Flottenbau, Besatzung und auch Schiffstypen? Wieder Theoderich.
Silesia schrieb:
Das scheint mir eher eine antike Übertreibung zu sein. Eine erste Vorführung dieser Flotte (1000 Schiffe) nach einem Jahr halte ich demnach für ausgeschlossen.
In den „Variae“ müssten noch Details zu finden sein, wie sehr die Planung auch das begrenzte „seemännische Potential“ Italiens belastete. (Da war irgendwas mit Rücksichten…). Darauf weist auch mein Zitat von Rubin mit den „Sklaven“ bei der Rekrutierung hin. „Galeerensklaven“ brauchte man kein Handgeld zu zahlen… Und das bei einem Foederatenvolk, das sich selbst als Kriegerkaste sah!
Wichtig ist auch der Kontext des Flottenbaus: Theoderich war wütend über den Kerkertod seiner Schwester Amalafrida bei den Vandalen (Tod um 525). Es wurde von einem geplanten Rachekrieg gegen die untreuen Verbündeten gesprochen, die ihm schon einmal (bei der Übernahme der Herrschaft über die Westgoten) aktiv in die Suppe gespuckt hatten, indem sie einen ihm nicht genehmen, westgotischen Thronanwärter (Gesalech) unterstützt hatten. Echte „Rache“ konnte Theoderich nur nehmen, wenn er mit Truppen den Sprung nach Nordafrika wagen wollte. Eine „Mehrzweckflotte“ bot dafür die allerbesten Chancen, auch eine Invasion zu wagen – wobei dies sicher politische Konsequenzen bedeutet hätte!
Ein Kernpunkt für den (als Vergleich herangezogenen,) ostgotischen Flottenplan von 525 ist dessen Umfang und genaue Art. Beat Meyer-Flügel hat die Stellen in der „Variae“ nach Themen differenziert. Wir lesen hier (S228), dass Fischer eben nicht zur neuen Flotte gezogen werden sollten, um die Versorgung mit Meeresgetier nicht zu gefährden. Wüsste man nicht um Cassiodors blumigen Stil…. Weiter ist bekannt, dass Italien in jener Zeit durchaus Holz exportierte und zwar nicht nur nach Africa! Theoderich beherrschte damals die nördliche Mittelmeerküste zwischen Gibraltar und Salona in Dalmatien! Als faktischer König der Westgoten (an seines Enkels Statt) konnte er auch auf Ressourcen im Westen zurückgreifen, was den Plan 1000 Schiffe im Ganzen auf Kiel legen zu lassen, in ein angemesseneres Licht rücken dürfte. Sicher war Italien die „Kernprovinz“ des Amalers, doch eben bei Weitem nicht Alles!
Unter Var. 5,16,2 findet sich in Latein folgender Text:
„Cum nostrum igitur animum fequens cura pulsaret naves Italiam non habere, ubi tanta lignorum copia suffragatur, ut aliis quoque provinciis expetita transmittat, deo nobis inspirante decrevimus mille interim
dromones fabricandos assumere, qui et frumenta publica possint convehere et adversis navibus, si necesse fuerit, obviare.“
In einem weiteren Brief an den praefectus praetrorio Abundantius, spricht Cassiodor von einigen, bereits fertig gestellten Schiffen (was bedeutet, dass niemals alle 1000 Schiffe fertig wurden) und ihrer Fähigkeit zum Truppentransport. (Var. 5,17,2). Dabei vergisst er nicht hervorzuheben, dass man von Außen nur die Zahl der Triremen (Ruder) sehen könne, aber nicht wer sich dahinter verberge.
Die Verwendung des Wortes „dromones“ deutet auf die in jener Zeit aufkommenden, kleinen, oft auch als Schnellsegler verwendeten Schiffe dieses Typs hin. Die Dromonen sollten noch bis weit in das Mittelalter hinein eine Rolle als Kriegsschiff spielen, ihr genaues Aussehen ist aber recht unbekannt. Ein Vorteil gegenüber der alten Trireme sei es gewesen, dass auch ungeübte Ruderer hier gut Verwendung finden konnten. Auch waren sie wohl bessere und stabilere Segler. Wie genau nun die „Schnellsegler“ jener Zeit (Dromone wird auch mit „Läufer“ als Wortbedeutung übersetzt) nun ausgesehen haben, weis ich nicht. Sicher ist, dass eine „Galeere“, gleich welcher Art als Massengutfrachter eigentlich nur in Ausnahmefällen eine Option sein sollte.
http://wissen.spiegel.de/wissen/ima...e035/0546/ROSP200504701290131.PDF&thumb=false
@Vandalen:
Wir sollten auch nicht vergessen, dass auch die Vandalen nicht plötzlich als „Seefahrer“ im Mittelmeer aufgetaucht sind: Als Geiserich von Spanien aus nach Afrika übersetzte, nahm er die mit abstand kürzeste Route zwischen Iulia Traducta (Spanien) und Tingis (=Tanger) im heutigen Marokko. Jemand der die See beherrscht, wäre direkter gefahren, statt erst im Jahre 439 Karthago zu erobern (= 10 Jahre nach dem Aufbruch) und in Etappen das ganze Gebiet dazwischen zu durchziehen und dabei die dort stehenden, römischen Truppen vertreiben zu müssen. Nutznießer (und auch Helfer) bei diesem Krieg waren auch örtliche Berberstämme, denn nach Weiterzug der Vandalen blieb oft ein Machtvakuum zurück. Geiserich hatte bei den lokalen Stämmen einigen Rückhalt!
