Verweigerer während des Nazi-Regims

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Gast

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Hallo,
ich habe eine Frage und zwar schreibe ich im geschichte Lk eine facharbeit über die Autobiographie von Joachim fest (" Ich nicht") in dem Buch geht es unteranderem auch um das Bestreben des Vaters nicht in die Partei einzutretten und auch sonst sich von den nazis fern zu halten. Darauf folgen natürlich schwere Sanktionen (er verliert seinen Job e.t.c.), dies ist natürlich ein sehr anschauliches beispiel, doch möchte ich das thema weigerung doch etwas allgemeiner fassen und auch etwas über die die situationen anderer verweigerer schreiben. daher wäre es interessant wenn ich dazu internetquellen oder literatur hätte. Ich dachte mir also vielleicht kann mir jemand helfen,wäre aufjedenfall super!!! Lg
 
Es ist schwer, Personen zu finden, die nicht umgebracht wurden oder ihr Leben bis zur glücklichen Befreiung im KZ fristen mußten.
Nun ja, das hing natürlich sehr vom Grad der Verweigerung ab. Bloße Verweigerung war höchstens der Karriere abträglich. KZ-Haft oder ähnlich existenzielle Bedrohungen hatte man erst bei aktivem Widerstand zu gewärtigen.
Hans-Joachim Kulenkampff hat einmal ungefähr gesagt: Sie konnten mich zwingen Soldat zu werden, aber nicht dazu mehr als Obergefreiter zu werden.
 
das Bestreben des Vaters nicht in die Partei einzutretten und auch sonst sich von den nazis fern zu halten. Darauf folgen natürlich schwere Sanktionen (er verliert seinen Job e.t.c.)
Das kommt ja nun sehr auf den Job an.
Die meisten Deutschen waren NICHT in der Partei und wurden trotzdem nicht gefeuert.
Maximale Gefahr war normalerweise, daß man nicht weiter befördert wurde (so ist das meinem Großvater gegangen).

Es gibt auch ganz unterschiedliche Beispiele, was man alles verweigern konnte.
Ziemlich krass ist das Beispiel von Nebe Arthur Nebe - Wikipedia.
Der war einerseits ziemlich heftig in die Massenmorde im Osten verstrickt - aber selbst da war es möglich, die weitere Mitarbeit zu verweigern und sich zurück versetzen zu lassen.

Das Hauptproblem dürfte gewesen sein, daß die Konsequenzen von "nicht-system-konformen" Verhalten ziemlich unklar waren.
Es gab da ja weder offizielle Vorschriften noch gar ein rechtsstaatliches Verfahren. Man konnte nicht abwägen: Wenn ich da nicht mitmache, passiert mir nur dieses, aber wenn das auch noch verweigere, dann geht es mir schlecht.

Der Einzelne mußte sich entscheiden weitgehend ohne abschätzen zu können, welche Konsequenzen das für ihn haben würde.
 
Ein anderes Beispiel, hier sogar Gegnerschaft zur NSDAP, wäre Staatssekretär Erwin Planck 1933 (früher Privatsekretär von Brüning, dann Staatssekretär bei Papen und Schleicher).

Abgesetzt/Zurückgetreten mit Antritt des Kabinetts Hitler, ins Ausland verreist, nach Rückkehr in Deutschland 1937 vom Großindustriellen Otto Wolff einggestellt.
http://www.pro-physik.de/Phy/bookReviewDetail/3/24570
http://de.wikipedia.org/wiki/Erwin_Planck

Dann Kontakte zum Widerstand, später hingerichtet in Zusammenhang mit dem 20. Juli 1944.
 
Der erzwungene Partei-Eintritt....

Fakt ist, dass es recht lange einen totalen Aufnahmestopp gab. Nichtparteimitglieder, auch in einflussreichen Positionen, gab es gar nicht wenige.

Zu einem ganz erheblichen Teil würde ich das für einen Mythos halten.


