Sommerlager des Varus

der Wall mäandriert und wölbt sich somit abwechselnd zum Tal und zum Berg. An den Enden winkelt er jedoch zum Sumpf hin ab (siehe Zitat von Wilbers-Rost des vorherigen Beitrages). Der ganze Wall war ursprünglich etwa 5 m breit und 1,50 m hoch, heute misst er bis zu 16 m (!) Länge und lediglich 0,10m Höhe. Das heißt er hat sich in 2000 Jahren erheblich bewegt, samt Funden und Befunden. Die Zeichnung von 2003 kann ich Dir gerne per e-mail zusenden.

Was ich meinte ist, dass es ziemlich unwahrscheinlich ist, dass sich die Pfostenlöcher verschoben haben (außer die ganze Erdschicht wäre talwärts gerutscht). Dass die Wallanhäufung heute stark verflacht ist, bestreite ich ja gar nicht und das ist ja auch ein häufiges Phänomen und bei der Bauweise kein Wunder.
Ansonsten würde mich die Zeichnung sehr interessieren.
 
Jetzt ist das Thema ja deutlich abgeschweift. Um wieder auf die ursprüngliche Frage des Varuslager zurückzukommen, gibt es einen Punkt, der hier noch gar nicht berücksichtigt wurde: was ist...wenn Varus gar nicht an der Weser war?
Etliche Wissenschaftler und Autodidakten gehen davon aus, daß die Lippe der Fluß war, der von den Römern genutzt wurde, um in das Innere von Germanien zu gelangen, da er von Osten nach Westen und dann in den Rhein fließt. Schon DELBRÜCK hat 1901 ein strategisches Versorgungslager (er setzt es mit Aliso gleich) im heutigen Paderborn vermutet. Er konnte noch nichts von Anreppen wissen. Da man in Anreppen ein römisches Lager mit großen Speicherbauten fand, kann man davon ausgehen (nach KÜHLBORN und DELBRÜCK), daß von dort die römischen Züge in den Weserraum losgingen. Aber man fand noch einen sehr interessanten hölzernen Palastbau. Bisher kann kein anderes Lager in Germanien so etwas vorweisen.
Man vermutet, daß Anreppen das Winterlager des Tiberius sei, da es in dem Zeitraum errichtet wurde. Aber könnte es nicht auch danach der Sitz des Varus gewesen sein? Warum soll er mit 3Legionen an die Weser ziehen, um dann in einem kurzfristigen Standlager an der Weser zu residieren?
Was wäre, wenn die Legionen auf die anderen Kastelle an der Lippe verteilt waren? Man hat doch ein Teil einer untergegangenen Legion in Haltern gefunden.....Kann Anreppen nicht der Sitz des Varus gewesen sein? Varus war "legatus augusti pro praetore" für Gallien mit dem Oberbefehl am Rhein. Er löste abermals somit C.Sentius Saturnius ab. TIMPE stellt die Frage, warum ein Statthalter mit 3Legionen losmarschieren muß, um sich in seiner Provinz zu bewegen?
Was wäre wenn ein Aufstand im Osten von Sueben, Langobarden oder Semnonen in das Gebiet der verbündeten Cherusker erfolgte? Dann mußte der Statthalter sofort reagieren und seine verfügbaren Legionen zusammenziehen, um dann sofort gegen diesen Feind loszumarschieren. Das hatte bereits Cäsar in Gallien so gehandhabt. Bis zur Weser konnte er mit seinem Troß (der für die Versorgung lebensnotwendig war) ziehen, um dann von dort in schneller Kampfformation gen Elbe vorzustoßen....(siehe auch Germanicus gegen die Chatten, dort wird der Troß im Taunus gelassen).
9n.Chr. waren die Markomannen unter Marbod mit seinen Verbündeten Sueben, Langobarden, Semnonen, ....noch der einzige Feind Roms, der noch ein Gefahrenpotential darstellte. Wenn von diesen Stämmen Gefahr drohte, dann mußte Varus nach Osten ziehen....
 
