Die Ubier - Germanen oder Kelten?

[FONT=Garamond, serif]Hierfür müssen wir zunächst klären, was wir unter Kulturgruppe bzw. Kultur verstehen. Die[/FONT][FONT=Garamond, serif] Identifikation von Kulturgruppen mit Ethnien muß prinzipiell abgelehnt werden. Ethnien sind als[/FONT][FONT=Garamond, serif] relative und subjektive regionale Einheiten für unsere Zwecke ungeeignet. Aber auch der[/FONT][FONT=Garamond, serif] Kulturbegriff selbst weist durch seine ungenügende Definition grundsätzliche Schwächen auf.[/FONT]

Klärt das irgendwas?

Das mag ja alles zutreffen und hier muss nicht erneut ausgeführt werden, dass ein Teil (!) der Archäologen die Gleichsetzung von Kulturgruppen und Ethnien scheut wie der Teufel das Weihwasser. :red:
Was aber bleibt dem Historiker, der in einem geschichtlichen Raum eine bestimmte Ethnie lokalisieren will? Er wird also von einer früheren Epoche ausgehen, wo die Ethnie in einer bestimmten Region durch Quellen eindeutig bezeugt ist, und versuchen, eine bestimmter Leitkultur mit einem bestimmten geografischen Raum zur Deckung zu bringen.

Wenn ich also 400 v. Chr. sagen wir mal in SW-Deutschland eindeutig Kelten finde, so kann ich vielleicht mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit annehmen, dass dort auch 400 Jahre zuvor schon Kelten saßen, vor allem wenn ich so spezifische Dinge wie z.B. einen Torques o.ä. finde.

Bitte aber nun nicht nochmals der Einwand, dass im Seitental B vielleicht eine andere ethnische Splittergruppe saß, deren Männer ebenfalls gern Torques trugen!
 
Das mag ja alles zutreffen und hier muss nicht erneut ausgeführt werden, dass ein Teil (!) der Archäologen die Gleichsetzung von Kulturgruppen und Ethnien scheut wie der Teufel das Weihwasser.
Was aber bleibt dem Historiker, der in einem geschichtlichen Raum eine bestimmte Ethnie lokalisieren will? Er wird also von einer früheren Epoche ausgehen, wo die Ethnie in einer bestimmten Region durch Quellen eindeutig bezeugt ist, und versuchen, eine bestimmter Leitkultur mit einem bestimmten geografischen Raum zur Deckung zu bringen.
Das Problem ist nicht nur ein Problem der Archäologen, sondern auch u.A. der Ethnologen, nicht umsonst wird dort bis heute über den Begriff Ethnie heftigst diskutiert.
Der Teil der Archäologen der Kulturgruppen mit Ethnie gleichsetzt ist auf jeden Fall der Teil der bald in Rente geht, was sich hier offenbart ist u.A. ein Generationenkonflikt im Fach.
Gerade die beiden Bücher aus der Reihe Tübinger Taschenbücher der Archäologie Band 4,5 zeigen die aktuelle deutschsprachige Diskussion, und hier wird recht eindeutig Abstand von der Gleichsetzung Kulturgruppe = Ethnie genommen.
 
Der Teil der Archäologen der Kulturgruppen mit Ethnie gleichsetzt ist auf jeden Fall der Teil der bald in Rente geht, was sich hier offenbart ist u.A. ein Generationenkonflikt im Fach.

Das hilft dem Ethnologen oder Historiker, der eine bestimmte Ethnie in einem geschichtlichen Raum lokalisieren will, auch nicht weiter!

Somit muss es bis auf weiteres bei der angenommenen Identität von Kulturgruppe und Ethnie bleiben, wobei der unsichere Tatbestand allen Beteiligten bewusst und damit unstrittig sein dürfte. Ich bin sicher, dass es à la longue zu einer derart ausgewogenen Balance kommen wird und ganz radikale Vertreter der einen oder anderen Seite eher am Rande stehen werden.

Ethnologen und Historikern bleibt jedenfalls keine andere Vorgehensweise, und wenn sie sich der Unsicherheit bestimmter ethnischer Zuschreibungen bewusst sind und das auch dokumentieren, ist daran wenig auszusetzen.
 
Somit muss es bis auf weiteres bei der angenommenen Identität von Kulturgruppe und Ethnie bleiben, wobei der unsichere Tatbestand allen Beteiligten bewusst und damit unstrittig sein dürfte.
Der Begriff Identität ist m.M. nach, wie schon weiter oben vorgeführt, der Schlüssel zum Verständnis prähistorischer Gruppen.
Vgl. u.A.
DerGeist
Sondern ich möchte eher dafür werben erstmal kleinmaßstäbiger zu arbeiten, wenn man sich die Konstruktion der Neol. Kulturen als Bsp. ansieht, so werden dort aus Materialgruppen Kulturgruppen, schaut man man z.B. mit Hilfe eines semiotischen Ansatzes dann sich diese Kulturgruppen(Materialgruppen) genauer an (Vgl. A. Zeeb-Lanz, Überlegungen zu Sozialaspekten keramischer Gruppen. Bsp. aus dem Neolithikum SW-Deutschlands. In: (Hrsg. Stefan Burmeister, Nils Müller-Scheesel), Soziale Gruppen - kulturelle Gruppen. Tübinger Archäologische Taschenbücher Band 5), S.81ff.) so zerfallen diese auf der ersten Blick sehr homogenen Gruppen in viele kleinere Einheiten.
Der Blick von oben als vom Begriff der Ethnie verstellt leider zu oft den Blick auf die feinen Unterschiede und produziert in den Köpfen der heutigen Menschen ein Bild von den Kelten, den Germanen usw. Ich glaube aber nicht das diese doch sehr monolithischen Blöcke jemals so existiert haben, sondern ein Konstrukt aus der heutigen Zeit sind. Ähnlich äußerst sich u.A. auch S. Brather.
Wenn man in ähnlicher Weise wie z.B. Nakoinz od. Brahter/Wotzka vorgeht lösen sich die monolithischen Blöcke von "Kelten u. Germanen" recht schnell auf und man sieht ein viel feinmaschigeres Netz von verschiedenen Gruppen.
@Dieter es wäre für dich vielleicht auch doch recht interessant den Aufsatz von Brahter/Wotzka mal zu lesen:
Brather/Wotzka 2006, Alemannen und Franken? Bestattungsmodi, ethnische Identitäten und wirtschaftliche Verhältnisse zur Merowingerzeit, In: (Hrsg. Burmeister, Müller-Scheesel), Soziale Gruppen - kulturelle Grenzen. Tüb. Taschb. d. Archäologie Band 5, S.139ff.
 
Ausrichtung der Wissenschaft

Ich bin sicher, dass es à la longue zu einer derart ausgewogenen Balance kommen wird und ganz radikale Vertreter der einen oder anderen Seite eher am Rande stehen werden.
Lieber Dieter, da bin ich nicht so sicher. Man muss einfach festhalten, dass man an "Ethnien" ganz behutsam heran gehen muss. Natürlich juckt es den Historiker in den Fingern, ganz schnell die Wohnsitze seiner "Germanen" oder "Kelten" identifizieren zu können. Aber die Archäologen mahnen zur Vorsicht.
:autsch:
Und wenn man sieht, was heute in Europa geschieht, wie in den östlichen Mitgliedsstaaten ultranationalistische Parteien die Mehrheit gewinnen, dann sind wir lieber noch vorsichtiger. Denn nichts lässt sich so leicht manipulieren wie eine nationale Vorgeschichte, das haben wir mehrfach erlebt.
Wenn ich damit ein radikalter Vertreter sein sollte, dann muss ich wohl damit leben.:still:
 
Und wenn man sieht, was heute in Europa geschieht, wie in den östlichen Mitgliedsstaaten ultranationalistische Parteien die Mehrheit gewinnen, dann sind wir lieber noch vorsichtiger. Denn nichts lässt sich so leicht manipulieren wie eine nationale Vorgeschichte, das haben wir mehrfach erlebt.
Wenn ich damit ein radikalter Vertreter sein sollte, dann muss ich wohl damit leben.:still:
Schöner Hinweis auf die Verbindung Archäologie und Politik und auch bis heute werden sowohl die Archäologen als auch die Historiker gerne vor den Politikkarren gespannt.
 
