Quinotaurus

El Quijote

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Wir haben nun schon häufiger den Quinotaurus angesprochen, es lohnt sich, denke ich, sich mal auf den Quinotaurus zu konzentrieren, zumal ja einige der Meinung sind, dass es sich um die Manifestation eines europaweit verbreiteten Kultus handelt.

Die Überlieferung

Der anonyme Chronist der sogenannten Fredegarchronik nennt den Namen dieses Wesens nur einmal und er ist auch der einzige, der dieses Wesen kennt: "Fertur, super litore maris aestatis tempore Chlodeo cum uxore resedens, meridiae uxor ad mare labandum vadens, bistea Neptuni Quinotauri similis eam adpetisset."

Übersetzung: "Es wird berichtet, dass Chlodio mit seiner Frau im Sommer am Strand des Meeres sitzen blieb. Zur Mittagszeit ging seine Frau an das aufgewühlte Meer, wo die Bestie des Neptun, der Quinotaurus sie sofort angegriffen hatte." (Ich habe das adpetisset jetzt, obwohl es im Deutschen stilistisch unschön ist, als Plusquamperfekt übersetzt.)

Weiter heißt es: "Cumque in continuo aut a bistea aut a viro fuisset concepta, peperit filium nomen Meroveum, per co regis Francorum post vocantur Merohingii."

Übersetzung: "Ob er nun durch die Bestie oder durch den Mann empfangen worden sein mag, sie gebar einen Sohn mit Namen Meroveus, weshalb die Könige der Franken später Merowinger genannt wurden."

Zunächst einmal fällt auf, dass das Wort Quinotaurus doch sehr stark an den Minotaurus erinnert, die Trojasage, die ebenfalls erstmals in der Fredegarchroik auf die Franken angewandt wird, ist ein weiterer Bezugspunkt zur antiken Mittelmeerwelt. Soviel ist sicher, der gelehrte Kleriker "Fredegar" kannte zumindest einen Teil der antiken Traditionen, was ja nicht verwundert

Zur Wortform Quinotaurus
Es gibt zur Schreibung Minotaurus ja die unterschiedlichsten Deutungen. Die meisten halten sie schlicht für einen Verschreiber. Wenskus (Religion abâtardie. Materialien zum Synkretismus in der vorchristlichen Theologie der Franken, in: Keller/Staubach, Iconographia Sacra. Mythos, Bildkunst und Dichtung in der Religions- und Sozialgeschichte Alteuropas. Münster 1994, S. 179 - 248.) dagegen hält den Namen Quinotaurus für einen Hybridnamen, also eine volkssprachliche Umbildung des griechischen Minotauros bzw. lateinischen Minotaurus. Wenskus (S. 201): "Die Umformung der einheimischen Überlieferung durch eine interpretatio romana wird durch den hybriden Namen des Quinotaurus als alter ego des Chlodio deutlich erkennbar." Ich halte diese Vermutung Wenskus' für nicht haltbar, sie basiert anscheinend auf dem An- und Ablaut von Klodio und Kinotaurus. Deshalb verwundert auch nicht, dass das Vorliegen eines Hybriden Namens "selbst von Germanisten merkwürdigerweise nicht erkannt worden" ist. Wo nichts vorliegt, kann eben auch nichts erkannt werden.

Wie kommt aber nun das Quinotaurus zustande, vorausgesetzt, es handelt sich nicht um einen Hybridnamen? Die Fredegarchronik ist vor der karolingischen Schriftreform geschrieben worden, sie ist also zunächst in der Unzialen oder Halbunzialen überliefert. Das <M> der Unziale ist häufig sehr bauchig geschrieben und könnte, z.B. durch die Verderbung eines Schriftstücks u.U. auch als <Q> interpretiert werden. Ob nun unser Anonymus "Fredegar" oder einer seiner Abschreiber so eine verderbte HS als Vorlage hatte? Dies könnte jedenfalls die Form Quinotaurus erklären.

Funktion des Quinotaurus
"Fredegar" ist kein Freund der merowingischen Herrscher, im Gegenteil, er rückt sie regelmäßig in ein schlechtes Licht. Die Origo Gentis welche er verfasst, muss also keineswegs, wie immer voraussetzungslos behauptet, im Sinne der casa regia sein. Vielmehr wird hier Merowinger-Bashing betrieben: Sie sind möglicherweise (Fredegar betont ja, dass man nicht wisse, wer der Vater sei) Bastarde und dabei nicht einmal menschlich, sondern von einem Ungeheuer abstammend.

