Wahlerfolg der NSDAP

M

Max07

Gast
Liebe Community,
in einer guten Woche habe ich meine mündliche Abiturprüfung in Geschichte. U.a. werde ich auf dem Bereich "Wie konnte die NSDAP an die Macht kommen?" Es geht hierbei in erster Linie um die Gründe, wieso die rechtsradikale, verfassungsfeindliche Partei überhaupt so stark werden konnte (Wählerschaft etc.).

Zur Wählerschaft der NSDAP habe ich eine Frage. Während der "goldenen 20er" war die NSDAP nur eine kleine Splitterpartei und konnte vor auf Grund von relativem Wirtschaftswachstum und politischer Stabilität (habe ich damit Recht?) keine großen Wahlerfolge verzeichnen. So erreichte die NSDAP bei den Wahlen 1928 gerade einmal 2,6%.
In den folgenden Jahren wuchs die Partei jedoch in rasantem Tempo (Wahl 1930: 18,3%, Wahl 1932: 37,4%). Meine Lehrerin hat mir nahegelegt mir die Wählerschaft näher anzusehen. Wer hat die NSDAP 1928 (2,6%) gewählt und wer waren die Wählermassen die in den folgenden Jahren dazugekommen sind und warum gewann die NSDAP so rasant an Stimmen?

Ich denke die Wählermassen stammten vorrangig aus dem Kleinbürgertum, welches der Regierung den Umgang mit der 1929 einsetztenden wirtschaftlichen Instabilität nicht zutraute. Habe ich damit recht? Oder gibt es weitere Gründe?

Ich freue mich sehr auf antworten
Max
 
Wenn du vertiefende Antworten auf deine Fragen habe möchtest dann solltest du dieses Buch lesen.

Jürgen W. Falter
Hitlers Wähler
Beck Verlag

Das ist das Standardwerk was die Wahlanalysen angeht.
 
die these, wonach nur das "Prekariat" Hitler gewählt hat, ist überholt. Bei Wählerschaften in Weimar und danach schaut man nach sog. "soziomoralischen Milieus" - dies ist für jemanden der sich auf eine Prüfung vorbereitet steinig, aber sinnvoll. Schau mal bei der Bundeszentrale für politische Bildung (Nationalsozialismus I - Informationen zur politischen Bildung (Heft 251) )
Die Artikel sind online, mittlerweile schon etwas älter, aber wissenschaftlich hat so viel bisher nicht mehr verändert.
Viel Erfolg!
 
Liebe Community,
in einer guten Woche habe ich meine mündliche Abiturprüfung in Geschichte. U.a. werde ich auf dem Bereich "Wie konnte die NSDAP an die Macht kommen?" Es geht hierbei in erster Linie um die Gründe, wieso die rechtsradikale, verfassungsfeindliche Partei überhaupt so stark werden konnte (Wählerschaft etc.).

Zur Wählerschaft der NSDAP habe ich eine Frage. Während der "goldenen 20er" war die NSDAP nur eine kleine Splitterpartei und konnte vor auf Grund von relativem Wirtschaftswachstum und politischer Stabilität (habe ich damit Recht?) keine großen Wahlerfolge verzeichnen. So erreichte die NSDAP bei den Wahlen 1928 gerade einmal 2,6%.
In den folgenden Jahren wuchs die Partei jedoch in rasantem Tempo (Wahl 1930: 18,3%, Wahl 1932: 37,4%). Meine Lehrerin hat mir nahegelegt mir die Wählerschaft näher anzusehen. Wer hat die NSDAP 1928 (2,6%) gewählt und wer waren die Wählermassen die in den folgenden Jahren dazugekommen sind und warum gewann die NSDAP so rasant an Stimmen?
...

Du solltest nicht vergessen, dass bei den Wahlen im November 1932 die NSDAP 4,2 Prozentpunkte verloren hat, das sind über 10%. Auf die möglichen Ursachen solltest du eingehen.
Und: wieso gab es interessierte Kreise in Deutschland (und darüber hinaus), die daran interessiert waren, dass die Nazis an die Macht kamen und diese unterstützten.
Allein mit einer Analyse der Wählerbewegungen kommst du nicht weiter.
 
Vielen Dank für die Antworten und den Link!

