Herkunft der Philister

Donauvölker als mittelmeerfahrende erfahrende Seeleute. Sie nehmen Strapazen auf sich, um Land per Schiff zu erreichen, was sie nicht vom Ufer aus sehen? Das machen nicht ganze Völker.

So war das nicht gemeint, Hurvenik!

Ich sagte, dass diese Hypothese von einem Dominoeffekt ausgeht: Völker aus dem Norden dringen nach Süden Richtung Balkan vor und setzen damit andere Völker in Bewegung, die weiter gen Süden ausweichen - ein Effekt ähnlich der germanischen Völkerwanderung, bei der die Hunnen das auslösende Moment waren.

Wenn sich also eine Völkerwoge in Bewegung setzte - chaotisch und nicht organisiert - so waren darunter auch seefahrende Völker, die entsprechend agierten. Wie das im Einzelnen ablief, lässt sich heute angesichts der dürftigen Quellenlage nicht mehr ermitteln.
 
Wichtig bei der ganzen Sache ist eine absolut saubere Trennung: Hier Archäologie, da die schriftlichen Quellen und dann vielleicht auch noch bestimmte Wortähnlichkeiten extra. Das nur als Grundsatz. Sonst sind ganz schnell Zirkelschlüsse gebastelt.

Dieter:
Schon die Vernichtung des achäischen Griechenlands 1200 v. Chr. erfolgte durch eine Welle von Kriegern, die stark befestigte Burgen wie Mykene, Tiryns oder Pylos von Grund auf zerstörten und in ganz Griechenland einen ausgedehnten Brandhorizont hinterließen. Die Urheber waren keine Piraten, sondern wandernde Völker.

Dies gibt so der archäologische Befund nicht her. Zwar werden am Ende von Spätmykenisch IIIB die Burgzentren zerstört, was durch entsprechende Horizonte klar erkennbar ist und ein Platz wie Pylos wird wohl sogar aufgegeben. Mykene aber und Tiryns z.B. existieren weiter. Hier findet sich, nach einer Zeit der Verarmung, die aber in der Keramik aus der vorhergehenden Zeit herleitbar ist eine neue Prosperität. Die berühmte Kriegervase aus Mykene – Beispiel für den sogenannten Pictorial-Style steht dafür wie der Einbau in das mykenische Megaron von Tiryns, dass lange in die geometrische Zeit datiert wurde, nun aber wohl doch Spätmykenisch IIIC middle (nach Mountjoy) zugeordnet. Erst IIIC late zeigt dann ein regelrechtes Versanden und Verschwinden des mykenischen Griechenlands, ohne das irgendwelche Anhaltspunkte für eventuelle Ursachen zu finden wären. Siedlungen und Bestattungsplätze werden aufgegeben, die in diese Zahl datierbare Fundzahl geht drastisch zurück, allgemein sinkt die Qualität der keramischen Produktion, wenn auch bestimmte technologische Standards nicht verloren gehen wie sorgfältige Magerung, harter Brand in hochentwickelten Öfen, die Fertigung auf der Schnellrotierenden Töpferscheibe.
Fremde Keramik, im Vergleich zur mykenischen primitiv und unansehnlich, sogenannte Lederbeutelware, tritt zwar wahrnehmbar auf, dominiert aber nicht und verschwindet schnell wieder.
 
Ich habe die ZDF Sendung auch gesehen. So richtig neu war das nicht? Ich habe Bücher aus den 80-ern, die Verbindungen der Seevölker nach Sardinien (Sarden), zu den Etruskern und den Philistern für möglich halten. Auch auf die angesprochene (mögliche) Verbindung zur minoischen Kultur wird dort hingewiesen.

Überzeugt hat mich das damals nicht, auch die Sendung nicht. Vor allem die ausgegrabene religiöse Praxis spricht m.E. gegen diese Wanderungsbewegungen.
 
