Taufe Clodwigs

Sicherlich stellte der katholische Glaube ein bindendes Element zwischen Franken und Romanen dar, doch in der Taufe Chlodwigs einen wichtigen Schritt in der französischen Ethnogenese zu sehen, halte ich persönlich für etwas übertrieben. Es sollten noch fünf Jahrhunderte vergehen, bis der westliche Teil des Frankenreiches beginnen sollte, eigene Wege zu gehen und ein eigenes "National"-Bewusstsein zu entwickeln (was an sich nochmal eine Weile dauerte). Bis zu diesem Zeitpunkt ist lediglich von den Franken als Stamm/Volk/was auch immer auf dem Gebiet ihres Reiches zu sprechen, unabhängig von Sprache oder Herkunft, und zu dem auch spätere Deutsche, Niederländer, Belgier, Luxemburger, Schweizer, Österreicher und Liechtensteiner zu zählen sind. Oder um es mit Reinhold Kaiser, Das römische Erbe und das Merowingerreich, S. 108, zu sagen: "Die politische Integration zu dem einen Reichsvolk der Franci, [...] der nichts mit biologischer Abstammung zu tun hat, [...] erscheint als die Hauptleistung des Merowingerreiches." Eine Bedeutung der Taufe für die Ethnogenese liegt höchstens indirekt vor, aber dann könnte man sowieso die halbe Weltgeschichte als wichtige Schritte zur Ethnogenese der französischen Nation deuten...
Dass in Frankreich die Taufe als 1500. Geburtstag gefeiert wurde, hat allerdings wenig zu bedeuten. Man setzt immer gerne den Beginn seiner Geschichte irgendwo weit in die Vergangenheit, ohne die Wissenschaft befragt zu haben. Die sieht das nämlich ganz anders.
 
Sicherlich stellte der katholische Glaube ein bindendes Element zwischen Franken und Romanen dar, doch in der Taufe Chlodwigs einen wichtigen Schritt in der französischen Ethnogenese zu sehen, halte ich persönlich für etwas übertrieben. Es sollten noch fünf Jahrhunderte vergehen, bis der westliche Teil des Frankenreiches beginnen sollte, eigene Wege zu gehen und ein eigenes "National"-Bewusstsein zu entwickeln (was an sich nochmal eine Weile dauerte). Bis zu diesem Zeitpunkt ist lediglich von den Franken als Stamm/Volk/was auch immer auf dem Gebiet ihres Reiches zu sprechen, unabhängig von Sprache oder Herkunft, und zu dem auch spätere Deutsche, Niederländer, Belgier, Luxemburger, Schweizer, Österreicher und Liechtensteiner zu zählen sind. Oder um es mit Reinhold Kaiser, Das römische Erbe und das Merowingerreich, S. 108, zu sagen: "Die politische Integration zu dem einen Reichsvolk der Franci, [...] der nichts mit biologischer Abstammung zu tun hat, [...] erscheint als die Hauptleistung des Merowingerreiches." Eine Bedeutung der Taufe für die Ethnogenese liegt höchstens indirekt vor, aber dann könnte man sowieso die halbe Weltgeschichte als wichtige Schritte zur Ethnogenese der französischen Nation deuten...
Dass in Frankreich die Taufe als 1500. Geburtstag gefeiert wurde, hat allerdings wenig zu bedeuten. Man setzt immer gerne den Beginn seiner Geschichte irgendwo weit in die Vergangenheit, ohne die Wissenschaft befragt zu haben. Die sieht das nämlich ganz anders.


Natürlich ist die Ethnogenese ein lang andauernder Prozeß. Und die Taufe von Chlodwig ist auch nur ein früher Schritt, oder besser Meilenstein. Denn es war jetzt die (noch kleine) Keimzelle des späteren Frankreichs (aber auch Deutschlands), die entstand. Ein Blick auf die Karte (s. Link) zeigt, wie sich dieses territorial über die nächste Jahre (und Jahrhunderte) entwickelte. Die Taufe von Chlodwig ist ja nicht ein individueller, isolierter Vorgang der Weltgeschichte, sondern ist eingebettet in den spätantiken und frühmittelalterlichen Kontinuitäten und Brüchen.

Da ist die Auflösung und Transformation der römisch-antiken Herrschaft, die Verbindung zwischen gallo-romanischer Bevölkerungsmehrheit und germanisch-fränkischen Migranten mit dem Ergebnis einer kulturellen Assimilation der Germanen durch die Romanen. Bis auf einige germanische Lehnwörter haben die Franken beispielsweise zur französischen Sprache nichts beigetragen.

