Archäologie ohne Geschichtsschreibung?

Pope

Aktives Mitglied
Hallo Freunde ;)

Mir geht gerade durch den Kopf, wie wir unsere Geschichte wohl in Schulbüchern dargestellt sehen würden, wenn es keinerlei entzifferbare Schriftstücke aus der Zeit vor dem 20. Jahrhundert gäbe.

Am einfachsten stelle man sich ein außerirdisches Archäologenteam vor, welches keine Ahnung von der Menschheitsgeschichte hat, und mit den Techniken und der Mentalität des späten 20. Jahrhunderts die Zeit von 500 v.Chr bis 1900 n.Chr. alleine an Fundzusammenhängen und unter Zuhilfenahme von Geologen, Biologen, Metallurgen, usw. zu rekonstruieren versucht.

Einige Beispiel:

Würde den Archäologen Frankreich im Jahr 1789 ins Auge springen? Würde man die Bedeutung der Ereignisse des Jahres für die weitere Entwicklung Europas erkennen oder wäre es lediglich eine Randnotiz?

Wie sähe man die Ausbreitung der mit Kreuzmotiven bestückten Tempel und Schreine in alle Welt? Würde man auf eine Friedensreligion schließen? Würde man eine Kultur- und Sprachgemeinschaft der "Völker des Kreuzes" vermuten?

Wäre die Phase des Hellenismus "herausragend", oder einfach ein Kapitel in der Sukzession Sumerer -> Akkader -> Assyrer -> Perser -> Griechen. Würde man der attischen Demokratie ihren demokratischen Charakter überhaupt ansehen? Dass sich die Sprache Griechenlands in vielen Schriftstücken bis 500 n.Chr. und später wiederfindet, ließe auf eine besondere kulturelle Ausstrahlung schließen. Aber das Sumerische z.B. hielt sich im Kultwesen auch über Jahrtausende.

----

Was soll das Ganze? Nun, ich erhoffe mir einen schärferen, objektiveren Blick auf die Frühgeschichte. In unserem Geschichtsverständnis treten Schriftkulturen ungemein stärker ins Rampenlicht - insbesondere jene, deren Sprache wir heute noch 1:1 verstehen können und deren Geschichte wir zu unserer eigenen verinnerlicht haben. Wir sind ständig dazu verleitet, einen griechischen oder römischen Chronisten als Zeitzeugen anzubringen, während die "Gegenseite" stumm bleibt. Wir nehmen gefühlsmäßig Partei für diejenigen, die wir besser "verstehen".

Würden wir nur die archäologische Situationsbeschreibung haben, sähen wir sicherlich die Geschichte mit anderen Augen. Das ist jedenfalls meine These.

Wenn man dieser These zustimmen mag, stellt sich die Frage, inwiefern wir Fundinterpretationen bei "sympathischen" Schriftkulturen verzerren, um unsere subjektive Erwartungshaltung zu befriedigen, inwiefern wir bei schriftlosen Kulturen eine vergleichbaren Fundlage zu einer objektiv anderen Schlussfolgerung kämen.

Die alttestamentarische Archäologie ist vielleicht das beste Beispiel, denn sie "leidet" unter dem ständigen Druck, den archäologischen Befund der "Geschichte" unterordnen zu müssen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mach dir doch das Leben nicht gar so schwer. Solche Fragen muss man mit Bauernschläue beantworten.
Zu "Was wäre wenn," fällt mir eine ganze Menge ein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ganz interessantes, wenngleich hochspekulatives Thema. Ein bißchen weiß man ja wie es läuft, wenn keine schriftlichen Quellen da sind - aus der Prähistorie, aber zum Beispiel auch aus Afrika, wo die schriftliche Überlieferung sehr viel später einsetzt. Leider habe ich noch nie eine der Arbeiten über die dortige "oral history" gelesen, die ja - so zumindest ein Allgemeinplatz - wenigsten branchenintern für etwas Aufsehen sorgen.

Würde den Archäologen Frankreich im Jahr 1789 ins Auge springen? Würde man die Bedeutung der Ereignisse des Jahres für die weitere Entwicklung Europas erkennen oder wäre es lediglich eine Randnotiz?