Die Rüstungsindustrie war sicherlich am Erfolg der NSDAP interessiert , jedoch habe ich gelesen, dass es nicht Hauptsächlich die Großindustrie war, welche die NSDAP unterstützt hat (Ausnahmen z.B. Thyssen, I.G. Farben), sondern eher mittelständische Unternehmen. Was hatten diese denn konkret von der NSDAP?

Meine Lehrerin hat mir den Hinweis auf den Faschismus in England mit Mosley gegeben. Weshalb war denn England so resistend gegen faschistische Bewegungen, im Vergleich zu Deutschland? Lag das an einer Demokratischen Tradition?
 
Die Rüstungsindustrie war sicherlich am Erfolg der NSDAP interessiert , jedoch habe ich gelesen, dass es nicht Hauptsächlich die Großindustrie war, welche die NSDAP unterstützt hat (Ausnahmen z.B. Thyssen, I.G. Farben), sondern eher mittelständische Unternehmen. Was hatten diese denn konkret von der NSDAP?

Das ist kaum zu messen, die Geldleistungen der Großindiustrie dürften aber überwiegen. Wenn man es auf die Quantitäten, und den Zulauf an Unterstützung bezieht: Der Mittelstand bis hinunter zu den Kleinstbetrieben, Handwerkern, Landwirten etc. war durch die Wirtschaftskrise existentiell bedroht, was für den Zulauf zur NsDAP aus diesen Gruppen gesorgt hat.

Meine Lehrerin hat mir den Hinweis auf den Faschismus in England mit Mosley gegeben. Weshalb war denn England so resistend gegen faschistische Bewegungen, im Vergleich zu Deutschland? Lag das an einer Demokratischen Tradition?

Es gibt einige Untersuchungen zu den faschistoiden Tendenzen in Frankreich und England im Vergleich zu Deutschland. Der entscheidende Unterschied: beide Staaten (ebenfalls durch die Weltwirtschaftskrise hart getroffen) waren Siegerstaaten im Ersten Weltkrieg. Das hat die Anfälligkeiten für diese Propaganda offenbar reduziert, einfache Schuldmuster waren weniger durchschlagend.
 
...dass es nicht Hauptsächlich die Großindustrie war, welche die NSDAP unterstützt hat (Ausnahmen z.B. Thyssen, I.G. Farben), sondern eher mittelständische Unternehmen...
Noch 2002 hat Rösch [1] konstatiert, der Fragenkomplex der NSDAP-Finanzierung gleiche "einem unbeschriebenen Blatt"; er verweist auf drei Arbeiten, die immerhin die Grundstrukturen geklärt hätten. Der Tenor dieses Autors entspricht in etwas dem, was Du gelesen hast.

Die Rolle der Großindustrie hat Thomas Trumpp zu bilanzieren versucht [2], wobei er insbesondere die Kontroverse zwischen Henry A. Turner und Dirk Stegmann aufgreift. Er kommt u.a. zum Ergebnis, dass die zwischen September 1930 und Januar 1933 von der Großindustrie an die NSDAP bezahlten Gelder "nur einen verschwindend kleinen Teil der Gelder ausmachen [...], die von derselben Oberschicht im selben Zeitraum nachweislich an die konservaten Eliten und nichtsozialistischen Gegner der NSDAP verteilt wurden" [3].

Die Diskussion ist damit sicherlich nicht abgeschlossen.


[1] Die Münchner NSDAP 1925-1933: eine ... - Google Books
[2] in Bracher/Funke/Jacobsen: Nationalsozialistische Diktatur 1933-1945. Ndr. bpb 1986, S. 132-154
[3] aaO, S. 148
 
Noch 2002 hat Rösch [1] konstatiert, der Fragenkomplex der NSDAP-Finanzierung gleiche "einem unbeschriebenen Blatt"; er verweist auf drei Arbeiten, die immerhin die Grundstrukturen geklärt hätten. Der Tenor dieses Autors entspricht in etwas dem, was Du gelesen hast.

Die Rolle der Großindustrie hat Thomas Trumpp zu bilanzieren versucht [2], wobei er insbesondere die Kontroverse zwischen Henry A. Turner und Dirk Stegmann aufgreift. Er kommt u.a. zum Ergebnis, dass die zwischen September 1930 und Januar 1933 von der Großindustrie an die NSDAP bezahlten Gelder "nur einen verschwindend kleinen Teil der Gelder ausmachen [...], die von derselben Oberschicht im selben Zeitraum nachweislich an die konservaten Eliten und nichtsozialistischen Gegner der NSDAP verteilt wurden" [3].
Die Diskussion ist damit sicherlich nicht abgeschlossen....