Teutoburg und römische Allgemeinbildung

Um es gleich zu sagen, vom Varuslager hab ich keinen Schimmer, aber mir fällt da etwas in der Notiz der Annalen auf:
Tacitus war doch nicht nur ein aufmerksamer Historiker, sondern auch ein sorgfähiger Stilist.Und sein Opus war für die bessere Gesellschaft Roms bestimmt.
Und da schreibt der Mann doch tatsächlich "...haud procul Teutoburgiensis saltus." Also "...nicht weit vom Teutoburger Wald"
Des Tacitus römische Leser wussten also auf Anhieb wo in der Wildnis da draussen diese Teutoburg lag?
Stünde da "...haud procul saltus dictus Teutoburgensis...
=...unweit von dem Wald genannt der Teutoburger",
dann wäre das einfach ein wenig Lokalkolorit, was einem Erzähler wohl ansteht.
Aber Tacitus schreibt so als wäre der Ort aller Welt bekannt!!
Und das stimmt wohl auch,denn als Tacitus einmal in Gesellschaft aus seinem Buch vorlas, da fiel ihm Claudius ins Wort (auf lateinisch natürlich):"Mein Bruder kommandiert da eInen cuneus Dalmatae ! Hoffentlich ist ihm nichts passiert!"
Scherz beiseite, die Römer kannten "Teutiborgio" .Es lag in der "Pannonia secunda" und steht mitsamt seiner Garnison im Kap.XXXII der "Notitia Dignitatum".
Und der Ort war bekannt genug, um bei Ptolemaeus (II,14)erwähnt zu werden und im 'Itinerarium Antoniani" und der "Tabula Peutingeriana" verzeichnet zu sein.
Nein, ich behaupte natürlich nicht, die Varusschlacht habe in Kroatien stattgefunden, ich vermute nur, dass der Ausdruck "Teutoburgiensis saltus" zu Unrecht in den überlieferten Zusammenhang geraten ist.
Reine Willkür wirds wohl nicht sein, und einen lapsus calami traur ich Tacitus nicht zu. Aber vielleicht hiess es in seiner Documentation, dass Arminius einmal dort in Garnison lag, oder dass die Dalmatae zu Varus geschickt wurden.
Wie auch immer, vielleicht sollte man beim Suchen nach dem Ort der Varusschlacht nicht zuviel Gewicht auf den fraglichen Saltus legen, zudem ja, anders als in Pannonien, mehr oder weniger die ganze Gegend Wald war
Boiorix
 
....ich vermute nur, dass der Ausdruck "Teutoburgiensis saltus" zu Unrecht in den überlieferten Zusammenhang geraten ist.
Reine Willkür wirds wohl nicht sein, und einen lapsus calami traur ich Tacitus nicht zu. Aber vielleicht hiess es in seiner Documentation, dass Arminius einmal dort in Garnison lag, oder dass die Dalmatae zu Varus geschickt wurden.
Wie auch immer, vielleicht sollte man beim Suchen nach dem Ort der Varusschlacht nicht zuviel Gewicht auf den fraglichen Saltus legen, zudem ja, anders als in Pannonien, mehr oder weniger die ganze Gegend Wald war
Boiorix

Die Römer kannten sich schon in Germanien aus. So mußte einem römischen Legionär nicht erklärt werden, wo Idistaviso, der Angrivarierwall oder pontes longi zu finden seien. So hat Tacitus auch eine Beschreibung des Ortes der Varusschlacht hinterlassen; Annalen I.Buch (60) : "Dann führte er sein Heer weiter bis zu der äußersten Grenze der Bructerer, und das ganze Gebiet zwischen den Flüssen Amisia und Lupia, nicht weit entfernt von dem Teutoburger Wald, in dem, wie es hieß, die Überreste des Varus und seiner Legionen unbegraben lagen, wurde verwüstet."
Anhand dieser Beschreibung und der Bezeichnung "Teutoburgiensis saltus" hatten die Römer ein bestimmtes Gebiet lokalisiert.
Und das Wort "saltus" kann auch ein ungenutztes Gebiet beschreiben.
 
