Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Mag sein, dass ich Deinen Beitrag jetzt unzulässig verkürzt zitiere, aber das ist Unsinn. Bei Kalkriese sind zahlreiche/zahllose Fundstücke ausgegraben worden, die auf die Anwesenheit von Legionären (und mithin "Legionen") hindeuten. An der Varusschlacht haben zweifellos ebenfalls Legionäre teilgenommen. Also besteht da kein Widerspruch... :pfeif:


Anscheinend wurde das hier falsch verstanden. Ich sehe aus den Äußerungen heraus, daß es nicht allgemein um Legionäre bzw. Legionen ging, sondern um die bestimmten der 1., 17., 18. und 19.
Und ich kann mich nicht erinnern, daß ich in einer Veröffentlichung gelesen habe, daß es Funde der 3 Varuslegionen gegeben hat. Allerdings deuten die Funde (u.a. Mundblech) schon auf die Anwesenheit der 1.Legion hin.
Da stimme ich den Wissenschaftlern zu und nicht den laienhaften Interpretationsversuchen.

P.S.
"Und westlich der Ems"....da fällt mir zu pontes longi eine andere Tacitus-Stelle ein: "Bei Tagesanbruch sah man wieder die Erde, und der Marsch ging weiter bis zum Visurgis, wohin Germanicus mit der Flotte gefahren war." (I.Buch (70)) Wieso sind jetzt Germanicus und Vitellius an der Weser, obwohl beide doch angeblich auf dem Wege von der Ems zum Rhein waren?
Auch hier müßte dann Tacitus einen geographischen Fehler eingebaut haben....da man nicht die Weser erreicht, wenn man sich zwischen Ems und Rhein befindet.
 
Carnap-Bornheim hat in einem 1999 veröffentlichten Beitrag (den ich in diesem Thread schon mal bibliographisch zitiert habe) die Vermutung geäußert, dass der Wall nach der Schlacht zu einem Heiligtum geworden sei.


Am 4.11.2008 hielten Carnap-Bornheim und Blankenfeldt in Osnabrück einen Vortrag über Kriegsbeuteopfer im Thorsberger Moor (Angeln).
Zu Kalkriese angesprochen, erwiderte C.-B., daß zerschlagene und zerstörte Gegenstände (z.B. Maske) auf kultische Handlungen in Kalkriese hindeuten könnten. Germanen hätten Gegenstände nach einer festen Regelung zerstört. Das könnte vielleicht auf die Vorgehensweise einer Person schließen. Der Verlust der Identität der Besiegten soll durch die Vernichtung der Waffen endgültig sein und der militärische Erfolg manifestiert werden.
C.-B. stellte dann die Frage (leicht scherzhaft), ob Kalkriese überhaupt ein Schlachtfeld sei und nicht nur ein Opferplatz....?

Moosbauer führte an, daß es in Kalkriese ein Problem der Übereinstimmung der Funde und historischen Quellen gäbe, da bisher noch kein eindeutiger Opferfund nachgewiesen werden konnte.
 
Allerdings deuten die Funde (u.a. Mundblech) schon auf die Anwesenheit der 1.Legion hin.

Das einzige was auf die erste Legion verweisen könnte, ist die Inschrift <LPA>. Ob aber die Lesung <LPA> und die Auflösung Legio Prima Augusta, die meines Wissens sonst nicht belegt ist, die richtige ist, ist schlicht unsicher.


P.S.
"Und westlich der Ems"....da fällt mir zu pontes longi eine andere Tacitus-Stelle ein: "Bei Tagesanbruch sah man wieder die Erde, und der Marsch ging weiter bis zum Visurgis, wohin Germanicus mit der Flotte gefahren war." (I.Buch (70)) Wieso sind jetzt Germanicus und Vitellius an der Weser, obwohl beide doch angeblich auf dem Wege von der Ems zum Rhein waren?
Auch hier müsste dann Tacitus einen geographischen Fehler eingebaut haben....da man nicht die Weser erreicht, wenn man sich zwischen Ems und Rhein befindet.