Die Bedeutung der Taufe und damit die Katholisierung der Franken kann man auch im Vergleich zum Westgotenreich in Spanien sehen. Denn dort waren die christlich-katholischen Romanen von den christlich-arianischen Westgoten getrennt. Es gab zwei Parallelgesellschaften. Erst durch die 3. Synode von Toledo wurde der Katholizismus für alle eingeführt.

Vor einigen Jahren gab es aus Terra X (glaube ich) eine interessante Sendung, in der die frühen germanischen Reiche (Angelsachsen in England, Westgoten in Spanien, Ostgoten in Italien und Franken in Gallien) dargestellt und verglichen worden sind.

Übrigens hat der Name Chlodwig in seinen späteren Formen Ludwig bzw. Louis bis in 19. Jhrdt. den Königen Frankreichs als Herrschernamen gedient. Auch der letzte König Bayerns trug als Ludwig III noch diesen Namen.
 
Ich habe noch mal ein Bild von der Taufe Chlodwigs (genauer gesagt Skulpturen von Chlodwig und Bischof Remigius) eingestellt. Das Ensemble befindet sich neben der Kirche St. Rémi in Reims.
 

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Auf arte wurde in den letzten Tagen eine Dokumentation über archäologische Arbeiten in Reims ausgestrahlt. Dabei ging es primär um das römische Reims, wobei zum Schluß auch auf die Taufe Chlodwigs eingegangen wurde und sogar das mutmaßliche Taufbecken (in einer römischen Therme unter der Kathedrale von Reims) gezeigt wurde.

Dienstag, 8. Juni 2010 um 10.20 Uhr
Wiederholungen:
09.06.2010 um 02:10
11.06.2010 um 16:30
15.06.2010 um 16:20
Reims und die Römerzeit
(Frankreich, 2009, 26mn)
ARTE F
Regie: Jean-Paul FargierBei Grabungsarbeiten für die Straßenbahnlinie durch das Stadtzentrum von Reims wurden Ruinen und Gegenstände freigelegt, die wertvolle Aufschlüsse über die Architektur der einstigen römischen Stadt und den Alltag ihrer Bewohner liefern.



Der Beitrag ist noch einige Tage in der Mediathek von arte zu finden.
 
Hallo Leute,

ich schreibe gerade eine Hausarbeit zum Thema "Taufe Clodwigs" und wollte euch nun hier um Hilfe ersuchen. Es würde mich sehr freuen, wenn ihr mir Literatur, Quellen usw. empfehlen könntet, die für diese Hausarbeit nützlich sein könnten. Bis jetzt habe ich als Literatur nur die allgemeine Darstellung über die Merowinger und die Karolinger von Matthias Becher und die darin aufgeführte Quelle Gregors von Tours.
Des Weiteren würde es mich sehr freuen, wenn ihr mir schreiben könntet, was ihr als sehr wichtig in diesem Zusammenhang erachtet und was auf keinen Fall in der Hausarbeit fehlen darf.
Ich habe hier auch schon einen anderen Thread zu Thema Taufe Clodwigs gefunden, jedoch denke ich, dass meine Fragestellung hier etwas konkreter dargestellt ist.

Vielen Dank im voraus
shalzy
 
...Thema "Taufe Clodwigs" ... Literatur, Quellen usw.
Eine ausführliche und äußerst kritische Darstellung Chlodwigs enthält Deschners Kriminalgeschichte des Christentums, Bd. 4, S. 47-78.

Was die Taufe betrifft, so besteht weder letzte Klarheit über die Motive noch über die zeitliche Einordnung der Taufe. Vielleicht nützen Dir die etwa 20 Literaturangaben, die Deschner (S. 514) speziell zur Taufe macht!
 
Zu empfehlen ist Scheibelreiter, Georg: Die Bekehrung des Merowingerkönigs Chlodwig 496, in ders.: Höhepunkte des Mittelalters, Darmstadt 2004.
 
Auch empfehlenswert: Reinhold Kaiser, Römisches Erbe und Merowingerreich. Die entsprechenden Seitenzahlen habe ich jetzt nicht im Kopf.
 
Was die Taufe betrifft, so besteht weder letzte Klarheit über die Motive noch über die zeitliche Einordnung der Taufe.

