Warum behandelte Stalin seine Versager unter den Generalen so großzügig?

balticbirdy

Ehemaliges Mitglied
Bekanntlich war Stalin bei seinem
Großer Terror (Sowjetunion) ? Wikipedia
wenig zimperlich mit seiner Armeeführung.
Um so erstaunlicher ist es, dass er später seine Marschälle und Generäle zwar oft versetzte, diese aber auch bei offenkundigem Versagen selten in Ungnade fielen.
Semjon Michailowitsch Budjonny ? Wikipedia
Semjon Konstantinowitsch Timoschenko ? Wikipedia
http://de.wikipedia.org/wiki/Kliment_Jefremowitsch_Woroschilow
Einzige Ausnahme:
Grigori Iwanowitsch Kulik ? Wikipedia
Was mag Stalin bewogen haben, auf diese Leute weiter zu setzen oder sie lediglich dahin wegzuloben, wo sie weniger Schaden anrichten konnten? Eigentlich widerspricht das doch seinem Naturell.
 
Zuletzt bearbeitet:
Sie haben doch gar nicht versagt, den Stalin nie verraten, waren teilweise schon zu Zeiten der Bürgerkrieges seine treudoofen Kameraden, die nicht einmal unter dem Verdacht standen dem großen Stalin mit seinen noch größeren Fehlentscheidungen die Show zu stehlen oder gar Rivalen zu werden.
Woroschilov, Bujoni und Timoschenke waren alle bei der Krim-Kavellerie und kämpften in der Schlacht unter Stalin um Zaryzyn - später Stalingrad genannt - während des Bürgerkrieges dabei. In jener Zeit baute Stalin ein Gefolge aus Marschällen, die fest an seiner Seite standen, auf. Warum er sie anders als andere Weggefährten nie entfernte? Vielleicht weil er sie für nützliche Idioten hielt, die gar nicht das Zeug zum Rivalen hatten.

Es geht im Stalin-Regime gar nicht so sehr um Kompetenz sondern viel mehr um bedingslose Treue und Glauben. Die Säuberung der Armee war keine militärische Notwendigkeit, ob sie überhaupt einem rationalen Muster folgt, ist fraglich.
 
Zuletzt bearbeitet:
@maglor: Es geht im Stalin-Regime gar nicht so sehr um Kompetenz sondern viel mehr um bedingslose Treue und Glauben.

Unter den Blinden ist der Einäugige König? Das konnte sich Stalin, als ihm 1941/41 militärisch gesehen das Wasser bis Hals stand, eigentlich nicht leisten solche Blindbiesen wie Budjonny in einer hohen Position zu lassen.
 
Einzige Ausnahme:

Nun, da wäre noch
Dmitri Grigorjewitsch Pawlow ? Wikipedia
nebst einigen nachgeordneten Kommandeuren zu nennen.

Kiew/Budjonny ging auf das Konto von Stalin selbst, Stichwort "Haltebefehle" 1941. Vorher war er in der Verzögerung recht erfolgreich, und plädierte für den Rückzug. Das wird Stalin vermutlich klar gewesen sein, dieses Zeitopfer ging auf sein höchstpersönliches Konto.
Budjonny - auf ein Nebenkommando abgeschoben - rehabilitierte sich vor Moskau in höchster Not und in den Kaukasusschlachten. Also kein Grund zur Hinrichtung. In der gegebenen Lage und mit den gegebenen Anweisungen würde ich keinen Anlass zur Kritik sehen.

Timoshenkos Niederlage vor Charkow 1942 ging auf das Konto von Shukow, der die Operation angeleitet hatte. Das mag ihn geschützt haben, und Bauernopfer waren 1942 mangels Masse nicht angesagt.
Second Battle of Kharkov - Wikipedia, the free encyclopedia
Auch während der Stalingrader Schlacht war Timoshenko nicht auswechselbar, schon mangels Alternativen. Danach wurde er - nach einer wenig erfolgreichen Episode vor Leningrad - kaltgestellt, aber wohl noch in der Führung beschäftigt. Die Lage hatte sich insgesamt gewendet, warum sich alsoi mit der Führung der Roten Armee anlegen?