Teutoburg

Hallo Cherusker
Schau, ich bezweifl ja nicht die Ortsangaben des Tacitus im Allgemeinen, obwohl ch meineZweifel daran habe, dass die Legionäre wirklich wussten wo sie waren.
Aber Tacitus schrieb ja nicht für ein paar Soldaten irgendwo da im Norden, sondern für eine gehobene, gebildete stadtrömische Gesellschaftsschicht und, ich wiederhole, seine Formulierung klingt, als müssten seine Leser auf Anhieb wissen wo Teutoburg liegt, und da scheint mir doch der pannonische Ort mehr Wahrscheinlichkeit für sich zu haben.. Das berührt aber natürlich nicht den übrigen Zusammenhang.
Boiorix
 
... Aber Tacitus schrieb ja nicht für ein paar Soldaten irgendwo da im Norden, sondern für eine gehobene, gebildete stadtrömische Gesellschaftsschicht und, ich wiederhole, seine Formulierung klingt, als müssten seine Leser auf Anhieb wissen wo Teutoburg liegt, ...

Tacitus schreibt ja auch über die germanischen Flüsse, obwohl diese nicht mehr für eine stadtrömische Gesellschaftsschicht zu erreichen waren, Germania (41): " In ihrem Gebiet entspringt die Elbe, eins ein berühmter und wohlbekannter Fluß; jetzt weiß man von ihm nur durch Hörensagen."

Bestimmte Orte waren halt bekannt, nicht nur bei den Legionären, sondern auch bei den römischen Händlern und Marketender (siehe Tac. II.Buch (62)). Um überhaupt den Ort der Varusschlacht lokalisieren zu können, kommt halt die Beschreibung des Tacitus von den "äußersten Brukterern" und dem "Teutoburger Wald". Und haben die gebildeten Stadtrömer auch gewußt wo die äußersten Brukterer siedelten bzw. wo die Brukterer überhaupt zu finden seien?
Ohne eine Beschreibung von bestimmten bekannten Plätzen und Orten ist die ganze Tacitus-Geschichte witzlos. Er konnte ja nicht im "tiefsten Germanien" schreiben, wenn er die Kämpfe beschreibt, da die Gebiete einst bekannt waren.
Schließlich hat es auch römische Siedlungen wie Waldgirmes gegeben. Tacitus konnte schon erwarten, daß ein gebildeter Römer wußte, wovon er schreibt.
 
....Bestimmte Orte waren halt bekannt, nicht nur bei den Legionären, sondern auch bei den römischen Händlern und Marketender ....



Richtig, und das lässt sich auch aus der Karte des Ptolemäus schliessen. Die wurde kurz nach Tacitus (um 150) angefertigt und enthält dutzende Orte tief im innern Germaniens. Die Informationen darüber hatte er im wesentlichen von Händlern und Reisenden. Das dieser Handel tatsächlich stattfand, belegen wiederum die etlichen Münzfunde gerade der mittleren Kaiserzeit.
 
Varus soll ja sein Sommerlager im Jahr 9. n.Chr. "irgendwo" an der Weser aufgeschlagen haben. Der Raum zwischen Hameln und Minden wird immer wieder genannt. Minden könnte aufgrund seiner verkehrstechnisch günstigen Lage wahrscheinlich sein. Spuren dieses (wahrscheinlich großen) Lagers gibt es nicht. Ich will jetzt hier keine Diskussionen über ein mögliches 3-Legionen Lagers entfachen, da die Varuslegionen bekanntlich ihre Sollstärke nicht erreicht haben. Dennoch muß dieses Lager eine beträchtliche Größe gehabt haben, bedenkt man, daß auch etliche Zivilisten den Varus begleitet haben.

Aber Spuren gibt es (noch) nicht. Auch neuere Entdeckungen im Raum Porta-Westfalica sind äußerst spärlich. Da hat man sich wohl ein wenig vorzeitig aus dem Fenster gelehnt. Die Fundlage ist z.Zt. jedenfalls eher spärlich.

War dieses Sommerlager wirklich an der Weser, oder vieleicht ganz woanders? Wie hat man den Nachschub dorthin organisiert? Geht man von 10.000-15.000 Menschen aus, so ist dies eine berechtigte Frage! Spielte das Lager in Anreppen hier eine zentrale Rolle? Oder hat es zu dieser Zeit (lt. Kühlborn) garnicht mehr bestanden? Oder hat man die Germanen wirklich ausgepresst, wie eine Zitrone?