Es wäre natürlich schwierig, einzelne bedeutsame Ereignisse festzustellen. Vielleicht hätte man die geschleifte Bastille gefunden und möglicherweise auch Anzeichen für die "lévee en masse" (weil es ja mehr militärische Einrichtungen bzw. Waffen gab). Vielleicht hätte man eher daran gedacht, dass Frankreich aus unbestimmten Gründen eine aggressivere Gesellschaft geworden ist. Den Archäologen wäre sicher viele Folgen der Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Zeit nicht verborgen geblieben - die Industrialisierung, die Verstädterung, die Erstarkung des Bürgertums.


Wie sähe man die Ausbreitung der mit Kreuzmotiven bestückten Tempel und Schreine in alle Welt? Würde man auf eine Friedensreligion schließen? Würde man eine Kultur- und Sprachgemeinschaft der "Völker des Kreuzes" vermuten?

Letzteres - vermutlich ja (tatsächlich war und ist es ja irgendwie auch eine Kulturgemeinschaft). Meiner Meinung nach würde man auch feststellen, dass es eine Priesterkaste gab. Für Erstaunen hätte der radikale religiöse Wandel gesorgt, der einheitlich die verschiedenen Religionsräume erfasste, und auch das Fakt, dass die religiösen Bauten zeitweise dei größten und prunkvollsten waren und es keine vergleichbaren öffentlichen Bauten gab.


Wäre die Phase des Hellenismus "herausragend", oder einfach ein Kapitel in der Sukzession Sumerer -> Akkader -> Assyrer -> Perser -> Griechen.

Das schon, weil es auch künstlerisch eine sehr produktive Epoche war.

Würde man der attischen Demokratie ihren demokratischen Charakter überhaupt ansehen? Dass sich die Sprache Griechenlands in vielen Schriftstücken bis 500 n.Chr. und später wiederfindet, ließe auf eine besondere kulturelle Ausstrahlung schließen.

Dann wären aber wieder Schriftquellen da. Und die lassen sich meist ja doch irgendwie entziffern. Witzig finde ich an diesen Gedankenspielen, dass ja doch eine gewisse Kongruenz zwischen Archäologie und Geschichtsschreibung da ist (wie auch zu dem eben angeführten Beispiel der Christianisierung). Die Griechen hatten ja tatsächlich diese kulturelle Ausstrahlung - auch wenn nicht so viele schriftliche Überlieferungen übrig geblieben wären, ließe sich das wohl noch so feststellen.

Würden wir nur die archäologische Situationsbeschreibung haben, sähen wir sicherlich die Geschichte mit anderen Augen. Das ist jedenfalls meine These.

Teils, teils. Mit archäologischen Befunden lässt sich eine bestimmte Grenze nicht überschreiten. Und jenseits dieser Grenze sind - lassen wir die Inschriften mal beiseite - alle sprachlichen menschlichen Äußerungen verortet, die ja zumindest über die geistigen Einstellungen mehr aussagen als die materielle Kultur. Zu diesem Themenkomplex ein Zitat von Helmut Roth, dass auf die Unterscheidbarkeit der Franken und Alemannen bezogen ist, aber auch über die Problematik der Grenzen archäologischer Forschung viel aussagt:

Die Einheitlichkeit der materiellen Kultur bei beiden Stämmen ist soweit fortgeschritten, dass es schwer fällt, zwischen Fränkischem und Alamannischem im archäologisch fassbaren Kulturbereich zu unterscheiden. Die wirklichen und offensichtlichen Unterschiede, die jedem Menschen im frühen Mittelalter sofort kenntlich waren, haben sich vielmehr in der Sprache, im Dialekt, in der Haartracht, in der Kleidung und im Brauchtum niedergeschlagen, Dinge, die sich der Archäologie wie auch der Geschichtsforschung weitgehend entziehen.“http://www.geschichtsforum.de/#_ftn1
 
Was soll das Ganze? Nun, ich erhoffe mir einen schärferen, objektiveren Blick auf die Frühgeschichte. In unserem Geschichtsverständnis treten Schriftkulturen ungemein stärker ins Rampenlicht - insbesondere jene, deren Sprache wir heute noch 1:1 verstehen können und deren Geschichte wir zu unserer eigenen verinnerlicht haben. Wir sind ständig dazu verleitet, einen griechischen oder römischen Chronisten als Zeitzeugen anzubringen, während die "Gegenseite" stumm bleibt. Wir nehmen gefühlsmäßig Partei für diejenigen, die wir besser "verstehen".