Die Lösung liegt noch unter der Erde

Hallo zusammen,

das Thema ist zwar schon über 6 Jahre alt, aber ich wollte zu dem Thema Dünsberg als ubischer Siedlungsplatz ein paar Sätze beitragen: :winke:

1. :fs:die rechtrheinischen Ubier erscheinen zum ersten Mal irgendwann zwischen 58 und 55 in Cäsar gallischen Krieg.

2. :fs:Möchte ich aus "Zum Ende des spätlatenezeitlichen Oppidum auf dem Dünsberg" von Christoph Schlott (1999) zitieren:
"Der Zeitliche Schwerpunkt sowohl der von Jacobi publizierten als auch der hier besprochenen Funde [vom Dünsberg] liegt eindeutig in der Spätlatenezeit, also überwiegend im 1. Jh. v. Chr.
Die einzelnen früh- und mittellatenezeitlichen Funde belegen zwar eine zu erwartende Siedlungstätigkeit über mehrere Stufen der Latenezeit hinweg (seit Lt B), ändern aber ebensowenig wie die spätrömischen Stücke etwas an der Tatsache, daß auch dieses Oppidum offensichtlich seine großte Blüte und Bedeutung in der Sätlatenezeit erreichte.
Neben der hohen Zahl charakteristischer spätlatenezeitlicher Funde, die man ohne Bedenken als dem keltischen Kulturbereich und keltischen Werkstätten zugehörig bezeichnen kann, liegen mehrere Objekte vor, die sowohl zeitlich als auch kulturell nicht in den gängigen Bestand hessischer Oppida gehören. Bereits Jacobi wies bei seinem Material auf Metallgegenstände hin, die ihre besten Parallelen im Elberaum finden und vermutlich auch dort ihr Herstellungsgebiet besitzen. Dazu zählen zwei Rundschildbuckel, eine überlange Lanzenspitze, drei Trinkhornbeschläge, eine geschweifte Fibel und mehrere Lochgürtelhakenfragmente. Auch im bisher publizierten Keramikmaterial vom Dünsberg ist germanische Keramik enthalten.
Dem sind nun erneut einige Metallfunde elbgermanischen Charakters anzufügen, die eine Besiedlung des Dünsberges nach dem Ende der Stufe Lt D1 wahrscheinlich erscheinen lassen... .
Obwohl nach wie vor mengenmäßig das Hauptgewicht auf den >>einheimischen<< Lt D1-Formen ruht, wird man das Auftauchen mehrere Metallfunde mit elbgermanischem Einschlag nicht mehr einfach als Ergebnis von Handelsbeziehungen o.ä. interpretieren dürfen. Ohne stratigraphische Befunde bleiben aber zwei Lösungsmöglichkeiten zur Erklärung der momentanen Fundsituation:
a) Die Besiedlung des Oppidums bricht irgendwann im Verlauf oder am Ebde der Stufe Lt D1 ab. Der Grund könnte in den unruhigen Zeiten der Züge des Ariovist liegen, dessen linksrheinisches Erscheinen um 71 v. Chr. historisch belegt ist. Erst 58 v. Chr. wird er von Cäsar auf gallischem Boden geschlagen. Während dieser Wanderbewegungen über mehr als ein Jahrzehnt könnte auch die Bevölkerung des Dünsberges in Mitleidenschaft gezogen worden sein. Erst in der zweiten Hälfte des 1. Jh. v. Chr. kommt es dann zu einer erneuten Besiedlung des Oppidums, deren Ausmaß bisher nicht bekannt ist. Diese Siedler oder >>Besatzer<< kommen offensichtlich aus dem Elberaum, ihre Trachtfragmente datieren bis in die augusteische Zeit.
b) Die keltisch geprägte Bevölkerung des Dünsberges überlebt die unruhigen Zeiten um die Mitte des 1. Jhs. v. Chr. und besiedelt den Berg gemeinsam mit den Neuankömmlingen, ohne daß es zu einem Siedlungshiatus kommt."

3) :fs:Des Weiteren möchte ich darauf hinweisen, dass es sei Mitte der 1990 Jahren eine Diskussion in der Fachwelt gibt, die das Ende der Oppidazivilisation und die Zuwanderung germanischer Gruppen in Süddeutschland um ca. 25 Jahre früher verlegt als die bisdahin gültige Forschermeinung. Die meisten Wissenschaftler scheinen sich dieser Neudatierung anzuschließen.
Demnach müsste Herrn Schlotts Fazit b) der Abzug der keltischen Bevölkerung ca. 96 v.Chr. verlegt werden und die Neubesiedlung würde in die Mitte oder erste Hälfte des 1. Jhs. v. Chr. fallen, gemeinsam mit dem gallischen Krieg oder dem Durchzug des Ariovist.

4) :fs:Zu Schlotts zweiter Theorie möchte ich aus dem Buch "Mitteleuropa zur Zeit Marbods -Nordbayern zur Zeit Marbods von Dr. Bernd Steidl (2006)" zitieren:
"Von einem dritten Siedlungsplatz bei Biebelried am südexponierten Unterhang eines Bachtälchens in der fruchtbaren Lösslandschaft inmitten des Maindreiecks konnte 1999 ein Grubenhaus als einziger Befund untersucht werden. Das Grubenhaus mit drei in der Firstachse gelegenen tiefen Pfostengruben entspricht exakt dem in Gerolzhofen aufgedeckten Typ. Das daraus geborgene Nutzpflanzenspektrum zeigt die typisch germanische Zusammensetzung (Kreuz 2004, 127). Unter der Keramik ist die germanische Ware Großromstedter Art aber auffallenderweise relativ schwach, allerdings mit klassischen Typen vertreten, darunter allein vier Situlen. In das keltische Milieu dagegen verweist nicht nur ein großer Teil der Keramik, sondern auch der Verzehr von Hundefleisch, wie aus der Untersuchung der geborgenen Tierknochen hervorgeht. Man gewinnt also den Eindruck, in dem Befund von Biebelried einen regelrechten „Mischkomplex“ vorliegen zu haben, in dem charakteristische Elemente der germanischen Großromstedter und der keltischen bzw. keltoiden Mittelgebirgskultur nebeneinander auftreten, aber noch immer deutlich voneinander zu trennen sind. Die Datierung des Komplexes wird durch eine geschweifte Eisenfibel ermöglicht, die Völlings Gruppe II (Völling 1994) und damit etwa der Zeit 40/15 v. Chr. angehört (Abb. 6: 1). Ein fortgeschritteneres Stadium der Entwicklung tritt in einem weiteren Grubenhaus aus Gaukönigshofen entgegen. Der leider nicht sehr umfangreiche Fundkomplex, dessen freigeformte Keramik, die man als proto-Rhein-Weser-germanisch bezeichnen könnte, zeigt die Verschmelzung von Elementen der elbgermanischen Großromstedter Keramik mit denen der dominierenden keltoiden Mittelgebirgsgruppe (Abb. 7). Über die mitgefundene römische Keramik ist eine Datierung in die augusteische Zeit möglich. Bis um Christi Geburt hatte also bereits ein Vermischungs- und Ausgleichsprozess stattgefunden, der in Mainfranken wie im gesamten Mittelgebirgsgürtel zwischen Westthüringen und dem Rhein schließlich zur Entstehung der Rhein-Weser-germanischen Kultur geführt hat (Peschel 1996/97, 19 ff.; 2000)."
Mit den von Steidl beschriebenen Befunden kann Schlotts 2. Theorie belegt werden.