Vermutlich weil Tacitus, der sich selber nicht so richtig in Germanien auskannte, aus seiner Quelle falsch abgeschrieben hatte oder mit seinen Gedanken woanders war. Vielleicht ist auch dem mittelalterlichen Abschreiber ein falsch einsortiertes Blatt zum Verhängnis geworden, denn das ganze ist äußerst unlogisch. Zuerst befiehlt Germanicus seinen Leuten den Rückmarsch zum Emstreffpunkt und teilt dort die Truppen für den Rückmarsch zum Rhein auf, plötzlich aber sind er und Vitellius an der Weser.
Möglicherweise fehlt aber auch ein Stück oder Tacitus unterschlägt etwas. Wenn man berücksichtigt, dass zunächst zu Beginn des Unternehmens die Reiterei unter dem Präfekten Pedo durch das Gebiet der Friesen an die Ems reiten sollte (Tac. ann. I, 60, 2) und diese Reiterei nach dem Feldzug und dem Wiederreichen des Emstreffpunktes wiederum auf diesem Weg nach Hause geschickt wurde (Tac. ann. I, 63, 3), dann ist der von Vitellius geführte Teil, der ja laut Tacitus zunächst mit der Flotte mitfuhr, dann aber aus Gründen des Gewichts ausschiffen musste und durch eine Sturm- oder Springflut (Tacitus konstruiert eine Mischung aus beidem) zur Weser gelangte, weiter von zuhause weg, als vorher (so denn der Flussname kein Fehler Tacitus' ist). Durch die Stürme wurde also die Marschkolonne, die sich im Watt befand, fortgerissen und es gelang ihr erst wieder ca. 100 km weiter östlich nach viele Verlusten Grund unter die Füße zu kriegen (Wer soll das glauben!). Der Tacitustext ist dramatisch:

"Aber Germanicus übergab von den Legionen, die er zu Schiff herbeigeführt hatte, die zweite und die vierzehnte dem P.Vitellius mit dem Befehl, sie auf de Landweg weiterzuführen, damit die Flotte mit geringerer Belastung auf dem seichten Meere weiterfahre oder auch bei Ebbe nicht so sehr festsitze. Zuerst marschierte Vitellius ungestört auf trockenem Boden oder bei nur niederem Wasserstand zur Flutzeit. Dann aber wurde mit dem Aufkommen eines starken Nordwindes - es war die Zeit der Tagundnachtgleiche, wo der Ozean stark anschwillt - die Marschkolonne mit fortgerissen. Das Land wurde überflutet. Meer, Strand und Niederungen boten das gleiche Bild; unsicheren und feste Boden, seichte und tiefe Stellen konnte man nicht mehr unterscheiden. Die Leute wurden von den Fluten umgeworfen, von den Strudeln verschlungen: Zugtiere, Gepäck, Leichen schwammen umher, trieben ihnen entgegen. Die Manipel kamen durcheinander, da sie bald bis zur Brust, bald bis zum Mund im Wasser standen, bisweilen auch den Boden unter den Füßen verloren und auseinander gerieten oder untergingen [...] Endlich arbeitete sich Vitellius auf ein höher gelegenes Gelände hinauf, auf das er die Kolonne führte. Dort übernachteten sie ohne Lebensmittel, ohne Feuer, zum großen Teil ohne Kleidung oder mit zerschundenem Körper.... Bei Tagesanbruch sah man wieder Land und der Marsch ging weiter bis zur Visurgis, wohin Germanicus mit der Flotte gefahren war. Dann wurden die Legionen eingeschifft...."