Sehr richtig; wobei sich in der letzten Zeit deutlich das Gewicht hin zu den "Stummen" der Geschichte verlagert. Der Keltenmythos erlebt größere Begeisterungsstürme als die Keltenwissenschaft, die Karthager haben eine Menge Apologeten gefunden, die alles grausame und schreckliche wegzuerklären versuchen (dabei hat jede Kultur solche Aspekte). Will sagen: wo keine textliche Überlieferung stattfindet, wird gerne hereinphantasiert und hereingemogelt (wurde schon immer, siehe die "Hermannsbegeisterung" in der Germanenkunde zw. 1850-1945). In den Interpretationen der "stummen" Kulturen spiegelt sich also immer das Gerede und der tagesaktuelle Schwatz der Jetztzeitkulturen.
 
Letztenendes bleibt es doch eine Frage der Wissenschaftlichkeit im Umgang mit Quellen, seien es jetzt archäologische, epigraphische oder literarische. Dass jede Quellengattung für sich nur begrenzte Aussagekraft besitzt, liegt auf der Hand.
 
Danke soweit für Eure Einschätzungen.

@ Flo: Es geht um mehr, als "Was wäre wenn?". Wieso gibt es einen "Schatz des Priamos"? Was ist das Besondere an "Troja"?

Ohne Homer wäre Troja nur eine spätbronzezeitliche Siedlung, wie viele andere auch. Und obwohl wir nichteinmal wissen, wer dort lebte, wie sich die Menschen und ihre Stadt nannten (geschweige denn von ihnen in irgendeiner Form erfahren, ob, wie und warum sie Krieg gegen Mykene führten), kennt jedes Kind ihr Schicksal.
 
Letztenendes bleibt es doch eine Frage der Wissenschaftlichkeit im Umgang mit Quellen, seien es jetzt archäologische, epigraphische oder literarische. Dass jede Quellengattung für sich nur begrenzte Aussagekraft besitzt, liegt auf der Hand.

Natürlich. Aber taugt Caesars Bericht vom Bello Gallico zur Beschreibung der Gallier? Würden sich nicht viele Widersprüche (siehe Germanen-Kelten-Problem oder Ashigarus Alemannen-Franken oder die ewige Varus-Schlacht) dadurch auflösen, dass wir diese Quellen einfach weglassen.

Darf, soll, muss oder kann man als seriöser Wissenschaftler Julius Caesar als alleinige Autorität zur Ethnographie Galliens heranziehen? Wieviel von dem, was aus dem Bello Gallico Einzug in unsere Geschichtsbücher gefunden hat, ist auf weitere Quellen gestützt?

Glauben wir gerne denjenigen, die wir sympathisch finden (Römer und Griechen sind ja seit jeher die Helden Europas) und die wir solange als glaubwürdig erachten, bis wir ihnen das Gegenteil nachweisen können?

Ist das nicht ein unkalkulierbares Risiko?
 
aquilifer schrieb:
Letztenendes bleibt es doch eine Frage der Wissenschaftlichkeit im Umgang mit Quellen, seien es jetzt archäologische, epigraphische oder literarische. Dass jede Quellengattung für sich nur begrenzte Aussagekraft besitzt, liegt auf der Hand.


aquilifer hat schon damit recht, dass jede herangehensweise ihe grenzen hat, darum arbeiten auch alle zusammen um das beste "bild" oder ergebnis zu erbringen.
 
Natürlich. Aber taugt Caesars Bericht vom Bello Gallico zur Beschreibung der Gallier? Würden sich nicht viele Widersprüche (siehe Germanen-Kelten-Problem oder Ashigarus Alemannen-Franken oder die ewige Varus-Schlacht) dadurch auflösen, dass wir diese Quellen einfach weglassen.