Wenn ich die Schlitzohrigkeit des Chlodwig bedenke und seine Biografie betrachte, so kann es keinen Zweifel daran geben, dass seine Konversion zum Christentum nicht nur private religiöse Gründe hatte, sondern zentrale machtpolitische Aspekte verfolgte. Das kann man ihm nicht vorhalten, denn auch später haben zahlreiche Herrscher danach gehandelt!
 
und welche aspekte dieses themas sollten auf keinen fall in einer hausarbeit fehlen ?
Nach meiner Meinung vor allem
...zentrale machtpolitische Aspekte...
eben weil er einer der machtpolitisch erfolgreichsten Herrscher war.
Das kann man ihm nicht vorhalten, denn auch später haben zahlreiche Herrscher danach gehandelt!
Kann man auch umgekehrt sehen: Ihm ist das genau so vorzuhalten wie zahlreichen Herrschern danach, und zwar auch und gerade vor dem Hintergrund des Glaubens, den C. annahm. War das womöglich nicht mehr als "Tünche"? Oder kann man in seiner Machtpolitik "Gottes unsichtbare Hand" vermuten?
Ich sehe aber ein, dass man da schon recht weit ausholen müsste...:still:
 
Inwieweit äußert sich seine "Schlitzohrigkeit", wenn ich fragen darf?

Sie äußert sich u.a. darin, dass er alle anderen fränkischen Kleinkönige gewaltsam beseitigte und dabei viel Fantasie an den Tag legte. Ein Kabinettstück ist die Ermordung des König Sigibert von Köln: Chlodwig stachelte Sigiberts Sohn Chloderich zur Ermordung seines Vaters an und ließ diesen nach vollbrachter Tat durch einen gedungenen Mörder ebenfalls umbringen.

Der Salfranke Chlodwig hatte bereits kurz nach seinem Regierungsantritt im Jahr 482 damit begonnen, seine merowingische Familie systematisch zu eliminieren, um auch deren Herrschaften zu übernehmen ... Mit dem Untergang des Syagriusreiches hatte sich auch das Mächtegleichgewicht zwischen den zahlreichen fränkischen Kleinkönigen, zu denen neben Sigibert von Köln auch Ragnachar von Cambrai und Chararich zählten, empfindlich zu Chlodwigs Gunsten verschoben. Auf dieser Grundlage begann Chlodwig seine merowingischen Verwandten auszuschalten und zu beseitigen. Sigibert von Köln kämpfte zusammen mit seinem mächtigen Vetter Chlodwig in der berühmten Schlacht gegen die Alemannen, die wahrscheinlich um das Jahr 496 bei Zülpich stattfand, da sein Reich direkt an das Land der Alemannen grenzte und mehrfach von diesen bedroht worden war. Die Nähe zum Gebiet der Alemannen hatte mehrfach zu Auseinandersetzungen zwischen Sigibert und den Alemannen geführt, möglicherweise kann der Kölner Frankenkönig daher sogar als deren Hauptkontrahent angesehen werden ...

Spätestens nach den Siegen über die Alemannen und Westgoten war Chlodwig der mächtigste fränkische Teilkönig. Wie Gregor von Tours berichtet, beschloss Chlodwig nach der Schlacht von Vouillié auch das Teilkönigtum des Sigibert von Köln zu beseitigen. Daher entsandte er von Paris aus heimlich Boten zu Sigiberts Sohn Chloderich und ermutigte diesen, seinen Vater zu töten und so die Herrschaftsnachfolge zu beschleunigen.

Sigiberts Sohn ließ sich vom salfränkischen Herrscher tatsächlich anstacheln und plante die Ermordung seines Vaters. Als Sigibert auf die Jagd ging und sich zur Mittagszeit in einem Zelt zur Ruhe begeben hatte, wurde er durch Männer beseitigt, die sein Sohn angeheuert hatte. Sofort schickte Chloderich einen Kurier zu Chlodwig, der die vollbrachte Tat verkünden sollte. Außerdem bot ihm Chloderich einen Teil der ripuarischen Schätze für die Unterstützung bei der Ermordung seines Vaters.

Chlodwig, der die Herrschaft in Köln an sich reißen wollte, sandte 508 erneut Boten zu Chloderich, die den neuen ripuarischen König mit einer Axt erschlugen, als sich dieser gerade über eine der Schatztruhen beugte, um mit seinem Reichtum zu prahlen. Als Chlodwig einige Tage später persönlich nach Köln kam, wies er jegliche Beteiligung an den beiden Morden zurück, bot den Rheinfranken jedoch seine Unterstützung und seinen Schutz an. Daraufhin erhoben die ripuarischen Franken Chlodwig durch Schilderhebung zu ihrem neuen König, womit das Ende des Kölner Kleinkönigreichs besiegelt war.
 
eben weil er einer der machtpolitisch erfolgreichsten Herrscher war.
Kann man auch umgekehrt sehen: Ihm ist das genau so vorzuhalten wie zahlreichen Herrschern danach, und zwar auch und gerade vor dem Hintergrund des Glaubens, den C. annahm.