Woroshilow
Kliment Jefremowitsch Woroschilow ? Wikipedia
hatte in der kommandierenden Führung versagt, war aber wohl planungsseitig eine Kapazität.

Schon vor Ausbruch des Krieges gab es wegen des Ausbaus der Roten Armee und der Führungsengpässe einige Revisionen der Säuberungen, deren Sinn nur aus Bedarf erklärbar ist. Beispiel Rokossowski
Konstantin Konstantinowitsch Rokossowski ? Wikipedia
Der bewährte sich an verschiedenen Stellen und führte schließlich diverse Fronten.
Sieht so aus, als konnte man auf Führungspersonen in der Krise schlecht verzichten, Ausnahme: Pawlow etc.
 
Hinrichtung musste ja nicht gleich sein, eine Versetzung nach Kamtschatka hätte es auch getan.

Versetzt wurde reichlich, bloss nicht nach Kamtschatka. Da war nichts los :devil:

Dieses Karussell bei den russischen Kommandos ist recht interessant, eine ständige Bewegung (vielleicht ist das Teil des Hintergrundes/des Verständnisses). Es traf auch erfolgreiche Generäle, zB
Mikhail Katukov - Wikipedia, the free encyclopedia
der nach kleineren Kommandos zeitweise Reservearmeen sammeln durfte und dann seinen Durchbruch bei Kursk erlebte.

Noch ein Beispiel eines kaltgestellten "Versagers"
http://de.wikipedia.org/wiki/Markian_Michailowitsch_Popow
 
Stalin spielte seine Armeeführer anscheinend auch gern gegeneinander aus, bekannt ist die Rivalität von Shukow und Konew bei der Berliner Operation.
 
@Sil: Versetzt wurde reichlich, bloss nicht nach Kamtschatka. Da war nichts los :devil:
Och, sowas in der Art ist auch passiert. Ich habe vor vielen Jahren mal in den Memoiren (war es von Kusnezow?) eines Admirals gelesen, dass ein hoher Marineoffizier sich nach seinem Versagen bei den Krimkämpfen im Schwarzen Meer bei der Amur-Flottille bewähren durfte. :D
 
Meine These für den Umgang mit hohen Kommandeuren während des Krieges wäre:

1. Terror inerhalb der Armee und Flotte auf hoher Kommandoebene hätte lähmend gewirkt und notwendige militärische Entscheidungen hinausgezögert (persönliche Rückversicherung der Kommandeure), Terror auf unter Ebene gab es und nicht zu knapp (Politoffiziere, Truppen des NKWD)

2. Die hohen Kommandeure bildeten für Stalin gleichsam einen "Exculpationsmechanismus", ging eine Schlacht verloren, war der jeweilige Kommandeur schuld und nicht Stalin

3. Das "Personalkarussell" auf hoher Kommandoebene bewirkte, daß kein Marschall sich eine "Hausmacht" schaffen konnte, obwohl sie es vllt. gar nicht versucht hätten

Die Personalentscheidungen Stalins waren machtpolitisch motiviert und nicht militärisch. Ich denke, er hätte selbst den genialsten Marschall nach Kamtschatka geschickt, um ihn nicht zu populär in der Armee, der Partei und dem Volk werden zu lassen.

Das wäre meine Arbeitshypothese.


M.
 
Die Personalentscheidungen Stalins waren machtpolitisch motiviert und nicht militärisch. Ich denke, er hätte selbst den genialsten Marschall nach Kamtschatka geschickt, um ihn nicht zu populär in der Armee, der Partei und dem Volk werden zu lassen.
Das wäre meine Arbeitshypothese.
M.

Allen Thesen würde ich mich anschließen.