Das Problem: Die Szenen an und für sich erscheinen mir recht glaubwürdig, was mir allerdings absolut unglaubwürdig erscheint ist, dass die Legionäre, die ja stundenlang im Wasser hätten treiben müssen, überhaupt wieder an Land gelangten und als Kolonne oder agmen weitermarschieren konnten. Dass einige überlebten, kann ich mir ja noch vorstellen, aber dass sie zusammenblieben und sich wieder sammeln konnten, erscheint mir nur sehr schwer vorstellbar.

Am 4.11.2008 hielten Carnap-Bornheim und Blankenfeldt in Osnabrück einen Vortrag über Kriegsbeuteopfer im Thorsberger Moor (Angeln).
Zu Kalkriese angesprochen, erwiderte C.-B., daß zerschlagene und zerstörte Gegenstände (z.B. Maske) auf kultische Handlungen in Kalkriese hindeuten könnten. Germanen hätten Gegenstände nach einer festen Regelung zerstört. Das könnte vielleicht auf die Vorgehensweise einer Person schließen. Der Verlust der Identität der Besiegten soll durch die Vernichtung der Waffen endgültig sein und der militärische Erfolg manifestiert werden.
C.-B. stellte dann die Frage (leicht scherzhaft), ob Kalkriese überhaupt ein Schlachtfeld sei und nicht nur ein Opferplatz....?

Moosbauer führte an, daß es in Kalkriese ein Problem der Übereinstimmung der Funde und historischen Quellen gäbe, da bisher noch kein eindeutiger Opferfund nachgewiesen werden konnte.


Damit ist Carnap-Bornheim schon 1999 aufgewartet.
 
Das einzige was auf die erste Legion verweisen könnte, ist die Inschrift <LPA>. Ob aber die Lesung <LPA> und die Auflösung Legio Prima Augusta, die meines Wissens sonst nicht belegt ist, die richtige ist, ist schlicht unsicher.

Sie ist nicht unsicher, sondern die Deutung, die von Mª Paz García-Bellido, Prof. Rainer Wiegels und Prof. Wolgang Schlüter vertreten wird.

Ich weiß allerdings, dass einige Hobbyforscher ihre eigenen Deutungen von "LPA" vertreten. Ich denke jedoch, man muss sie hier nicht diskutieren.
 
Sie ist nicht unsicher, sondern die Deutung, die von Mª Paz García-Bellido, Prof. Rainer Wiegels und Prof. Wolgang Schlüter vertreten wird.

Eben, eine Deutung und damit unsicher. Wäre die Lesung LPA=Legio Prima Augusta sicher, dann müsste man auch nicht von Deutung sprechen. Da muss man auch niemanden als "Hobbyforscher" abqualifizieren.
Edit: Und solange man keine vergleichbare Inschrift beibringen kann, wird es auch immer nur eine unbewiesene Deutung bleiben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Auch gesetzt den Fall, dass das Mundblech wirklich zur legio I gehörte, dann schließt das Kalkriese als Ort der Varusschlacht immer noch nicht aus.
Das gute Stück hätte auch mit den Germanicus-Legionen dorthin kommen können.
Eine andere Möglichkeit wäre, dass das Mundblech zuerst im Besitz der legio I war, später aber an eine der Varuslegionen übergeben wurde. Dass Ausrüstungsstücke mehrere Benutzer aus verschiedenen Einheiten hatten, ist zumindest bei den Helmen belegt, wieso sollte das nicht auch bei anderen Ausrüstungsgegenständen der Fall gewesen sein.

Gruß
Cato
 
Auch gesetzt den Fall, dass das Mundblech wirklich zur legio I gehörte, dann schließt das Kalkriese als Ort der Varusschlacht immer noch nicht aus.
Gruß
Cato

Wohl wahr.
Das haben wir in diesem Thread schon eingehend diskutiert. Dieses Mundblech schließt Kalkriese als möglichen Ort der Varusschlacht nicht aus-ähnlich wie die haud procul Textstelle des Tacitus. Es gibt diverse und auch durchaus nachvollziehbare Möglichkeiten, wie dieses Mundblech dorthin gelangen konnte.