Man kann es diesen Herrschern nur dann vorwerfen, wenn sie von der Wahrhaftigkeit eines Glaubens überzeugt waren. Wer aber im Kern atheistisch blieb, dem war kein Glaubensverstoß vorzuwerfen und er nutzte religiöse Überzeugungen lediglich als Vehikel zum Transport von Macht bzw. zur Durchsetzung seiner Vorstellungen. Als einer der wenigen hat das der protestantische König Friedrich der Große offen ausgesprochen:

"Für die Politik ist es völlig belanglos, ob der Herrscher religiös ist oder nicht ... Man muss auf die Masse soweit Rücksicht nehmen, dass man ihre religiösen Gefühle nicht verletzt, einerlei, welchem Glauben sie angehören." (Politisches Testament Friedrichs II. von 1752)
 
Sie [die Schlitzohrigkeit Chlodwigs] äußert sich u.a. darin, dass er alle anderen fränkischen Kleinkönige gewaltsam beseitigte und dabei viel Fantasie an den Tag legte. Ein Kabinettstück ist die Ermordung des König Sigibert von Köln: Chlodwig stachelte Sigiberts Sohn Chloderich zur Ermordung seines Vaters an und ließ diesen nach vollbrachter Tat durch einen gedungenen Mörder ebenfalls umbringen.
Damit setzt Du einen neuen Standard bezüglich der Definition von Schlitzohrigkeit! :yes:
"Ränkevolle Diplomatie", hat Eugen Ewig die Auftragsmorde genannt, bekommt dafür aber nur den 2. Preis.

Man kann es diesen Herrschern nur dann vorwerfen, wenn sie von der Wahrhaftigkeit eines Glaubens überzeugt waren. Wer aber im Kern atheistisch blieb, dem war kein Glaubensverstoß vorzuwerfen und er nutzte religiöse Überzeugungen lediglich als Vehikel zum Transport von Macht bzw. zur Durchsetzung seiner Vorstellungen.
Ja, das ist die "Tünche", die ich meinte. Was aber die äußere Anerkennung durchaus nicht verhindert hat: Chlodwig wandelte rechten Herzens vor Gott, schrieb der heilige Gregor von Tours, "und tat, was seinen Augen wohlgefällig war."
 
Damit setzt Du einen neuen Standard bezüglich der Definition von Schlitzohrigkeit!

Ich denke hier lediglich in den Dimensionen der machtbewussten merowingischen Königsfamilie im Fränkischen Reich des 6. Jahrhunderts. Für diese merowingische "Schlitzohrigkeit" lassen sich noch zahlreiche treffende Beispiele bringen! =)

Ja, das ist die "Tünche", die ich meinte.

Die "Tünche" liegt lediglich im Auge des einseitig religiös vorbelasteten Betrachters!
 