Dann gibt es noch den schwäbischen Bürgermeister, der im April 1944 schriftlich dem Landratsamt erklärte, "ihr bringt die Juden um! Da mache ich nicht mit" und erfolgreich um Entlassung aus seinem Amt bat.

Dem nichts weiter geschehen ist.


Der KZ-Kommandant, der sich massiv ums wohlergehen seiner Häftlinge kümmerte. Dem natürlich auch nichts geschah!


Sollte der Anfrager Quellen benötigen, kein Problem, habe ich.
Im Forum habe ich ja schon öfter darüber geschrieben.
 
Vielleicht sollte man es konkreter sagen:

Ich halte die "erzwungenen Partei-Eintritte" wie die Partei-Eintritte, von denen der Eintretende "gar nichts wusste"

für einen Teil der "solidarischen Bewältigungs-Strategie" der Deutschen in den 40er und 50er Jahren des 20. Jahrhunderts.

Entstanden Angesichts der ungeheuerlichen Verbrechen mit denen sie konfrontiert wurden. Die nicht zu leugnen waren.

Mythen, die irgendwann von den Betroffenen selbst geglaubt wurden. Und von ihren Kindern und Enkeln weiter geglaubt werden.
 
... wie die Partei-Eintritte, von denen der Eintretende "gar nichts wusste"
für einen Teil der "solidarischen Bewältigungs-Strategie" der Deutschen in den 40er und 50er Jahren des 20. Jahrhunderts.

Was auch mit dem Gutachten des Instituts für Zeitgeschichte vom März 1957 (Buchheim) mit der Frage der NSDAP-Mitgliedschaft übereinstimmt. Danach wäre es nur in ganz seltenen Ausnahmefällen denkbar, dass es kein Wissen über die Mitgliedschaft und die erfolgte Aufnahme in die Zentralkartei gab, als Beispielsfälle werden Einberufungen in die Wehrmacht vor der möglichen Aushändigung der Mitgliedskarte, Auslandsreisen und untergetauchte Personen angeführt. Die Aushändigung der Mitgliedskarte war demnach für die Rechtswirksamkeit der Aufnahme notwendig.
 
Dann gibt es noch den schwäbischen Bürgermeister, der im April 1944 schriftlich dem Landratsamt erklärte, "ihr bringt die Juden um! Da mache ich nicht mit" und erfolgreich um Entlassung aus seinem Amt bat.
Das nenne ich mal mutig!

Dem nichts weiter geschehen ist.
Ich vermute mal, daß er a) recht bekannt und populär war und b) daß er sich mit ähnlichen Äußerungen nicht dauernd in der Öffentlichkeit aus dem Fenster gelehnt hat.

Und trotzdem hat er auch Glück gehabt, je nach Charakter des zuständigen Obernazis hätte er dafür auch im KZ enden können.

Er konnte auf jeden Fall nicht wissen, wie es im nach diesem Brief ergehen würden und ist voll ins Risiko gegangen.

Das erinnert mich an den Fall Filbinger.
Da hat auch ein Historiker nachgeforscht und X vergleichbare Fälle untersucht, wo Militärrichter freigesprochen haben und wie dann die Reaktionen der Nazis waren.
Das war schon eine recht ahistorische Betrachtungsweise.
Denn wie immer man nun zu Filbinger steht - er konnte natürlich nicht mit dem Wissen der ruhigen Archivauswerters abschätzen, was ihm passieren kann.
 
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Dann gibt es noch den schwäbischen Bürgermeister, der im April 1944 schriftlich dem Landratsamt erklärte, "ihr bringt die Juden um! Da mache ich nicht mit" und erfolgreich um Entlassung aus seinem Amt bat.

Dem nichts weiter geschehen ist.
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Das ist in der Tat bemerkenswert und schwer vorstellbar.