Das Hauptproblem ist: wir haben keinerlei konkrete Hinweise auf diese sogenannten Seevölker.
Was wir aber wissen, ist, daß es kurz vor dem Untergang des hethitischen Reiches zu Mißernten gekommen ist; mehr als einmal hat der hethitische König Ägypten um Hilfe gebeten, worauf große Getreidelieferungen von Ägypten nach Hattuscha geführt wurden.*
Außerdem wurden Hattuscha und Ugarit um 1200 v.Chr. vollständig als Siedlungsplatz aufgegeben, vielleicht geschah dies infolge von Nahrungsmittelknappheit und innenpolitischen Spannungen. Es spricht meiner Meinung eher vieles dafür, daß es endogene Faktoren sind als exogene, die den Untergang herbeigeführt haben. Überdies lassen sich in Hattuscha Brandspuren feststellen, die auf keine fremde Einwirkung schließen lassen, so daß eigentlich nur die Bewohner selbst dafür in Frage kommen. War es vielleicht zu einem Bürgerkrieg gekommen? Die Frage kann ich nicht beantworten; es ist aber sicher, daß die innenpolitische Lage äußerst angespannt war.
  • *Nahrungsmittellieferungen nach Kheta (Hatti/ Hattuscha) sind uns aus der Zeit Merenptahs bekannt. Darüber hinaus hat der hethitische König Suppiluliuma II. Ugarit um Nahrungsmittel gebeten, es war von einer Hungersnot die Rede.

Dazu möchte ich noch einen alten Beitrag von mir verlinken:
http://www.geschichtsforum.de/223985-post30.html

Antef und Dieter werden sich erinnern, daß wir fast dieselbe Diskussion vor ziemlich genau einem Jahr schon einmal hatten.
 
Dies gibt so der archäologische Befund nicht her. Zwar werden am Ende von Spätmykenisch IIIB die Burgzentren zerstört, was durch entsprechende Horizonte klar erkennbar ist und ein Platz wie Pylos wird wohl sogar aufgegeben. Mykene aber und Tiryns z.B. existieren weiter.

Es ist eindeutig, dass nördliche Barbaren nach Griechenland einfielen!

Gegen 1230 drangen sie siegreich in Hellas ein und brandschatzten das ganze Land. Dagegen nützte weder die Sperrmaur am Isthmos, die gar nicht mehr vollendet wurde, noch die Befestigungen, die man in Mykene, Tiryns und Athen gerade noch verstärkt hatte.

Die Paläste und die meisten Siedlungen wurden zerstört, die Kuppelgräber geplündert. Alle feineren Gewerbe und auch die Schriftlichkeit fanden ein Ende. Da die Eindringlinge besonders im Umkreis der Ägäis ihre Herrschaft verdichteten, verzogen sich mykenische Griechen vielfach nach Zypern, Achaia und Kephallonia.

Wichtigste Plätze dieser Fremdherrschaft waren Mykene, wobei die Besiedlung nur mehr auf der Terrasse beim Plattenring erfolgte, Naxos, Kos, Rhodos und Kreta. Von hier aus bestanden engste Verbindungen zu den Philistern.

All das zeigt, dass der Zusammenbruch der Mykenischen Kultur mit großer Wahrscheinlichkeit mit der Ägäischen Wanderung in Verbindung stehen muss. Dass es inzwischen auch andere Hypothesen gibt, hat hyokkose in seinem Link oben dargestellt.
 
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Gegen 1230 drangen sie siegreich in Hellas ein und brandschatzten das ganze Land. Dagegen nützte weder die Sperrmaur am Isthmos, die gar nicht mehr vollendet wurde, noch die Befestigungen, die man in Mykene, Tiryns und Athen gerade noch verstärkt hatte.

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Wichtigste Plätze dieser Fremdherrschaft waren Mykene, wobei die Besiedlung nur mehr auf der Terrasse beim Plattenring erfolgte, Naxos, Kos, Rhodos und Kreta. Von hier aus bestanden engste Verbindungen zu den Philistern.

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Die Vorgänge in der Ägäis in der 2. Hälfte des 13. und im 12. Jahrhundert sind ein komplexes Thema. Schachermeyr hat versucht sich dem anzunähern und damit eigentlich einen gangbaren Weg gezeigt. Wie umfangreich eine solche Arbeit ist zeigt aber schon die Zahl der Bände über die von ihm postulierte Wanderungszeit und der damit verbundene immense Arbeitsaufwand. Bei der seit dem weiter angewachsenen Materialfülle schon damals nicht und auch heute kaum noch von einem einzelnen zu bewältigen. Wie auch immer, nur zwei Anmerkungen zu archäologischen Punkten:

Die bronzezeitliche „Mauer“ über den Isthmos von Korinth ist in der Diskussion. Die noch vorhandenen Befunde lassen sich wohl auch als mykenische Straßenbefestigung interpretieren. Allerdings kann ich mich nur an eine relativ kurze Erwähnung in einer Fachpublikation vom Anfang des 20. Jahrhunderts erinnern. Um mir da eine einigermaßen sichere Meinung zu bilden, müsste ich demnächst mal recherchieren, falls Zeit. Interessiert mich aber jetzt selbst. Möglich ist hier aber tatsächlich ein so richtig klassischer Zirkelschluss. Wir postulieren eine Invasion aus dem Norden, interpretieren Befunde im Gelände als dagegen eingerichtete Schutzmauer und haben damit die Invasion bewiesen.
Vielleicht in ein paar Wochen mehr.


