Nofretete-Büste

1. Auch wenn eine Kopie nicht "stört", ist es möglich, dass Betrachter etwas anderes, oder sogar weniger bei dieser empfinden, als vor dem authentischen Original.

2. Ungeachtet der einzelnen Interessen der Parteien damals, muss man doch feststellen, dass wir vor 100 Jahren in Ägypten (Osman.Reich), nicht unbedingt einen auf archäologischem Gebiet mündigen Partner voraussetzen können, und es doch fair wäre, heute über Angebote nachzudenken.


3. Ein Ansatzpunkt bestünde darin, sich zu fragen, was die Ägypter einmal davon hätten, sich mit der kulturellen Vergangenheit der eigenen Umgebung mehr auseinanderzusetzen. So würde ihnen nicht zuletzt ein Blick von außen, auch auf sich selbst gestattet. Und sichtbar würde vor allem dabei, dass nicht immer Kontinuität bestanden hatte, sondern Veränderung.

1. Da die meisten Besucher es gar nicht sehen würden, ob sie ein Original oder ein Kopie vor sich haben, ist das mit dem Fühlen problematisch. Erst nach dem Wissen würde dann ein Wechsel in der Einstellung vor sich gehen.

2. Ab wann ist denn ein Partener "mündig"? Sultan Abdülhamid II. (glaube ich) meinte, es wäre mit den Deutschen ja prima Geschäfte zu machen, da diese nur alte Steine wollten.

3. Ich denke, daß in Ägypten genug Material vorhanden ist, damit sich der interessierte Ägypter mit der eigenen Geschichte auseinandersetzen kann. Der Streitpunkt einer einzelnen Büste würde daran nichts Wesentliches verändern, oder?
 
1. Da die meisten Besucher es gar nicht sehen würden, ob sie ein Original oder ein Kopie vor sich haben, ist das mit dem Fühlen problematisch. Erst nach dem Wissen würde dann ein Wechsel in der Einstellung vor sich gehen.
Wenn man dem Besucher aber vorgaukelt, er würde das Original sehen, obwohl man ihm nur eine Kopie zeigt, würde man den Besucher betrügen. Er bezahlt schließlich dafür, das Original zu sehen, nicht eine Kopie.
Sonst könnten sich die Museen auch das Geld für Originalgemälde sparen und für einen Bruchteil Fälschungen kaufen ...

2. Ab wann ist denn ein Partener "mündig"? Sultan Abdülhamid II. (glaube ich) meinte, es wäre mit den Deutschen ja prima Geschäfte zu machen, da diese nur alte Steine wollten.
Es soll auch Eingeborene gegeben haben, die meinten, ein gutes Geschäft zu machen, wenn sie Gold gegen Tücher und dergleichen tauschten ...

3. Ich denke, daß in Ägypten genug Material vorhanden ist, damit sich der interessierte Ägypter mit der eigenen Geschichte auseinandersetzen kann. Der Streitpunkt einer einzelnen Büste würde daran nichts Wesentliches verändern, oder?
Aber darum geht es doch gar nicht. (Außerdem: In europäischen Museen liegen auch genug Fundstücke aus Ägypten herum, da braucht man auch nicht die Nofretete, um sich ein Bild von der altägyptischen Kultur machen zu können, oder?) Die Nofretete hat nun einmal einen ganz besonderen Status. Aber selbst wenn sie nur eine x-beliebige Skulptur wäre: Falls sie illegal außer Landes gebracht wurde, wäre die Illegalität allein schon genug Grund für eine Rückgabe.
 
Lieber Ravenik,

ich stimme Dir, wie immer =), in allem zu. Wenn man jemanden etwas vorgaukelt, hat man als Museum sein Renomee verspielt. Ich meinte, ob der Besucher nun etwas anderes empfindet, ob die Gänsehaut auf dem Herzen ausbleibt, ist doch fraglich.

Auch mir tun die Eingeborenen leid, obwohl man mit einem Tuch meist mehr anfangen kann als mit Gold. Aber sich hinzustellen und zu sagen, vor hundert Jahren waren die türkischen und ägyptischen Beamten einfach noch zu unreif, ist mir zu pauschal.

Und bei Diago klang es so, als ob die Rückgabe der Nofretete eine Bedingung wäre, damit sich die Ägypter mal mit ihrer eigenen Vergangenheit beschäftigen können. Wenn es illegal ist (und auch damals war, und zwar auf rechtlicher Grundlage und nicht aufgrund gefühlter Moral), dann muß man etwas tun, ohne Frage.
 
...ist mir zu pauschal...
@hjwien, ich glaube es ist die Frage ob man etwas verstehen möchte. Jedenfalls habe ich den Eindruck.