Es ist wie immer: Es gibt Argumente dafür und dagegen...:grübel:
 
Vermutlich weil Tacitus, der sich selber nicht so richtig in Germanien auskannte, aus seiner Quelle falsch abgeschrieben hatte oder mit seinen Gedanken woanders war. Vielleicht ist auch dem mittelalterlichen Abschreiber ein falsch einsortiertes Blatt zum Verhängnis geworden, denn das ganze ist äußerst unlogisch.

Na ja...das mag die Deutung des El Quijote sein, aber das überzeugt nicht, denn man gewinnt hier schnell den Eindruck, daß der Tacitus nur dann zitiert wird, wenn es für Kalkriese passen soll. So wird ein Konstrukt erfunden bzw. Spekulationen angestellt, die umständliche Erklärungen für einfache Sachverhalte liefern sollen, z.B. das Auffinden der Varuslager.
 
Eine andere Möglichkeit wäre, dass das Mundblech zuerst im Besitz der legio I war, später aber an eine der Varuslegionen übergeben wurde. Dass Ausrüstungsstücke mehrere Benutzer aus verschiedenen Einheiten hatten, ist zumindest bei den Helmen belegt, wieso sollte das nicht auch bei anderen Ausrüstungsgegenständen der Fall gewesen sein.

Gruß
Cato

Auch hier sehe ich eine Spekulation, die aufgrund eines Konstrukt ersteht. Dagegen kann man setzen, daß die 1.Legion einfach an dem Ort war und in Kämpfe verwickelt, sodaß solche Gegenstände verlustig gingen. Diese Spekulation klingt wesentlich logischer als irgendwelche "Schenkungen", die nicht nachgewiesen wurden.
 
Vermutlich weil Tacitus, der sich selber nicht so richtig in Germanien auskannte, aus seiner Quelle falsch abgeschrieben hatte oder mit seinen Gedanken woanders war.
So ist es. Tacitus nahm sich wahrscheinlich die Freiheit, einige Teile des Feldzugs zu kürzen oder chronologisch nicht in der richtigen Reihenfolge wieder zu geben. Wer nun also meint, die Schlacht an den Pontes Longi müsse westlich der Ems stattgefunden haben, der ist auf dem Holzweg. Kalkriese aufgrund der Tacitus-Quelle (Ann. I, 63) als pontes longi auszuschließen, wäre vollkommen falsch.

Wäre die Lesung LPA=Legio Prima Augusta sicher, dann müsste man auch nicht von Deutung sprechen. Da muss man auch niemanden als "Hobbyforscher" abqualifizieren.

Natürlich handelt es sich um eine Deutung, alles andere wäre vermessen. Ich vertraue jedoch mehr auf die Deutung von Epigraphikern, als auf die Deutung von Hobbyforschern. Denn außer „Legio Prima Augusta“ ist mir keine weitere Deutung eines Wissenschaftlers bekannt.

Und solange man keine vergleichbare Inschrift beibringen kann, wird es auch immer nur eine unbewiesene Deutung bleiben.
Es gibt sehr wohl eine vergleichbare Inschrift. Sie stammt sogar ebenfalls vom Fundort Kalkriese. Ein 2006 gefundenes Senkblei (FundNr. 11519) trägt die Inschrift CO P und wird als CO(HORTIS) P(RIMAE) oder auch CO(HORTE) P(RIMA) gedeutet. Sie zeigt, dass in augusteischer Zeit das „P“ für „Prima“ stand, anstatt der Ziffer I.
Gibt es auch diesbezüglich irgendwelche Einwände?


Dieses Mundblech schließt Kalkriese als möglichen Ort der Varusschlacht nicht aus.