Unterschied zwischen Minotaurus und Quinotaurus?
Wenskus sieht zwischen dem Minotaurus und dem Quinotaurus einen bedeutsamen Unterschied: der Quinotaurus sei die bistea Neptuni (also die 'Bestie des Neptun') selbst, während der Minotaurus "nur" durch den Stier des Poseidon gezeugt wurde (S. 201). Das Datenmaterial scheint doch ein wenig dünn, um solche Unterschiede zu machen. Ist nicht der Minotaurus, dadurch, dass er durch den von Poseidon/Neptun gesandten Stier gezeugt wird, nicht schlicht eine bestia Neptuni?
 
Zur Wortform Quinotaurus
[...] Wenskus [...] dagegen hält den Namen Quinotaurus für einen Hybridnamen, also eine volkssprachliche Umbildung des griechischen Minotauros bzw. lateinischen Minotaurus. Wenskus (S. 201): "Die Umformung der einheimischen Überlieferung durch eine interpretatio romana wird durch den hybriden Namen des Quinotaurus als alter ego des Chlodio deutlich erkennbar."

Entschuldigung, da habe ich natürlich Mist geschrieben. Wenskus glaubt viel mehr an eine Interpretatio Romana eines germanischen Fabelwesens. Das ändert allerdings nichts an meiner Haltung zur seiner alter ego-These:

Ich halte diese Vermutung Wenskus' für nicht haltbar, sie basiert anscheinend auf dem An- und Ablaut von Klodio und Kinotaurus.

Und es ist auch nicht einzusehen, warum der Name bei einer Imitatio Romana hätte verändert werden sollen, das passierte doch sonst auch nicht, da wurden die germanischen Götter auch mit lateinischen Götternamen wiedergegeben, sofern sich der zugehörige germanische Mythos in eine römische Form pressen ließ.
 
Vielsagend ist, dass der Quinotaurus bei Gregor von Tours fehlt. Er wählt einen weniger exotischen Abstammungsmythos, in dem er den trojanischen König Priamos und einen gewissen "Friga" setzt, der vielleicht eine fränkische Entsprechung Freys ist.

Ich würde auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die Franken elemente der römischen Religionen und übernahmen. Ein eindeutiger Hinweis darauf ist z.B. Übernahme des Charons-Pfennig oder auch der Erdbestattung durch die Franken. Die römische Religion wirkte also auf fränkische Bestattungsbräuche. Warum nicht auch weiter?
Eine andere zu klärende Frage, ist die Verbreitung des Minotaurus-Mythos. Wie populär war er in er Spätantike und im frühen Mittelalter?
 
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Ich würde das Problem des Quinotaurus mal mit einer ,wie ich zugebe, ziemlich gewagten Thesen,von einer ganz anderen Seite her aufzäumen:

Es gab ja in der Antike und im Mittelalter die Lehre der 4 Elemente Feuer,Wasser,Luft und Erde. und diesen Elementen waren Symboltiere zugeordnet,nämlich Salamander oder Löwe,Fisch,Adler und Stier. Als Übergangsformen zwischen diesen reinen Symboltieren gab es Fabelmischwesen,die teilweise später in die Heraldik Einzug hielten, so der Greif(Feuer/Luft) der Seelöwe (Feuer/Wasser), der Taurogryph (Luft/Erde) und eben der Quinotaurus(Wasser/Erde)

Gleichzeitig gab es die Zuordnung von Himmelsrichtungen zu den Elementen Erde=N, Wasser=W, Luft =O, Feuer=S

Geht man nun davon aus,daß die Mischwesen ebenfalls Himmelsrichtungen symbolisieren , so stünde der Quinotaurus für die Kombination Erde/Wasser und damit für Nordwesten. Und das ist genau die Himmelsrichtung,in der von Rom aus gesehen,das ursprüngliche Herrschaftsgebiet der frühen Merowinger liegt.
Die Merowinger waren also für die Römer die Herrscher aus dem Nordwesten.
Und für diesen Ursprung könnte der Quinotaurus als Symbol einer geographischen Herkunftsbezeichnung stehen.
 