Um welchen Preis? Vielmehr könnte man doch die Quelle anhand anderer Quellen bzw. Quellengattungen überprüfen, die zuvor wissenschaftlich objektiv ausgewertet wurden, d.h. ohne zuvor bereits Zirkelschlüsse zu ziehen. ;)

Glauben wir gerne denjenigen, die wir sympathisch finden (Römer und Griechen sind ja seit jeher die Helden Europas) und die wir solange als glaubwürdig erachten, bis wir ihnen das Gegenteil nachweisen können?

Glaubhaft ist hoffentlich nicht der Sympatische, sondern derjenige, der der Quellenkritik standhält.
 
Natürlich. Aber taugt Caesars Bericht vom Bello Gallico zur Beschreibung der Gallier? Würden sich nicht viele Widersprüche (siehe Germanen-Kelten-Problem oder Ashigarus Alemannen-Franken oder die ewige Varus-Schlacht) dadurch auflösen, dass wir diese Quellen einfach weglassen.
Interessant ist, dass dies andersherum - da komm ich wieder zur Frühmittelalter-Forschung - geschieht. Hier sind mir mehrere Arbeiten untergekommen, in der Historiker die archäologische Forschung zu dieser Zeit bewußt vollkommen außer Acht lassen, weil sie in diesem Fall die Funde nicht für geeignet halten, um sie mit der - eher spärlichen - Quellenlage abzugleichen.

Nun aber zu Caesar bzw. den anderen antiken Quellen. Zuerst mal folgendes angenommen: Man hätte den Bericht Caesars ja theoretisch auch als archäologischen Fund bergen können (ist zwar ziemlich unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich). So scheint mir der Gegensatz weniger zwischen Archäologie-Geschichtswissenschaften zu liegen, sondern zwischen schriftlicher Überlieferung und materieller Kultur - bildet erstere reale Zustände ab, die durch letztere belegt werden können. (P.S: damit revidiere ich in gewisser Weise mein letztes Posting). Eine Antwort darauf fällt mir schwer - daher vielleicht zwei Überlegungen, die die Problematiken aufzeigen:

- Die antiken Quellen nennen ca. 100 bis 150 verschiedene Germanenstämme - dennoch ist es vom 1. - 4. Jhdt. bisher unmöglich gewesen, einen einzelnen dieser Stämme mit einer spezifischen, unverwechselbaren materiellen Kultur in Verbindung zu bringen. Hatten die römischen und griechischen Autoren deshalb Unrecht, wenn sie versuchten, die Stämme abzugrenzen und zu lokalisieren?

- Andersherum: die Annalen des 7./8. Jahrhundert berichten fast ausschließlich über Kriegszüge und die Taten der Männer der Oberschicht des karolingischen Reiches - dagegen kommen Frauen selten, das einfache Volk oder Schilderungen des Alltagslebens überhaupt nicht vor. Soll die Geschichtsschreibung sich mit dieser selektiven Darstellung einer Gesellschaft begnügen, weil keine anderen schriftlichen Quellen vorliegen?