Das die drei Legionen ihre Sollstärke nicht erreicht haben, dürfte klar sein. Aber vieleicht waren es noch viel weniger Legionäre als angenommen, da diverse Aufgaben übernommen werden mußten.:confused:
 
Die Frage nach dem Sommerlager des Varus ist sehr interessant und wichtig. Die Vorstellung, dass es im Jahre 9 n.Chr. ins rechtsrheinische Germanien noch „Feldzüge“ und „Sommerlager“ gab, ist längst überholt.
Man sollte deshalb nicht die Situation zur Zeit der Drususfeldzüge mit jener des Jahres 9 verwechseln.
Seit 5 n.Chr. herrschte Ruhe im Lande, mindestens bis zur Weser hatten die Römer das Land unter militärischer Kontrolle. Neben den militärischen Zentren (Haltern, Anreppen u.a.) bildeten sich bereits zivile Einrichtungen (Waldgirmes).

Wenn nun Varus (Statthalter von Gallien und Germanien) ins Innere des Landes zog, so handelte es sich weniger um einen Feldzug, als um eine Inspektionsreise.

Schon Timpe stellte in seinen „Arminius-Studien“ von 1970 die Frage, ob es notwenig war, dass der Statthalter ein Dreilegionenheer, sozusagen als Eskorte, in einem befriedeten Gebiet mit sich führte.

Desweiteren wies Timpe darauf hin, dass aus den überlieferten Quellen zwar ein Kontakt zu einigen Fürsten der Cherusker im Sommer des Jahres 9 belegt ist, daraus jedoch nicht zwingend ein „Sommerlager“ an der Weser abgeleitet werden muss, sondern ebenso gut ein Lager an der Lippe der Stützpunkt des Statthalters gewesen sein könnte. Die Fürsten der germanischen Stämme wären somit als Abgesandte bzw. Gäste in dem Lager gewesen.

Für Operationen im Weserraum hatte Anreppen zweifellos große Bedeutung. Auch das überaus große Prätorium (4 Jahre zuvor für Tiberius mit allen Annehmlichkeiten erbaut) wird den Bedürfnissen des Statthalters Varus entsprochen haben.
Allerdings geht Kühlborn (bisher) davon aus, dass das Lager Anreppen zwar 5 n.Chr. errichtet, jedoch im Jahre 9 bereits nicht mehr bestanden hat.
Hauptargument ist hierbei, dass bei den 410 Fundmünzen von Anreppen kein VAR-Gegenstempel auftritt.
 
Klar, ich glaube sogar daß der Standort dieses "Sommerlagers" entscheidend ist.

Das dieses Ereignis im Jahre 9 n. Chr. kein Feldzug war dürfte klar sein. Germanien stand wohl hauchdünn davor zu einer römischen Provinz zu werden. Varus wird wohl in seinem Lager "Hof gehalten" haben, also irgendwelche Stammesfürsten empfangen haben und auch irgendwelche Prozesse abgehalten haben.

Ich bin nach wie vor der Meinung, daß er dabei ziemlich weit östlich, d. h. im Raum Minden/Weser residiert hat. Dieser Ort war rein verkehrstechnisch sehr gut gelegen.
Die drei Legionen (wenn auch sicherlich nicht in Sollstärke) sind mehrfach überliefert. Anreppen wäre da wohl etwas zu klein gewesen. Aber dieses Lager so weit östlich hätte in Bezug auf Nachschub gute Dienste leisten können. Allerdings kann ich auch die Kühlbornschen Argumente nachvollziehen.
Befremdend ist allerdings nach wie vor, daß jegliche Spur von einem solchen Lager fehlt.
 
Veranlassung für das Sommerlager des Varus

In einem anderen Thread ging es ja schon über die mögliche Örtlichkeit eines solchen Lagers.

Aber ebenso spannend ist doch die Frage:

Welche Veranlassung bzw. Gründe gab es eigentlich für Varus, ein solches doch auch recht aufwändiges und sicherlich auch kostspieliges Sommerlager durchzuführen?

In den Quellen ließt man nur von diesem Lager im Jahre 9 n.Chr.
Es ist also ziemlich fragwürdig, ob ein solches Lager regelmäßig, d.h. jährlich durchgeführt wurde.

Ging es nur um eine Art Machtdemonstration?