Eine andere zu klärende Frage, ist die Verbreitung des Minotaurus-Mythos. Wie populär war er in er Spätantike und im frühen Mittelalter?

Bei Claudian kommt er vor (5. Jhdt.) und bei Theodulf in dessen Opus Caroli contra synodem, tpq 787. In letzterem heißt es, der Minotarus sei halb Stier, halb Mensch ("et Minotaurum semibovem semivirumque"). Außerdem komm er bei Aldhelm (7. Jhdt.) vor (ich würde gerne mehr zitieren, aber mein Browser zickt heute Abend). Im 12. Jahrhundert erwähnt ihn Arnold in seiner Slawengeschichte, allerdings mit Bezug auf Daidolos und Ikaros und Sizilien. Und seit Isidor von Sevilla in diversen Chroniken, in denen der mythische Kampf zwischen Theseus und dem Minotaurus als historisch aufgefasst wird. U.a. bei Otto von Freising.
 
Der Tatbestand Seeungeheuer schwänger germanische Königin ist kein Einzelfall.
Aus dem Spätmittelalter ist eine Sage überliefert um langobardische Königin Theudelinde, eine Zeitgenössin der Merowinger und mit diesen wohl auch mal verschwägert.
Hier z.B. das Gedicht von Hans Sachs
Die Königin wird von einem Seeungeheuer, genannt Meerwunder, vergewaltigt, woraus ein Sohn geht, der schon Züge monster- oder berserkerartige Züge. Das Merwunder selbst ist kein Stier, sondern hat Flügel wie eine Fledermaus.
Eifrige Etymologen sahen schon im Mittelalter einen Zusammenhang zwischen Merowinger und Merwunder, immerhin ist beides schon mal die gleiche Sprache und kein altkryptisch oder sanskrit. Die Merowinger wären dann die, die vom Merwunder abstammen.
Interessant ist, dass in mittelalterlichen Merowinger-Polemik auch den Merowingern tierische Eigenschaften nachgesagt werden. Hat der Sprössling des Meerwunders eine Bärenhaut, so wachen den Abkömmlingen des Quinotaurus der Sage nach Borsten wie einem Schwein. Die Sage nennt den Quinotaurus einen Meermann und setzt auch den Namen Merowech damit in Verbindung.
Hierzu die Brüder Grimm in "Deutsche Sagen", leider ohne Quellenangabe.

Die Merowinger hießen die Borstigen 1), weil der Sage nach allen Königen aus diesem Geschlecht Borsten, wie den Schweinen, mitten auf dem Rücken wachsen. - Chlodio, Faramunds Sohn, saß eines Tages mit der Königin am Meergestade, sich von der Sommerhitze zu kühlen, da stieg ein Ungeheuer (Meermann), einem Stiere gleich, aus den Wogen, ergriff die badende Königin und überwältigte sie. Sie gebar darauf einen Sohn von seltsamem, wunderbarem Ansehen, weshalb er Merowig, das heißt Merefech geheißen wurde, und von ihm entspringen die Frankenkönige, Merowinger ( Merofingi, Mereiangelingi) genannt.

Das Phänomen Monster schwängert Königin und zeugt eine Kreuzung aus Mensch und Monster, die König wird, ist auch aus slawischen Sagen bekannt. Dort vergewaltigt typischerweise ein Drache die Königin, woraus ein grausamer König hervorgeht, der Eigenschaft eines Werwolfs oder Zauberers hat. Dazu vielleicht diser ältere Beitrag über slawische Werwölfe.
 
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Der Tatbestand Seeungeheuer schwänger germanische Königin ist kein Einzelfall.
Aus dem Spätmittelalter ist eine Sage überliefert um langobardische Königin Theudelinde, eine Zeitgenössin der Merowinger und mit diesen wohl auch mal verschwägert.
Hier z.B. das Gedicht von Hans Sachs
Die Königin wird von einem Seeungeheuer, genannt Meerwunder, vergewaltigt, woraus ein Sohn geht, der schon Züge monster- oder berserkerartige Züge. Das Merwunder selbst ist kein Stier, sondern hat Flügel wie eine Fledermaus.