Kann es vielleicht daran liegen das die Stimmung 44 nicht mehr ganz so "Endsiegsicher" :autsch: war. Zu diesem Zeitpunkt mehrten sich doch die "kritischen" Stimmen in der Bevölkerung und an der Front - wenn auch hinter vorgehaltener Hand.
Ich könnte mir gut vorstellen das er mit selbiger Äußerung ein paar Jahre zuvor sehr wohl Probleme bekommen hätte.

Hast Du zufällig Daten zu dem Bürgermeister?
 
Ich könnte mir gut vorstellen das er mit selbiger Äußerung ein paar Jahre zuvor sehr wohl Probleme bekommen hätte.
Das hängt wohl sehr von den lokalen Umständen ab (d.h. von den Verantwortlichen).
Denn umgekehrt gibt es ja genug Beispiele, daß eben wegen des nahen Kriegsendes und der zunehmenden Unzufriedenheit die Repression verschärft wurde.
 
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Denn umgekehrt gibt es ja genug Beispiele, daß eben wegen des nahen Kriegsendes und der zunehmenden Unzufriedenheit die Repression verschärft wurde...

Stimmt auch wieder :grübel:
Vielleicht kann man das ganze besser einordnen wenn man etwas mehr über die betreffende Person weiß.
 
Wäre interessant, wenn es den gegeben hätte.

Natürlich gab es den! Bin ich ein Dummschwätzer oder wie oder was?

Quelle: Dr. Walter Stettner, Ebingen, Geschichte einer württ. Stadt, Thorbecke Sigmaringen 1986.
Seite 507:
25. April 1944 Bürgermeister Hayer vor den Beigeordneten, Ratsherren und Amtsvorständen. ".... wie er das immer und überall sagen müsse, er verwerfe das Tun und Treiben der Juden unserer Zeit, er sehe aber in der Bibel das Wort Gottes; nach der Bibel sei die jüdische Rasse das auserwählte Volk Gottes, die Juden hätten noch eine Mission zu erfüllen, deshalb dürfe er die Juden als Rasse nicht bekämpfen. Das wollten viele heute nicht mehr einsehen, aber es werde die Zeit kommen, dass es offenbar werde."

28. April 1944 Bürgermeister Hayer bittet den württ. Innenminister um Versetzung in den dauernden Ruhestand.

BM Hayer bei einem "Betriebsappell" wenige Tage später: "Er müsse gehen wegen seiner weltanschaulichen Einstellung, vor allem in der Judenfrage"

5.7.44 Landrat Zeller an das Innenministerium: "Ich habe am 13. Juni festgestellt, dass BM Hayer dauernd unfähig ist, sein Pflichten als BM der Stadt Ebingen zu erfüllen". Der stellvertretende Bürgermeister der Stadt Ebingen, Beigeordtneter S. hat in Übereinstimmung mit den Ratsherren hierauf am 26. Juni verfügt, BM Hayer antragsgemäß zum 30.6.44 in den Ruhestand zu versetzen.
Zitatende

Passiert ist Herrn Hayer nichts. Seine Laufbahn war zu Ende, allerdings nur vorläufig.
Wenige Tage nach Besetzung der Stadt wurde er von den Franzosen wieder zum Bürgermeister ernannt.
 
Bürgermeister Hayer
Warum nicht gleich so? :winke:
Der Mann verdient doch als löbliche Ausnahme namentlich genannt zu werden und nicht nur als "schwäbischer Bürgermeister" vorzukommen, auch wenn man ihm nicht völlig unkritisch gegenüberstehen muss.
Falls sich jemand noch weiter für Hayer und seine Unterstützer interessiert, ohne sich das nur noch antiquarisch erhältliche Buch zuzulegen:
http://www.mahnung-gegen-rechts.de/pages/staedte/Albstadt/pages/sturmabteilung.htm
Mahnung gegen Rechts - Städte und Gemeinden in der Zeit von 1933-1945 - Albstadt-Ebingen
 