Oder hat evt. sogar Arminius den Varus zur Durchführung eines solchen Lagers gedrängt? Ich glaube, daß Märtin in seinem Buch eine solche Vermutung geäußert hat. Demnach hat Arminius wohl mit Hinweis auf Marbod den Anstoß zu einem solchen Sommerlager gegeben. Eine Demonstration der Macht Roms insbesondere gegenüber Marbod, um zu verhindern, daß dieser das Bündnis mit Rom bricht und evt. Tiberius in den Rücken fällt.

Interessante These!
 
Aber ebenso spannend ist doch die Frage:

Welche Veranlassung bzw. Gründe gab es eigentlich für Varus, ein solches doch auch recht aufwändiges und sicherlich auch kostspieliges Sommerlager durchzuführen?

[...]

Ging es nur um eine Art Machtdemonstration?

Oder hat evtl. sogar Arminius den Varus zur Durchführung eines solchen Lagers gedrängt? Ich glaube, daß Märtin in seinem Buch eine solche Vermutung geäußert hat. Demnach hat Arminius wohl mit Hinweis auf Marbod den Anstoß zu einem solchen Sommerlager gegeben. Eine Demonstration der Macht Roms insbesondere gegenüber Marbod, um zu verhindern, daß dieser das Bündnis mit Rom bricht und evt. Tiberius in den Rücken fällt.

Interessante These!

...die ich nicht so recht verstehe. Was für einen Zweck hätte eine Machtdemonstration im Bereich zwischen Weser, Ems und Lippe, die gegen eine Macht in Böhmen gerichtet ist?!
 
Welche Veranlassung bzw. Gründe gab es eigentlich für Varus, ein solches doch auch recht aufwändiges und sicherlich auch kostspieliges Sommerlager durchzuführen?
In den Quellen ließt man nur von diesem Lager im Jahre 9 n.Chr.!

In den Quellen tauchen die Begriffe Sommerlager/ Winterlager in Bezug auf Varus nicht auf.
In der Kampagne im Sommer 9 n.Chr. hielt sich Varus in einem Lager im rechtsrheinischen Germanien auf, das ist richtig. Ob er dieses Lager hat anlegen lassen oder ob es schon vorher bestand, wird nicht berichtet.


Ging es nur um eine Art Machtdemonstration?!

Nennen wir es besser: Präsenz. Sowohl militärisch als auch administrativ.

Mfg
maxhermann
 
...die ich nicht so recht verstehe. Was für einen Zweck hätte eine Machtdemonstration im Bereich zwischen Weser, Ems und Lippe, die gegen eine Macht in Böhmen gerichtet ist?!

Stimmt.

Die Frage ist auch, ob Arminius wirklich beim Varus so hoch in der Gunst stand, daß er ihn zu einem solchen Sommerlager bewegen konnte.

Dies wirft dann auch die Frage auf, wann die Pläne des Arminius für einen Aufstand reiften. Vieleicht gab es ein solches Sommerlager auch schon im Vorjahr, es ist halt nur nicht überliefert.:confused:
 
Wir wissen, daß Rom Germanien zur Provinz erheben wollte- mehr noch der Griff zur Elbe war geplant (Hedemünden).
Varus war eher ein Verwaltungsmensch, der Profit aus Germanien ziehen wollte (Syrien:...reich verließ er eine arme Provinz).
Er liebte das müßige Lagerleben.

Es gibt zwei Möglichkeiten:

1. Varus ist in enem Lager wie eine Spinne im Netz während des Sommers 9 n.Chr. empfängt die Fürsten und spricht recht,und seine Steuerbeamten bringen ihm das Geld. Bewacht von einer Legion- wir sind in Freundesland. Die anderen zwei Legionen bilden das Netz.
Das Netz besteht aus mehreren Kohortenkastellen in den Regionen und Wachtürmen auf den Bergen mit den Funktionen:
Steuern eintreiben
allgemeine Polizeiaktionen
Sprache, Sitten,Geld, Götter und Kultur vermitteln
Recht zu sprechen
Wegebau und Bewachung
Nachrichtenübermittlung
Dafür sprechen auch die Quellen, die auf Garnisonen hinweisen, die vor dem Angriff zuerst niedergemacht wurden.