In der MGH habe ich unter T(h)eudelinde nichts derartiges wiedergefunden. Aber Teudelinde kommt auch n der Fredegar-Chronik vor. Kann es nicht sein, dass Sachs die Origo Gentis der Merowinger nicht einfach auf Theudelinde übertragen hat?
 
Der Tatbestand Seeungeheuer schwänger germanische Königin ist kein Einzelfall.

Sowas erinnert mich an Beispiele antiker hellenistischer Dynastiepropaganda, wo zum Beispiel die Mutter Alexanders des Großen von Zeus/Ammon oder die Mutter des Seleukos I. von Apollon geschwängert wurde. Der Vater von Ptolemaios I. soll Philipp II. gewesen sein, womit die Ptolemäer sich nicht nur mit Alexander sondern auch mit dessen mystischen Vorfahr Herakles in Verbindung bringen konnten.
 
Eine andere zu klärende Frage, ist die Verbreitung des Minotaurus-Mythos. Wie populär war er in er Spätantike und im frühen Mittelalter?

Als Bild - aber wohl nicht im Text - kommt er bei Hrabanus Maurus in dessen
Liber Rabani de originibus rerum vor. Ich bin darauf aufmerksam geworden durch Wenskus, der schreibt:
"Wir werden auf jeden Fall anzunehmen haben, dass Motive der griechischen Minotaurussage auch im Westen Europas nicht unbekannt waren, wobei der Unterschied der Motivkomplexe jedoch eine unmittelbare Entlehnung auszuschließen scheint.
Einige solcher Unterschiede sind gerade aber auch bei der Gestalt des fränkischen Quinotaurus gegenüber dem kretischen Minotaurus festzustellen. Wir besitzen nämlich in einer illustrierten Handschrift der Enzyklopädie des fuldischen Abtes Hrabanus Maurus aus Monte Cassino (12. Jhdt. Codex 132) eine auf karolingische Vorlage zurückgeführte Abbildung zur Einführung des 6. Kapitels, dessen Text aus Isidor stammt. Wie N.Himmelmann gezeigt hat, folgen die Abbildungen des Kapitels nicht der geläufigen antiken Tradition. Das Einleitungsbild zeigt nun eine Dreiergruppe, bestehend aus einer Götterstatue, um die ein Engel und ein Mischwesen, das als Faunus oder Silvanus angesehen wurde, eine Diskussion führen. [...] Das Mischwesen hat nun, wie der klassische Minotaurus einen Menschenleib und einen Stierkopf, ist jedoch im Unterschied zu diesem mit Krallen ausgestattet. Dieses kann nicht auf antike Vorlagen zurückgeführt werden. [...] Man wird eine einheimische Variante der Gestalt voraussetzen müssen."

Ich war also heute in der Bib und habe mir aus Marianne Reuters Text und Bild im Codex 132 der Bibliothek von Montecassino "Liber Rabani de originibus rerum" das Bild kopiert, für euch eingescannnt und hochgeladen.
Soviel kann man schon mal sagen, obwohl die Kopie leider sehr schlecht ist, die Füße sind in der Tat seltsam und der Zeichner wusste, wie Hufe auszusehen haben. Es ist also kein missglückter Versuch Hufe zu zeichnen.

Allerdings will ich Wenskus auch hier nicht in seiner Argumentation folgen. Er kann keine eigenständig-westliche Minotaurus/Quinotaurus-Tradition nachweisen, bewegt sich die ganze Zeit über im Spekulativen, es wird absolut nicht klar, warum eine Entlehnung auszuschließen ist oder eine einheimische Variante vorausgesetzt werden muss. Im Prinzip nimmt Wenskus ja mehr oder minder voraussetzungslos an, dass der krallenfüßige Minotaurus der Quinotaurus sei. Das einzige, was dafür sprechen würde, ist, dass es sich beide Male um fränkische Quellen handelt, einmal die Abbildung zum andere die Textstelle, in welcher der Minotaurus Quinotaurus heißt. Eine echte Beziehung zwischen beiden Texten besteht nicht.