Nochmals: Von den Varus-Legionen (17.,18.,19.) fehlt in Kalkriese jede Spur. Von den Caecina-Legionen ist zumindest eine (1.) in Kalkriese (mit hoher Wahrscheinlichkeit) belegt.
Wer nun noch an die Varusschlacht in Kalkriese glauben möchte, der muss schon sehr viel guten Willen mitbringen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Na ja...das mag die Deutung des El Quijote sein, aber das überzeugt nicht, denn man gewinnt hier schnell den Eindruck, daß der Tacitus nur dann zitiert wird, wenn es für Kalkriese passen soll. So wird ein Konstrukt erfunden bzw. Spekulationen angestellt, die umständliche Erklärungen für einfache Sachverhalte liefern sollen, z.B. das Auffinden der Varuslager.

Nein. Im Gegensatz zu dir habe ich die Stelle nicht aus ihrem Kontext gerissen. Aus ihrem Kontext gerissen ergibt sich natürlich das Bild, Germanicus sei mit Schiffen an der Weser gewesen. Wenn man aber den Gesamtfeldzug betrachtet, dann hat man den Treffpunkt Ems, die Vernichtung der entfernteren Brukterer, die Bestattung der Varuslegionen, die Verfolgung des Arminius und die Rückkehr zur Ems, wo alle nach Hause geschickt werden. Plötzlich aber befinden sich Germanicus und Vitellius an der Weser. Vorstellbar wäre, Germanicus ist beim Sturm mit den Schiffen so weit nach Osten getrieben worden. Nicht vorstellbar ist dahingegen, dass die durch das Watt marschierenden Legionen des Vitellius mal eben 100 km nach Osten getrieben wurden, dies überlebten, gemeinsam an Land kamen und danach auch noch eine Marschkolonne bildeten.

Auch hier sehe ich eine Spekulation, die aufgrund eines Konstrukt ersteht. Dagegen kann man setzen, daß die 1.Legion einfach an dem Ort war und in Kämpfe verwickelt, sodaß solche Gegenstände verlustig gingen. Diese Spekulation klingt wesentlich logischer als irgendwelche "Schenkungen", die nicht nachgewiesen wurden.

Eben nicht! Man kann setzen, dass irgendjemand vor Ort war, der eine Schwertscheide besaß, auf die irgendjemand aus welchen Gründen auch immer möglicherweise ein <LPA> eingeritzt hat.

So ist es. Tacitus nahm sich wahrscheinlich die Freiheit, einige Teile des Feldzugs zu kürzen oder chronologisch nicht in der richtigen Reihenfolge wieder zu geben. Wer nun also meint, die Schlacht an den Pontes Longi müsse westlich der Ems stattgefunden haben, der ist auf dem Holzweg.

Pontes longi war nach der Trennung der Legionen an der Ems, daran gibt es nichts zu deuteln.


Ich vertraue jedoch mehr auf die Deutung von Epigraphikern, als auf die Deutung von Hobbyforschern.

Das tue ich auch, nur basiert diese Deutung auf nur einem Buchstaben, und das reicht für einen positiven Beweise eben nicht aus.
 
Um nochmal auf dem P des Anstosses herumzureiten: haben wir eigentlich irgendwo einen Beleg für die Abkürzung von "prima" mit "P"?
Ich frag' ja nur. Heutzutage würde auch niemand "Erster Weltkrieg" mit "EWK" abkürzen, und soweit ich römische Epigraphik kenne, haben wir hier Kontinuität.
 
Um nochmal auf dem P des Anstosses herumzureiten: haben wir eigentlich irgendwo einen Beleg für die Abkürzung von "prima" mit "P"?

Ja, das habe ich bereits geschrieben:
Es gibt sehr wohl eine vergleichbare Inschrift. Sie stammt sogar ebenfalls vom Fundort Kalkriese. Ein 2006 gefundenes Senkblei (FundNr. 11519) trägt die Inschrift CO P und wird als CO(HORTIS) P(RIMAE) oder auch CO(HORTE) P(RIMA) gedeutet. Sie zeigt, dass in augusteischer Zeit das „P“ für „Prima“ stand, anstatt der Ziffer I.
 