2. Als Reisekönig, der die Fürsten besucht, um Tribut zu kassieren. Hierbei zieht Varus mit seinen 3 Legionen durch Germanien um Kasse zu machen, und rechtsprechend die Fürsten zu besuchen. Dann gäbe es mehrere Sommerlager- in welcher Quelle steht eigentlich, dass er bei dem Angriff auf dem Weg ins Winterlager war ?
Bei einem Turn von Fürst zu Fürst wird nun der Weg verändert Richtung scheinbarer Aufstand und die Falle schnappt zu.

3.
Varus hatte kein Sommerlager. Da die Provinz als befriedet galt verblieb er das ganze Jahr dort. Die Quellen sprechen von Städten die angelegt wurden (Waldgirmes). Lager Anreppen hatte eine Heizungsanlage. Paterculus schreibt das Varus im Rahmen der Sommerkagne 9 n.Chr. an die Weser zog. Tat er das vielleicht von Anreppen ?

Ich tendiere zu 1.
Varus vertraute Arminius aber hatte auch seine klaren Vorstellungen über sein Vorgehen. Denn sonst wäre ja bei dem Vertrauensbonus eine noch dreistere Vorgehensweise für Arminius denkbar gewesen- als nur weglocken von einer festgelegten Route.
So waren Varus Handlungen keine waghalsigen militärischen Abenteuer oder auf Ruhm ausgelegten Aktionen:
Varus war Statthalter in Syrien- behäbig und durch und durch ein Verwaltungsmensch- er ließ machen- er wollte Geld. Er liebte den Prunk und den findet man nur in einem über Jahre gut ausgebautem Lager. Das sich in zentraler (germanischer Siedlungsschwerpunkt) und verkehrgünstiger (Lippe) Lage befindet, von dem man aus Lenken und militärisch schnell eingreifen kann.
 
Wir wissen, daß Rom Germanien zur Provinz erheben wollte- mehr noch der Griff zur Elbe war geplant (Hedemünden).
Varus war eher ein Verwaltungsmensch, der Profit aus Germanien ziehen wollte (Syrien:...reich verließ er eine arme Provinz).
Er liebte das müßige Lagerleben.

Das sind die alten, protiberianischen Interpretationen, über die man langsam mal hinwegkommen sollte. Der Fehler habe demnach nicht bei der Politik des Kaiserhauses sondern bei seinem Repräsentanten in Germanien gelegen. Doch in Wahrheit hat sich Varus genau so verhalten, wie es aus Rom von ihm erwartet wurde!
 
Doch in Wahrheit hat sich Varus genau so verhalten, wie es aus Rom von ihm erwartet wurde!

Die Fehlerfrage wollte ich garnicht ansprechen- aber interessant ist es schon wieviel römische Kaiservorgabe steckt in Varus ?
Hat man ihm freie Hand gelassen, allein nur mit der Vorgabe eine funktionierende Provinz zu errichten und eine Ausgangsbasis für weitere Expansionen zu haben ?
Oder gab es Vorgaben hinsichtlich Umgangsweise und Details bis zur Ortswahl des Sommerlagers ?
Ich denke es gab die grobe Vorgabe -die Umsetzungsstrategie oblag allein dem Statthalter, denn Drusus und Tiberius hatten eine andere Handschrift in der Okkupations- und Besatzungspolitik als Varus bei gleicher Vorgabe.

Die Chronisten berichten, dass die Germanen den Wandel während der Vorvaruszeit in Richtung Romanisierung nicht bewußt wahrnahmen- es war ein schleichender Prozess- lief also prima für Rom, warum also nicht weiter so?
Durch Varus, der nunmehr die grobe Vorgabe mit seiner Persönlichkeit und Temperament umzusetzen versuchte, wurde den Germanen der Wandel bewußt -er ging mit Härte vor. Varus mit Ehrgeiz (und Gier) wollte die Ziele schnell erreichen.
Diese Härte ist nur durch Druck von einer zentral organisierten flächendeckenden Administration möglich, die auch nicht nur mal im Sommer zu Besuch ist, gelenkt vom dauerhaften Hauptlager des Varus wo alle Wege hinführten.
 