P.S.: dies soll nicht in eine neue Germanendiskussion münden, aber hier fallen mir besonders viele Beispiele ein, die in die Diskussion passen, zudem ist es gerade hier schwierig, Geschichtsschreibung und Archäologie miteinander zu verbinden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich glaube, wir sind jetzt schon etwas vom Hölzchen aufs Stöckchen gekommen - durch die verführerischen Aspekte beispielhafter Nennungen, z. B. das "Was wäre wenn" der christlichen Symbolik und die Verschwommenheit einzelner Germanenstämme.
Wir können nicht aus unserer Haut. Nicht nur die "stummen" Kulturen, auch die beredten und schwatzhaften können nur mit den Augen wahrgenommen werden, die wir haben - weshalb wir heute Gender studies im alten Rom betreiben und die Lebenswelten versklavter Stämme betrachten, während sich unsere Großväter nur um die Lorbeeren bestimmter Kriegshelden drängelten. Für den Verfasser der "Schedelschen Weltchronik" war eindeutig klar, dass sich alle Entwicklungsstufen der Menschheit nur auf das erste und bald folgende zweite Kommen des Messias beziehen. Für eine aus unserer Zeit kommende Generation könnte das, betrachtet man evangelikale Kirchen nicht nur der USA, wieder der Fall sein.
Und trotzdem, man kann schon vieles aus den Funden herauslesen, auch wenn sie "stumm" sind ... die Blicke sind durch vergleichende Studien und Charakterisierungen so geschärft, dass man z. B. das Grabmal des L. Poblicius als das Werk einer "romanisierten" lokalen Werkstatt ansehen kann, oder den "Jüngling von Mozia" als eindeutig griechische Arbeit trotz phönikischem Fundort, Umfeld und vermutlich auch Kleidung. Vielleicht entdecken wir eines Tages Werke in Italien, die auf die Studienjahre des Kölner Bildhauers schließen lassen, und können anhand dessen seinen Lebensweg einschätzen; vielleicht finden wir das passende "Originalumfeld" des "Jünglings" und lernen etwas über dessen Symbolik und Funktion. Aber so ist das halt: nur Funde ergänzen die "stummen" Funde, und nur Ergänzungen bringen sie zusammen - deshalb auch die stetige Gefahr der Überinterpretation durch allzu Schlußfolgerungsfreudige (wie mich).
 
Würde man der attischen Demokratie ihren demokratischen Charakter überhaupt ansehen?

Naja, vielleicht würde man die archäologischen Überreste des Ostrakismus in Athen auch mit denen des Monte Testaccio in Rom gleichsetzen... :rofl:

Edit: der Lachsmilie wg. der genau umgekehrten Assoziation.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Befangenheit des Mittelalters oder 18. und 19. Jahrhunderts, bestimmten Autoren stets Glauben zu schenken, haben die Historiker sicherlich abgelegt.

Aber trotzdem schreiben Europäer die Geschichte Afrikas, die Geschichte der Indianer oder der Polynesier. Und als Quellen dienen hauptsächlich europäische Berichte. Stanley u.v.a wird als Entdecker bezeichnet, während die Landstriche, die er Entdeckte seit Jahrtausenden bewohnt wurden. Alleine schon diese Bezeichnung zeigt uns, dass wir unsere Kulturschicht nicht ablegen können. Die Suche nach den Quellen des Nils oder nach dem sagenhaften El Dorado sind europäische Geschichten, die ein afrikanischer oder amerikanischer Chronist wohl mit Kopfschütteln niedergeschrieben hätte. Die Nilquellen und El Dorado sind ein Stück europäische Mythologie, deren Begeisterung man ausserhalb Europas wohl nicht verstanden hätte.

Und die europäischen Führer einer Karawane von Trägern, die sich jahrelang durch den Urwald quält um eine Stadt oder ein Wasserloch zu finden, wären jedem Einheimischen bestenfalls als Verirrte, eher wohl als Irre, aufgefallen sein.

Leider fehlen uns diese Berichte. Wir könnten daraus lernen, meine ich.
 
Mir geht es um den Focus von archäologischer Forschung und inwieweit das Erwartete im Boden gesucht wird.
Ich hänge meine Fragen an diesen guten Thread weil es im weitesten Sinn zum Thema paßt.

Heute nacht wurde die Doku "Odyssee des Menschen" von 2001 zum x.ten Mal wiederholt. Ich habe allerdings die drei Teile hintereinander zum 1. Mal gesehen. Vielleicht ist es mir deshalb aufgefallen.

Nun vereinfachen solche Fernseh-Docus medienbedingt und stellen meist nur Ausschnitte eines viel breiteren Wissenschaftsfeld dar, dadurch beeinflussen sie aber auch das Geschichtsbild von Laien wie mir.

Es ging, kurz gesagt, um die Hominiden und ihre Ausbreitungswege über die Erde.
Man sah Archäologen beim Erdepinseln und Schädelvergleichen und erklärende Sätze zu neuen Methoden sprechen.

