Das ist kompletter Schwachsinn. Man hat die "uralischen" und "altaischen" Sprachen stets im Zusammenhang untersucht und dabei herausgefunden, daß die nachweislich altaische, insbesondere türkische Schicht im Ungarischen, jünger sein muß als die finno-ugrischen Gemeinsamkeiten und folglich nicht auf sprachliche Urverwandtschaft, sondern auf Entlehnung zurückgehen muß.
Von diesen grundlegenden linguistischen Erkenntnissen hat der Autor freilich auch keine Ahnung. Er betrachtet Lehnwörter offensichtlich als Beweis für "Sprachverwandtschaft", da könnte er auch die zahlreichen deutschen, lateinischen und slawischen Lehnwörter im Ungarischen als "Beweis" dafür nehmen, daß Ungarisch in Wirklichkeit eine indoeuropäische Sprache ist.
Vielleicht geht es bei diesem Diskurs gar nicht darum, was der Wissensstand der Finnougristik heute ist, vielleicht noch nicht mal um den Stand im 18.Jahrhundert, sondern eher darum, was jenseits des wissenschaftlichen Elfenbeinturms bei der Bevölkerung angekommen ist.
In
Wichert: Sprache 18. Jhdt. wird die Auseinandersetzung mit der deutschen Sprache in der Phase der Aufklärung beschrieben, wie @tamas sagt, ausgehend vom christlichen Ansatz nach der lutherischen Bibelübersetzung. In einem ähnlichen Kontext könnte das in Ungarn abgelaufen sein.
Da ich über die Geschichte der Sprachforschung nicht viel weiß, möge man meine folgenden Gedanken bitte korrigieren:
Irgendwann kam über die Sprachforschung die Zusammenfassung in Sprachgruppen/-familien, man fand u.a. die indogermanische Gruppe und grenzte die finnougrische davon ab.
Ich unterstelle, dass dieser Prozess im Kreise der Intellektuellen einigermaßen wertneutral verlief, dass man sich zumindest bemühte, die eigene Sprache nicht als weiterentwickelt, höherstehend oder sonstwie besser einzustufen.
Was erreichte aber die Menschen jenseits des Elfenbeinturms, den Mittelstand, das Bürgertum aber auch Hochadel, regierende Fürsten?
Den unteren Schichten werden solche Gelehrtenaussagen anders als heute eher gleichgültig gewesen sein. Regierende Fürsten waren nicht unbedingt intellektuell, sie schmückten sich vielleicht mit Denkern der Aufklärung, inwieweit sie diese selbst verstanden, ist aber ein anderes Thema. Maria Theresia z.B. hat ihre fehlende Bildung m.E. bedauert.
Vielleicht wirkte die Sprachgruppenforschung im 18./19.Jahrh. so polarisierend auf Identitäts- und Wurzelsuchende Volksgruppen, Ethnien, Einzelpersonen wie es heute die Genforschung mit ihren Haplogruppen, Mitochondrien-DNAs und Genmarkern tut. Ich will damit sagen, die Wissenschaft tritt mit ihren Thesen an die Öffentlichkeit, wird aber nur halb verstanden und Meinungsbildner wie heute die Presse, vereinfachen und verfälschen diese Aussagen, manchmal aus Unkenntnis, manchmal aber auch, weil Ihnen gewisse Schlußfolgerungen " in den Kram passen".
Für Ungarn behaupte ich daher und mich interessiert eure Meinung:
Die Habsburger haben vielleicht nur "ungarisch hat was mit finnisch zu tun" verstanden und "Gott sei Dank" nicht mit türkisch/osmanisch, denn wenn das so wäre, wären Osmanen und Ungarn Erbfreunde, natürliche Verbündete, was zu der Zeit Generalverdacht/Mißtrauen erregt hätte.
Die politische Intention der Habsburger könnte man mit Koalitionspartnersuche und Ausspielen von Volksgruppen gegeneinander umschreiben. Wie diese Intention bei den Ungarn angekommen ist, ist wieder eine andere Frage.
Diese haben vielleicht nur die angebliche Verwandtschaft zu Rentiernomadischen Lappen wahrgenommen, die sie wiederum als kulturell minderwertig einstuften und haben sich gleichzeitig abgeschnitten gefühlt von ihrer glorreichen magyarischen, hunnischen Vergangenheit, so jedenfalls lese ich den Link von @tamas.
Dass diese Problematik noch heute in den Köpfen spukt, ist wieder ein anderes Thema aber auch kein Einzelproblem, wenn ich an die Balkan- Germanen- Türken- und sonstige Ethnogenese-Threads denke.