So :fs: und was waren jetzt die Ubier?:confused:
Ich sage die Lösung liegt unter der Erde des Dünsberges. Wenn dort ein, wie von Steidl beschriebener Mischkomplex aufgedeckt würde, wären sie eine friedlich verschmolzene germanisch-keltische Mischbevölkerung, wenn die keltischen Spätlatenebefunde ohne Kontakt zu den elbgermanischen Funden abbrechen, waren die Ubier Germanen.

Gruß Jacob Spatz
 
Das Nebeneinander von elbgermanischen und La-Téne-keltischen Funden auf dem Dünsberg ist natürlich hochinteressant, aber auf welche Weise gelingt es dir die sogenannten Ubier zu identifizieren.

Wer die elbgermanischen Spuren am Dünsberg hinterlassen hat, ist weitgehend unklar. Neben den Ubiern kämen hierfür auch andere aus der Geschichtsschreibung bekannte Gruppen (Sueben, Bataver, Chatten ...) infrage. Wie für die Dünsbergfunde eine Identifizierung eines konkreten Germanenstammes stattfinden kann, die über Mutmaßungen hinausgeht, ist mir rätselhaft - zumal durch die Caesar, Tacitus u.a. mehrere Wanderungsbewegungen und Umsiedlungen in diesem Raum überliefert sind.
 
Hallo Maglor,

das ist natürlich eine Frage an die Historiker.
Und ich bin da einfach der populär wissenschaftlichen Meinung gefolgt, die die Ubier in der Mitte des 1. Jh. v. Chr. mit einem Siedlungsschwerpunkt an der Lahn bei Gießen lokalisiert.
Da können natürlich noch alle möglichen Stämme rumhuschen. Vor allem da es sich ja um einen Übergangszeitraum handelt, in dem vieles in Bewegung war.
Aber Chatten würde ich ausschließen, die sind erst ein paar Jahre später ins Licht der römischen Aufmerksamkeit getreten und haben das ubische Siedlungsgebiet nach deren Abzug/Umsiedlung auf die andere Rheinseite in Beschlag genommen.
Und Bataver werden doch in der Regel an der Rheinmündung lokalisiert.
Aber Sueben als Elbgermanen wären sogar sehr wahrscheinlich.
Das alles ist jedoch noch Spekulation. Solange auf dem Dünsberg keine Grabungen stattfinden und nur die Lesefunde ausgewertet werden, kann man auch keine Aussagen über eine eventuelle Stammeszugehörigkeit der germanischen Siedler machen.

Gruß Jacob Spatz
 
Schön, dass du in die Diskussion einsteigst, Jacob, wenn du den Thread gelesen hast, kippte er am Ende in eine Grundsatzdiskussion der Bewertung von Funden (Archäologie) und ihrer ethnischen (politischen) Zuordnung.
Deswegen halte ich, und in vielen wissenschaftlichen Veröffentlichungen ist dies inziwschen common sense, zuerst einmal am Begriff der Kontaktzone fest - auch wenn dieser Begriff sehr technisch wirkt, zwischen "Jasdorfkultur" und "Latenekultur" angesiedelt(ich setze sie in Anführungszeichen, weil sie sonst eine Einheitlichkeit suggerieren, die der Komplexität der Verhältnisse nicht gerecht wird) - einen besseren Begriff habe ich auch nocht nicht, und er ist angenehm sachlich neutral.
Zu dieser Kontaktzone der vorrömischen Eisenzeit zählt "man" verschiedene archäologische Kulturgruppen, diese reichen vom Rhein bis zur Elbe, von Nordeutschland bis zum Main - damit ist nicht gesagt, dass in diesem Gebiet keine identifizierbaren politisch und gesellschaftlich Handelnden Subjekte feststellbar sind - ich sehe es als Aufforderung, sich zuerst einer schnellen Identifizierung von Kulturgruppen und Ethnien oder Politischen Akteuren weitgehend zu enthalten - diese Eindeutigkeit ist selten gegeben - um zuerst viele andere Forschungsfragen zum Beispiel der der Beziehungen zwischen den Kulturen zu klären - politische, wirtschaftliche, religiöse. Bei den Ubiern wird die Zuordnung zur archäologischen Dünsberggruppe weitgehend akzeptiert (Frank Verse, Jens Schulze Förster), zwischen Siegerland, Rhein (Neuwieder Becken), Westerwald, Lahntal, nach Norden eventuell bis zur Eder, im Süden bis zum Main, im Westen bis zum Vogelsberg und der Rhön als weiteste Ausdehnung.
Damit ist jedoch keine ethnische Zuordnung getroffen!

Hallo zusammen,

das Thema ist zwar schon über 6 Jahre alt, aber ich wollte zu dem Thema Dünsberg als ubischer Siedlungsplatz ein paar Sätze beitragen: :winke:
...2. :fs:Möchte ich aus "Zum Ende des spätlatenezeitlichen Oppidum auf dem Dünsberg" von Christoph Schlott (1999) zitieren:
"Der Zeitliche Schwerpunkt sowohl der von Jacobi publizierten als auch der hier besprochenen Funde [vom Dünsberg] liegt eindeutig in der Spätlatenezeit, also überwiegend im 1. Jh. v. Chr.
Die einzelnen früh- und mittellatenezeitlichen Funde belegen zwar eine zu erwartende Siedlungstätigkeit über mehrere Stufen der Latenezeit hinweg (seit Lt B), ändern aber ebensowenig wie die spätrömischen Stücke etwas an der Tatsache, daß auch dieses Oppidum offensichtlich seine großte Blüte und Bedeutung in der Sätlatenezeit erreichte.
Neben der hohen Zahl charakteristischer spätlatenezeitlicher Funde, die man ohne Bedenken als dem keltischen Kulturbereich und keltischen Werkstätten zugehörig bezeichnen kann, liegen mehrere Objekte vor, die sowohl zeitlich als auch kulturell nicht in den gängigen Bestand hessischer Oppida gehören. Bereits Jacobi wies bei seinem Material auf Metallgegenstände hin, die ihre besten Parallelen im Elberaum finden und vermutlich auch dort ihr Herstellungsgebiet besitzen. Dazu zählen zwei Rundschildbuckel, eine überlange Lanzenspitze, drei Trinkhornbeschläge, eine geschweifte Fibel und mehrere Lochgürtelhakenfragmente. Auch im bisher publizierten Keramikmaterial vom Dünsberg ist germanische Keramik enthalten.
Dem sind nun erneut einige Metallfunde elbgermanischen Charakters anzufügen, die eine Besiedlung des Dünsberges nach dem Ende der Stufe Lt D1 wahrscheinlich erscheinen lassen... .
Obwohl nach wie vor mengenmäßig das Hauptgewicht auf den >>einheimischen<< Lt D1-Formen ruht, wird man das Auftauchen mehrere Metallfunde mit elbgermanischem Einschlag nicht mehr einfach als Ergebnis von Handelsbeziehungen o.ä. interpretieren dürfen. Ohne stratigraphische Befunde bleiben aber zwei Lösungsmöglichkeiten zur Erklärung der momentanen Fundsituation:
a) Die Besiedlung des Oppidums bricht irgendwann im Verlauf oder am Ebde der Stufe Lt D1 ab. Der Grund könnte in den unruhigen Zeiten der Züge des Ariovist liegen, dessen linksrheinisches Erscheinen um 71 v. Chr. historisch belegt ist. Erst 58 v. Chr. wird er von Cäsar auf gallischem Boden geschlagen. Während dieser Wanderbewegungen über mehr als ein Jahrzehnt könnte auch die Bevölkerung des Dünsberges in Mitleidenschaft gezogen worden sein. Erst in der zweiten Hälfte des 1. Jh. v. Chr. kommt es dann zu einer erneuten Besiedlung des Oppidums, deren Ausmaß bisher nicht bekannt ist. Diese Siedler oder >>Besatzer<< kommen offensichtlich aus dem Elberaum, ihre Trachtfragmente datieren bis in die augusteische Zeit.
b) Die keltisch geprägte Bevölkerung des Dünsberges überlebt die unruhigen Zeiten um die Mitte des 1. Jhs. v. Chr. und besiedelt den Berg gemeinsam mit den Neuankömmlingen, ohne daß es zu einem Siedlungshiatus kommt."