In Afrika (1.Teil) wurde der ostafrikanische Grabenbruch nach freien vielversprechneden Grabungsstellen für den Superfund zum noch älteren "echten" Hominiden durchwühlt.
Um Mißverständnissen vorzubeugen, ich verstehe die Neugierde sehr gut. Nur könnte sich daraus für Afrika ein etwas schräges Bild im Unterbewußtsein der Laien verankern, wenn man Afrika immer nur als "Wiege der Menschheit" apostrophiert und die Geschichte danach scheinbar keinen interessiert. Jedenfalls liest und hört man fast nichts über Ausgrabungen zur jüngeren Geschichte.

Im 2. Teil ging es dann um den Pekingmenschen, da gab es in den 30er Jahren eine berühmte Grabungskampagne, die beweisen sollte, dass in Asien eine eigenständige Entwicklung zum sapien stattgefunden hat, der erectus also nicht ausgestorben ist.

Den 3. Teil Amerika und den Clovis-Streit muß ich nicht näher ausführen.

Beeinflusst dieser Focus des Interesses nun nur die Laien oder, und das ist meine Sorge, werden die Schwerpunkte der Archäologie abhängig vom Zeitgeist gesetzt und ist dadurch der wissenschaftliche Grundsatz von der unvoreingenommenen Forschung gefährdet?
 
In Afrika (1.Teil) wurde der ostafrikanische Grabenbruch nach freien vielversprechneden Grabungsstellen für den Superfund zum noch älteren "echten" Hominiden durchwühlt.
Um Mißverständnissen vorzubeugen, ich verstehe die Neugierde sehr gut. Nur könnte sich daraus für Afrika ein etwas schräges Bild im Unterbewußtsein der Laien verankern, wenn man Afrika immer nur als "Wiege der Menschheit" apostrophiert und die Geschichte danach scheinbar keinen interessiert. Jedenfalls liest und hört man fast nichts über Ausgrabungen zur jüngeren Geschichte.
In Äthiopien gibt es durchaus auch andere Ausgrabungen, gerade zur vor- und frühchristlichen Geschichte => Aksum. Im Mai ging eine sonderbare Meldung durch die Medien - die Hamburger Archäologen, die in Aksum graben, behaupteten, den Palast der Königin von Saba gefunden zu haben. Nun ja, irgendwie muß man wohl an Drittmittel kommen. :pfeif:
 
Problematisch finde ich, dass die heutige Archäologie im Bereich der Frühgeschichte sich zunehmend unabhängig von der Geschichtsschreibung bewegt. Ich habe da meine Zweifel, ob moderne Konstrukte wie eine La-Téne-Kultur wirklich besser sind als die antiken Konstrukte.
Können wir das nicht auch die Zeigeschichte übertragen? Reden wir doch besser von einer Willybecher-Kultur als von Deutschen.:D
 
Ich habe da meine Zweifel, ob moderne Konstrukte wie eine La-Téne-Kultur wirklich besser sind als die antiken Konstrukte
Was wäre denn deiner Meinung nach die antiken Konstruktion zur Latènekultur ?
Problematisch finde ich, dass die heutige Archäologie im Bereich der Frühgeschichte sich zunehmend unabhängig von der Geschichtsschreibung bewegt.
Ich empfinde das als den im ersten Schritt genau richtigen Weg, das hat den Vorteil das man sich die archl. Hinterlassenschaftene erstmal einigermaßen wertfreier betrachten kann, ohne im Hintergrund die subjektiven schriftl. Quellen zu haben.
Hat man aus den archl. Hinterlassenschaften ein Modell herausgearbeitet, dann kann man sich auch in einem weiteren Schritt den Schriftquellen zuwenden.
 
Was wäre denn deiner Meinung nach die antiken Konstruktion zur Latènekultur ?
Ich empfinde das als den im ersten Schritt genau richtigen Weg, das hat den Vorteil das man sich die archl. Hinterlassenschaftene erstmal einigermaßen wertfreier betrachten kann, ohne im Hintergrund die subjektiven schriftl. Quellen zu haben.
Hat man aus den archl. Hinterlassenschaften ein Modell herausgearbeitet, dann kann man sich auch in einem weiteren Schritt den Schriftquellen zuwenden.

Aber wie entscheidet man, wo gesucht / gegraben wird?

Außer bei Zufallsfunden kann doch Suche nicht wirklich unvoreingenommen sein.
 
Zurück
Oben