Mit dem Denken in "nationalen Kategorien" meinte ich ja genau das, was Sie erneut bedienen. Was heißt es denn mit den "Deutschen" Geschäfte machen, oder wann sind ägyptische Beamte mündig? Und hat sich in der Zwischenzeit nichts verändert?

Es gibt Entwicklungsstände auf dem Gebiet der Wissenschaft, auch des Selbstverständnisses, und die sind auch z.T. bedingt durch die Lage in der man ist. Das hat weniger mit "Unreife" zu tun, denke ich. Da gab es doch auch politische Rahmenbedingungen, man muss nur darüber nachdenken wollen.

Mit der Büste ist das für mich eigentlich so, dass man hier so etwas wie einen "Ball" weiterspielt, weil man einmal dessen nicht so bedarf, und weil er jemanden gehört hatte, der erst jetzt erkennen kann, dass er ihn braucht. (Obwohl Ägypten sich schon sehr lange um die Büste bemüht.)

Es gibt scheinbar Objekte, die wiegen mehr als andere, und ich vermute die Büste der Nofretete gehört dazu. Eine bedeutenden Frau eben.

Zum Thema Kopie möchte ich eigentlich nichts mehr schreiben. Kopien werden in der Regel als solche ausgewiesen. Begriffe wie "Gänsehaut" finde ich nicht treffend. Hier ist ein kurzer Absatz zu Authentizität.

Weiter oben wurde schon mehr beschrieben.
 
Nun, da bin ich wohl mißverstanden worden, und der Wille zum Nachdenken ist durchaus da. Mir ist das Nationale fremd und auch egal. Was ich mit dem Beispiel ausdrücken wollte, ist, daß die meisten Verantwortlichen auch im Osmanischen Reich oder in Ägypten damals wohl schon genau wußten, was sie taten. Daß sich in der Zwischenzeit etwas geändert hat, wollen wir doch hoffen, nicht nur die politischen Bedingungen, dennoch muß man sich auch an alte Vereinbarungen halten, wenn sie auch nicht zum modernen Denken passen mögen und heute anders bewertet werden. Nochmal: wenn es eine damals schon illegale Aktion war, dann muß das auch heute noch sanktioniert werden, keine Frage.

Das Bild mit dem Ball habe ich nicht ganz verstanden. Wer spielt den Ball, obwohl er dessen nicht bedarf?

OK, die Kopiedebatte können wir auslassen, aber die verlinkten Texte über die Authentizität fand ich nicht überzeugend.
 
Das Bild mit dem Ball habe ich nicht ganz verstanden. Wer spielt den Ball, obwohl er dessen nicht bedarf?
In der Breite der Bevölkerung werden die Kenntnisse über die Antike nicht über die Ausstellungen der Museumsinsel transportiert. (Dessen bedurfte man wohl eher in der Zeit vor 100 Jahren) Es ist vielleicht immernoch ein Forschungsstandort und, - zugegeben, ein Touristenmagnet, ein Symbol für Wissenschaft. (Das aber nicht allein, mal am Rande bemerkt)

Manche haben angeführt, in Berlin damit eine Art "Ägypten-Werbeplattform" zu haben, aufgrund der man sich entscheiden würde an den Nil zu fahren, oder sich überhaupt damit zu beschäftigen.

Ich glaube aber, dass wir bspw. der Nofretete nicht unbedingt bedürften, um sie Schulklassen oder Touristen in Berlin zu zeigen, bzw. Forschung an ihr zu betreiben, auch nicht zur Identitätstiftung.

Deshalb könnten wir sie auch sozusagen "zurückspielen", weil sie in Ägypten eben nützlicher ist. ("Den Ball weitergeben.")
 
Es ist doch aber Ziel der Museen auf der Insel (und woanders), durch ihre Ausstellungen der Bevölkerung Kenntnisse über die Antike zu vermitteln. Daß sie damit nicht mehr alleine stehen und im Gegensatz zur Zeit um 1900 eine reiches Spektrum an Alternativen hinzugetreten ist, ist doch gut, sie tragen, wenn man sich die besucherzahlen anschaut, durchaus noch zu den Kenntnissen bei. Das schmälert den Wert der Museen nicht, die übrigens durchaus ein Forschungsstandort sind, das "immer noch" klingt so nach Absterben.

Ob sich nun jemand direkt entscheidet, durch den Anblick der Noferete sich zu einer Ägyptenreise inspiriert zu fühlen, wäre wohl zu viel gesagt, aber doch ist sie ein Kristallisationspunkt für viele, die sich mit der ägyptischen Kultur beschäftigen. Daß sich gerade solche Highlights dafür eignen, zeigt das ungebrochene Interesse am Pergamonaltar oder am Ischtartor auch. Und daß einzelne Ausstellungen durchaus Impulse geben können, hat die Babylonausstellung gezeigt, mal sehen, ob die Tell-Halaf-Ausstellung auch so wird.