 

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Sowas erinnert mich an Beispiele antiker hellenistischer Dynastiepropaganda, wo zum Beispiel die Mutter Alexanders des Großen von Zeus/Ammon oder die Mutter des Seleukos I. von Apollon geschwängert wurde.
Das ganze erinnert nicht nur an hellenistische Propaganda. Die angelsächsischen Könige führen sich ebenfalls auf Götter, zurück ebenso die dänischen und schwedischen des frühen Mittelalters.
Interessanter als das bekannte Vorkommen von Woden, Odin und Freyr in den Stammbäumen sind eher mutmaßlich tiergestaltigen germanischen Dioskuren Alcis und die Urangelsachsen Hengest und Horsa. Der Quinotaurus war jedoch ein Einzelkind.

@Hrabanus Maurus
Das Gruppenbild mit Engel deutet ja eher auf einen Teufel hin. Die merkwürdigen Krallenfüße sind da durchaus nicht ungewöhnlich. :devil:
Die gleichen Krallenfüße haben diese Teufel aus dem Stuttgarter Psalter.
Dazu würden auch die Fledermausflügel des Merwunder bei Hans Sachs passen.
Wobei der Teufel ja durchaus auch in Beziehung zur Gestalt des Quinotaurus stehen kann, wenn man das ganze als reine Merowinger-Polemik sieht.
Interessanterweise sind im Stuttgarter Psalter auch echte Meerwunder abgebildet. Die Meerjungfrau, deren Zusammenhang zum Psalter ich nicht erkenne, bläst ins Horn, hat jedoch keinen Kuhkopf. Vielleicht ist auch dieses triton-artige Geschöpf interessant. Am ehesten ein Quinotaurus ist aber dieses menschenfressende Seeungeheuer mit Hörnern. Jonas und der Wal?
Offensichtlich ist nur, dass diese frühmittelalterliche Psalterhandschrift voller phantastischer Mischwesen ist. Deren genaue Bedeutung entschließt sich mir, aber der Physiologus weiß da sicher Antwort.

Minotaurenhafte Mischwesen finden sich auch auf den Goldhörnern von Gallehus, vergesellschaftet mit Zentauren, Hundsköpfen, dreiköpfigen Wesen und anderen Tieren. Alles schwert deutbar, teils medditerran beinflusst, teils durch germanische Mythologie deutbar, offensicht synkretisch und überaus kryptisch.
Aus der Vendel-zeitlichen Pressblechen finden sich auch Minotauren-ähnliche Gestalten. Ja, auf den Hornenden sind Vogelköpfe, weniger beachtet werden aber die Kuhohren des Speertänzers.
Interessant hierzu die Ynglinga-Saga über die Berserserker: "Aber seine [Odins] eigenen Mannen gingen ohne Brünnen, und sie waren wild wie Hunde oder Wölfe. Sie bissen in ihre Schilde und waren stark wie Bären oder Stiere."
Man beachte das zuletzt genannten Tier.
 
Zuletzt bearbeitet:
In die Diskussion des Quinotaurs sollten noch einmal ein paar Threads wieder gelesen werden:
http://www.geschichtsforum.de/f35/mannus-st-mme-kontinuit-t-und-wandel-26272/
http://www.geschichtsforum.de/f37/salfranken-12009/
Hier wird ein Wodanismus bei den frühen Franken diskutiert.
oder um mich selbst auch noch zu zitieren:

Thesen wie z. B. die von Eugen Ewig (Die Merowinger und das Frankenreich) [...], daß Teile der Chauken "Teile der Chauken „in den Franken aufgegangen sind, die in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts auch als Seeräuber in der Nachfolge der Chauken die Küsten des Imperiums plünderten. Seegermanische Traditionen scheinen sich auch bei den salfränkischen Merowingern erhalten zu haben [...]“ (Stuttgart: Kohlhammer, 1988). An dieser Stelle zielt der Autor übrigens dann auf die Legende der Zeugung Merowechs ab.

Und dazu z. B. http://www.geschichtsforum.de/472587-post30.html und
http://www.geschichtsforum.de/472696-post32.html
 
Zum verlinkten Beitrag von beorna:

Die bistea Quinotaurus existiert nicht, es ist eine Verschreibung für bistea Neptuni Minotaurus similis. Man beachte similis und nicht aequus. Sie ist dem Minotaurus also ähnlich.