Auch wenn vandalische Fahrten bereits vor der „Invasion“ nach Afrika gegangen waren, so beweist das keineswegs eine ausgewiesene Seemannschaft. Die von mir grob skizzierte Entwicklung einer „barbarischen“ Bedrohung des Schwarzen Meeres durch Goten, Heruler und Sarmaten weiter Oben, die bis zu massiven Plünderungen uralter griechischer Küstenstädte in der Ägäis eskalierten, weisen m.E. einige Parallelen zu den Vorgängen bei den Vandalen auf. Auch hier stützte man sich auf Kenntnisse und Geräte von einer örtlichen, in maritimen Dingen erfahreneren Bevölkerung. Hier wie dort stehen am Anfang die „Übernahme“ von regionalen „Flotten“ und deren späteren, mehr oder weniger gekonnten Einsatz für eigene Zwecke.
Aus zivilem Blickwinkel gesehen haben sich die Vandalen in Nordafrika ins gemachte Nest gesetzt. Die Gegend war vor allem agrarisch reich, gut erschlossen und wirtschaftlich eine boomende Exportprovinz. Auch wenn die Vandalen "Strandschläge" durchführten (wie ich das einmal nennen will...), so war doch die Wirtschaftlichkeit ihres Reiches direkt mit den zivilen See-Exporten verbunden. Sie hatten also ein Interesse an einer funktionierenden Handelsschifffahrt. Diese wurde umso sicherer, je besser sie selbst die Meere auch militärisch befahren konnten. Die fast schon skandalös gescheiterten west- & oströmischen Flotten-Expeditionen gegen Geiserich haben vermutlich deren Ansehen und Kampfgeist vielleicht noch mehr geschädigt als ihr Material selbst. Die Überlieferung lässt das (kurze Zeit später so glücklich/siegreiche) Heer des Belisar auf der Überfahrt nach Africa sich weigern, gegen vandalische Flotten zu kämpfen, falls sie auf der Anfahrt abgefangen würden! Jedenfalls war bald nach Geiserichs Erfolg in Africa keine Weströmische Flotte mehr übrig. Weder König Odoaker, noch der Ostgote Theoderich haben von Italien aus in den seit Jahrhunderten bekannten, römischen Haupt- Flottenstützpunkten Misenum und Ravenna noch Flotten vorgefunden. In ihrem Krieg konnte Theoderich sogar „Flotten“ aus „griechischen“ Handelsschiffen improvisieren um Truppen zu verlegen, oder die Versorgung des in Ravenna eingeschlossenen Odoaker stören. Hier war einfach nichts mehr! „Vandalen“ und Oströmer wurden nun zu den „Transporteuren“ im Seehandel (wie man Cassiodors Zitat auch lesen muss). Was wundert es da, wenn die Vandalen auch Schiffe unterhielten, mit denen sich dieser Handel auch schützen und kontrollieren ließ? Nicht vergessen sollte man auch ihren „Inselbesitz“, zu dem Besitzungen auf den großen Inseln Korsika, die Balearen, Sardinien und Sizilien gehörten. Letztere überließen sie gegen eine Art „Rente“ dem König Odoaker und später dann den Ostgoten. Sizilien war in der späten Republik neben Africa der hauptsächliche Kornlieferant, gestützt von Lieferungen aus Sardinien. Da ist schon eine deutliche, wirtschaftliche Idee dahinter zu vermuten. Es passt dann nur zu gut ins Bild, wenn die Vandalen durch Überfälle zur See ihren Zugriff auf das Korn noch weiter verfestigen lassen: Also Kornerzeugung, Transport und militärischen Zugriff auf die Verkehrswege in ihrer Hand vereinen.
Karthago selbst wurde von Zeitgenossen nach Rom als zweite Stadt des Westreiches angesehen, manche setzten es mit dem ägyptischen Alexandria gleich. In der Spätantike wurde die Stadt für Manche nur noch von Rom und Konstantinopel übertroffen. Wolfram kann sich sogar für die Vandalenzeit noch eine sechsstellige Bevölkerungszahl dort vorstellen, für das „gesamte römische Afrika schätzt man heute drei Millionen Menschen, die vornehmlich in den rund 500 Städten des Landes lebten. Eine tatsächlich enorme Konzentration von Kapital und Arbeitskraft, die dem Reich Geiserichs schon von Anbeginn eine beachtliche ökonomische Stärke verlieh.“
@Wieder die vandalische Flotte:
Wolfram schreibt neben dem Mosaik von San Apollinare Nuovo (Ravenna), auf dem symbolisierte Handelsschiffe zu sehen sind:
„…geben eine Vorstellung von der vandalischen Flotte, die nicht aus Kriegsschiffen bestand, sondern aus Transportschiffen. Diese Schiffe trugen die maurischen Landungstruppen an die Küsten des Mittelmeeres, die sie unter vandalischem Befehl verheerten. Geiserich soll als willkürliches Ziel solcher Raubfahrten >gegen diejenigen, denen Gott zürnt< genannt haben. (Procopius: De bello Vandalico)“