Kalkriese aufgrund der Tacitus-Quelle (Ann. I, 63) als pontes longi auszuschließen, wäre vollkommen falsch.


Das ist interessant.
Könntest Du das näher begründen?

Gerne. Die geographischen und chronologischen Angaben des Tacitus sind aus quellenkritischer Sicht mit Vorsicht zu genießen. Nur eine Kostprobe: Hätte die Trennung der Heeresgruppe erst an der Ems stattgefunden, so hätte Germanicus den Vitellius wohl kaum anschließend an der Weser aufnehmen können.

Literarische Quellen sind wichtig, aber archäologische Funde und Befunde wiegen mehr.
Wenn man bei Kalkriese archäologisch ein Schlachtfeld nachweisen kann, an dem die 1. Legion (des Caecina) teilgenommen hat, dann wird doch niemand ernsthaft behaupten, es sei unmöglich, weil es laut Tacitus dort nicht sein kann.

Zur Erinnerung:
Man entdeckte 2008 am Westrand des Harzes ein Schlachtfeld aus dem 3.Jh., das laut Quellenlage nahezu ausgeschlossen war.
 
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Gerne. Die geographischen und chronologischen Angaben des Tacitus sind aus quellenkritischer Sicht mit Vorsicht zu genießen. Nur eine Kostprobe: Hätte die Trennung der Heeresgruppe erst an der Ems stattgefunden, so hätte Germanicus den Vitellius wohl kaum anschließend an der Weser aufnehmen können.

Literarische Quellen sind wichtig, aber archäologische Funde und Befunde wiegen mehr.
Wenn man bei Kalkriese archäologisch ein Schlachtfeld nachweisen kann, an dem die 1. Legion (des Caecina) teilgenommen hat, dann wird doch niemand ernsthaft behaupten, es sei unmöglich, weil es laut Tacitus dort nicht sein kann.

Also beim ersten Punkt kann ich dir mittlerweile folgen. Irrtum hier oder falsch abgeschrieben dort: Mittlerweile bin ich mir überhaupt nicht sicher ob man von einer Trennung des Heeres an der Ems sprechen kann. Schließlich gibt es ja auch durchaus berechtigte Spekulationen, daß der Tacitus beim Aufmarsch des Feldzuges 16 n. Chr. Weser und Ems verwechselt hat. Offensichtlich waren die geographischen Kenntnisse nicht so gut bzw. vieleicht auch nicht so wichtig (aus schriftstellerischer Sicht). Was interessiert es den gemeinen römischen Leser, ob irgenetwas nun an der Ems oder an der Weser oder sonstwo geschehen ist.

Beim zweiten Punkt bleibe ich dabei. Dieses Mundblech kann auf diversen Wegen dorthin gelangt sein. Eine Anwesenheit der ersten Legion ist möglich, aber sicherlich nicht zwingend.
 
In Kalkriese konnten die über zwanzigjährigen, sehr akribisch und professionell durchgeführten Ausgrabungen die Darstellungen bestätigen, die uns Tacitus zum Ablauf der Schlacht an den Pontes longi überliefert hat.

Caecina ließ zwei Legionen (5.,21.) jeweils an den Flanken positionieren, während die erste die Marschkolonne anführen sollte und die 20. die Nachhut bildete. Der Tross wurde in die Mitte genommen.
Als der Durchzug durch die Engstelle morgens begann, rückten die beiden Legionen an den Flanken gegen den Befehl vor und besetzten eine Fläche jenseits der Engstelle.
> Die beiden Fundstränge westlich des Engpasses von Kalkriese zeigen diese Gabelung der Truppen.