3) :fs:Des Weiteren möchte ich darauf hinweisen, dass es sei Mitte der 1990 Jahren eine Diskussion in der Fachwelt gibt, die das Ende der Oppidazivilisation und die Zuwanderung germanischer Gruppen in Süddeutschland um ca. 25 Jahre früher verlegt als die bisdahin gültige Forschermeinung. Die meisten Wissenschaftler scheinen sich dieser Neudatierung anzuschließen.
Demnach müsste Herrn Schlotts Fazit b) der Abzug der keltischen Bevölkerung ca. 96 v.Chr. verlegt werden und die Neubesiedlung würde in die Mitte oder erste Hälfte des 1. Jhs. v. Chr. fallen, gemeinsam mit dem gallischen Krieg oder dem Durchzug des Ariovist.

Wie kommt Peter Schlott zu dieser Einschätzung? Meines Wissens nach ist man davon abgerückt, jeden elbgermanischen Fund sofort zu einer großen Invasion zu machen - Ansiedlung kleiner Migrationsgruppen, Geiselstellungen, Heiratspolitik, Sklavenhandel, Beutegut, Gastgeschenke, - die Wanderung von Objekten und Menschen wird heute vielfältiger, friedlicher und kleinteiliger betrachtet als zu früheren Zeiten, in denen die Forschung unter dem Druck stand, mit allen Mitteln zu beweisen, dass germanische Stämme "vorgedrängt, unterworfen, erobert und assimiliert" haben - das gab es natürlich auch, aber dieses Schema wurde oft auf jeden Fund einer elbkerarmischen Scherbe gelegt.
Dann bringst du etwas durcheinander, meiner Meinung nach: welche Gegend in Süddeutschland ist gemeint, in die "die Germanen" 25 Jahre früher eingedrungen sind? Und welche Wissenschaftler behaupten dies?
Du zitierst aus einem Buch,dass sich mit dem fränkischen Raum beschäftigt, in den tatsächlich suebische Gruppen (Quaden, Markomannen) vorgedrungen sind - zu dieser Zeit erfreute sich der ubische Stamm noch großer Lebendigkeit, wenn auch den Sueben tributpflichtig geworden und im Krieg liegend. Damit nehmen die Ubier sicher eine Sonderstellung ein - das Oppidum Staffelberg / Menosgada am Obermain, sicher ein regionales Zentrum, wurde erst in der zweiten Hälfte des 1.Jahrhunderts BC offengelassen; auch für Manching wird ein ähnlicher Zeitpunkt angenommen - wie du auf ausgerechnet 96 v.Chr. für den Dünsberg kommst ist mir schleierhaft, auch wenn du davor noch Schlott zitierst, der anhand der Funde für eine Besiedlung bis Latene D1 spricht. Meines Wiissens nach ist sicher, dass der Dünsberg das einzige rechtsrheinische Oppidum ist, dass nach den archäologischen Funden bis in Latene D 2 besiedelt wurde! Du solltest dir zum Beispiel die numismatischen Analysen anschauen - http://www.academia.edu/11377496/Kelten_Germanen_Ubier_Chatten_Zur_ethnischen_und_historischen_Deutung_sp%C3%A4tlat%C3%A8nezeitlicher_Fundgruppen_in_Hessen

4) :fs:Zu Schlotts zweiter Theorie möchte ich aus dem Buch "Mitteleuropa zur Zeit Marbods -Nordbayern zur Zeit Marbods von Dr. Bernd Steidl (2006)" zitieren:
"Von einem dritten Siedlungsplatz bei Biebelried am südexponierten Unterhang eines Bachtälchens in der fruchtbaren Lösslandschaft inmitten des Maindreiecks konnte 1999 ein Grubenhaus als einziger Befund untersucht werden. Das Grubenhaus mit drei in der Firstachse gelegenen tiefen Pfostengruben entspricht exakt dem in Gerolzhofen aufgedeckten Typ. Das daraus geborgene Nutzpflanzenspektrum zeigt die typisch germanische Zusammensetzung (Kreuz 2004, 127). Unter der Keramik ist die germanische Ware Großromstedter Art aber auffallenderweise relativ schwach, allerdings mit klassischen Typen vertreten, darunter allein vier Situlen. In das keltische Milieu dagegen verweist nicht nur ein großer Teil der Keramik, sondern auch der Verzehr von Hundefleisch, wie aus der Untersuchung der geborgenen Tierknochen hervorgeht. Man gewinnt also den Eindruck, in dem Befund von Biebelried einen regelrechten „Mischkomplex“ vorliegen zu haben, in dem charakteristische Elemente der germanischen Großromstedter und der keltischen bzw. keltoiden Mittelgebirgskultur nebeneinander auftreten, aber noch immer deutlich voneinander zu trennen sind. Die Datierung des Komplexes wird durch eine geschweifte Eisenfibel ermöglicht, die Völlings Gruppe II (Völling 1994) und damit etwa der Zeit 40/15 v. Chr. angehört (Abb. 6: 1). Ein fortgeschritteneres Stadium der Entwicklung tritt in einem weiteren Grubenhaus aus Gaukönigshofen entgegen. Der leider nicht sehr umfangreiche Fundkomplex, dessen freigeformte Keramik, die man als proto-Rhein-Weser-germanisch bezeichnen könnte, zeigt die Verschmelzung von Elementen der elbgermanischen Großromstedter Keramik mit denen der dominierenden keltoiden Mittelgebirgsgruppe (Abb. 7). Über die mitgefundene römische Keramik ist eine Datierung in die augusteische Zeit möglich. Bis um Christi Geburt hatte also bereits ein Vermischungs- und Ausgleichsprozess stattgefunden, der in Mainfranken wie im gesamten Mittelgebirgsgürtel zwischen Westthüringen und dem Rhein schließlich zur Entstehung der Rhein-Weser-germanischen Kultur geführt hat (Peschel 1996/97, 19 ff.; 2000)."
Mit den von Steidl beschriebenen Befunden kann Schlotts 2. Theorie belegt werden.
Dann ist ja alles klar? Mit Befunden aus Oberfranken kann Schlotts Theorie zum Dünsberg bewiesen werden? Richtig ist: mit den politischen Veränderungen des gesamten mitteleuropäischen Gefüges, ökonomisch, politisch, kulturell, kam es zu großen Veränderungen im Raum zwischen Rhein, Elbe und Donau, dazu gehörten auch die vielfältigen politischen und militärischen Interventionen Roms in diesem Raum, die Provinzialisierung der begika und Galliens, als Ergebnis der rechtsrheinischen Veränderungen hat sich als Begriff auch die Rhein-Weser-germanische Kultur ausgeprägt - kurz nach der Zeitenwende politisch kurz und instabil zusammengefasst in der Arminius-Koalition um die Cherusker (der sich aber auch suebische Gentes anschlossen) - dagegen die "elbgermanische" Marbod-Koalition (der sich auch westgermanische Gentes und Ostgermanen anschlossen) um die Markomannen/Quaden in Böhmen. Kurz vor und gleichzeitig zu diesen Koalitionen bestand nur wenige Kilometer vom Dünsberg entfernt die römische Stadtgründung Waldgirmes, hatte Rom offensichtlich die Provinzialisierung dieses Raumes im friedlichen Miteinander mit "einheimischer" (chattischer?) Bevölkerung begonnen!
So :fs: und was waren jetzt die Ubier?:confused:
Ich sage die Lösung liegt unter der Erde des Dünsberges. Wenn dort ein, wie von Steidl beschriebener Mischkomplex aufgedeckt würde, wären sie eine friedlich verschmolzene germanisch-keltische Mischbevölkerung, wenn die keltischen Spätlatenebefunde ohne Kontakt zu den elbgermanischen Funden abbrechen, waren die Ubier Germanen.