Mich stört immer nur eines.
Warum reist Varus mit sovielen Legionären wenn er nicht auf den Weg zum Winterlager war.
Meines bescheidenen Wissen nach waren die Römer doch nie mit sovielen Legionären unterwegs wenn Steuern eingetrieben werden sollten und die anderen angesprochenen Dinge aus dem, was kaleuni geschrieben hat. Ich dendiere eigentlich auch zu 1 aber die Anzahl der Legionen stört mich.
Mit sovielen Legionären waren sie doch eher im Krieg unterweges als beim Steuerneintreiben. Vor irgendwas hatten die wohl auch Respekt.
Vielleicht wurden die Germanen auch schon damals nicht mehr so verharmlost. Man kennt ja nur die römische Seite der Erzählungen. Ich kann mir auch vorstellen, dass sie sich schon einer solchen Gefahr, die auch im Jahre 9 eintrat, bewusst waren - aber vielleicht nicht mit Arminius "Verrat" gerechnet haben.
Mir stellt sich auch oft die Frage warum man von Verrat spricht. Arminius war wieder in seiner Heimat, ist eigentlich eine Geisel Roms und hat nun eventuell die Chance die Freiheit seiner Heimat zu erhalten und vielleicht den Traum die unterschiedlichen Völker als deren König zu einigen - was ihm dann später auch den Tod brachte.
Eigentlich kurios. Man weiss über soviele Schlachten soviele Kleinigkeiten und über Varus, Arminius und Germanien doch so wenig. Aber von Verrat gegen Rom darf man doch eigentlich gar nicht sprechen?
 
Kaleuni schrieb:
1. Varus ist in enem Lager wie eine Spinne im Netz während des Sommers 9 n.Chr. empfängt die Fürsten und spricht recht,und seine Steuerbeamten bringen ihm das Geld. Bewacht von einer Legion- wir sind in Freundesland. Die anderen zwei Legionen bilden das Netz ...
Du unterstellst also für die Zeit von 9uZ eine funktionierende Geldwirtschaft im rechtsrheinischen Gebiet? Ich gehe davon aus, dass es ein Wirtschaftssystem auf Tauschbasis war. Ein Geldsystem setzt entsprechenden Warenaustausch voraus um Gelder aus dem Imperium in das Randgebiet rechts des Rheins fließen zu lassen. Und hier dürfte es auf germanischer Seite an entsprechender Ware gefehlt haben.

kaleuni schrieb:
Varus war Statthalter in Syrien- behäbig und durch und durch ein Verwaltungsmensch- er ließ machen- er wollte Geld. Er liebte den Prunk und den findet man nur in einem über Jahre gut ausgebautem Lager. Das sich in zentraler (germanischer Siedlungsschwerpunkt) und verkehrgünstiger (Lippe) Lage befindet, von dem man aus Lenken und militärisch schnell eingreifen kann.
Varus war vermutlich vormals Legat der LEG XIX im Alpenfeldzug 15vuZ und militärisch erfahren. Er kannte demnach das unkomfortable Lagerleben auf einem Feldzug.

Die wenigsten Menschen ziehen freiwillig Askese dem Luxus vor. Auch Drusus und Tiberius haben nach archäologischen Ausgrabungen während der Wintermonate im Luxus gelebt - vielleicht auch müssen. Die germanischen Häuptlinge konnte man m. E. mit repräsentative Bauten beeindrucken. Ob sich ein Empfang im Legionärszelt besser gemacht hätte?

http://www.foerderkreis-archaeologie.de/pdf/Nuber_Varus.pdf

Die spätere Darstellung der Person des Varus kann man mit der anderer historischer Persönlichkeiten vergleichen. Schuld an der Niederlage gegen Barbaren kann nicht der Augustus oder das römische System haben. Als Sündenbock eignet sich dann ein angeblich unfähiger Beamter. Stellt sich aber die Frage: Warum bekam ein unfähiger Beamter dann so eine Position? Die Quellen aus der Zeit kurz nach der Varus-Niederlage sehen die Person des Varus nicht so kritisch wie spätere Quellen.

Wenn aber Varus 90 Jahre später in der römischen Literatur falsch dargestellt wurde, dann kann man auch keine vermeintlichen Verhaltensmustern aus diesen Schilderungen ableiten.
:grübel:
 
Zurück
Oben