Im Engpass selbst, also am „Oberesch“, haben die Germanen die Bäche vom Berg heruntergeleitet, um den Wall der Römer zu unterspülen. Diese reagieren schnell mit Drainagegräben und Gruben, um das Wasser vom Wall abzuleiten.
> Auch diese Beschreibung konnte durch den Befund in Kalkriese bestätigt werden.

Als der Tross im Schutz des Walles vorrückt, greifen die Germanen vom Hügel herab an und treffen ihn in der Flanke.
Es entsteht ein heilloses Durcheinander, in dem besonders die Pferde und Lasttiere der Römer zu Schaden kommen.
> Knochen von Pferden und Maultieren wurden in Kalkriese in großer Menge gefunden,bis hin zu komplett verschütteten Skeletten. Die überwiegend zivilen römischen Fundgegenstände hinter dem Wall zeigen ebenfalls, dass hier offensichtlich ein Tross in Kampfhandlungen verwickelt wurde.

Caecina kann aus bedrohlicher Situation von Mitgliedern der 1.Legion gerettet werden. Diese 1. Legion war im Engpass in besonders heftige Kämpfe verwickelt.
> Die einzige uns vorliegende Legionskennung aus Kalkriese weist mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgerechnet auf die 1. Legion hin.


Der Ablauf der durch Tacitus geschilderten Schlacht an den Pontes Longi kann in seinen wesentlichen Punkten durch die archäologische Arbeit in Kalkriese bestätigt werden.

Selbstverständlich können diese Kohärenzen zwischen althistorischer Überlieferung und archäologischer Forschung auch reine Zufälligkeiten sein.
 
@Cato d.Ä.

Guter Beitrag. Ich kann Dir durchaus folgen.:winke:

Wie erklärst Du dir allerdings die Durchlässe im Wall? Und was ist mit der großen Fundkonzentration vor (oder etwa hinter:confused:) dem Wall?

Spricht dies nicht eher für eine offensive (germanische) Ausrichtung dieses Walls?

Und auch die Knochengruben harren einer Erklärung.
 
In Kalkriese konnten die über zwanzigjährigen, sehr akribisch und professionell durchgeführten Ausgrabungen die Darstellungen bestätigen, die uns Tacitus zum Ablauf der Schlacht an den Pontes longi überliefert hat.
:nono::cry:

Caecina ließ zwei Legionen (5.,21.) jeweils an den Flanken positionieren, während die erste die Marschkolonne anführen sollte und die 20. die Nachhut bildete. Der Tross wurde in die Mitte genommen.
Als der Durchzug durch die Engstelle morgens begann, rückten die beiden Legionen an den Flanken gegen den Befehl vor und besetzten eine Fläche jenseits der Engstelle.
> Die beiden Fundstränge westlich des Engpasses von Kalkriese zeigen diese Gabelung der Truppen.

Im Engpass selbst, also am „Oberesch“, haben die Germanen die Bäche vom Berg heruntergeleitet, um den Wall der Römer zu unterspülen. Diese reagieren schnell mit Drainagegräben und Gruben, um das Wasser vom Wall abzuleiten.
> Auch diese Beschreibung konnte durch den Befund in Kalkriese bestätigt werden.

Als der Tross im Schutz des Walles vorrückt, greifen die Germanen vom Hügel herab an und treffen ihn in der Flanke.
Es entsteht ein heilloses Durcheinander, in dem besonders die Pferde und Lasttiere der Römer zu Schaden kommen.
> Knochen von Pferden und Maultieren wurden in Kalkriese in großer Menge gefunden,bis hin zu komplett verschütteten Skeletten. Die überwiegend zivilen römischen Fundgegenstände hinter dem Wall zeigen ebenfalls, dass hier offensichtlich ein Tross in Kampfhandlungen verwickelt wurde.

Caecina kann aus bedrohlicher Situation von Mitgliedern der 1.Legion gerettet werden. Diese 1. Legion war im Engpass in besonders heftige Kämpfe verwickelt.
> Die einzige uns vorliegende Legionskennung aus Kalkriese weist mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgerechnet auf die 1. Legion hin.