Jetzt bin ich wirklich erstaunt: auch jetzt noch, nach den großen Grabungskampagnen 10 Jahre neuere Grabungen am Du?nsberg ? Überblick und Perspektiven | Claudia Nickel - Academia.edu
wird jedes Jahr im Sommer gegraben, schau einmal in den Thread "Der Dünsberg - ein rettungswürdiges Bodendenkmal" von Ogrim!
 
Zuletzt bearbeitet:
Mir ist ein Mißgeschick passiert, es ist nicht der Text von Jens Schulze Förster, den ich wollte, den ich oben eingestellt/verlinkt habe; er hat sich in mehreren Texten der Hessenarchäologie mit der Chronologie des SilberquinarsTanzendes Männlein beschäftigt, ein Münznominal nach westkeltisch-gallischem Standard. Nach Schulze-Forster kann die Chronologie des Auf- bzw. Niedergangs der beiden benachbarten keltischen Oppida Heidetränke bei Oberursel (Taunus) und Dünsberg in Biebertal anhand der Münzfunde geklärt werden. In diesem Zusammenhang zeigt Schulze Förster wie die Emmission „Nauheimer Typ“ - „Vogelmännchen“ (Vm.) auf der Heidetränke nachlässt
und dafür der Quinar „Tanzendes Männlein“ (T. M.) sowie der Dreiwirbelstater auf dem Dünsberg immer häufiger werden.So blüht der Quinar T.M. am Übergang zur Stufe Lt D2 (etwa 55/15 v.
Chr.) auf, als das Vogelmännchentyp (90/80 - 50 v. u. Z. Lt D1) zu Ende geht.
Anschließend Verlagert sich die Quinartradition des T.M. in das linksrheinische Gebiet im Bereich der heutigen Stadt Köln.

Jens Schulze-Forster, Der Dünsberg bei Gießen, hessenARCHEOLOGIE 2002.
Jens Schulze-Forster, Kleinsilber vom Typ Heidetränke, hessenARCHÄOLOGIE 2003
Johannes Heinrichs: Ubische Quinare im Lippegebiet: ein Modell, in: Studien an Fundmünzen der Antike (SFMA), Band 19, Die Kelten und Rom: Neue numismatische Forschungen, ab S. 183, Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2005
Johannes Heinrichs: Ubier, Chatten, Bataver. Mittel- und Niederrhein ca. 70–71 v. Chr. anhand germanischer Münzen. In: Thomas Grünewald, Sandra Seibel (Hrsg.): Kontinuität und Diskontinuität: Germania inferior am Beginn und am Ende der römischen Herrschaft. Beiträge des deutsch-niederländischen Kolloquiums in der Katholieke Universiteit Nijmegen, 27. bis 30.6.2001. Berlin 2003, S. 266–344.
 