Dieser Hinweis erscheint mir wichtig, v.a. da ich oben das similis nicht mitübersetzt habe. Wobei ich similis nicht mit 'ähnlich' sondern mit 'gleich' übersetzen würde. Es geht aber beides. :S

Womit ich allerdings nicht konform gehe, das ist die folgende Passage:

Boiorix mit seinen Merowingergeschichten brachte mich drauf, da ich auch immer von einen stierköpfigen Gott ausging. Aber gerade das steht dort nicht. Boiorix brachte die Merowinger immer mit Schweinen in Verbindung, erwähnte irgendwann mal die Borsten der Merowinger. Und ebend dort liegt der Schlüssel. Kein stierköpfiger Gott, nein, ein tierköpfiger Gott und genau gesagt ein Mensch mit einem Eberkopf.

Hier kann man einfach dem Gedankengang nicht folgen, da -taurus noch immer der Stier ist und nicht der Eber, das Wesen heißt ja nicht *Quinoaper.
 
Das Gruppenbild mit Engel deutet ja eher auf einen Teufel hin. Die merkwürdigen Krallenfüße sind da durchaus nicht ungewöhnlich. :devil:
Die gleichen Krallenfüße haben diese Teufel aus dem Stuttgarter Psalter.
Dazu würden auch die Fledermausflügel des Merwunder bei Hans Sachs passen.
Wobei der Teufel ja durchaus auch in Beziehung zur Gestalt des Quinotaurus stehen kann, wenn man das ganze als reine Merowinger-Polemik sieht.

Deine Beispiele sind interessant. Ich gebe aber zu bedenken, dass der Kopf der abgebildeten Figur unzweifelhaft der eines Rindes ist.
 
@Wodanismus der Franken
Hierbei handelt es sich um ein eindeutiges Konstrukt, welches aber eine lange Tradition hat. Dass hinter der Minotaurus-ähnlichen Gestalt ursprünglich ein fränkischer Gott als Stammvater der Merowinger steckte, halte ich für sehr wahrscheinlich. Gregor von Tours nennt einen fränkischen König Friga, wohl ein fränkischer Freyr, als mythischen Stammvater fränkischer Könige. Davon leitet Gregor auch den Stammesname "Frigier", der lautlich als Verballhornung der Phrygier noch den Troja-Mythos mit einbezieht. Wahrlich ein Meisterstück der Pseudo-Etymologie.:scheinheilig:
Damit ist die These vom Wodanismus für mich gestorben.

@Minotaurus des Hrabanus Maurus
Ja, er hat einen Kuhkopf, ähnelt optisch einem Minotaurus. Aus dem Text müsste sich aber ergeben, was das für ein Geschöpf sein soll.
Das scheint mir ein Teufel in Minotaurengestalt. Eine Gestalt, die zumindest auch der Islam zu kennen scheint. askan vermutete hinter dieser Minotaurus-Gestalt den jüdischen Dämonen Aschmodaj.
Auffällig ist, dass optisch an die griechische Sagenwelt angepasste Kreaturen ihren Platz in frühmittelalterlichen, christlichen Handschriften finden.
Hier noch mal aus dem Stuttgarterpsalter: Ein eindeutiger Satyrn und ein Merkur
Da ist ein Minotaurus gar nicht mehr so verwunderlich, sondern scheint die übliche Bildsprache jener Zeit, also biblische Szenen werden in der Bildsprache der griechischen Mythologie abgebildet.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielsagend ist, dass der Quinotaurus bei Gregor von Tours fehlt. Er wählt einen weniger exotischen Abstammungsmythos, in dem er den trojanischen König Priamos und einen gewissen "Friga" setzt, der vielleicht eine fränkische Entsprechung Freys ist.

Jetzt da, du es noch einmal wiederholst (http://www.geschichtsforum.de/484009-post15.html), möchte es es wirklich nicht so stehen lassen; zumindest wußtest du es auch selbst schon einmal besser (vgl. http://www.geschichtsforum.de/472696-post32.html, daß sich die mythische Abstammung der Franken von den Trojanern eben nicht bei Gregor von Tours befindet: Dieser kennt nur die pannonische Herkunft.

Ich hätte noch eine allgemeine Frage zu deinen Beiträgen, Maglor: Worauf willst du mit deinen motivgeschichtlichen Vergleichen eigentlich hinaus? Geht es dir um die kontextuelle Verortung der Quinotaur-Gestalt in antiken und frühchristlicher Mythologie?
 