Eine Unterstützung der NSDAP durch die Industrie, speziell auch die Großindustrie, manifestiert sich nicht nur in Geldzahlungen, die an die anderen konservativen, antidemokratischen Parteien anscheinend in größerem Umfang geflossen sind, soweit heute bekannt.
Nicht leicht zu quatifizieren, aber m. E. von großer Bedeutung sind andere Unterstützungsmaßnahmen wie z. B. die Bereitstellung materieller Hilfen in Form von Druckerzeugnisse und Druck- und Publikationsmöglichkeiten für die NSDAP, z.B. durch den Hugenberg-Konzern, das zur Verfügung stellen von Reise-/Flugmöglichkeiten für die NS-"Größen" während der Wahlkämpfe (Stichwort "Hitler über Deutschland") und die politische Einflußnahme von Industriellen und Bankiers auf den Präsidenten und seinen Ratgeberkreis.
Unterstellt werden kann m. E. auch, wie bei anderen Diskutanten/innen angedeutet, das massive Interesse der Industrie, auch der Großindustrie, an einem "starken Mann" als Garanten einer effektiven Bekämpfung/Ausschaltung aller linken Kräfte, um ungestört von Arbeiterinteressenvertretung optimal die eigenen ökonomischen Interessen realisieren zu können. In dieser Beziehung haben Hitler und die NSDAP sicher mehr geboten als die übrigen konservativen Parteien zusammengenommen.
Das manchmal in diesem Zusammenhang vorgetragene "Gegenargument", es hätten weniger Industrievertreter die NSDAP unterstützt als zu erwarten gewesen war, z.B. bei Hitlers Auftritt vor dem Industrieclub in Düsseldorf Anfang 1932 oder bei der Unterschriftenaktion an Hindenburg im November 1932 halte ich für einen wenig überzeugenden Reinwäscheversuch (der Industrie).
Indirekt lässt sich ein großes Interesse der Industrie an einer Machtübertragung auf die Nazis u. a. auch durch die Abwesenheit nennenswerten Widerstandes durch die - auch politisch - mächtige Industrie vor dem Januar 1933 belegen.

Und, wie jschmidt richtig bemerkte: die Diskussion geht sicher noch weiter.
 
Eine Unterstützung der NSDAP durch die Industrie, speziell auch die Großindustrie, manifestiert sich nicht nur in Geldzahlungen...
Da hast Du ganz recht. Ich war vorhin zu faul, auch noch den folgenden Passus aus Trumpps Beitrag (S. 152 f.) zu zitieren:
"...in der Förderung des antidemokratischen, auf Überwindung des politischen Systems von Weimar gerichteten Klimas liegt die eigentliche Mitverantwortung des deutschen industriellen Großunternehmertums am Scheitern der ersten deutschen Republik wie am Aufstieg des Nationalsozialismus. In diesem Sinne trägt die Schwerindustrie für die Unterstützung Hitlers durch die deutsche Großindustrie mehr Verantwortung, als man ihr aufgrund ihrer direkten NSDAP-Finanzierung anlasten kann."
 
Der Stand der Untersuchungen leidet mE noch sehr unter Pauschalierungen. Wenn hier von der Industrie, speziell der Großindustrie, des Großunternehmertums, der Industrievertreter, dem Industrieclub Düsseldorf, die Rede ist, dann deuten die bisherigen Untersuchungen auf notwendige Eingrenzungen hin.

Bestimmte Branchen wiesen diese Konzentrationen nicht auf, bestimmte Regionen waren - dehnt man es auch auf Handel und Dienstleistungen aus, mehr, andere weniger involviert. Es gab umgekehrt regionale Schwerpunkte der Unterstützung bzw. des Interesses. Ebenso gab es Unternehmensorgane, die ausgesprochen NS-feindlich oder -neutral besetzt waren, diese wiederum in bestimmten Lokalitäten (ich denke da zB an Frankfurt).

Hier sind nicht nur die Untersuchungen hilfreich, die sich auf Unterstützerkreise oder Symphatisanten in den Unternehmensspitzen konzentrieren. Das Gegenstück bilden Unternehmenshistorien, die keine Beziehungen zum NS aufweisen, die aber nur selten in solche Betrachtungen einbezogen werden. Von daher bin ich etwas skeptisch gegenüber solchen Untersuchungen, die das nicht umfassend betrachten und beidseitig analysieren.