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@Jakob Spatz; ich hoffe mein Beitrag von vorgestern klingt nicht zu knurrig und verärgert. ich würde nur ungern die Diskussion von 2010 wieder aufleben lassen, wenn die Gefahr besteht, dass sie sich unfruchtbar wieder in die Sackgasse fährt. Vielleicht ist die Fragestellung so, wie sie gestellt ist, "Die Ubier - Kelten oder Germanen?" nicht so produktiv, wie sie auf den ersten Blick aussieht.
Ich könnte mit der Archäologie und Numismatik die Ubier argumentativ ohne weiteres zur Keltike eingemeinden - allerdings gefällt mir aus dem Text von Schulze Förster das überraschend frühe und weitsichtige Zitat von O.Uenze:
"In dieselbe Schule gehört die Idee, die hessische Spätlatènezeit nicht lediglich als Peripherie der Latènekultur zu betrachten, sondern als eigene kulturelle Größe. O. Uenze hielt sich nicht an Kelten und Germanen auf, sondern redete in Nordhessen von „Stammesgruppen lokalen Gepräges“(Uenze 1953, 71). Ähnlich sprach Dehn beim Fundstoff des Dünsbergs von einem „Spätlatène hessischer Sonderprägung .
Ich zitiere mich einmal selbst aus dem Thread "Vorgeschichte der Kelten" -
in diesem Kurzdurchlauf wird erkennbar, dass die Mittelgebirgszone bzw. das hessische Bergland als eigenständiger Kulturraum seit der Urnenfelderkultur nachzeichnen lässt - es spricht einerseits für eine hohe kulturelle Kontinuität, die wahrscheinlich mit einer konstanten Bevölkerung korrespondiert. Im Frühlatene gibt es eine Zäsur, ökonomischer Wandel, Abbruch von Siedlungen, aber auch Neugründung von Oppida zeichnen diese Phase aus.
Ich möchte jetzt auf einen Raum eingehen, der nahe am Ort des diesjährigen Bundestreffens liegt, das Hessisch-Westfälische Bergland eingehen.
In der Urnenfelderzeit (späte Bronzezeit) war nur der südliche Teil dieses Gebietes bis zum Lahntal, den Beckenlandschaften um Limburg, Wetzlar, Gießen und Amöneburg Teil eines geschlossenen Siedlungsgebiets. Rothaargebirge und Westerwald in den Höhenlagen bleiben relativ fundarm.
Die Gebiete gehörten zur nördlichen Peripherie der Urnenefelderkultur, die westlichen am Rhein gelegenen Teile gehörten zur Rheinisch-Schweizerisch-Ostfranzösischen-Gruppe, der östliche zur Untermainisch-Schwäbischen Gruppe der Urnenfelderkultur. Die kulturelle Ausrichtung ging jedoch in beiden Teilen nach Süden bzw. Südwesten. In der Übergangsphase von Bronzezeit zu Eisenzeit, die unterschiedlich angesetzt wird, (fließender Übergang der Stufen Ha B2/3 und Ha C, W.Kubach 1994, Koberstadter Kultur stark von süddeutschem Hallstattraum beeinflußt; Keramik unterscheide sich kaum von Urnenfelderzeit; Trennung zwischen Urnenfelder Kultur und Koberstadter Kultur / Laufelder Gruppe kulturell und chronologisch K.Dielmann, 1949; Jockehövel 1990, Herrmann 1966 Heynowski 1992 sehen fließenden Übergang, jedoch unterschiedliche Definitionen:Ha B2/3 als Frühstufe der Eisenzeit oder Ha C (800 - 620 v Chr.) als letzte Phase der Urnenfelderkultur) folgen die Laufelder Gruppe auf die Rheinisch-ostfranzösische Gruppe, die Koberstadter Kultur auf die untermainisch-schwäbische Gruppe. In der Keramik lässt sich urnenfelderzeitliches Kultursubstrat erkennen (F.Verse 2011). Es besteht eine Belegungskontinuität auf den Gräberfeldern zwischen beiden Stufen, was auf ein ungefähr gleichbleibendes Bevölkerungssubstrat hindeute.
In der nachfolgenden Stufe 2 der älteren Eisenzeit (HA D 620 - 450 v.Chr.)) folgen auf die Laufelder Gruppe chronologisch und kulturell die ältere Hunsrück-Eifelkultur (deren Einfluss bis zum Limburger Becken reichte), auf die Koberstadter Kultur eine Mittelgebirgszonenkultur, in der ein kultureller Bruch (Verse spricht von Zäsur) feststellbar ist: der Mittelgebirgsraum entwickelt eigenständige Kulturformen, die sich vom süddeutschen Hallstattraum abgekoppeln, die kulturelle Vermittlung läuft verstärkt von Osten nach Westen (und umgekehrt), das Gebiet wird zum eigenständigen Kulturraum nördlich des Westhallstattkreises. Eine Hypothese dazu ist, dass durch eine verstärkte Erschließung des Raumes, auch höherer Lagen und deren Besiedlung ab Ha D (2) auch eine neue Verkehrs - und Transportstruktur auf neuen West-Ostachsen der Höhenwege entstanden sind, die den Austausch verschiedener Kulturgruppen ermöglichte - dagegen spricht, zumindestens für die Laufelder und Koberstadter Kultur, dass die großen Flüsse Main, Lahn und Sieg hervorragende Ost-Westverkehrsachsen auch schon in der frühen Eisenzeit gewesen waren. Anders ist dies vielleicht für den thüringischen und nordostbayerischen Raum, die durch Thüringer Wald und Rhön stärker von den westlich liegenden Siedlungslandschaften abgetrennt waren.
Dieser geraffte Überblick der archäologischen Forschung auf einen begrenzten Raum zeigt, wie vielfältig die Entwicklungen sein können: vom intensiven kulturellen Austausch nach Süden in Urnenfelderkultur und früher Hallstattzeit bis zur Entwicklung einer kulturellen Eigenständigkeit unter Beibehaltung regionaler Besonderheiten einer Mittelgebirgsnordgruppe ab Hallstatt D / Frühlatene - ohne das der kulturelle Austausch nach Süden in den West - und Osthallstattkreis komplett abgebrochen wurde (Funde von Schlangenfibeln und Hallstattdolchscheiden). Ob die nachfolgende Erschließung der Rohstoffgebiete Lahn-Dill oder Siegerland und die intensivierte anmutende "Metallindustrie" ab Latene A auch durch zugewanderte Spezialisten erfolgte, wer die überraschende " planmäßige Erschließung" (Claus Dobiat, Uni Marburg) organisierte (Überschussproduktion, Prospektion, Holzkohlegewinnung, Eisenhandel und Weiterverarbeitung) , ist kaum nachvollziehbar - insgesamt zeigt sich in dieser Zeit gravierende gesellschaftliche Veränderungen in den "keltischen Gesellschaften und Personenverbänden", auch im Mittelgebirgsraum, über deren Ursachen verschiedene Hypothesen existieren (Klimaverschlechterung, soziale Umbrüche). Die verstärkte Nutzung von Rohstoffen und Ressourcen (Eisen, Gold, Silber, Salz) machte die Mittelgebirgszonen (wieder) interessant für einen überegionalen Markt und Wirtschaftsraum, so dass dieses Gebiet auch Teil der Oppidakultur wurde (Niedenstein, Amöneburg, Heidetränk, Dünsberg, Dornburg), im Spätlatene mit eigenständiger Münzprägung. Man könnte das historisch als eine Wiederannäherung an den süddeutschen - schweizerisch - ostfranzösischen Raum bezeichnen, unter Beibehaltung der alten Beziehungen nach Westen (Eifel-Hunsrückkultur/Treverer) und Osten (Thüringen/Böhmen - Boier). Vielleicht lässt sich auf dem Umweg einer mehr mikroskopisch - kleinteiligen regionalen Betrachtung der historischen Entwicklung die Dynamik und die Ursachen einer Keltisierung annähernd verstehen.
Zur Vertiefung noch ein Artikel, der im einleitenden Teil die Region um Ha D / Latene A mitskizziert:
Holger Baitinger / Leif Hansen / Arie J. Kalis / Angela Kreuz / Christopher F. E. Pare / Eva Schäfer / Kristine Schatz / Astrid Stobbe, Der Glauberg ? Ergebnisse der Forschungen in den Jahren 2004?2009. In: D. Krausse (Hrsg.), ?Fürstensitze?

Unten ein Ubischer Dreiwirbelstater bzw. spätlateneezeitliches Regenbogenschüsselchen aus Elektron, es misst 1,6 cm im Durchmesser bei 5,53 g Gewicht. Auf ihrer Vorderseite, dem Avers, zeigt sie einen Dreierwirbel aus stilisierten Vogelköpfen, der von einem ebenfalls stilisiert dargestellten keltischen Halsreif, einem „Torques“, umgeben ist. Auf der Rückseite, dem Revers, werden sieben Kugeln bzw. Kreise von einem Reif bzw. einem Blattkranz umfasst. Der Goldanteil liegt nur noch zwischen 40 und 60%, Silber und Kupfer wurden zulegiert. Ihre Laufzeit reicht bis in das zweite Viertel des 1. Jh. v. Chr. Der Übergang zu den silbernen Dreiwirbelmünzen markiert den Wechsel zur Stufe Latène D2 um die Jahrhundertmitte.
 