Zur Taufe Chlodwigs habe ich letztens einen interessanten Text gelesen, und zwar im Buch "Der Schleier der Erinnerung: Grundzüge einer historischen Memorik" von Johannes Fried, welches im Jahr 2004 erschienen ist.
Er stellt darin interessante Behauptungen zu Chlodwigs Taufe auf. Vor allem geht es darin um die Hauptquelle zu Chlodwigs Taufe, nämlich Gregors von Tours "Zehn Bücher Geschichten". Er berichtet nämlich davon, dass Gregor vor seiner Taufe noch tiefster und überzeugter Heide gewesen ist. Seine Frau Chrotechild, wie gesagt Katholikin, wollte ihn schon vorher dazu bewegen, Christ zu werden, aber es bedurfte erst des Schlachtenwunders gegen die Alamannen, vor dem Chlodwig sich im Angesicht einer drohenden Niederlage an den christlichen Gott gewandt hatte. Dieser Sieg bewirkte, ähnlich wie angeblich bei Kaiser Konstantin, dass Chlodwig erwog, Christ zu werden. Er ließ sich (heimlich) von Remigius von Reims unterweisen, den Chrotehild herbeigerufen hatte, und ließ sich schließlich mit 3.000 Gefolgsleuten taufen.
Johannes Fried hat diese Geschichte dahingehend angezweifelt, dass Gregor von Tours seine Quelle erst 70 Jahre nach der Taufe verfasst hat, und er sich neben einigen Textquellen wohl vor allem auf die Berichte von eventuellen Augenzeugen und deren Nachfahren bezogen hat, da auch Gregor selbst erst danach geboren worden ist. Und die Erinnerung, so meint Fried, ist kein zuverlässiges Mittel, da sie sich verändert, beeinflusst wird, man vergisst Einzelheiten und fügt hinzu. Anhand von anderen Quellen meint Fried nachweisen zu können, dass Chlodwig keinesfalls kruder Heide vor seiner Taufe war, sondern er sich bereits vorher in einer Art Übergangssituation befunden hat. Er war der christlichen Kirche durchaus positiv zugewandt und unterhielt öffentlich Briefwechsel mit Bischöfen. Zudem wird in keinen dieser Quellen ein Schlachtenwunder genannt, auch Chrotechild oder Remigius werden nicht besonders hervorgehoben. Chrotechilds Rolle wird vor allem in späteren Quellen ausgeschmückt, da sie angeblich den König zur rechten Religion geführt. Fried geht theoretisch davon aus, dass Gregors Quelle falsch und fiktiv ist. Der Grund, warum wir alle heute sein Bild von Chlodwig haben, ist, dass es außer ihm keine Gesamtquellen über Chlodwig gibt, und man Gregor als gegeben hinnimmt.
Ich fand seine Theorien sehr interessant. Es ist ja oft so, dass man sich bei bestimmten Ereignissen auf nur eine einzige Quelle verlässt, aber ob sie der Wahrheit entspricht, ist nicht gewiss. Natürlich kann man auch nicht davon ausgehen, dass die anderen alle stimmen, aber es ist wichtig, auch sie heranzuziehen, um sich ein besseres Bild von einer Sache machen zu können.
 
Der gute Johannes Fried hat generell die Angewohnheit, diverse Ereignisse aus dem Mittelalter anzuzweifeln (Existenz Benedikts von Nursia, Designation Heinrichs I. durch Konrad I. usw.), was ihn zu einer Art Light-Version von Heribert Illig macht. Von seiner Memorik halte ich persönlich sehr wenig. Nicht nur, dass es ziemlich naiv wäre, Wort für Wort zu glauben, was in der Überlieferung steht und Historiker sich grundsätzlich im Klaren darüber sind, wie verzerrend und verklärend die Erinnerung kann: Wollte man aber auf dieser Grundlage dieser Tatsache die Vergangenheit in Zweifel ziehen, so würde abgesehen von dem, was man selbst erlebt hat, nichts mehr übrig bleiben. Ob Gregor von Tours nun zehn, siebzig oder siebenhundert Jahre nach einem Ereignis gelebt hat: Auch seine eigene Erinnerung vergisst und wird beeinflusst. Und ob Fried selbst die Realität besser trifft, wenn er Quellenaussagen für nichtig erklärt und durch eigene Hypothesen ersetzt, wage ich zu bezweifeln. Ob Chlodwig schon länger Interesse am Christentum gehabt hat, seine Bekehrung ein längerer Prozess war usw. ist heutzutage schlicht und ergreifend nicht mehr nachzuweisen, dass wussten Historiker auch schon vor Fried. Letzten Endes haben wir aber nur je einen Brief von Avitus von Vienne und Nicetus von Trier, sowie eben Gregor von Tours als Quellen. Und bevor ich eigene, an und für sich völlig unüberprüfbare Theorien in den Raum setze, würde ich doch eher die Quellen zurate ziehen und deren Inhalt untersuchen statt sie abzulehnen.
 
Ich habe ja auch nicht gesagt, dass man den Inhalt der Quellen ablehnen soll. Ich habe nur gesagt, dass man sich nicht nur auf eine einzige Quellen stützen sollte, sondern eben alle lesen und gegeneinander aufwiegen sollte. Fried hat sich ja mit den Quellen (die sich laut meiner Erinnerung nicht nur auf zwei Briefe von Avitus von Vienne und Nicetus von Trier beschränken, es gibt auch noch weitere Schriftstücke!) beschäftigt, so wie es mir erschien. Und ich fand seine Argumentation schlüssig und einleuchtend. Und er meinte ja auch nicht, wie ich oben vergessen habe zu erwähnen, dass alles komplett falsch ist, was Gregor sagt, sondern dass es durchaus zutreffende Grundmomente enthält, die sich aber verformt und verändert haben, sodass wir heute ein falsches Bild von den Geschehnissen rund um die Taufe haben. Sie sind eben verformt, weil die Erinnerungen, deren Gregor sich bediente, verfomt waren. Und diese These find ich sehr logisch.
 
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