gesellschaftlicher Umsturz und die Rolle der Gewalt

@Barbarossa: Deswegen meine Bitte, den entsprechenden Ansatz aus der Politologie bzw. politischen Soziologie kurz zu hinterlegen.

Hier wäre eine wissenschaftliche Erklärung:
...In der Öffentlichkeit und namentlich auch in den Sozialwissenschaften wurde diese neue
Ära der Transformation vor allem mit den Umbrüchen von 1989/90 identifiziert und am Fall
der postsozialistischen Transformation unter dem Label „nachholende Modernisierung“,
„nachholende Revolution“ reflektiert. Was 1989/90 nur Wenige vermuteten, wird inzwischen
jedoch immer offensichtlicher: Nach der Transformation ist vor der Transformation, im Osten
wie im Westen und vor allem auf globaler Ebene.
Diese historische Zäsur und das wahrgenommene Umbruchszenario sind jedoch nicht
zuerst in den Ereignissen von 1989/90 begründet. Diese selbst waren nur eine Folgewirkung
der bereits Mitte der 1970er Jahre einsetzenden tief greifenden gesellschaftlichen
Wandlungen in den modernen Industriegesellschaften, die die kapitalistischen des Westens
ebenso trafen wie die realsozialistischen des Ostens...
Quelle: http://www.praxisphilosophie.de/reissig_transformation.pdf
 
Ich muß zugeben, ich hab noch nicht den ganzen Pfad durchgelesen und auch Wehler kenne ich nicht, aber wenn ich lese:

Wie soll ich das denn nun verstehen? In #7 habe ich eine Einordnung der Klassifikation in den Kontext von Modernisierungstheorien vorgenommen.

Und dem Konzept von Reißig kann ich nichts entnehmen, was nicht bereits vorhandene Theorien des sozialen Wandels nicht bereits thematisiert haben. Zudem ist sein Konzept auf den Prozess der geschaftlichen Transformation ausgelegt und berücksichtigt zunächst nicht "Gewalt" als Mechanismus für erzwungene gesellschaftliche Transformation.

Unabhängigkeit von der historisch begrenzten Mächtigkeit seiner Theoriebildung (er beschäftigt sich mit der aktuellen Situation ohne Anspruch auf eine historische Gültigkeit seiner Theorie) bekommt man mit dem Link einen Hinweis, der sich voll und ganz auf das Konstrukt der Modernisierung fest legt. Wie soll ich denn das jetzt verstehen? Eine Kehrtwendung oder Unkenntnis der ersten Beiträge des Threads?

Vielleicht hättest Du doch erstmal den gesamten Thread lesen sollen, die Konzepte auf ihre Stimmigkeit prüfen sollen, bevor Du das bisher Geschriebene und Wehler inklusive, ohne ihn zu kennen, ablehnst.
 
Zuletzt bearbeitet:
Oh! Entschuldigung. Was ich da gelesen habe, worauf ich das Zitat setzte, weiß ich jetzt nicht mehr.
Die These von Reißig fand ich aber zufällig beim googeln und ich war dabei überrascht, daß ich erst wenige Tage zuvor bei der Diskussion mit zaphodB. den gleichen Gedanken hatte.
Es scheint tatsächlich ein weiterer Hintergrund der Revolutionen im Ostblock zu sein, daß dort die Industriegesellschaften regelrecht konserviert wurden. Eine Weiterentwicklung hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft, wie sie in den Staaten der westlichen Welt schon in den 80er Jahren vollzogen worden war, war mit den kommunistischen Staatswirtschaften nicht möglich. Somit war der Ostblock nicht nur technologisch hinter dem Westen zurück, sondern auch bereits gesellschaftlich.

So, aber nun zwei Links zum Wertewandel in der DDR:
Gab es in der DDR einen Wertewandel?
Wertewandel in der DDR
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Französische Revolution bildet, vereinfacht gesprochen, den Übergang vom monarchisch geprägten „Ancien Regime“ zur bürgerlichen Gesellschaft. Mit allen Folgen für die soziale, die politische und ökonomische Organisation der bürgerlichen Gesellschaft.

Auf die Bedeutung des damit zusammenhängenden sozialen Wandels in Richtung auf die „Moderne“ wurde bereits in #1 und #7 hingewiesen.