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Ergänzend stelle ich den Artikel "Nördliche Einflüsse auf die Latenekultur" von Andreas Schäfer ein. Er zeigt wieder im Kurzabriss aber sehr verständlich, dass spätestens im Mittellatene entlang verschiedener "Kommunikationsachsen" ein Austausch von Gütern, Zuwanderung und politische Beziehungen ( Heiratspolitik (Wanderung von Objekten der Frauentracht mit ihren Trägerinnen), Diplomatie - Prestigegütertausch) zwischen den Gebieten der "Jasdorfkultur" und der "Latenekultur" und darüber hinaus existierte.
Insbesondere bezieht es die Räume der Kontaktzone vom Niederrhein, Westfälischer Bucht (Hellwegzone) , Mittelrhein und Hessisches Bergland bis zum Saale-Unstrutgebiet in die Analyse mit ein. Die Zusammenfassung:
Die spätlatenezeitliche Oppidakultur besaß zweifellos eine beträchtliche wirtschaftliche und politische Strahlkraft in die angrenzenden nördlichen und östlichen Regionen.Spätestens seit der Mittellatenezeit lassen sich aber kontinuierlich auch Einflüsse von Norden in die Latenekultur hinein fassen. Im Rahmen von Tauschbeziehungen,aber auch persönlicher Mobilität, sind diese Bezüge zunächst vornehmlich mit Schmuck - und Trachtzubehör greifbar. Eine besondere katalytische Rolle k ommt dem Unstrut-Saale-Gebiet in Thüringen zu, das bereits in der fortgeschrittenen Mittellatenezeit neben deutlichen Begen zur Latenekultur verstärkt Einflüsse aus dem Jastorf-Kreis im Norden und Nordwesten wie auch aus den östlichen Gebieten der Oksywie und Przeworsk-Kultur absorbierte. Im Verlauf der Spätlatenezeit lässt sich insbesondere der Przeworsk-Einfluss auch in anderen Randbereichen der Latenekultur fassen, etwa in der Wetterau oder in Mainfranken.Die zahlreich nachgewiesene Gebrauchskeramik-teils importiert,teils aus lokalem Ton gefertigt-weist ohne Zweifel auf den Zuzug ortsfremder Personengruppen
hin, ohne dass es in der Besiedlungsstruktur zu grundlegenden Veränderungen gekommenre. Nach dem Zusammenbruch des Wirtschaftssystems der Oppidakultur kulminieren in der ausgehenden Spätlatenezeit die nach Süden und Süd-Westen gerichteten Kontakte. Gebrauchskeramik aus dem umrissenen mitteldeutschen Gebiet bzw.aushmen, ebensowie dort gebräuchliche metallene Trachtbestandteile belegen dabei die Mobilität entsprechen der Personengruppen.Der archäologische Befund im ehemaligen
Oppidabereich Südostbayerns weist jedoch zunehmend auf eine Koexistenz
mit der einheimischen Bevölkerung und auf eine Integration.
Nördliche Einflüsse auf die Latènekultur | Andreas Schäfer - Academia.edu
Dazu noch ein Text von Schulze Förster "Die Burgen der Mittelgebirgszone",
zum Ausbau der Befestigungen in der gesamten Zone im 3.Jahrhundert BC (Latene C1), den auch er mit der Erschließung von Ressourcen (Eisen, Salz) in Verbindung bringt.
Die Burgen der Mittelgebirgszone. Eisenzeitliche Fluchtburgen, befestigte Siedlungen, Zentralorte oder Kultplätze? | Jens Schulze-Forster - Academia.edu
Unten Glasarmringe aus Manching, einem Produktionszentrum dieses kennzeichnenden Bestandteils der "keltischen" Frauentracht seit dem Mittellatene
 

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Noch ein kleiner Nachtrag, entschuldigt meine ärgerliche Schlampigkeit, Schulze-Forster heisst der Autor einiger Beiträge, ich habe ihn durchweg zum Förster gemacht.
Um die Beziehungen Ost-West aber auch Südost - Nordwest (über die süd-nördliche Rheinachse) noch weiter zu differenzieren, stelle ich einen weiteren Text von Schulze Forster ein: er beschäftigt sich einerseits mit Impulsen aus dem Südosten, die Anregung der Münzprägung nach dem Phillipp-Stater, der wahrscheinlich als Sold, möglicherweise aber auch als diplomatisches Geschenk, aber auch als Beute bis zum Oberrhein kam, und der insgesamt vermittelt über den ostkeltischen Raum die Münzprägung anregte (ein weiterer Impuls in die Keltike kam aus Südfrankreich über Massalia und die anderen massaliotischen Städte wie Rhoda und Emporion).
Beziehungen der treverischen Oberschicht zu "ostgermanischen" Gruppen und Gentes, dargestellt anhand bestimmter Schwert - und Schwertscheidentypen, die Verbreitung der ersten Prägung goldenen Viertelstatere vom Pegasustyp (Scheers 23) am Mittel - und Niederrhein, machen deutlich, dass der Rhein keine undurchdringliche Grenze, sondern eine Kommunikationsachse gewesen ist - im 3.Jahrhundert BC entstehen in diesem Raum zwischen Rhein und Weichsel die Stämme, die dann allmählich in den antiken Quellen ins historische Licht treten. Leider macht der Text einen Sprung vom 3. ins späte 1.Jahrhundert BC, und entwickelt etwa anhand der Münzemmissionen oder Trachten die Ost-Westbeziehungen und regionalen Herausbildung von Gentes nicht inhärent weiter. Der Hinweis auf die "Sueben" zuerst als kriegerische Scharen, vielleicht war Ariovist nicht der erste germanische Söldnerführer, deren Name nur ihre östliche Herkunft, und keinen bestimmten Ethnos bedeute, finde ich interessant:
Die Beispiele unterstreichen, daß zahlreiche Hinweise auf „keltisch“-germanische Kontakte am Mittel- und Niederrhein vorhanden sind, die sich besonders im Rahmen germanischer Mobilität verstehen lassen. Daran sind sicher Gruppen unterschiedlicher Herkunft beteiligt. Schon der Begriff „elbgermanisch“ ist mit einer großen Unschärfe behaftet und in seiner räumlichen Verankerung von Holstein bis nach Thüringen (Lt D2) in keinem Fall mit einer definierten ethnischen Gruppe(„Stamm“) zu verwechseln . Dasselbe gilt für die kulturelle und zeitliche Abgrenzung „ost-“ und „elbgermanischer“Gruppen.Die Übergänge sind so fließend wie die Verwendung des Suebennamens in der antiken Überlieferung, der eher als Sammelbegriff für mobile kriegerische Einheiten östlicher Herkunft denn als bestimmtes Ethnos zu verstehen ist.
Ost-West-Beziehungen am Mittel- und Niederrhein in der mittleren und späten Latènezeit | Jens Schulze-Forster - Academia.edu
Und dann noch ein Text, gleicher Autor, zu der Münzemmission "Tanzendes Männlien", ausführlicher und tiefgehender als mein Beitrag vom 10.11.2016.
Ob das Ende der Münzprägung im Heidetränkeoppidum und das Aufleben des tanzenden Männleins auf dem Dünsberg mit den suebischen Kriegen zusammenhängen, der Ubische Stamm sich dort konzentrierte, lässt der Autor offen, im geht es um eine numismatische Chronologie der Prägungen.
Nach dieser Chronologie ist es wahrscheinlich, dass der wesentliche Rheinübergang oder letzte Übersiedlungsschub erst in der zweiten Statthalterschaft Agrippas 20 bis 18.v.Chr stattgefunden hat.
Für den Dünsberg sind zusätzlich auch noch die Latene D2-typischen geschweiften Fibeln festzustellen, was diese Chronologie unterstützt (der Autor erwähnt aber auch die grundlegenden Kontroversen um die spätlatenezeitliche Chronologie).
Zusätzlich zu stilistischen Merkmalen (vom laufenden, zum knieenden, dann zum hockenden Männchen) ist die beständige Gewichtsabnahme der Münzen T.M. (Scheers 57) ein Merkmal der Chronologie (meines Wissens nach auch der nachlassende Anteil an Edelmetall, Silber, dies wird aber nicht erwähnt). Am Dünsberg endet die Münzreihe mit der ersten Serie des "hockenden Männleins" (Serie IIIA). Die jüngsten Serien (Gruppe III B-C, 30/25 v.Chr.-1/10 n.Chr.) häufen sich dann im Rheinland. Bis auf eine einzige Münze, die der Serie IIIA2 zugeordnet werden kann, gibt es keine Überschneidungen mit den "Dünsberg-Serien". Die Häufung der jüngsten Quinarvarianten im Rheinland spricht für eine Verlagerung der Prägetradition auf linksrheinisches Gebiet.
Der Dünsberg und die jüngsten keltischen Münzen in Hessen | Jens Schulze-Forster - Academia.edu
 