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Warum nicht gleich so? :winke:
Der Mann verdient doch als löbliche Ausnahme namentlich genannt zu werden und nicht nur als "schwäbischer Bürgermeister" vorzukommen, auch wenn man ihm nicht völlig unkritisch gegenüberstehen muss.
Falls sich jemand noch weiter für Hayer und seine Unterstützer interessiert, ohne sich das nur noch antiquarisch erhältliche Buch zuzulegen:
http://www.mahnung-gegen-rechts.de/pages/staedte/Albstadt/pages/sturmabteilung.htm
Mahnung gegen Rechts - Städte und Gemeinden in der Zeit von 1933-1945 - Albstadt-Ebingen


"Warum nicht gleich so?"
Dreimal habe ich den Hayer hier in Diskussionen schon eingeführt.........
Irgendwann fühlt man sich auch als Gebetsmühle.

Was mich aber ärgert, und nicht wenig ärgert,
ist dies
Pfeiferhans
Wäre interessant, wenn es den gegeben hätte.

Etwas mehr Sorgfalt würde auch Dir gut anstehn.

Dass der Hayer einen pietistischen Hintergrund hatte, scheinst Du etwas kritisch zu sehen. Nun gut, Ansichtssache.

Bezeichnenderweise enthält Dein "Mahnung gegen Rechts" Link bis heute nichts über Hayers Rücktritt und seine Gründe.
Und ausgerechnet mein Ex-Franz-Pauker Stetti (den ich nicht geliebt habe!) ist bis heute der einzige, der auf diese Vorgänge hinweist.

Der Hayer ist das Beispiel, dass man eben nicht musste, dass man eben nicht zum Parteieintritt gezwungen wurde. Hayer war nie Parteimitglied.
Dies ist aber sehr, sehr vielen schlicht peinlich. Früher den Akteuren, heute ihren Nachkommen die ja eigentlich schon noch "Bescheid" wissen. Vermutlich müssen noch 1-2 Jahrzehnte vergehen, bis diese Menschen richtig gewürdigt werden.


Hätte es ein paar "Hayer" mehr gegeben, wäre das meiste einfach nicht möglich gewesen.
Und ob die "Hayers" jetzt bei den Pietisten oder bei der Antifa waren, ist schlicht wurstegal!
 
"Warum nicht gleich so?"
Dreimal habe ich den Hayer hier in Diskussionen schon eingeführt.........
Irgendwann fühlt man sich auch als Gebetsmühle.


Andersherum betrachtet: Seit sich Pfeiferhans (im Juni 2006) hier angemeldet hat, hattest Du Hayer in genau einem einzigen Beitrag genannt (http://www.geschichtsforum.de/241082-post74.html).

Uns paar altgedienten Repo-Fans, die Deine Gebete auswendig hersagen können, gehst Du sicher nicht auf den Wecker, wenn Du den Namen Hayers pro Jahr zwei- oder gar dreimal erwähnst.

* * *

Und, lieber Pfeiferhans: Sei in Zukunft etwas vorsichtiger, wenn Du einen Schwaben provozierst. Vor allem, wenn er aus der Ecke kommt, wo einst die drei Länder Baden, Württemberg und Hohenzollern zusammengestoßen sind.
 
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Was auch mit dem Gutachten des Instituts für Zeitgeschichte vom März 1957 (Buchheim) mit der Frage der NSDAP-Mitgliedschaft übereinstimmt. Danach wäre es nur in ganz seltenen Ausnahmefällen denkbar, dass es kein Wissen über die Mitgliedschaft und die erfolgte Aufnahme in die Zentralkartei gab, als Beispielsfälle werden Einberufungen in die Wehrmacht vor der möglichen Aushändigung der Mitgliedskarte, Auslandsreisen und untergetauchte Personen angeführt. Die Aushändigung der Mitgliedskarte war demnach für die Rechtswirksamkeit der Aufnahme notwendig.


Auch hier
wird das nochmals bestätigt.
 
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