Dann muß ich mich doch noch einmal einmischen, obwohl ich eigentlich längst schlafen und nicht in Büchern über Personen lesen sollte, welche bereits seit über 1000 Jahren tot sind...
... nach karls tod, als es mit den karolingern begann bergab zu gehen (ludwig der fromme) schrieb einhard eine euphorische biographie über die karolinger und liess die merowinger dabei extrem alt aus sehen.
Bei mir kam da der verdacht auf, dass er die krönung karls als eine steigerung der macht sieht und auch als indiz dass die karolinger zum herrschen bestimmt waren...
Hier überschätzt Du aber einige Dinge...
Natürlich war Einhard als Chronist der Karolinger alles andere als objektiv, doch ist solche Subjektivität bei den Chronisten des Mittelalters nichts Außergewöhnliches, sondern der Normalfall.
Anm.: Der spätere Kreuzzugschronist Foucher de Chartres ist da eher eine Ausnahme...
Davon ausgehend ist es demnach nichts Besonderes, daß er die Merowinger, als deren machtpolitische Rivalen die Karolinger einst aufgestiegen waren, wenig wohlwollend bedenkt, während er andererseits logischerweise auch darauf bedacht ist, der Karolingerherrschaft mehr Legitimität zu verleihen als der Merowingerherrschaft.
... immerhin hatten die merowinger nie einen kaiser....
Für die Merowinger gilt das, was Papa_Leo schon über Karls Vorgänger herausgestellt hatte, in noch stärkerem Maße:
Karls Vorgänger verfügte auch noch nicht über Karls Machtstellung ...
Es gibt Anzeichen, dass Karl wenigstens mit dem Ablauf der Krönung nicht einverstanden und zumindest davon überrascht war (dann könnte man den von Einhardt zitierten Satz, Karl wäre nicht in die Kirche gegangen, wenn er gewusst hätte, was geschehen würde, in dieser Richtung interpretieren). Denn zu leicht konnte man nun die Kaiserwürde als "Geschenk" des Papstes sehen (wurde dann ja z.T. auch so interpretiert).
Karl stieß sich genaugenommen wirklich "nur" am Ablauf Zeremonie...
Nach römischem Vorbild wurde in Byzanz der kaiserliche Herrscher zuerst von Heer, Senat und Volk durch Zuruf erhoben, bevor ihn der Patriarch in der Hagia Sophia krönte. Abgesehen davon, daß der Patriarch von Konstantinopel durch den Papst und die Hagia Sophia durch St. Peter in Rom zu ersetzen waren, hatte sich Karl wohl seine Krönung nach ebendiesem zeremoniellen Ablauf gewünscht - und so soll auch die Vereinbarung gewesen sein. Also Krönung nach Anerkennung der Kaiserwürde durch das Volk...
Tatsächlich aber setzte ihm der Papst bereits zu Beginn der Meßfeier die Krone aufs Haupt und dazu erfolgte der jubelnde Zuruf des Volkes. Also Anerkennung der Kaiserwürde erst nach erfolgter Krönung, die nun folglich in der Tat so erschien, als habe der Papst den Kaiser gemacht...
Im Jahr 751 wurde Pippin zum ersten König der Karolinger gekrönt. Ich habe mich oft gefragt, ob die Krönung Karls zum Kaiser nicht eine überhöhte Wiederholung dieses Aktes war.
Nein, Karl saß als König recht fest im Sattel und hatte zuvor bereits einen eigenen sog. Kaiserplan, der in seiner Umgebung allmählich gereift war und den der Papst seinerseits freilich kannte...
Karl war es gelungen, bis 799 ein Reichsterritorium herzustellen, welches einen großen Teil des früheren weströmischen Reiches umfaßte und z.T. sogar darüber hinausreichte.
Die früheren Reichsgebiete in Afrika waren zwar ebenso in islamischer Hand wie auch der überwiegende Teil der Iberischen Halbinsel, doch hatte Karl seinen Anspruch durch die Errichtung der Spanischen Mark manifestiert.
Britannien gehörte auch nicht zum Reich, doch hatte sich Karl die Könige dort freundschaftlich geneigt gemacht.
Die frühere römische Provinz Pannonien hatte er durch die Unterwerfung der Awaren und Kärntner Slawen gewonnen, und in Dalmatien hatte Karl zumindest seinen Einfluß geltend gemacht.
Daneben hatte er das Reichsgebiet ins Rechtsrheinische ausgedehnt, nämlich in das zu römischer Zeit freie Germanien.
Darüberhinaus war Karl vor seiner Romreise und Kaiserkrönung bereits Patrizius (Schutzherr) von Rom und wurde auch als solcher behandelt. Lediglich Übernachtung war ihm in Rom nicht gestattet, weil dies gleichbedeutend damit gewesen wäre, daß ihm die Stadt auch gehörte, was jedoch nach einer (gefälschten) Schenkungslegitimation (vgl. Konstantinische Schenkung) explizit dem Papst zugestanden worden war.
Alle Ausführungen nach
Andreas Kalckhoff "Karl der Große - Profile eines Herrschers" - Piper, München/Zürich 1990.