Bei Mykene kann die Aussage so allerdings nicht stehen bleiben. Wie schon gesagt, wurde der Bereich des zerstörten Doppelpalastes in Tiryns während IIIC weiter genutzt wie auch die Burganlage. Das dürfte auch für Mykene zutreffen und sich dort nicht nur auf Teile des Mauerrings beziehen. Überhaupt lässt sich die Weiterverwendung von Befestigungen nicht datieren. In Mykene wurde das Gelände des Palastes in archaischer Zeit planiert und mit einem Tempel überbaut. Damit sind alle Spuren einer IIIC-Nutzung natürlich verschwunden. Als dort im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts gegraben wurde, waren zum einen die Methoden noch nicht genug verfeinert, zum anderen gab es die Periodisierung des bronzezeitlichen Griechenlands noch nicht. Bestimmte Beobachtungen dürften dadurch einfach nicht gemacht worden sein. Es kann wohl von einer kontinuierlichen Nutzung der gesamten Anlage ausgegangen werden. Das sowohl in Tiryns wie auch in Mykene und auch auf der Athener Akropolis, wo die brachialen Grabungen des 19. Jahrhunderts nicht wieder gut zu machenden Schäden verursacht haben.
Bei der Konzentration auf die bronzezeitliche Blütezeit der Burgen fällt leider oft der Umstand unter den Tisch, dass sich Kontingente aus Tiryns und Mykene noch am Perserkrieg beteiligten und beide Polis erst danach durch Argos vernichtet wurden.
 
Sorry Bartek, aber das mit den Philistern ist so nicht richtig. Der Philister ist nicht der Student, sondern der examinierte Akademiker.

So lautet eine Strophe des spaßig-melancholischen Liedes O alte Burs(ch)enherrlichkeit:

Wo sind die, die vom breiten Stein nicht wankten und nicht wichen,
die ohne Spieß bei Scherz und Wein den Herrn der Erde glichen?
Sie zogen mit gesenktem Blick in das Philisterland zurück.
|: O jerum, jerum, jerum, o quae mutatio rerum! :|

Das hat aber mit unserem Thema herzlich wenig zu tun.

Danke fur Korrektur :))) Der nachste Beweis, dass Internet keine beste Quell ist.:S

Wie sind also die modernen "Philister" entstanden, weisst Du? Und warum genau "Philister"?
 
Bei Mykene kann die Aussage so allerdings nicht stehen bleiben. Wie schon gesagt, wurde der Bereich des zerstörten Doppelpalastes in Tiryns während IIIC weiter genutzt wie auch die Burganlage. Das dürfte auch für Mykene zutreffen und sich dort nicht nur auf Teile des Mauerrings beziehen.

Welche Teile von Mykene erneut besiedelt wurden, ist im Rahmen dieser Diskussion unwesentlich. Fakt ist jedoch, dass die Mykenische Kultur und mit ihr das achäische Griechenland untergingen. Paläste und Siedlungen wurden zerstört, Kuppelgräber geplündert, die Schriftlichkeit fand ein Ende und die "Dark Ages" brachen an.

Mehrheitlich wird dahinter eine kriegerische Invasion vermutet und sie erscheint mir auch am plausibelsten. Hypothesen eines innergriechischen Bürgerkriegs kann ich nicht teilen, zumal es nahezu zeitgleiche Verwüstungen und Einfälle auf Kreta, Zypern, in Syrien sowie in Palästina gibt, ganz zu schweigen von der berühmten Schlacht im Nildelta.

Ob auch das Hethiterreich ein Opfer der ägäischen Wanderung bzw. der "Seevölker" wurde, wird kontrovers diskutiert. Ich bin davon überzeugt und kann der Hypothese von "inneren Wirren" wenig abgewinnen. Es erscheint aber denkbar, dass Auflösungserscheinungen einen Einfall der Seevölker provoziert haben.
 