Die Nofretete ist nur ein Einzelstück, und natürlich ist es nicht an einem Einzelstück, daran eine ganze Kultur zu erklären. Aber dieser Satz ließe sich zu jedem Stück sagen.

Und ob sie in Ägypten nun nützlicher ist? Kann man mit diesem einen Stück den Ägyptern irgendetwas über ihre Geschichte zeigen, was nicht auch mit den unendlich vielen Exponaten in den ägyptischen Museen, ihren Depots oder den archäologischen Stätten geht?
 
Ich glaube im Faden ist schon alles gesagt, es gab ja schon in mehreren Beiträgen ähnliche Einwände, und auch Reaktionen darauf. Ich habe das Gefühl, mit jedem neuen Beitrag, ist dann ein vorletzter Artikel, und auch der davor, wieder vergessen. Oder wird nicht gelesen? Ich glaube wir drehen uns im Kreis.

Nicht alle Objekte haben den gleichen Stellenwert, wurde ja schon erwähnt. Vermutlich ist es eine besondere Figur. In Ägypten hat man scheinbar ein Interesse daran. Anstrengungen gab es wohl schon seit der Ausfuhr der Büste, um sie zurückzuerhalten. (Das bedeutet ja irgendetwas.)

"Es ist Ziel der Museen", - was ist damit gemeint? Gilt das für Kairo nicht? Ich vermisse irgendwie die Fähigkeit sich in die Situation des anderen hineinzuversetzen.

Zum letzten Absatz, - wieviel Nofreteten-Büsten existieren denn? Warum gibt es auch unsererseits das Bestreben, Kunst zurückkaufen zu wollen? Hätten wir eigentlich nicht genug um uns unsere eigene Geschichte verdeutlichen zu können? - Evtl. "ja", aber gibt es da auch noch mehr Motive?

Vielleicht sollte man den Faden komplett noch einmal lesen? Hatte ich jedenfalls am Anfang gemacht.
 
Hm, da klingt so unterschwellig der Vorwurf mit, ich würde nicht lesen können. Ich kann aber versichern, daß dem nicht so ist und daß ich die Diskussion durchaus mitverfolgt habe. Daß dabei auch Meinungen und Argumente wiederholt werden, nun, das passiert, wenn sich aber der Diskurs im Kreis dreht, können wir ihn ja einstellen. Trotzdem hier noch eine Meinungsäußerung:

Nein, in der öffentlichen Wahrnehmung haben nicht alle Objekte den gleichen Stellenwert, im wissenschaftlichen Diskurs dagegen ist jedes Objekt eine wichtige Quelle. Daß die Nofrete einen solchen publikumswirksamen Eindruck erlangt hat, hängt doch sehr mit ihrer Aufstellung in Berlin zusammen, und wenn Zahi Hawass diese Büste nun zurückfordert, stellt sich die Frage, ob er nach ihrem wissenschaftlichen Wert fragt oder nach eben jenem Prestige. Gut, es sei ihm gegönnt, dieses haben zu wollen. Auf der anderen Seite verstehe ich aber auch die Berliner Museen, daß sie von der Zugkraft dieser Büste, die sie ja selbst erst erschaffen haben (also die Zugkraft) auch weiterhin profitieren wollen, wobei ich mich zu der Bemerkung versteigen möchte, daß auch Ägypten davon profitiert, daß hierzulande Menschen von der ägyptischen Kultur und Geschichte begeistert sind und werden.
Im Übrigen deuten Deine Formulierungen, lieber Diago, "vermutlich, scheinbar, wohl schon, irgendetwas" darauf hin, daß Du da selbst nicht ganz sicher bist.

Um auf Deine konkrete Frage zu antworten: "Es ist Ziel der Museen", - was ist damit gemeint?"
Das bezog sich auf Deinen Satz: "In der Breite der Bevölkerung werden die Kenntnisse über die Antike nicht über die Ausstellungen der Museumsinsel transportiert." Das klingt so ein bißchen wie: Dann können die auch aufhören und einpacken. Darauf wollte ich nur antworten, daß sich die Museen der Berliner Museumsinsel durchaus darum bemühen.

Zu Deinem letzten Absatz: Ich weiß nicht, ob es "unsererseits" Bestrebungen gibt, Kunst zurückzukaufen. Bestrebungen, die darauf abzielen, rechtswidrig erworbene Kunstgüter zurückzuführen, kann ich nur unterstützen, egal, von wo nach wo. Aber genau das Rechtswidrige ist ja im Falle der Nofretete der Streitpunkt.

Und um zu zeigen, daß ich den Faden (was ist ein Faden?) durchaus noch im Blick habe: Am Anfang stand die Frage, "Was meint ihr dazu?"

Ich meine, sie sollte da bleiben, wo sie jetzt ist.
 
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