Frage: zu welchem Konflikt würden folgende Szenarios passen?
Die Römer befanden sich auf dem Wall und südlich davon. Bei einem Ausfall in Richtung Westen überwanden die Römer den Wall auf breiter Front und es kam zu Kampfhandlungen auf der Nordseite.
Spielst Du auf den Angrivarierwall an? Das passt auch nicht. Schon deshalb nicht, weil dann das Wallmaterial mit Geschoss-Spitzen von den römischen Wurfgeschützen durchsetzt sein müsste. Außerdem würden dann irgendwelche Spuren des Kampfes auf dem Wall und an seinem südlichen Rand zu finden sein (am Harzhorn ließen sich z.B. anhand von Sandalennägeln sogar die Bewegungen von Truppenteilen nachzeichnen, die nicht direkt in Kämpfe verwickelt waren). Und drittens würde das nicht erklären, warum diese Römer dann nach dem Überqueren des Walls - also nördlich davon - so vernichtend geschlagen wurden, dass sie nicht fähig waren, ihre Toten und Verwundeten mitzunehmen.
Mal grundsätzlich: Ich verstehe nicht so recht, warum immer versucht wird, diesem Wall eine neue Bedeutung zuzuschreiben. Wenn man etwas vor sich hat, das wie ein Schwein aussieht, so riecht und grunzt, dann liegt der Verdacht nahe, dass es sich um ein Schwein handelt. Warum also nach Anzeichen dafür suchen, dass es ein Reh ist? Gleiches gilt für diesen Wall:
Das war nicht bloß eine Erdaufschüttung, sondern eine Feldbefestigung, die im Laufe einer Schlacht eine bestimmte taktische Funktion hatte. Welche Funktion das war, kann man an Standort und Form der Befestigung ablesen. Hierzu erstmal ein Zitat aus dem Aufsatz "Kalkriese - Ort der Varusschlacht?" von Günther Moosbauer und Susanne Wilbers-Rost, zu finden im Buch "Die Varusschlacht", Hrsg. Wiegels:
"
Der etwa 6 km lange und an der schmalsten Stelle nur 1 km breite Engpass war an seinen Rändern, auf den so genannten Hangsandzonen (...) passierbar".
Wolters hat das in der Weise präzisiert, dass der Wall an der engsten Stelle des Engpasses lag und dass dort die "begehbare" Bereich auf den Hangsanden maximal hundert Meter breit war.
Da drängt sich doch die Frage auf, warum gerade an dieser engsten Stelle ein solcher Wall grob parallel zum begehbaren Weg verlief. Wie an anderer Stelle schon mal angedeutet: Hätte ein durchziehendes Heer diesen Wall angelegt, dann hätte es sich selbst den Weg zum Durchzug noch enger gemacht und es hätte sich selbst die Möglichkeit genommen, Sicherungstruppen entlang der Engstelle aufmarschieren zu lassen. Zudem hätte dieser Wall dann unter Gefechtsbedingungen errichtet werden müssen - und jetzt stell Dir mal vor, wie das ausgesehen haben soll! Da zieht ein großes Heer mit Tross durch den nur 100 Meter breiten Engpass, auf der halben Fläche schanzen Pioniere und davor gibt es noch eine Postenkette, die die Schanzarbeiten sichert. Ein Kommandeur, der so handelt, begeht praktisch Selbstmord.
Für das durchziehende Heer wäre der Wall gar nicht nötig gewesen. Es wäre sogar pure Zeitverschwendung gewesen, den zu bauen. Eine 400 Meter lange Linie im Gelände hätten vier Kohorten locker absichern können. Diese vier Kohorten wären auch nötig gewesen, um die Schanzarbeiten am Wall zu sichern. Warum also überhaupt schanzen? Man stellt die vier (oder meinetwegen sechs) Kohorten in Schlachtreihe auf, lässt sie den Hang hinaufrücken - und hat in deren Rücken einen freien und sicheren Marschweg für die restlichen Truppen und den Tross, ohne dass das Gelände durch das Abstechen von Rasensoden in einen knietiefen Sumpf verwandelt worden ist.
Es ist einfach völlig unsinnig, den Wall als Schanzwerk der durch den Enpass ziehenden Römer anzusehen. Der Wall hatte ganz offensichtlich nicht die Funktion, den Weg vor Angriffen vom Hang zu sichern. Seine Funktion war es, den Weg an der Engstelle zu beherrschen!
Dass dies so war, belegen die Funde eindeutig. Vor dem Wall, also nördlich davon, hatten die Römer keine Chance, sich militärisch durchzusetzen. Sie mussten zahlreiche Gefallene und einen Teil ihres Trosses zurücklassen. Die archäologischen Funde belegen doch unmissverständlich, dass römische Truppen vor dem Wall eine ziemlich herbe Niederlage erlitten haben. Wie kann man da noch über mögliche andere Funktionen des Walls philosophieren?
MfG