Ein weiterer Aspekt sind branchenbezogene Betrachtungen. Vor kurzem hatte ich die zersplitterte Maschinenbauindustrie und Bauindustrie zur Hand, die von zahlreichen Auslandsbeteiligungen durchzogen war. Diese Unternehmensführungen verhielten sich in einer großen Gruppe nahezu apolitisch, bzw. ausschließlich finanzinteressiert.

Eine Gesamtschau fehlt hier mE unverändert, sie ist auch vermutlich mit einzelnen Untersuchungen gar nicht zu leisten. Nimmt man die Einzelstudien, so ist auch für viele Bereiche der "Großindustrie" (bzw. der Großkonzerne) eine Gleichschaltung 1933/35 zu beobachten, bis hin zu reichlich personellen Säuberungen in den Führungsspitzen. Richtig ist andererseits, dass sich einflussreiche Kerne der Industriellen Spitzen für die Machtübernahme des NS engagierten. Diese prägen derzeit (ebenso wie einige selektierte Gegner) das Bild in der Forschung, was nicht zu kritisieren ist, aber nur einen Zwischenstand darstellt - abgebildet wird die "Reichsebene". Gerade wenn man sich zahlreiche Regionalstudien für die Phase 1930/33 anschaut, spielen dabei die lokalen "industriellen Spitzen" in der Breite keine Rolle.
 
Der Stand der Untersuchungen leidet mE noch sehr unter Pauschalierungen. Wenn hier von der Industrie, speziell der Großindustrie, des Großunternehmertums, der Industrievertreter, dem Industrieclub Düsseldorf, die Rede ist, dann deuten die bisherigen Untersuchungen auf notwendige Eingrenzungen hin.

Bestimmte Branchen wiesen diese Konzentrationen nicht auf, bestimmte Regionen waren - dehnt man es auch auf Handel und Dienstleistungen aus, mehr, andere weniger involviert. Es gab umgekehrt regionale Schwerpunkte der Unterstützung bzw. des Interesses. Ebenso gab es Unternehmensorgane, die ausgesprochen NS-feindlich oder -neutral besetzt waren, diese wiederum in bestimmten Lokalitäten (ich denke da zB an Frankfurt) ...

Gibt es Hinweise darauf, dass nennenswerte Teile der deutschen Industrie sich wirtschafts-und/oder allgemeinpolitisch anders als antidemokrtisch-autoritär-orientiert geäußert oder verhalten haben (wenn auch nicht durch eine direkte finanzielle Unterstützung) und massiv an einem "starken Mann"/einem "Führer" interessiert waren und damit zumindest indirekt daran beteiligt und mitverantwortlich dafür waren, dass die Nazis an die Macht gelangen konnten, indem sie z.B. eben die anderen anti-demokratischen Parteien unterstützten?
 
Gibt es Hinweise darauf, dass nennenswerte Teile der deutschen Industrie sich wirtschafts-und/oder allgemeinpolitisch anders als antidemokrtisch-autoritär-orientiert geäußert oder verhalten haben (wenn auch nicht durch eine direkte finanzielle Unterstützung) und massiv an einem "starken Mann"/einem "Führer" interessiert waren und damit zumindest indirekt daran beteiligt und mitverantwortlich dafür waren, dass die Nazis an die Macht gelangen konnten, indem sie z.B. eben die anderen anti-demokratischen Parteien unterstützten?

Sicher: selbst zum Industrieclub Düsseldorf, um einen Zirkel herauszugreifen, gibt es unterschiedliche Auffassungen:
Hitlers Rede vor dem Industrie-Club Düsseldorf ? Wikipedia

Dazu einige Hinweise: Mir lag daran,
- "Großindustrie" und "Industrie" zu unterscheiden
- die These einer homogenen Gruppe ("die Industrie hat ... ") in Frage zu stellen
- Branchendifferenzierungen sowie
- Differenzierungen nach Beteiligungsstrukturen und personellen Strukturen (zB: Frankfurt ist nicht Düsseldorf, um es etwas platt zu sagen) anzuregen.

Neebe ist da nur eine Untersuchung, der auch teilweise widersprochen worden ist. Den Hinweis auf "autoritär-orientiert" halte ich nicht für zweckmäßig: das dürfte landesunspezifisch auf 95% der damaligen Industrie zutreffen.

Wie gesagt: es sind noch reichlich Unschärfen gegeben.
 
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