sind ja (vor allem im Osten Österreichs) nicht nur romanische Ortsnamen verschwunden, sondern auch fast alle vorrömischen/keltischen Ortsnamen. Was an keltischen Namen erhalten ist, sind meistens Flussnamen (Enns, Sulm, Kamp), und die beweisen in diesem Zusammenhang nichts.
Da, wo vorrömische Ortsnamen erhalten sind, wurden sie in in romanisierter Form weitergegeben:
"Am Lautstand der eingedeutschten Ortsnamen wird deutlich, daß ihre Integrierung ins Bairisch-Althochdeutsche auf einer vulgärlateinischen oder daraus weiter entwickelten romanischen Basis erfolgte, so daß sie als antik-romanische Ortsnamen bezeichnet werden dürfen. Aus morphologischer Sicht kann noch hinzugefügt werden, daß bei den Siedlungsnamen Wels und Lorch die lateinischen lokativischen Ablative Ovilabīs und Laurācō die Ausgangsformen bildeten, was bei Wels das auslautende -s und bei ahd. Lôrahha die aus -ō zu -a entwickelte Endung und damit der Übergang von einem lat. neutralen o- zu einem germ. femininen ō-Stamm deutlich erkennen läßt. So gibt es auch keinerlei sprachliche Hinweise darauf, daß zumindest während der späteren Römerzeit das Keltische und jenes indogermanische Idiom fortbestanden, aus dem die indogermanisch-voreinzelsprachlichen Ortsnamen hervorgingen, oder daß diese Sprachen sogar über das Ende der Römerherrschaft hinaus weitergelebt hätten, wie dies Eberhard Kranzmayer annahm. Da die Übernahme der antiken Ortsnamen ins Bairisch-Althochdeutsche im mündlichen Verkehr erfolgte, ergibt sich daraus auch das Vulgärlateinische als die Umgangssprache von Ufernorikum und Oberpannonien zumindest im 5. Jahrhundert. Diese namenkundlichen Erkenntnisse bestätigt auch eine Beobachtung an der vom Ende der Römerzeit stammenden Vita Severini. Ihr Verfasser Eugippius unterscheidet nämlich nicht zwischen den heimischen Einwohnern und den aus Italien zugezogenen Romanen, die er in gleicher Weise als Romani bezeichnet, was sowohl auf eine durchgängige kulturelle als auch sprachliche Romanisierung der norischen Bevölkerung schließen läßt, und auch Severin selbst konnte in den norischen Orten überall lateinisch reden."
Peter Wiesinger, Antik-romanische Namentraditionen im Donauraum
In: Probleme der älteren Namenschichten, Heidelberg 1991 (Hrsg. Ernst Eichler)
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