Was wussten die Generäle vor 1939

Na ich denke nicht, daß meine Gedanken vom Thema wegführen.
Und genau das wußten die Generäle, wußten Sie auch, das der Krieg der Anfang vom Ende sein wird?

Verstanden. Ich hatte das nur eng auf die Themen-Angabe 1939 bezogen.

Da müßten wir aber zunächst differenzieren, was unter Generalität zu verstehen ist. Gerade in den jüngeren Kreisen "funktionierte" man und kämpfte.

In der Generalität wurde aber auch befürchtet, dass ein Krieg gegen die Westmächte nur in die Niederlage führen kann. So ist der Widerstand während der Sudetenkrise zu verstehen. Ritter von Leeb (Heeresgruppe C im Westen) notierte in sein Tagebuch im September 1939, das der von Hitler herbeigeführte Krieg ein Verbrechen gegen das deutsche Volk sei. Nach dem Polenfeldzug - und im Westen passierte zunächst nichts - war wohl die Erwartung, dass es nun doch eine politische Lösung geben würde. Stattdessen drängte Hitler schon für den November 1939 auf die Eröffnung der Westoffensive. Der Widerstand gegen den Westfeldzug und auch der geplante Putsch für den November 1939 sind so erklärbar, dass die Kreise um Brauchitsch und Halder keine Perspektive sahen, nachdem die erwartete politische Lösung nach dem schnellen Polenfeldzug ausfiel.

Bereits der Frankreich- und der Norwegen-Feldzug waren dann Vabanque-Spiele Hitlers, im Erfolg nicht absehbar und von Zufälligkeiten begleitet.
 
Somit doch so eine Art von Gesetzmäßigkeit, das Hitlerdeutschland sich schon in der Niederlage befand, als der Krieg begann?
 
Nur die Gesetzmäßigkeit wurde durch den Frankreich-Feldzug auf den Kopf gestellt. :winke:

Und was war dann mit dem Stop der Truppen vor Dünkirchen? Man läßt die schon geschlagenen Briten entkommen, weil Hitler einen Machtkampf mit seinen Generälen gewinnen wollte?....Frei nach dem Motto: " Alles hört auf mein Kommando!"
Wieder so eine Selbstüberschätzung, die die Gesetzmäßigkeit der Niederlage unterstütz, oder?
 
Zuletzt bearbeitet:
Diese Rede war wohl einer der Gründe für den 1934 erfolgten Rücktritt von
General Hammerstein (Chef der Heeresleitung)

Die "Aufrüstungsrede".

Oder er wurde getreten?
Hammerstein war bekanntermaßen Gegner der NSDAP vor der Machtergreifung; da wird die Luft dünn geworden sein nach Einsetzung von Blomberg und Reichenau.
 
Hallo Helma,

was bedeutet "GröFaz"?

"Größter Feldherr aller Zeiten".

Lt. Wikipedia soll Generalfeldmarschall Keitel den "Führer" nach dem Einmarsch in die Benelux-Staaten mit folgenden Worten angeschleimt haben: "Mein Führer, Sie sind der größte Feldherr alle Zeiten".

Die Abkürzung "GröFaz" ist eine Verballhornung und macht sich anscheinend auch über den Hang der Nationalsozialisten, in der Alltagssprache möglichst zahlreiche Abkürzungen zu gebrauchen, lustig.

Ich kenne die mit zynischem Zungenschlag gebrauchte Bezeichnung "GröFaz" für Adolf Hitler oder "den Führer" schon aus meinen frühesten Kindertagen, sie hatte sich so wahrscheinlich schon vor 1945 "im Volk" verbreitet.

OT: Eine andere Bezeichnung, die mir von Kindesbeinen an geläufig ist, ist die "Reichswasserleiche" (für die schwedische Schauspielerin Kristina Söderbaum, die in "Jud Süß" und in einem anderen Film melodramatisch ins Wasser geht).
Als ich im Teenageralter der Dame mal unversehens begegnet bin - ich wohnte in einem Kaff, in dem nach dem Krieg ehemalige Nazi-Größen und -Ikonen aus und ein gingen - geriet ich sehr in Verlegenheit. Ich hätte sie, um mich wirklich höflich zu verhalten, in dieser Situatin mit "Frau Söderbaum" anreden müssen, aber der Name fiel mir nicht ein, ich hatte die "Reichswasserleiche" im Kopf und große Mühe, mir das Lachen zu verkneifen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Und was war dann mit dem Stop der Truppen vor Dünkirchen?
Wieder so eine Selbstüberschätzung, die die Gesetzmäßigkeit der Niederlage unterstütz, oder?

