Von einer solchen Einwanderung der Hethiter ist allerdings die ganz überwiegende Mehrheit der Geschichtsforschung überzeugt.
Weder die Hethiter noch die Proto-Hethiter sind eingewandert, sondern allenfalls die Sprecher des Proto-Anatolischen. So sieht die communis opinio aus.
Insofern erfolgte die Ethnogenese der Hethiter selbstverständlich in Anatolien, wie auch die Ethnogenese der Italiker erst in Italien und die der Proto-Griechen in Griechenland.
Bitte nicht die Begriffsebenen durcheinanderbringen: "Italiker", "Proto-Griechen" und "Hethiter" sind keine vergleichbaren Einheiten. Da werden Äpfel mit Kartoffelsäcken verglichen.
Versuch einer Begriffsklärung:
"Italisch", "Griechisch" und "Anatolisch" sind Sammelbegriffe. Damit werden indogermanische Sprachzweige bezeichnet, die jeweils aus einer Reihe von Einzelsprachen bestehen.
- Unter "Italisch" werden historisch belegte Einzelsprachen wie Faliskisch, Oskisch, Umbrisch, Latein usw. zusammengefaßt.
- "Griechisch" ist wiederum der Sammelbegriff für Minoisch, Dorisch, Ionisch usw.
- "Anatolisch" faßt Sprachen wie Palaisch, Lydisch, Karisch, Pisidisch, Sidetisch, Lykisch, Milyisch usw. zusammen. "Hethitisch" ist nur eine dieser Einzelsprachen, jedoch
kein Sammelbegriff. Den richtigen Ansatz hast Du ja selber schon korrekt benannt:
Die Sprache der Hethiter zählt zur anatolischen Untergruppe der indoeuropäischen Sprachfamilie.
Dann sprechen wir doch bitte von der anatolischen Untergruppe, wenn wir die anatolische Untergruppe meinen, und von Hethitern, wenn wir die Hethiter meinen.
Meint man nicht die Summe der historisch belegten Einzelsprachen, sondern die hypothetisch zu postulierende Ausgangssprache, auf die
alle jeweiligen Einzelsprachen., kann man die Silbe "Proto-" oder "Ur-" davorsetzen. Also "Ur-Anatolisch" oder "Proto-Anatolisch".
Alle anderen Begriffe, die von Einzelsprachen ausgehen, sind hier fehl am Platz. "Ur-Luwisch" oder "Proto-Luwisch" ist ja mitnichten dasselbe wie "Proto-Anatolisch", denn vom Urluwischen stammen zwar wohl eine Reihe von Einzelsprachen wie etwa Lykisch oder Karisch ab,
nicht jedoch z. B. Lydisch oder Palaisch. Von der direkten Vorgängersprache des Hethitischen stammt nach heutigem Wissen keine weitere belegte Sprache ab, daher ist es Unfug, den Begriff "Proto-Hethitisch" zu verwenden, wenn die Vorgängersprachen anderer Sprachen gemeint sind.
Ich hoffe, auch dies ist soweit verständlich.
Da allgemein ein indoeuropäisches Kern- und Ausgangsgebiet im Raum zwischen Osteuropa und Südrussland vermutet wird (um einmal den begriff "Urheimat" zu vermeiden), ist eine Einwanderung der Hethiter aus diesem Raum wahrscheinlich. Diskutiert wird, ob diese Proto-Hethiter von Osten oder von Westen nach Anatolien eingewandert sind.
Weder "Hethiter" noch "Proto-Hethiter" sind Kandidaten für irgendeine Wanderung aus einer indogermanischen Urheimat. Ebensowenig wie (um mal die Römer hier nicht zu strapazieren) die Proto-Alemannen... Ich weiß zwar, was Du meinst, das sollte aber kein Grund sein, immer wieder absichtlich falsche Begriffe zu verwenden.
Lediglich Colin Renfrew hat eine anatolische Urheimat der Indioeuropäer postuliert
Das ist in dieser Formulierung zumindest mißverständlich, wenn nicht gar falsch. Unabhängig von Renfrew und mit ganz anderen Argumenten haben Gamkrelidze und Ivanov eine ost-anatolische Urheimat der Indio... äh Indoeuropäer postuliert. Freilich bringen Gamkrelidze und Ivanov die Expansion der Indoeuropäer nicht in eine zeitliche und ursächliche Verbindung mit der Neolithisierung Europas, sondern setzen sie deutlich später an.
und die Neolithisierung Europas mit der Expansion der Indoeuropäer verbunden, was aber nicht auf Anerkennung gestoßen ist, da es starke chronologische und gesellschaftstypische Probleme gibt.