Aber wie sieht es bei der letzten mit Shukow aus?

Einerseits der große Verlierer von Charkow 1942 mit dem Auftakt zur deutschen Sommeroffensive, dann bei Operation Mars (Rshew) durch Uranus (Stalingrad) gerade "gerettet", schließlich der große Lenker der Offensiven 1944/45. Dabei hatte er allerdings den "Kontrahenten" Konjew.

Operation Mars ? Wikipedia
Operation Uranus ? Wikipedia
Schlacht bei Charkow (12. bis 28. Mai 1942)
 
Ja klar, aber eben nach dem Krieg.

Vorher erschien er Stalin unkamtschatkabar?:devil:

Schönes neues Wort: "unkamtschatkabar"

Ich denke, die Marschälle haben alle den "18. Brumaire" von Marx gelesen:

Karl Marx: Der 18. Brumaire des Louis Bonaparte

"Bonarpartismus" war für russische Marschälle keine Option, spätestens nach Tuchatschewski, hatten alle Marschälle diese "Botschaft" verstanden und waren in die Parteidisziplin eingebunden.


M.
 
Bei Budjonny wäre ich mir nicht so sicher, ob er persönlich überhaupt lesen und schreiben konnte. :devil:
Alle Biografien im Web von ihm, auch die russ. Wiki, sagen nichts über irgendwelche Schulbesuche.

Das weiß ich nicht, aber er wird schon Befehle seines Stabschefs kontrasigniert haben können.

Du hast recht, in den Artikeln findet sich nichts über einen Schulbesuch, aber als Wachtmeister wird keiner eingesetzt, der die Soldauszahlung nicht verantwortlich wahrnehmen kann. ;)

M.
 
@Melchior: Du hast recht, in den Artikeln findet sich nichts über einen Schulbesuch, aber als Wachtmeister wird keiner eingesetzt, der die Soldauszahlung nicht verantwortlich wahrnehmen kann. ;)
Wacht-, nicht Zahlmeister. So ist das wahre Leben. Die größte Pfeife kann Chef sein, so man es versteht die anfallenden Arbeiten geschickt nach unten zu delegieren. Aber du hast Recht, seinen Namenszug als Unterschrift wird er auf jeden Fall intellektuell bewältigt haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wacht-, nicht Zahlmeister. So ist das wahre Leben. Die größte Pfeife kann Chef sein, so man es versteht die anfallenden Arbeiten geschickt nach unten zu delegieren. Aber du hast Recht, seinen Namenszug als Unterschrift wird er auf jeden Fall intellektuell bewältigt haben.


Yaeh! "Zahlmeister" war er auch nicht.

M. ;)
 
Rokossowski

Da habe ich doch irgendetwas im Kopf
"zum Tode verurteilt" und ohne Rücknahme des Urteils auf Bewährung im bisherigen Dienstgrad wiederverwendet.

Oder erinnere ich mich falsch?
 
Rokossowski

Da habe ich doch irgendetwas im Kopf
"zum Tode verurteilt" und ohne Rücknahme des Urteils auf Bewährung im bisherigen Dienstgrad wiederverwendet.

Oder erinnere ich mich falsch?

Hättest du dich bequemt, mal bei Wiki nachzusehen, dann wüsstest du, dass er "nur lächerliche 10 Jahre Kuraufenthalt im Gulag" bekam.
 
Hättest du dich bequemt, mal bei Wiki nachzusehen, dann wüsstest du, dass er "nur lächerliche 10 Jahre Kuraufenthalt im Gulag" bekam.

Das habe ich schon gesehen, mein federntragender Freund.
Allerdings glaube ich die von mir angefragte "Version" bei LeTessier gelesen zu haben, dem ich mehr als Wiki vertraue.

Mal heute Abend schauen, ob ich mich richtig erinnere, oder ob ich in Deinen Klub eintrete.
 
Zurück
Oben