Dünkirchen würde ich nicht in die Reihe "Kriegswenden" einsortieren.
Nach Dünkirchen schied Frankreich aus dem Krieg, Großbritannien stand mit dem Commenwealth allein gegen Deutschland und Italien. Ob Großbritannien bei völligem Verlust des BEF um Waffenstillstand gebeten hätte, würde ich in Frage stellen. Warum auch? Die Verteidigung stützte sich ohnehin auf RAF und RN. U.a. gab es noch die Truppen der Verbündeten, südafrikanische, australische, kanadische und indische Divisionen, die so eben an andere Kriegsschauplätze geworfen werden konnten. Beispiel: die indischen Streitkräfte umfaßten im Zweiten Weltkrieg ca. 2,5 Mio. Mann.

Ausschließlich von den militärischen Potentialen betrachtet (wie man an den Entwicklungen 1941/Anfang 42 sieht), war zu diesem Zeitpunkt der Mittelmeerraum für Großbritannien nicht haltbar. Über die Konsequenzen kann man aber nur spekulieren, SKL und Jodl waren im Juli 1940 der Ansicht, dass durch den Einsturz der britischen Positionen in Ägypten, Malta und ggf. Gibraltar mit Auswirkungen in den Mittleren Osten und durch Konzentration auf den Zufuhrkrieg (damals lief das große U-Boot-Programm, um Dönitz 300 Frontboote zu verschaffen) der Friedensschluss erzwingbar sei .
 
Dünkirchen würde ich nicht in die Reihe "Kriegswenden" einsortieren.

Das ist ständig ein strittiger Punkt , welcher in Forendiskussionen heftig pro
und contra geht.
Einerseits ist völlig unstrittig, das die Wehrmacht das Potential besass , die
gesamte Truppenkonzentration um Dünkirchen zu überrennen - und zwar ,
ohne den Feldzug in Frankreich zu gefährden.

Pro wird gerechnet :
-Zerschlagung fast der gesamten verfügbaren Landstreitkräfte GB `s
ohne Aussicht auf zeitnahe Erholung oder Zuführung aus Übersee
-Ca. 200,000 Gefangene als Verhandlungsmasse/ Moralzerschlagung
-da die Briten die Evakuierung zuwege brachten , wäre eine rasche
Umkehrung = Invasionsaktion bei Einsatz aller verfügbaren Übersetzmittel
und Konzentration aller Deckungsstreitkräfte genauso möglich und
erfolgsversprechend gewesen
-Kurz: Hitler verspielte die Chance , GB rasch mit Landkrieg zu überziehen,
bzw. einen Frieden mit dem Faustpfand der Gefangenen auszuhandeln.
Dadurch war der Krieg gegen die SU von vornherein ohne gedeckten
Rücken und mit der ständigen Gefahr der Involvierung der USA zusätzlich
strategisch unverantwortbar gewesen.

Contra:
-Dünkirchen war unbeachtlich , da GB sich als Seemacht begriff und
auch bei Verlust dieser Landstreitkräfte den Kanal gegen Invasion absichern
und die Sperrung der Handelzufuhren aufrechterhalten konnte.
- Der Kriegseintritt der USA wäre zur Stützung GB s bereits früher erfolgt
- Der mit dem Angriff auf Polen 1939 eingeleitete Krieg war
mangels strategischer Ressourcen grundsätzlich nicht zu gewinnen

Ich gebe ja zu , das sich hier viele Feldherren finden - genauso , wie wir
Zehntausende Nationaltrainer an den Fernsehgeräten haben und auch ich
bin noch nie zu einer abschliessenden Einschätzung gekommen .
Sehr viel : hätte - wäre - wenn --falls .......

Haben geschätze Foristen hier abschliessende Meinungen oder gibt es
anderswo solche ? Ich würde gern davon hören.
Danke !
 
Was wollten die Generäle vor 1939?

Um mal wieder etwas ins Allgemeinere zu gehen:

Zunächst mal halte ich es für sinnvoll, die Generalität nicht nur als Erfüllungsgehilfin Hitlers zu sehen. Gerade in der Zeit der Absicherung der Macht war die Reichswehr durchaus noch ein eigenständiger Machtfaktor. Dass Hitler dies klar war und er zu weitreichenden Zugeständnissen an die Reichswehr bereit war, lässt sich etwa an der "Röhm-Affäre" ablesen.