In älteren Publikationen (J. Spanuth) wird darauf hingewiesen, dass die Bilddarstellungen der Seevölker in Medinet Habu/Ägypten als Bewaffnung sogenannte "Griffzungenschwerter" zeigen, wie sie eigentlich in der fraglichen Zeit um 1200 v. Chr. mehr für Mittel- und Nordeuropa typisch sein sollen. Nun habe ich von dieser Thematik, ehrlich gesagt, wenig Ahnung und kann deshalb diese Behauptung nicht sachgemäß beurteilen. Kann da was dran sein, oder war dieser Waffentypus auch in Südosteuropa und Kleinasien allgemein verbreitet?
 
In älteren Publikationen (J. Spanuth) wird darauf hingewiesen, dass die Bilddarstellungen der Seevölker in Medinet Habu/Ägypten als Bewaffnung sogenannte "Griffzungenschwerter" zeigen, wie sie eigentlich in der fraglichen Zeit um 1200 v. Chr. mehr für Mittel- und Nordeuropa typisch sein sollen. Nun habe ich von dieser Thematik, ehrlich gesagt, wenig Ahnung und kann deshalb diese Behauptung nicht sachgemäß beurteilen. Kann da was dran sein, oder war dieser Waffentypus auch in Südosteuropa und Kleinasien allgemein verbreitet?

Gut, dass du Pastor Spanuth einmal ins Spiel bringst, der ja fast einen eigenen Strang verdient. Seine wissenschaftliche Kontroverse mit deutschen Universiätsprofessoren in den 50er Jahren, bei der er "Helgoland" als Überrest von "Atlantis" hinstellte, ist ja schon legendär.

Spanuth war übrigens der festen Überzeugung, dass es sich bei den "Seevölkern" um prägermanische mitteleuropäische Völker handelte, die nach Süden und schließlich bis Ägypten zogen.
 
@Dieter: Spanuth war übrigens der festen Überzeugung, dass es sich bei den "Seevölkern" um prägermanische mitteleuropäische Völker handelte, die nach Süden und schließlich bis Ägypten zogen.
Auch wenn bei Spanuth so ein bisschen "Blu-Bo" (Blut & Boden) durchschimmert - für diskussionswürdig halte ich ihn allemal. Auch wenn er teilweise mit Blick auf seine Katastrophenszenarien weit übers Ziel hinaus geschossen ist.

Kehnscherper (Post 9) haut mehr oder weniger in die gleiche Kerbe.
 
Auch wenn bei Spanuth so ein bisschen "Blu-Bo" (Blut & Boden) durchschimmert - für diskussionswürdig halte ich ihn allemal. Auch wenn er teilweise mit Blick auf seine Katastrophenszenarien weit übers Ziel hinaus geschossen ist.

Ich weiß nicht so recht, bb! Spanuths wissenschaftliche Ausbildung und archäologische Erfahrung war nicht so beschaffen, dass er der Phalanx deutscher Professoren Paroli bieten konnte. Aber auch unsere Fachwissenschaftler werfen sich ja gegenseitig ähnliches vor, man denke an die Troja Kontroverse Korfmann-Kolb.

Immerhin hat Spanuth einige interessante Anregungen gegeben, auch wenn die Helgoland-Atlantis-Hypothese sang- und klanglos eingestürzt ist.
 
@Dieter: Immerhin hat Spanuth einige interessante Anregungen gegeben, auch wenn die Helgoland-Atlantis-Hypothese sang- und klanglos eingestürzt ist.
Völlige Übereinstimmung, @Dieter. Auf jeden Fall habe ich es als interessant empfunden, seine Thesen und Entgegnungen zu lesen. Das heißt noch lange nicht, dass er Recht hat. Auch Däniken und Co. kann man ja einen gewissen Unterhaltungswert nicht absprechen.
 
Man nähert sich weiter den spätbronzezeitlichen/früheisenzeitlichen Migrationen als Grundrauschen der Seevölkergeschichten.

Eine neue Studie (auch über Untersuchungen der MPG) meint europäische Spuren in der aDNA von Phillistern (Siedlung Ashkenon) nachzuweisen.
ScienceAdvances, im freien download
Ancient DNA sheds light on the genetic origins of early Iron Age Philistines | Science Advances

Presse
Phillistines, Biblical Enemies of the Israelites, Were European, DNA Reveals

Seite der MPG:
Goliaths Vorfahren kamen aus Europa
 
Die meisten verbinden mit dem" Seevolk" die Altsizilianer .Vieles spricht dafür das die Sherden von dieser Insel stammen aber irgendwie fand ich die gehörnten Helme passten doch eher zu Spanien und deren Stiere. Wenn ein Krieger ein wildes Tier seiner Heimat imitieren will muss es dort auch zu finden sein.
 
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