Ich hatte ja bereits darauf hingewiesen, dass im Buch Iconologia sacra .....
Iconologia sacra: Mythos, Bildkunst ... - Google Bücher
das Quino als Frau, Göttin von guen-. Quinotaurus würde also Stier der Frau oder Göttin, Königin bedeuten. Der Quinotaurus als Alter ego des Chlogio ist nachvollziehbar. Der König verwandelt sich zur Heiligen Hochzeit in den Stier des Neptun und schläft mit seiner Frau, welche die Göttin verkörpert und vielleicht auch oberste Priesterin ist. Der Stier ist dabei auch die Verkörperung des Wassergottes und des Gewässers selbst.
 
Stimmt, da hatte ich Wenskus missverstanden. Das ergibt natürlich einen Sinn, dass der Quinotaurus der 'Stier der Frau' ist. Was natürlich nicht gleich heißt, dass dem auch wirklich so ist. Nach wie vor besteht das Problem das es für den Quinotaurus nur einen einzigen Beleg gibt und wir hier möglicherweise schlicht über einen Schreibfehler diskutieren.

Gehen wir also davon aus, dass der Quinotaurus kein Verschreiber und ein Hybridname mit der Bedeutung 'Stier der Frau' ist, dann macht ihn das noch immer nicht, wie Wenskus glaubt, zum alter ego des Chlodio. Dem entgegen schreibt "Fredegar" ja explizit, dass Chlodio mit seiner Frau am Strand war, als sie ans Wasser ging. Dann habe der Quinotaurus sie angegriffen und jetzt wisse man nicht, wessen Sohn Merowech sei, des Mannes oder des Monsters bzw. wörtlich von dem er empfangen wurde: aut a bistea aut a viro fuisset concepta.
 
Oh, da habe ich die Friga- Troja-Sache zu Unrecht dem Gregor in die Schuhe geschoben. Daher finden sich alle drei Abstammungsmythen bei Fredegar. Ob Friga, Priamus und Quinotaurus ursprünglich gleiche Personen waren? Schon verwirrend.
Ich hätte noch eine allgemeine Frage zu deinen Beiträgen, Maglor: Worauf willst du mit deinen motivgeschichtlichen Vergleichen eigentlich hinaus? Geht es dir um die kontextuelle Verortung der Quinotaur-Gestalt in antiken und frühchristlicher Mythologie?
Ich gehe davon aus, dass wir es mit einer bistea Neptuni Quinotauri similis zu tun haben, sprich einer Gestalt, die einem Minotaurus/Quinotaurus ähnelt, aber selbst keiner ist.
Daher suche ich nach Kreaturen oder Gestalten, die Fredegar für einem Minotaurus ähnlich erachtet haben könnte. Sprich ich suche nach einem stierhäuptigen Geschöpf in der Spätantike oder dem frühen Mittelalter, von dem sich die Merowinger vielleicht herzuleiten suchten.
Auffällig ist das weitgehende Fehlen des Stieres in der bekannten germanischen Mythologie, ebenso wie das Fehlen eines germanischen Neptuns.

Dazu passt natürlich nicht die Deutung von Quino-Taurus mittels althochdeutsch quena, gotisch qino. Dass "similis" bedeutet ja, dass die Bestie einer als bekannten Figur ähnelt, nämlich dem Quinotaurus ähnelt und kein Qunitaurus ist. Ein Vergleich der Bestie Neptuns mit einer allgemein unbekannten Gestalt würde für Fredegar auch wenig Sinn.
Und dem Minotaurus ähnelt z.B. jede anthropomorphe stierhäuptige Gestalt. Antike Fabelwesen waren frühmittelalterlichen Autoren offenbar durchaus bekannt. Dass Ausmaß der Antiken-Rezeption zeigt ja der De diis genium-Link.

Darin findet sich auch vielfältige Stiergestalt: Behemoth, Serapis, Diabolus...
Auch das Ausmaß der Ägypten-Kenntnisse ist beachtlich.
Besonders interessant ist da natürlich der Stiergott in Abschnitt 86
Apis fuit apud Aegyptios taurus Serapi consecratus...
Möglich, dass es sich hierbei um den in der Hrabanus-Handchrift abgebildeten antiken Stiergott handelt.