Dann möchte ich darauf hinweisen, dass mit dem Gedanken an einen neuen Krieg wohl nicht erst seit der "Machtergreifung" gespielt wurde. Hierzu führt z. B. Hans-Ulrich Wehler folgendes aus:

"Der Ausgangspunkt für unser Thema muss ganz unstreitig 1918 sein. [...] Bis weit in das demokratische und liberale Lager hinein zog [...] eine große Mehrheit den historisch vertrauten Schluss, bei der ersten passenden Gelegenheit den nächsten Krieg zu führen, um die Ergebnisse des Weltkriegs zu korrigieren." Hier der gesamte Text: Rede Professor Wehler anlässlich der Eröffnung der Wehrmachtausstellung
 
Um mal wieder etwas ins Allgemeinere zu gehen:

Zunächst mal halte ich es für sinnvoll, die Generalität nicht nur als Erfüllungsgehilfin Hitlers zu sehen. Gerade in der Zeit der Absicherung der Macht war die Reichswehr durchaus noch ein eigenständiger Machtfaktor. Dass Hitler dies klar war und er zu weitreichenden Zugeständnissen an die Reichswehr bereit war, lässt sich etwa an der "Röhm-Affäre" ablesen.

Dann möchte ich darauf hinweisen, dass mit dem Gedanken an einen neuen Krieg wohl nicht erst seit der "Machtergreifung" gespielt wurde.

Richtig, sonst hätte man die NSDAP von Seiten der Wirtschaft und Hochfinanz auch nicht seit Mitte der 20er Jahre politisch und finanziell gefördert und protegiert.
 
Bei allem Respekt vor Herrn Wehler (der hinsichtlich der Reichswehr imho auch sicher nicht der kompetenteste Vertreter ist) gibt es weder "die Reichswehr" noch "die Industrie", nicht einmal die "Großindustrie" in der Weimarer Republik, sondern Vertreter und Richtungen innerhalb derselben. Dazu kommt der Umstand, dass 1919 nicht mit 1923, 1928 oder 1932 vergleichbar ist, innerhalb dieser genannten "Gruppen".

Ein Beispiel: die Vorkriegsplanungen der Reichswehr für 100 Divsionen, und die Verbindung zu den wellenartigen auftretenden "Polenkrieg-Hysterien". Aufrüstungen hin oder her, ebenso Vertragsbrüche Versailles, das hier:

"bei der ersten passenden Gelegenheit den nächsten Krieg zu führen, um die Ergebnisse des Weltkriegs zu korrigieren."

nehme ich wörtlich und halte ich für blanken Unsinn oder Kasinogespräch im fortgeschrittenen Zustand, wenn man die tatsächlichen Planungen, durchgeführten Planspiele und kalkulierten Szenarien bei Reichsheer und Reichsmarine in den 10 Jahren 1923-1932 betrachtet. Einig war sie sicher in dem Punkt, dem Deutschen Reich ein - nach gängigen Vorstellungen für eine "Großmacht" - passende Militärgröße zu verschaffen. Dass der Wehler-Gedanke Unsinn ist, läßt sich schon an der Tatsache belegen, dass ein Krieg im Westen zu keinem Zeitpunkt ein Szenario gewesen ist, man also ohnehin die Reichswehrziele auf den Osten beschränken müßte (wobei Frankreichs Eingreifen bei einem Polenkrieg immer mit kalkuliert worden ist). Die Überlegungen der Reichswehr hatten dabei aus der defensiven Lage heraus auch eine dicke Portion Hilflosigkeit. Wen wundert die Antwort der Militärs darauf? Aufrüstung!

Richtig ist, dass Hitlers Politik dann auf fertige Aufrüstungspläne in den Schubläden der Reichswehr traf.
Richtig ist auch, dass man sich mit "Westszenarien" in Folge eines Polenkrieges beschäftigte, bis hin zu Operationsplänen Skandinavien 1928. Mit einem Revisionskrieg im Westen hatte das nun überhaupt nichts zu tun.
 
Bei allem Respekt vor Herrn Wehler (der hinsichtlich der Reichswehr imho auch sicher nicht der kompetenteste Vertreter ist) gibt es weder "die Reichswehr" noch "die Industrie", nicht einmal die "Großindustrie" in der Weimarer Republik, sondern Vertreter und Richtungen innerhalb derselben. Dazu kommt der Umstand, dass 1919 nicht mit 1923, 1928 oder 1932 vergleichbar ist, innerhalb dieser genannten "Gruppen".

Ein Beispiel: die Vorkriegsplanungen der Reichswehr für 100 Divsionen, und die Verbindung zu den wellenartigen auftretenden "Polenkrieg-Hysterien". Aufrüstungen hin oder her, ebenso Vertragsbrüche Versailles, das hier:

"bei der ersten passenden Gelegenheit den nächsten Krieg zu führen, um die Ergebnisse des Weltkriegs zu korrigieren."

