Die Säuberungen in der Roten Armme sind, platt gesagt, das Ergebnis der Konfrontation im Jahr 1920 zwischen Tuchatschewski (OB vor Warschau) und Stalin (Kommisar bei der 1. Kavallerie Armee).
Dieser Konflikt durchzog, latent, die zwanziger und dreißiger Jahre, Überlagert durch den Konflikt zwischen Tu. und Svetchin über die grundsätzliche Ausrichtung der Militärstrategie der SU. In dieser Zeit positionierte sich Tu. als harter, ideologisch geschulter Soldat der Partei.
Das Verhältnis zwischen Tu. und Stalin schien sich Anfang der dreißiger wieder einzurenken mit einer der seltenen Entschuldigungen von Stalin bei einem Offizier und dem Einschwenken von Stalin auf die massive Vorstellung einer durchgreifenden Militarisierung der sowjetischen Gesellschaft durch die Konzeption von Tu (Tiefenrüstung etc.) .
In den 30er Jahre bildeten sich im Prinzip zwei Fraktionen innerhalb der höchsten Ränge innerhalb der RKKA. Zum einen die hochkompetenten und innovativen Generäle, aus den unterschiedlichen Waffengattungen, um Tu. Kennzeichnend für ihre Situation war eine Karriere ohne die Patronage durch Stalin. Aus ihrem Kreis rekrutieren sich nahezu alle späteren Opfer der Säuberungen.
Das organisatorische Zentrum für dieses latente eigenständige Machtzentrum bildeten dabei die Akademien, auf die Tu. besonderen Wert gelegt hatte. Und der Anteil der "gepurgten" hohen Offiziere ist in diesem bereich auch besonders hoch (auf diesen Aspekt verweist explizit Grigorenkow). Es gibt aber auch in diesem Fall Beispiel, wie bei Triandafoilow, daß Offiziere gegen jede Wahrscheinlichkeit überlebt haben.
Im deutlichen Kontrast dazu stand die "Kavalerie Clique" wie Glantz sie nennt, gebildet aus dem Umfeld der 1. Kavallerie Armee. Der engere Kreis umfaßte Voroshilow, Budjenni und Timoshenkow, aber auch Offiziere wie Zhukow und auch Rokossowski.
Und an diesem Punkt sieht man den Mechanismus, den man an Kulik, Voroshilow oder Budjenni sehr gut illustrieren kann. Militärische Kompetenz oder ein "guter Charakter" waren absolut keine Eigenschaften, die Stalin für seine "Camarilla" als notwendig ansah.
Wenngleich, laut Dimitroff, er sich gerne über die dumme, ignorante und inkompetente Art seiner Umgebung beklagte, besser selbstbemitleidete.
Die persönliche Loyalität war für Stalin im Prinzip das entscheidende Kriterium, in Verbindung mit einer harten Art, die Vorgaben umzusetzen.
Und genau dieses Kriterium erfüllten die verbleibenden Generäle im Umkreis von Stalin.
Dabei sollte man nicht von der Vorstellung ausgehen, dass Stalin dumm und inkompetent als militärischer Führer war. Die veröffentlichten Dokumente der RKKA, in denen sie jede relevante Schlacht (Kursk etc.), teilweise sehr kritisch, für sich ausgewertet hat, spricht für einen durchaus vorhandenen kritischen Realismus. Ein Anfang bildete die Auswertung 1940 des finnischen Fiaskos durch Stalin und die beteiligten Generäle und sind für die meisten großen Schlachten auch publiziert worden (Glatz und andere).
Vor diesem Hintergrund wird Stalin ein durchaus differenziertes Bild seiner Generäle gehabt haben. Mißerfolg, wie nicht selten bei z.B. Zhukow (vgl. die Hinweise von Silesia), bildete durchaus kein Grund, ihn deswegen in der Gunst fallen zu lassen. Schon deswegen nicht, weil die Planung von A bis Z durch Stalin / STAVKA persönlich abgesegnet waren.
Nicht das Scheitern war relevant, sondern vor allem der Weg, der zum Scheitern geführt hatte. Zhukow scheiterte, obwohl er aus seiner und Stalin Sicht alles unternommen hatte erfolgreich zu sein. Und das war kein Versagen aus der Sicht von Stalin. Daß bei derartigen "genialen" Feldzugsplänen von Zhukow die höchsten Verluste der RKKA zu verzeichnen waren, stand auf einem ganz anderen, völlig irrelevanten Papier für Stalin.
Wenn dennoch "erfolglose" Generäle nach dem 22.06.1941 liquidiert wurden, waren es nicht selten "Bauernopfer", wie im Falle von Pavlow oder Opfer, die noch im Kontext der Säuberungen standen. Und ein Versagen im Felde als ein Akt der Sabotage der genialen Kriegsführung von Stalin interprtiert wurde.
Allerdings deutlich seltener wie noch zu den Zeiten der Säuberung.
In diesem Sinne hallte ich die Fragestellung für ein wenig schräg. Die Offiziere emanzipierten sich vielmehr im Kontext des Krieges und die Machtbalance verschob sich in der Folge des 22.06.41 wieder zugunsten der Militärs, nachdem Stalin und die politische Verwaltung der RKKA den Einfluß der Militärs deutlich reduziert hatten.
Nebenbei, auf einem Rückzug sind alle Generäle Versager!?
feif: