Nofretete-Büste

Und genau über Tagespolitik wird im Geschichtsforum nicht diskutiert. Deshalb werden wir hier nicht über die aktuellen Ereignisse in Ägypten diskutieren.
@Ursi: Ich verstehe das.

Was Sie zuletzt von mir zitieren, war auch meinerseits als Abschlussbemerkung dazu gedacht, ich hatte nicht vor, über die Ereignisse in Ägypten zu resümieren, und auch nicht über jene in Berlin. Ich sehe in meinen Äußerungen auch kein Bekenntnis.

Ich nehme einmal an, dass der Eingangsbeitrag darauf abzielte, zu den "rechtlichen" Fragen, sowie zu den damaligen Umständen der Ausfuhr der Büste etwas zu erörtern. Mit den zitierten Aussagen des Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, streift man allerdings automatisch aktuelle Themen, deren Hintergründe über rein geschichtliche Belange hinausgehen, und ua. in Richtung Kulturpolitik weisen.

Wie kann man reagieren?:

Ich glaube, die Rückforderung ist rein oportunistisch. Wäre die Nofretete in Ägypten geblieben wäre sie vermutlich ein Exponat unter vielen Anderen in einer staubigen Ecke des Ägyptischen Museums in Cairo oder sie läge vermutlich sauber eingepackt in einer Kiste im Keller. So berühmt ist sie m.E. nur weil sie nach Berlin kam.
Aussagen wie diese sind sicher nicht falsch, wie schon bemerkt wurde, um andere Sichtweisen aufzeigen zu können, müsste man aber auf aktuelle Punkte eingehen. Schon das nichtwissenschaftliche Statement H.Parzingers (s.o.): "... alles andere würde ihm auch keiner in Berlin verzeihen. Schließlich besuchten 1,14 Millionen das Neue Museum im vergangenen Jahr", führte bspw. zu Fragen wie wichtig sind eigentlich Kommerz, Tourismus und Politik dabei usw.

Ich erwarte darauf nicht unbedingt eine Antwort, und verstehe schon, dass es auch für den Rahmen des Forums wichtig ist etwas einzugrenzen.

Dessen ungeachtet glaube ich, dass nachwievor über die übrigen Anmerkungen, auch aus meinem Posting, diskutiert werden könnte, so man möchte.

Wichtig war mir eigentlich in der Sache nicht zu generalisierend zu argumentieren (Verbindlichmachen für alle Kunst-Rückführungen), an zukünftige Möglichkeiten und Entwicklungen zu denken, Verhältnisse von damals nicht auf heute zu übertragen (was gerne über die nationale Schiene passiert, - "ist ja das gleiche Land") usw.

Außerdem finde ich die veränderte, bzw. erweiterte Wahrnehmung der Kunstobjekte an ihrem eigentlichen Herkunftsort noch interessant.
 
Meldung von heute:
Chaos in Ägypten: Tausende Häftlinge fliehen aus den Gefängnissen - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Politik
Randalierer drangen auch ins Ägyptische Museum ein. Sie hätten zwei Mumien zerstört, berichtete der TV-Sender Arabija am Samstagabend. Das Museum beherbergt neben anderen unwiederbringlichen Artefakten die goldene Maske des Königs Tutenchamun. Ein Archäologe berichtet im Staatsfernsehen, dass Ägypter auf der Straße versucht hätten, das Gebäude durch eine Menschenkette zu schützen. Die Vandalen seien aber von Dach in das Museum gelangt.

Das Thema Nofretete nach Ägypten ist nun wirklich nicht mehr aktuell...
 
Außerdem finde ich die veränderte, bzw. erweiterte Wahrnehmung der Kunstobjekte an ihrem eigentlichen Herkunftsort noch interessant.

Das Thema Nofretete nach Ägypten ist nun wirklich nicht mehr aktuell...

Es gibt andere Beispiele. Da möchte ich in die Welterbelandschaft Wachau Kulturlandschaft Wachau - Weltkulturerbe - UNESCO - Welterbeliste - Museumsverzeichnis und verpasse den Heimatbesuch der Venus von Willendorf ? Wikipedia um 2 Jahre.
Muß ich jetzt das Original in Wien besuchen oder bin ich mit der Kopie im Venusmuseum zufrieden??? :grübel:
 
Das kann man nie wissen. Ebensogut hätten alle in London, Berlin, Paris etc. gesammelten Kunstschätze zerstört werden können, wenn der Kalte Krieg heiß geworden wäre.
 
Was wäre wohl heute damit, wenn die DDR damals das Ischtar-Tor an Saddam in den Irak "zurückgegeben" hätte?

Gerade das Ischtartor ist für mich so ein Beispiel, das in einem Museum nicht richtig wirken kann.
Einerseits kann es dort gut erhalten werden, andererseits wäre es schön, eine Kopie am Originalstandort oder knapp daneben mit echter Torfunktion zu betrachten.
 
Gerade das Ischtartor ist für mich so ein Beispiel, das in einem Museum nicht richtig wirken kann.
Einerseits kann es dort gut erhalten werden, andererseits wäre es schön, eine Kopie am Originalstandort oder knapp daneben mit echter Torfunktion zu betrachten.
Dass der Umgang mit den Objekten nicht verallgemeinert werden kann, zeigt das Beispiel ganz gut. Ist vielleicht auch eine Frage der technischen Möglichkeiten.


Mit der Wahrnehnung oben meinte ich das aber so, dass ja eine Umgebung, - das kann ein Land, eine Landschaft, oder bspw. auch ein Haus sein, unmittelbar Eindrücke auf mich hinterlässt.

Es wäre für mich ein Unterschied, ob ich eine Statuette wie die Venus von Willendorf in einer Vitrine in Wien betrachte, oder aber am, oder in der Nähe ihres Fundortes. Schon die Tatsache, dass ich eine Landschaft damit verbinden kann, weil ich mich dort bewege, verändert die Wahrnehmung des kleinen Kunstwerks, macht es vielleicht auch wahrhaftiger.

Speziell in diesem Fall, wenn man sich einmal mit dem Fund befasst, stellte ich mir bspw. auch eine weniger urbane Umgebung vor, um nicht zu sagen einen stark von der Natur und Umwelteinflüssen geprägten Raum. Obwohl der sich über Jahrtausende hin verändert haben könnte, ist er authentisch. So etwas kann die Wahrnehmung stark beeinflussen, und die Phantasie anregen, finde ich.

Mit dem Wissen um eine Kopie wäre das aber, meiner Ansicht nach, wieder hinfällig. Mit oben geschilderter Betrachtungsweise müßte eine Kopie eigentlich nach Wien, und das Original verbliebe an dem Ort, oder in der Nähe der Fundgegend.


Natürlich zählt so eine Sichtweise nicht allein. Für die Forschung ist es sicher wichtig, dass das Material gesammelt und damit leichter vergleichbar an einem Ort einsehbar wird, der dafür die Möglichkeiten bietet. Allerdings glaube ich das die Technik so etwas immer überflüssiger machen wird.

Die Gedankengänge lassen sich nicht verallgemeinern, sind natürlich vom Objekt abhängig. Beim Thema Nofretete denke ich aber ähnlich.

Die Wahrnehmung durch die Bevölkerung in Ägypten aktuell wird etwas mit Bildung zu tun haben, sodass man durch Randale in Kairo eigentlich überhaupt nicht auf mögliche Denkweisen und auf den Umgang damit in der Zukunft schließen kann. Fände es gut, dass man sich auch allein desswegen Alternativen nicht verschließt.
 
Mit der Wahrnehnung oben meinte ich das aber so, dass ja eine Umgebung, - das kann ein Land, eine Landschaft, oder bspw. auch ein Haus sein, unmittelbar Eindrücke auf mich hinterlässt.

Es wäre für mich ein Unterschied, ob ich eine Statuette wie die Venus von Willendorf in einer Vitrine in Wien betrachte, oder aber am, oder in der Nähe ihres Fundortes. Schon die Tatsache, dass ich eine Landschaft damit verbinden kann, weil ich mich dort bewege, verändert die Wahrnehmung des kleinen Kunstwerks, macht es vielleicht auch wahrhaftiger.

Speziell in diesem Fall, wenn man sich einmal mit dem Fund befasst, stellte ich mir bspw. auch eine weniger urbane Umgebung vor, um nicht zu sagen einen stark von der Natur und Umwelteinflüssen geprägten Raum. Obwohl der sich über Jahrtausende hin verändert haben könnte, ist er authentisch. So etwas kann die Wahrnehmung stark beeinflussen, und die Phantasie anregen, finde ich.

Mit der Venus werde ich diesen Sommer Gelegenheit zum Selbstexperiment haben. Hat da jemand Erfahrung?

Mit dem Wissen um eine Kopie wäre das aber, meiner Ansicht nach, wieder hinfällig. Mit oben geschilderter Betrachtungsweise müßte eine Kopie eigentlich nach Wien, und das Original verbliebe an dem Ort, oder in der Nähe der Fundgegend.

Das kommt auf die Qualität der Kopie an. Solche Stücke wirken für den Laien auch durch ihre Patina.
 
Mit dem Wissen um eine Kopie wäre das aber, meiner Ansicht nach, wieder hinfällig.

Absolut.

Dazu ein Erlebnis: Meine Mutter und ich waren in Wien auf Museumstour. Wir sahen Plakate zu einer Ausstellung mit den Terrakottakriegern des Qin Shihuangdi. Da dachten wir uns, tolle Sache, das schauen wir uns an. Als wir dort waren sahen wir zum ersten mal, dass "nur" Kopien ausgestellt waren. Wir standen also vor dem Museum, sahen uns an: "Nö, da gehen wir nicht rein." In dem Moment als wir wussten, es sind Kopien... da wars einfach nichts Besonderes mehr.

Ich kann jetzt nur für mich sprechen: Ich gehe nicht ins Museum, nur um das Objekt zu sehen. Das kann ich im Internet und auf Bildern auch. Mir geht es dabei um das Erlebnis, um das Gefühl, so etwas altes, von Menschen geschaffenes so nahe bei mir zu haben. Das ist einfach etwas ganz besonderes.

Das selbe gilt natürlich auch für die Venus. Obwohl sie sehr (sehr) klein ist... es ist einfach ein unbeschreibliches Gefühl. Auch wenn die Umgebung dazu fehlt ;)

Aber bei Kopien gilt halt einfach: "Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß."
 
Das sehe ich so ähnlich. Für eine Kopie brauche ich nicht ins Museum zu gehen, da kann ich mir genauso gut auch gleich Fotos in einem Buch ansehen. Ein Faksimile eines Buches ist auch kein gleichwertiger Ersatz für ein Originalbuch, und eine noch so perfekte Fälschung eines Gemäldes ebensowenig.
 
Den Gedanken immer am jeweiligen Fundort eine Ausstellungsmöglichkeit zu schaffen, sehe ich kritisch. Hier bei mir in der Nähe, bei Schöningen wurden steinzeitliche Speere gefunden. Statt sie in irgendeinem größeren Museum auszustellen, entschied man sich auf Druck der örtlichen Behörden dafür, dort ein extra Museum zu bauen.

Mehrere Millionen Kosten (plus kommender Unterhalt) für ein Museum, was nur in den Träumen des Bürgermeisters die Touristen anlocken wird...:autsch:
 
1. sollte es nur eine relativ kurze Zeit der Geschichte der jüngeren Neuzeit betreffen, also z.B. ab dem 19. Jh., eben in der Zeit, wo Museen nach moderner Definition entstanden, Verträge zwischen Staaten diesbezüglich ausgehandelt wurden (und nicht nur wie früher Beute geraubt wurde. Beute ist Beute, und wird freiwillig zurückgegeben, oder eben nicht.).
2. Wenn früher Verträge über heutige museale Objekte geschlossen wurden, dann sollte man auch versuchen zu rekonstruieren, ob nicht ökonomische, militärische, diplomatische, etc. "Erpressung" seitens der Kolonialmächte bei manchen Objekten vorgelegen hat, wie Ravenik schon ähnlich anmerkte. In dem Falle müssen die Verträge neu gewertet werden, und ggf. deren Vereinbarungen als Nötigung für ungültig erklärt werden. Dann wären diese Objekte aus diesen Verträgen zurückzugeben

Hm, das ist erstmal eine recht willkürliche Festlegung, wer will das entscheiden, ab wann eine zeitliche Grenze gezogen wird. Ich bin zwar auch kein Jurist, aber einen Vertrag nachträglich danach zu prüfen, ob er moralischen Ansprüchen von heute genügt, ist völkerrechtlich wohl nicht machbar.



3. Es muss besonders bei "Weltkulturgütern" gewährleistet sein, dass das Ursprungsland die konservatorischen Mindeststandards einhalten kann. Kann es dieses nicht, und ist bewiesen, dass hier völkerrechtswidrig ein Objekt strafrechtlich relevant gestohlen wurde, dann sollte das Land, welches sich viele Jahrzehnte an dem Objekt erfreute, als "Entschädigung" entsprechende Konservatoren ausbilden, Gebäude oder Lager errichten, und es dann zurückgeben. Der laufende Unterhalt der Konservierung wird dann sicherlich durch Besucher und ihren Eintritt gewährleistet sein. Man könnte auch vertraglich regeln, dass wenn das Heimatland des Objektes im kriegerischen Chaos versinken sollte (wie im Irak z.B.), dass dann eine Patenschaft vertraglich gültig wird, und das Objekt wieder in das Land zurückgeflogen wird, wo es Jahrzehnte im Museum verbracht hatte.

Das ist sehr idealistisch gedacht. Solche Mindeststandards zu formulieren, geht gar nicht. Und Unterhalskosten werden nirgendwo durch Besucher und ihren Eintritt finanziert, das kostet immer mehr. Und wenn ein Land im kriegerischen Chaos versinkt, ist zumeist keine Zeit mehr, Kunstgüter wieder sorgfältig irgendwohin zurückzufliegen.



5. Es spielt bei der Rückgabe von Objekten keine Rolle, ob die Türken mit Thales viel zu tun haben oder die Ägypter mit Nofrete. Jedenfalls haben die Germanen, die Angelsachsen, die Franken, auch eher wenig mit Nofrete und Co. zu tun, nicht einmal biologische Nachfahren, Zeitgenossen der Nofrete wohnen in den dunklen Wäldern Mitteleuropas ... :)
6. Es spielt keine Rolle, ob die Besucher, oder die Bewohner der Stadt des Museums inzwischen ein Objekt "liebgewonnen" haben oder nicht. Ob es inzwischen gar zum Maskottchen der Stadt wurde oder nicht. Oder ob es zum großen Touristenmagnet wurde oder nicht.

Punkt 5 kann man auch anders sehen. Museen wie das Neue Museum oder auch das Pergamonmuseum zeigen nicht nur die antike Kultur und Geschichte, sondern sind auch Bebilderung in diesem Falle unserer eigenen Kultur. Warum sind denn die Stücke hier? Weil sich hier eine Wissenschaft für die antiken Kunstgüter herausgebildet hat, die ihr Interesse aus einem gesellschaftlichen Hintergrund heraus legitimieren konnte. So ein Museum zeigt also auch die europäische Geistesgeschichte der Zeit, in der das Museum gebaut wurde und seine Sammlungen angelegt wurden.
Und Punkt 6: Für das Museum spielt das Besucherinteresse sehr wohl eine Rolle, es ist ein öffentlicher Raum und legitimiert sich auch durch das öffentliche Interesse.

Die gesamte Frage hat meines Erachtens zwei wichtige Seiten:
1.Ist das jeweilige Objekt nach damaligem Recht gestohlen worden, ist es zwischen dem ursprünglichen Eigentümer und dem heutigen Besitzer zu klären. Man kann aber nicht heutige Rechtsvorstellungen anwenden.

2. Darf Kunst überhaupt irgendwoanders als im Ursprungsland sein? Diese Frage stellen Besucher im Pergamonmuseum oft. Ich glaube, wenn man hier nur von "Beute" spricht, dann betrifft das nur ein geringen Teil, auf jeden Fall müssten dann nicht Millionen Objekte durch die ganze Welt zurückgeführt werden. Da muß man schon die generelle Frage stellen.
 
Was wäre wohl heute damit, wenn die DDR damals das Ischtar-Tor an Saddam in den Irak "zurückgegeben" hätte?


Was hätte man denn zurückgeben sollen? Im Pergamonmuseum steht nicht "das Ischtar-Tor", sondern eine moderne Rekonstruktion, bei der vielleicht zwanzig Prozent original sind, das Tor, welches Besucher dort sehen, ist auch erst dort entstanden. Man hätte zerbrochene Ziegelreste zurückgeben können, die in Babylon selbst noch in Tonnen vorhanden sind.
 
Das kommt auf die Qualität der Kopie an. Solche Stücke wirken für den Laien auch durch ihre Patina.
In dem Moment als wir wussten, es sind Kopien... da wars einfach nichts Besonderes mehr.
Ein Faksimile eines Buches ist auch kein gleichwertiger Ersatz für ein Originalbuch, und eine noch so perfekte Fälschung eines Gemäldes ebensowenig.

Hier ist eigentlich mit wenigen Worten schon das beschrieben, was ich hier versucht hatte zu erörtern:

Es gibt erstaunlich gute Kopien. - Sie aber wahrzunehmen würde ich in zwei Möglichkeiten unterteilen. Einmal weiß ich, dass ich eine Kopie vor mir habe, das andere mal nicht. Oben war gemeint, dass das Wissen darum die Wahrnehmung beeinträchtigen könnte, - das aber nicht etwa wegen mangelnder Qualität, sondern weil immer der Gedanke mitschwingen kann, dass erst nun, von ganz anderer Hand hergestellte Artefakt, könne mögliche Veränderungen aufweisen, die nicht dem Künstler der Vergangenheit entsprungen waren (nicht authentisch), selbst wenn es diese Veränderungen nicht geben sollte.

Weiß ich nichts von der Kopie (fehlende Kennzeichnung), käme ich mir spätestens beim Bekanntwerden betrogen vor. Generell würde ich aber wissen wollen, ob ich es mit einem Original zu tun habe. (Wer lässt sich schon gern betrügen ...)

Die Kopie wollte ich aber gar nicht so sehr thematisieren.

Mit der Venus werde ich diesen Sommer Gelegenheit zum Selbstexperiment haben. Hat da jemand Erfahrung?
Bei mir würde sich schon eine Veränderung in der Wahrnehmung einstellen, wenn ich es einmal auf Nofretete beziehen darf, wenn ich an den Nil zu reisen würde, um dort ganz verschiedene Eindrücke erfahren zu können. Das reichte vom Klima und der Architektur bis zur Lebensweise der heutigen Menschen, jedenfalls was man davon mitbekommt. Dabei spielt es nicht unbedingt eine Rolle, dass die Gesellschaften damals wie heute nicht die gleichen sind. Solche Eindrücke färben aber darauf ab, was ich in einer Ausstellung vorort dann wahrnehmen würde. Vieleicht sucht man bspw. in den Gesichtern der Menschen nach den "alten Ägyptern vom Nil" ...

Hier ein paar Seiten auf denen es zwar nicht um antike Kunst geht, wohl aber um die Betrachtung von Kunst an sich, und was sie mit uns macht. Vielleicht klingt es aber schon etwas zu selbstverständlich (?): Über die Wahrnehmung der Kunst
 
Es gibt erstaunlich gute Kopien. - Sie aber wahrzunehmen würde ich in zwei Möglichkeiten unterteilen. Einmal weiß ich, dass ich eine Kopie vor mir habe, das andere mal nicht. Oben war gemeint, dass das Wissen darum die Wahrnehmung beeinträchtigen könnte, - das aber nicht etwa wegen mangelnder Qualität, sondern weil immer der Gedanke mitschwingen kann, dass erst nun, von ganz anderer Hand hergestellte Artefakt, könne mögliche Veränderungen aufweisen, die nicht dem Künstler der Vergangenheit entsprungen waren (nicht authentisch), selbst wenn es diese Veränderungen nicht geben sollte.
Mir würde es eher um etwas anderes gehen: Was macht denn das Original so interessant? In der Regel doch das Alter und/oder dass es einem bestimmten Kulturkreis entstammt. Viele Fundstücke sind, rein handwerklich betrachtet, nicht so umwerfend. Interessant werden sie vor allem durch das Alter und/oder die Umstände der Entstehung. Ein Faustkeil z. B. macht optisch nicht gerade viel her. Wenn ich aber weiß, dass dieser Faustkeil, den ich da vor mir sehe, ein paar hunderttausend Jahre alt ist und vermutlich von einem Homo erectus angefertigt wurde, dann wird er faszinierend. Wenn ich hingegen weiß, dass ihn vor ein paar Monaten irgendein Steinmetz angefertigt hat, ist er nur ein zurechtgehauenes Stück Stein, völlig uninteressant.
 
... In der Regel doch das Alter und/oder dass es einem bestimmten Kulturkreis entstammt...
@Ravenik, ja das denke ich auch. Es ist eigentlich unsere Vorstellung, die wir uns beim betrachten eines Bildes (Kunstwerkes) davon machen. Wenn ich einmal von Margareta Friesen zitieren darf S. 3+4 (Link oben):

Die Gegenwart ist das, was sich einem zuwendet, was einem entgegentritt, das Jetzt. Streng genommen ist es der Augenblick der jeweiligen Wirklichkeit, der Übergang vom „nicht mehr“ zum „noch nicht“. Begrifflich oder mathematischen gesehen ist Gegenwart, der ausdehnungslose Schritt zwischen Vergangenheit und Zukunft. Im persönlichen Erleben aber ist sie die Dauer eines Erlebnisaktes.

Was heißt das nun in Bezug auf das Sehen, das Wahrnehmen eines Bildes?
Das heißt, das Sie vermittels eines Kunstwerkes den schöpferischen Geist begreifen, im
eigentlichen Wortsinn begreifen, ihn mit den Händen greifen können und doch zugleich ganz in Ihrer Gegenwart sind, ganz bei sich sind.
Das hört sich zwar weitschweifig und tiefsinnig an, ist vielleicht aber ganz einfach. Man versucht sich beim betrachten vorzustellen was der Mensch gedacht hat, als er bspw. besagte Venus herstellte. Das gelingt mit dem Wissen um eine Kopie ohne Alter nicht so leicht. (Man kann da wohl aber nicht so stringent für alle Betrachter sprechen.)

Letztendlich sind Kopien Notlösungen für die unterschiedlichsten Zwecke, und wenn sie einmal dabei helfen sollten, "Phantomschmerzen" auf der Museumsinsel in Berlin zu überwinden, dann wenn Nofretete doch einmal "nach Hause" reist. :)
 
In einem Museum geht es ja auch um Veranschaulichung und Wissensvermittlung. Neben dem Ischtar-Tor steht im Pergamonmuseum eine Kopie der Hammurapi-Stele, und es stört nicht, daß es nicht das Original ist, für die Schulklassen ist es meist interessant.
 
...Veranschaulichung und Wissensvermittlung.
Das ist ja auch richtig. Wobei ich den Begriff "stört" nicht verwenden würde, sondern so etwas wie "angebracht" oder "nicht angebracht". (Dem Leser würde ansonsten suggeriert werden, es wäre oben um Beeinträchtigungen von Ausstellungen durch Kopien gegangen.)

Allerdings verkrampft man sich nun, an dieser Stelle, zusehends in das Thema Kopie versus Original. Auch wenn eine Kopie nicht "stört", ist es möglich, dass Betrachter etwas anderes, oder sogar weniger bei dieser empfinden, als vor dem authentischen Original. (Unabhängig von rein museologischen oder pädagogischen Möglichkeiten, die man mittels Kopien ausschöpfen kann.)
Über eine Möglichkeit, warum das so sein könnte, hatte ich oben schon einmal etwas geschrieben.
(Gäbe es zudem den Unterschied zwischen beiden nicht, würden sich sicher Ägypten oder auch Berlin leichter tun.)