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Ich habe mir die Kontroverse "Die Ubier - Kelten oder Germanen?" hier von 2007 bis 2010 noch einmal durchgelesen, und bemerkt, dass die numismatischen Befunde damals eine Rolle spielten - ich hoffe jedoch, mit meinen Beiträgen insbesondere zur Chronologie der Münzreihen auch für die Veteranen der Diskussion noch "neue" Informationen geliefert zu haben.
Die Kontroverse scheint mir bis jetzt nicht beendet, ohne dass sie offen ausgetragen wird: beispielsweise titeln die Archäologen im Band "Westfalen in der Eisenzeit" (2015) "Die Kelten kommen. Das Gräberfeld von Nepthen-Diez" (Siegerland) zu einer feststellbaren Einwanderung aus der hesssischen Bergland im 3.Jahrhundert BC mit deutlichen Bezügen in den keltischen Kulturkreis. Stattdessen steht z.B. zur gleichzeitigen spätlatenezeitlichen Ringwallanlage Heunstein/Dillenburg auf Wikipedia, ebenfalls im ubischen Siedlungsraum, dass es eine germanische Höhenburg wäre https://de.wikipedia.org/wiki/Ringwallburg_Heunstein.
Steht also für die eine insbesondere durch modernere archäologische Funde bestätigte Seite fest, dass es Kelten waren, die im 3.Jahrhundert BC die unwirtliche Mittelgebirgsregion mit Befestigungen und Verhüttungsplätzen überzogen, hält die andere Seite aufgrund der historischen Quellenlage und manchmal auch eines gewissen Konservativismus unbeirrt an der germanischen Identität fest, und ignoriert mehr oder weniger die neu entstanden offenen Fragen. Ich habe weiter oben meinen Standpunkt bezogen, auch aus methodischen Gründen eine ethnische Deutung vorerst offen zu lassen - meiner Ansicht nach sind "uns" viele Prozesse in den mitteleuropäischen Gesellschaften weitgehend nur bruchstückhaft bekannt, die Texte weiter oben zu den Kontakten zwischen den Kulturräumen vor dem aus den historischen literarischen Quellen bekannteren 1.Jahhrhundert BC weichen die klaren Kulturgrenzen und ethnischen Differenzierungen weiter auf (mein Beitrag vom 13.11.16).
Ich möchte jedoch einen neuen Beitrag zu dieser "eingeschlafenen" Debatte machen, der hier noch keine Rolle spielte. Im Siegerland hat die Montanarchäologie große Erkenntnisfortschritte gemacht, es ist inzwischen keine Überhöhung um der Schlagzeile willen, wenn man von einem systematisch erschlossenen Montanrevier im Siegerland spricht - die großen Kuppelrennöfen von 1,20 m Durchmesser, großzügig überdachte Verhüttungsplätze mit einem quasi standardisierten Aufbau und Lokalisierung (an Hängen neben Quellen und kleinen Bachläufen) haben keine regionalen Vorbilder, sondern kamen mit einer Einwanderung aus dem hessischen Oppidabereich nach Südwestfalen. Die nächsten technologischen Vorbilder finden sich wie Jennifer Garner schreibt in keltisch geprägten Gesellschaften: Österreich, in Gallien und Britannien. Ein technologischer Vorläufer aus dem Frühlatene findet sich in einem Verhüttungsbezirk im Nordschwarzwald (Hallstatt D - Latene A/B) bei Neuenbürg, diese Kuppelöfen haben einen Durchmesser von 60 cm.
Die Verhüttung bei Neuenbürg bricht nach bisherigen Forschungen überraschend in Latene B ab, ohne dass die Erzvorkommen (Braunerz) erschöpft gewesen sind - Gassmann/Wieland schreiben in "Produktion-Distribution-Ökonomie" Siedlungs- und Wirtschaftsmuster der Latenezeit (2011, veröff.2014):
Noch innerhalb der Frühlatenezeit enden die Siedlung (Neuenbürg)und die Eisenproduktion so schlagartig, wie sie begonnen haben. Darauf weisen sowohl die 14C-Datierungen als auch die Untersuchungen geborgenen Fundmaterial hin, vor allem der Keramik. Bislang gibt es keinerlei Hinweise einer jüngerlatène-oder römerzeitlichene Eisenerzerzeugung bei Neuenbürg, obwohl in nur sieben Kilometer Entfernung die römische Siedlung portus /Pforzheim lag. Angesichts des plötzlichen und technisch voll entwickelten Einsetzens der Eisenproduktion und des ebenso abrupten Endes - obwohl die Erzvorkommen keineswegs erschöpft waren - lässt sich darauf schließen, dass das Know-How welches für Bergbau und die Eisenerzverhüttung notwendig ist, als Technologieimport den Nordschwarzwald erreicht hat"
Es ist verlockend, diesen Abbruch mit der Entdeckung noch reicherer Erzvorkommen in Verbindung zu bringen, jedoch ist das Frühlatène von weitreichenden gesellschaftlichen Bewegungen (z.B. den frühkeltischen Wanderungen) geprägt, so dass es spekulativ bleibt, welchen Grund das Ende in Neuenbürg hat - und die breitere Aufsiedlung und Verhüttung im Mittelgebirgsraum beginnt erst im 3.Jahrhundert BC, dazwischen (Norschwarzwald-Siegerland) fehlt mindestens ein Jahrhundert.
Die "keltischen" Kuppelrennöfen, die mehrmals genutzt und ausgebessert wurden, und zur besseren Reduktion beim Verhütten (Sauerstoffarmut beim Brennvorgang) mit aus dem Westerwald importierten Kaolinton ummantelt wurden, unterschieden sich deutlich von den nördlichen "germanischen" nur einmal verwendeten kleineren Schachtrennöfen des nördlichen Westfalen, die eher für den Eigenbedarf produzierten und in denen z.B. auch Raseneisenerz verhüttet wurde. Dieser deutliche Technologiebezug in den Latèneraum soll kein Argument für eine meiner Ansicht nach vorschnelle Beantwortung der ethnischen Frage sein, ich halte es da mit Jens Schulze Forster, der das deutlich geschärfte Bewusstsein für die Problemstellung in Fachkreisen feststellt, und einen interdisziplinären Ansatz zur Synthese der archäologischen und historischen Quellen befürwortet:
Wie dies im Milieu der späten Eisenzeit funktionieren kann, hat N. Roymans ein vorzügliches Beispiel gegeben.Zielführend ist der interdisziplinäre Ansatz, der erstens die verschiedenen Fächer und deren Quellen zusammenführt (Vorgeschichte, provinzialröm. Archäologie, Numismatik, Alte Geschichte) und zweitens möglichst verschiedene Lebensbereiche erfasst (Siedlungswesen, Handwerk, Sozialgliederung, Religion/Kult).
Zwei Texte zur Vertiefung:
Eisengewinnung im Siegerland | Jennifer Garner - Academia.edu
Das Neuenbürger Erzrevier im Nordschwarzwald als Wirtschaftsraum während der Späthallstatt- und Frühlatènezeit Von Guntram Gassmann, Manfred Rösch und Günther Wieland | Manfred Rösch - Academia.edu

Unten ein Standard-Verhüttungsplatz aus dem Siegerland (auch im Text von J.Garner)
 

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