Es sind insbesondere chronologische Probleme, da gibt es harte Fakten, die nicht mit Renfrews Theorie harmonieren. Bei den "gesellschaftstypischen Problemen" handelt es sich hingegen nicht um harte Fakten. Um es mal zugespitzt auszudrücken: Die "gesellschaftstypischen Probleme" existieren vor allem in den Köpfen von Leuten, die sich bestimmte Phantasiebilder "alteuropäischer" oder "indoeuropäischer" Gesellschaften gemalt haben und diese so liebgewonnen haben, daß sie Probleme bekommen, wenn sie mit einer anderen Sichtweise konfrontiert werden.
Das gilt auch für die neuseeländischen Forscher R. Gray und Q. Atkinson.
Über Gray und Atkinson brauchen wir nun wirklich nicht zu diskutieren, auf welchem Fachgebiet betreiben die bitteschön ihre Forschungen?
Wie alle Völker blieben auch die Hethiter nicht unvermischt, sondern verschmolzen im Lauf ihrer rund 800 Jahre währenden Herrschaft vor allem mit den Hattiern:
Die Herrschaft der Hethiter währte keine 800 Jahre, sondern 400 Jahre; allenfalls 500 Jahre, wenn wir bis Anitta zurückrechnen. Während dieser Zeit ist in sprachlicher Sicht vor allem ein
luwischer Einfluß auf das Hethitische festzustellen. Der hattische Einfluß ist, wie neuere Forschungen ergeben haben (siehe vor allem H. Craig Melchert), sehr beschränkt. Vieles, was früher als hattisches Lehngut vermutet wurde, hat sich als eindeutig luwisch erwiesen.
Natürlich ist das ebenso absurd, wie auch kein Mensch von der Einwanderung "indoeuropäischer Sprachträger" nach Griechenland spricht. Wir wissen beide, dass es sich natürlich um indoeuropäische "Proto"-Stämme handelt.
Was daran soll bitte "absurd" sein? Natürlich waren diese indoeuropäische Stämme Träger indoeuropäischer Sprachen. Ist Dir eigentlich bewußt, daß wahrscheinlich nicht nur "Proto-Griechen" nach Griechenland gelangt sind, sondern auch Sprecher anderer - nicht mehr existenter - indoeuropäischer Sprachen, die jedoch deutliche Spuren im Griechischen hinterlassen haben?
im späten 3. und frühen 2. Jahrtausend v. Chr. in den alteingesessenen hattischen Fürstentümern Zentralanatoliens nach und nach Schlüsselpositionen besetzt und so allmählich die Macht im Land an sich gebracht.
Was Du hier zitierst, bezieht sich nicht direkt auf die Einwanderung. Um noch einmal die alte Analogie zu bemühen: Der Zeitpunkt, an dem die Römer begannen, sich gegenüber den bisherigen etruskischen Herren in eine Schlüsselposition zu bringen, ist nicht identisch mit der Einwanderung der
Römer Proto-Römer Proto-Italiker auf die Halbinsel.
Dein "römisches Beispiel" musst du nicht erneut vorkramen. Ich habe dir dazu schon weiter oben gesagt, dass kein vernünftiger Mensch derartigen Unsinn von einer Einwanderung der Römer nach Italien behaupten wird.
Solange Du nicht müde wirst, denselben Unsinn bezüglich der "Einwanderung der Hethiter" wider besseres Wissen in jedem Deiner Beiträge unterzubringen, bin ich so frei und krame geduldig dieses Beispiel immer wieder vor.
Dir ist klar, dass die Einwanderungshypothese unter Fachwissenschaftlern überaus verbreitet ist, selbst beim von dir zitierte Norbert Oettinger:
Selbstverständlich, habe ich gegen jemals Gegenteiliges angedeutet? Die Einwanderung als solche steht nicht zur Debatte, wir sollten aber korrekt benennen, wer da nach verbreiteter Mutmaßung eingewandert ist:
Indogermanische Sprachträger? Korrekt.
Proto-Anatolier? Auch Korrekt, jedoch präziser.
Hethiter? Quatsch.