Den Beitrag von lynxxx verstehe zunächst einmal so, sich doch von einem Korsett zu lösen, was sich aus "jur. Rechten", Eurozentrismus, "nationalen Kategorien", und der Zahl von Museumsbesuchern aufbaut. Denn so wird ein Nachdenken darüber, was einmal angemessen sein könnte, verhindert.

Ungeachtet der einzelnen Interessen der Parteien damals, muss man doch feststellen, dass wir vor 100 Jahren in Ägypten (Osman.Reich), nicht unbedingt einen auf archäologischem Gebiet mündigen Partner voraussetzen können, und es doch fair wäre, heute über Angebote nachzudenken.

Auch Situationen haben sich gewandelt!

Zu welchem Zwecke wurden damals Museen eingerichtet, was stand hinter den Sammlungen? Noch wichtiger, - wo sind wir heute? Das Reisen ist doch nach 100 Jahren gerade für die Deutschen viel selbstverständlicher geworden. Dass wir auf eine Ausstellung ägyptischer Kunst in Berlin aus Gründen der "Breitenbildung" angewiesen sind, ist doch lange nicht mehr so akut, und wird durch eine etwaige Rückgabe dieses oder jenes Exponats auch nicht gefährdet sein. Warum nicht den Menschen im Ursprungsland das Studium erleichtern, was ihnen evtl. eine eigene Aufklärung erleichtern würde? Gerade bei Nofretete denke ich daran was für ein Frauenbild vorgeführt werden würde.

Ein Ansatzpunkt bestünde darin, sich zu fragen, was die Ägypter einmal davon hätten, sich mit der kulturellen Vergangenheit der eigenen Umgebung mehr auseinanderzusetzen. So würde ihnen nicht zuletzt ein Blick von außen, auch auf sich selbst gestattet. Und sichtbar würde vor allem dabei, dass nicht immer Kontinuität bestanden hatte, sondern Veränderung.
 
Legaler Kunstaustausch/-handel ist wohl für uns alle OK.
Das Problem ist halt, daß die Grenze zwischen "normaler Kunst" und "nationaler Bedeutung" völlig undefiniert ist und sich auch ständig ändert. Gestern war es noch normaler Handel - und morgen ändert sich die Befindlichkeit und es werden Ansprüche erhoben.

Momentan war gerade in den Nachrichten der Fall der Kafka-Briefe, die von vielen aus der Kultur gerne im Lande gesehen werden ...
Schönes Beispiel. Denn: In welches Land gehören die hin?
Eigentlich müßten sie nach Prag - nur haben die Tschechen zum rein deutschsprachigen Dichter Kafka eigentlich keine Beziehung.
Ansonsten wäre Deutschland vs. Österreich zu klären.
Und Jude war Kafka auch noch, auch Israel könnte seinen Nachlaß haben wollen.

Also es gibt nationale Kunst von überragender Bedeutung, und diese sollte auch selbst bei klammen Kassen im Lande gehalten werden. Da sehe ich eine Grenze des freien Kunsthandels.
Im Prinzip ja. Aber wenn ein Land nun meint, ein Objekt wäre von überragender nationaler Bedeutung (eine Bewertung, die meist sehr subjektiv ist und oft nur einer kurzfristigen Euporie entspringt), dann muß es halt auch entsprechend Geld dafür in die Hand nehmen.
Wobei da nicht umbedingt die Mondpreise des Sammlermarkts Richtschnur sein können - Vorkaufsrecht oder sogar Enteignung gegen angemessene Entschädigung können in Maßen auch vertretbar sein.

Aber zu oft wird "nationale Bedeutung" vorgeschoben, weil man kostbare Kunstobjekte für lau haben möchte. Und so häufig vergammeln alle möglichen Sachen jahrzehntelang unbeachtet in irgendeinem Depot - aber wenn sie ins Ausland verkauft werden sollen, bricht die große nationale Betroffenheit aus. Als ob "ins Ausland" in einer globalisierten Welt der Untergang der Kunstobjekte bedeuten würde - sehr häufig heißt das nur, daß der Käufer ihnen mehr Wertschätzung entgegenbringt als der alte Besitzer.
 
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