nehme ich wörtlich und halte ich für blanken Unsinn oder Kasinogespräch im fortgeschrittenen Zustand, wenn man die tatsächlichen Planungen, durchgeführten Planspiele und kalkulierten Szenarien bei Reichsheer und Reichsmarine in den 10 Jahren 1923-1932 betrachtet. Einig war sie sicher in dem Punkt, dem Deutschen Reich ein - nach gängigen Vorstellungen für eine "Großmacht" - passende Militärgröße zu verschaffen. Dass der Wehler-Gedanke Unsinn ist, läßt sich schon an der Tatsache belegen, dass ein Krieg im Westen zu keinem Zeitpunkt ein Szenario gewesen ist, man also ohnehin die Reichswehrziele auf den Osten beschränken müßte (wobei Frankreichs Eingreifen bei einem Polenkrieg immer mit kalkuliert worden ist).
Also ich finde die Wehler-Rede ok. Wehler will seinen Zuhörern mit seinen Ausführungen über die Reichswehr - wie er selbst sagt - das mentale Gepäck aus den Erfahrungen der vorhergehenden Jahre vermitteln:

"Wir müssen zuerst einmal das mentale Gepäck aus den Erfahrungen der vorhergehenden Jahre kennen lernen, um das Verhalten seit 1939 begreifen zu können. Denn die Köpfe waren voller Erinnerungen und Hoffnungen, voller Ressentiments und Hassgefühle, längst ehe der neue Weltkrieg begann. Diese Mentalität müssen wir kennen. Allein das moralische Urteil über die Exzesse des Krieges fällt ja außerordentlich leicht, zumal für jene von uns, die nur die lange europäische Friedensepoche seit 1945 kennen."

Und die Mentalität der Reichswehrangehörigen zielte auf die Revision des Versailler Vertrages und zwar durchaus mit militärischen Mitteln, da man der Diplomatie ohnehin misstraute bzw. nicht viel zutraute. Wenn Frankreichs Eingreifen miteinkalkuliert wurde, wurde doch auch der Krieg im Westen miteinkalkuliert, oder?
 
Und die Mentalität der Reichswehrangehörigen zielte auf die Revision des Versailler Vertrages und zwar durchaus mit militärischen Mitteln, da man der Diplomatie ohnehin misstraute bzw. nicht viel zutraute. Wenn Frankreichs Eingreifen miteinkalkuliert wurde, wurde doch auch der Krieg im Westen miteinkalkuliert, oder?

Das stellt die Dinge doch auf den Kopf, insbesondere nach Locarno, ein Beispiel:
1931/32 war Gegenstand der Reichswehr-Planungen ein polnischer Angriff auf Ostpreußen, zur Regelung der Korridor-Frage und zur Besetzung von Danzig. Hintergrund der Befürchtungen waren die ständigen Spannungen mit Polen. Wie auch zuvor, wurde bei einer dt.-poln. Konfrontation das Eingreifen Frankreichs befürchtet (so die Szenarien seit 1925, inkl. Panzerkreuzer A).

Planungen der Reichswehr, eine Weimarer Regierung würde die Besetzung der verlorenen Ostgebiete anordnen, und in Folge dessen würde ein dt.-frz. Konflikt entstehen, wären zu belegen ... :fs:

Der Krieg "im Osten" und gleichzeitig im Westen (gegen Frankreich) wurde vielmehr bis 1938 als Harakiri angesehen, siehe "Fall Grün" und Widerstand dagegen.
 
Das stellt die Dinge doch auf den Kopf, insbesondere nach Locarno,

Der Krieg "im Osten" und gleichzeitig im Westen (gegen Frankreich) wurde vielmehr bis 1938 als Harakiri angesehen, siehe "Fall Grün" und Widerstand dagegen.

Daskann man nur unterstreichen.

Locarno wurde von den Militärs ohne Vorbehalt mitgetragen, ein "Ost-Locarno" konsequent abgelehnt.
Der "Nichtangriffs-Pakt" mit Polen dagegen hat Hitler erhebliches Erklärungspotential abgefordert.
 
Ich zitiere mal General Seeckt (Chef der Heeresleitung) 1922:

„Mit Polen kommen wir nun zum Kern des Ost*problems. Polens Existenz ist unerträglich, unvereinbar mit den Lebensbedingungen Deutschlands. Es muß verschwinden und wird verschwinden ...
Gewiß besteht im deutschen Volk weitgehendes und erklärliches Friedensbedürfnis. Am klarsten wird das Für und Wider des Krieges in militärischen Köpfen abgewogen werden, aber Politik trei*ben, heißt führen. Dem Führer wird trotz allem das deutsche Volk in dem Kampf um seine Existenz folgen. Diesen Kampf vorzubereiten, ist die Aufgaben; denn erspart wird er uns nicht.
Kommt es zu kriegerischen Verwicklungen - und sie erscheinen heute schon greifbar nah - , dann wird es nicht Aufgabe der leitenden Staatsmänner bei uns sein, Deutschland aus dem Konflikt herauszuhalten - das wird vergeblich oder Selbstmord sein - , sondern so stark wie möglich auf die richtige Seite zu treten.“
 
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