Der Ablauf der durch Tacitus geschilderten Schlacht an den Pontes Longi kann in seinen wesentlichen Punkten durch die archäologische Arbeit in Kalkriese bestätigt werden.

Selbstverständlich können diese Kohärenzen zwischen althistorischer Überlieferung und archäologischer Forschung auch reine Zufälligkeiten sein.

Ich weiß nicht, wie oft das schon in diesem Thread durchgekaut wurde: Der Wall war gegen die Marschkolonne gerichtet, nicht gegen die Angreifer der Marschkolonne. Dafür sprechen sowohl die Gräben an den Wallenden, als auch der Befund, dass das Vorfeld des Walls abgestochen war, bei Regenwetter die reinste Rutschbahn und die von Salvus erwähnten Durchlässe. Desweiteren würde der Wall auf einer natürlichen Erhöhung gebaut, dem berühmten Flugsandrücken und war hangseitig begehbar. Hangseitig gibt es kaum römische Funde, sumpfseitig in rauhen Mengen. Das ist kein Befund, der zu pontes longi passt.
 
:nono::cry:



Ich weiß nicht, wie oft das schon in diesem Thread durchgekaut wurde: Der Wall war gegen die Marschkolonne gerichtet, nicht gegen die Angreifer der Marschkolonne. Dafür sprechen sowohl die Gräben an den Wallenden, als auch der Befund, dass das Vorfeld des Walls abgestochen war, bei Regenwetter die reinste Rutschbahn und die von Salvus erwähnten Durchlässe. Desweiteren würde der Wall auf einer natürlichen Erhöhung gebaut, dem berühmten Flugsandrücken und war hangseitig begehbar. Hangseitig gibt es kaum römische Funde, sumpfseitig in rauhen Mengen. Das ist kein Befund, der zu pontes longi passt.

Und anscheinend werden die Gräben, die an der Südseite zum Hang sind, nicht von Dir berücksichtigt. Sie behinderten die Germanen und nicht die Römer. D.h. ein Germane mußte durch einen Graben hindurch um auf seinen eigenen Wall zu gelangen. Ferner fragt man sich dann auch, warum der Wall zur Nordseite (sprich hin zum Sumpf) eingestürzt ist und somit ein Maultier unter sich begraben hat? Da waren wohl ganz eifrige Germanen unterwegs?
Rost erklärte, daß die Fundorte der Gegenstände nicht auf Kampfhandlungen schließen lassen, sondern eher auf eine spätere Anhäufung bzw. Sammlung der Gegenstände.

Nachdem ich mir hier etliche ältere Beiträge durchgelesen habe, komme ich hinsichtlich Kalkriese als Varusschlacht immer mehr in Zweifel. Somit tendiere ich jetzt zu pontes longi. Die historischen Quellen geben mir eher den Hinweis auf pontes longi, so wie es hier Cato d.Ä. ausgeführt hat.
Alle Kalkrieseerklärungen sind mir zu gestelzt. Es wurden hier für mich merkwürdige Erklärungen, z.B. über den tumulus, "unmittelbare Nähe", usw. abgegeben. Was wäre denn, wenn man in Kalkriese ein eindeutiges Fundstück der Varuslegionen finden würde? Käme man dann auch mit der Erklärung, daß das hier die Germanicus-Legionen als Andenken verloren hätten? Nein, mit Sicherheit nicht. Und so wundert es mich, daß hier ein Fundstück der 1.Legion (das von einer Wissenschaftlerin ausgewertet wurde) einfach in Zweifel gezogen wird.
Gerade unser "Ritter der traurigen Gestalt" kommt mir hier mit vielen Spekulationen und Deutungen (siehe Thema "Segestes"), die ich nicht so sehe und daher auch nur als seine Meinung akzeptiere, die aber nicht Stand der Wissenschaft sind.
 
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