Interessanter finde ich habe den letzten Abschnitt. Hier wird tatsächlich über die Möglichkeit der sexuellen Verbindung von tierähnlichen Unholden und menschlicher Frauen berichtet:
Pilosi, qui Graece Panitae, Latine Incubi appellantur, sive Inui ab ineundo passim cum animalibus. Unde et Incubi dicuntur ab incumbendo, hoc est stuprando. Saepe enim inprobi existunt etiam mulieribus, et earum peragunt concubitum: quos daemones Galli Dusios vocant, quia adsidue hanc peragunt inmunditiam.
Besonderes Interesse verdient meines Erachtens der gallische Dusius, quasi ein Incubus oder Satyrn der Gallier. Behaart und gehörnt mit einer Vorliebe für menschliche Frauen und am Ende eingeordnet in christliche Dämonenvorstellungen.:devil:
Tatsächlich kann der Incubus auch als Abstammungsmythos herhalten. Nach der Historia Regum Britannia, 12. Jahrhundert, stammt der Zauberer Merlin von einem Incubus ab.
Überhaupt wird die gallische Kompente zu oft außer Acht gelassen, immerhin waren die Merowinger, so weit wir wissen, in Gallien aktiv, sesshaft und herrschend. Gehörnte Götter kannte die gallische Mythologie anders als die bekannte altnordische Überlieferung immerhin zu Genüge. Blöde beim Dusios ist fehlende Neptun-Bezug, der ist aber bei einer anderen gehörnten Gestalt der gallo-romanischen Religion hingegen vorhanden: Pater Rhenus!
 
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Ich gehe davon aus, dass wir es mit einer bistea Neptuni Quinotauri similis zu tun haben, sprich einer Gestalt, die einem Minotaurus/Quinotaurus ähnelt, aber selbst keiner ist.

Wieso einem Minotaurus? M.E. gibt es nur den Minotaurus, oder nicht?

Dazu passt natürlich nicht die Deutung von Quino-Taurus mittels althochdeutsch quena, gotisch qino. Dass "similis" bedeutet ja, dass die Bestie einer als bekannten Figur ähnelt, nämlich dem Quinotaurus ähnelt und kein Qunitaurus ist. Ein Vergleich der Bestie Neptuns mit einer allgemein unbekannten Gestalt würde für Fredegar auch wenig Sinn.
Das scheint mir eine gute Beobachtung zu sein. :yes:


Auch das Ausmaß der Ägypten-Kenntnisse ist beachtlich.
Besonders interessant ist da natürlich der Stiergott in Abschnitt 86
Apis fuit apud Aegyptios taurus Serapi consecratus...
Möglich, dass es sich hierbei um den in der Hrabanus-Handschrift abgebildeten antiken Stiergott handelt.

Weiß ich nicht. Bei der Keule des Minotaurus in der Hrabanus-HS muss ich immer an Herkules denken. Der Text passt auch nicht so gut zum Bild: "Apis war bei den Ägyptern der dem Serapis geweihte Stier."

Interessanter finde ich habe den letzten Abschnitt. Hier wird tatsächlich über die Möglichkeit der sexuellen Verbindung von tierähnlichen Unholden und menschlicher Frauen berichtet:

Besonderes Interesse verdient meines Erachtens der gallische Dusius, quasi ein Incubus oder Satyrn der Gallier. Behaart und gehörnt mit einer Vorliebe für menschliche Frauen und am Ende eingeordnet in christliche Dämonenvorstellungen.:devil:
Tatsächlich kann der Incubus auch als Abstammungsmythos herhalten. Nach der Historia Regum Britannia, 12. Jahrhundert, stammt der Zauberer Merlin von einem Incubus ab.
Überhaupt wird die gallische Kompente zu oft außer Acht gelassen, immerhin waren die Merowinger, so weit wir wissen, in Gallien aktiv, sesshaft und herrschend. Gehörnte Götter kannte die gallische Mythologie anders als die bekannte altnordische Überlieferung immerhin zu Genüge. Blöde beim Dusios ist fehlende Neptun-Bezug, der ist aber bei einer anderen gehörnten Gestalt der gallo-romanischen Religion hingegen vorhanden: Pater Rhenus!

Also ein gallischer incubus, der in der interpretatio romana zun Minotaurus wird... das ist eine Überlegung wert.
 
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