Vor diesem Hintergrund wird die FR zu einem konträr diskutierten politischen Symbol, das aus der Sicht der „Linken“ den geistigen Vätern der Aufklärung (Rousseau etc.) eine praktische Bedeutung verliehen hat und der Vernunft im Rahmen der historischen Entwicklung zum Durchbruch verholfen hat. Für die Gegner auf der „Rechten“ als ein Fanal gegen die staatliche Ordnung und wird als „Sündenfall“ betrachtet für eine abzulehnende Begründung für die Nutzung revolutionärer Gewalt im Rahmen gesellschaftlicher Prozesse.

Vor allem die ultrakonservativen Gegner der FR gehen zu einer eindimensionalen Betrachtung über, indem sie weniger den Prozess der Aufklärung und der Modernisierung betrachten, sondern die FR auf die Frage des Terrors reduzieren.

In Anlehnung an Wehler wurde folgende These aufgestellt, die für die FR näher beleuchtet werden soll: „In diesem Sinne erscheint es mir angebracht, den Gewaltbegriff als theoretisches Konstrukt, nicht undifferenziert für die unterschiedlichen Formen der revolutionären gesellschaftlichen Veränderungen heranzuziehen.“ Und den Einsatz von Gewalt im Rahmen der FR näher zu beleuchten.

Folgt man N. Elias (Die höfische Gesellschaft, Darmstadt &Neuwied, 1981, S. 394ff), dann war die Ausgangslage zur FR durch eine Reihe von Merkmale gekennzeichnet.

1. „Die größte Ungleichheit in der Verteilung der Machtchancen kam unter anderem darin zum Ausdruck, dass die große Mehrheit des französischen Volkes für die höfischen Aristokraten nur in der Rolle als Dienende von Interesse war.“ (ebd. S. 394).

2. Der eigentlichen FR liegt ein Prozess der Demokratisierung zugrunde, der bereits vor der Industrialisierung eingesetzt hat.

3. Er identifiziert drei relevante Machtzentren bzw. Monopoleliten für das Königtum. Zum einen den König, den klassischen „Schwertadel“ und den „Amts Adel“, der nicht selten aus dem Bürgertum aufstieg.

4.
Über den zeitlichen Verlauf von Ludwig XIV zu Ludwig XVI kam es zunehmend zu einer Erstarrung des gesellschaftlichen Prozesses, da diese drei Machtzentren primär mit der Bewahrung ihrer Privilegien beschäftigt waren und einen intensiven Machtkampf gegeneinander führten. Vor diesem Hintergrund ergab sich eine Selbstblockade im Herrschaftssystem und notwendige Anpassungsschritte im Rahmen der gesellschaftlichen Modernisierung konnten nicht vorgenommen werden. (ebd. S. 401).

Vor diesem Hintergrund hatten die bisherigen Monopoleliten die grundsätzliche Alternative, neue soziale Gruppierungen, deren Aufstieg sich durch die Industrialisierung anbahnte, auszugrenzen oder sie zu kooptieren. Und kommt zu dem Ergebnis: In Frankreich, wie später in Russland und in China, gingen die vorindustriellen Monopoleliten des alten Regimes den dritten Weg.“ (ebd. S. 403). Sie blockierten den Zugang zur Kontrolle des staatlichen Gewaltmonopols und bewirkten, dass sich die aufstrebenden sozialen Gruppen sich Zugang zu diesem Monopol verschafften durch den Gebrauch von physischer Gewalt, also auf dem Weg der Revolution (ebd., S.404).

Generalisierbar ist dieser Prozess, den Elias exemplarisch für die FR beschreibt, dahingehend (vgl. Brinton: Anatomy of Revolution, 1957, S. 264ff), das wirtschaftliches Wachstum und eine gewisse Prosperität vorhanden war, ein ausgeprägter Antagonismus zwischen einzelnen wichtigen gesellschaftlichen Gruppen (Schichten bzw. Klassen) vorhanden war, ein relevanter Teil der sinnstiftenden Eliten (Intellektuelle etc.) sich der oppositionellen bzw. revolutionären Gruppierung anschließt , ineffiziente Herrschaftsstrukturen vorhanden sind, eine herrschende Klasse ohne Wille zur aktiven Gestaltung von Prozessen, eine Finanzkrise der Regierung und zusätzlich ein unverhältnismäßig harter Einsatz staatlicher Repression gegen die opponierenden Kräfte. Diese Ingredienzen können als typisches Rezept angesehen werden, eine Revolution wahrscheinlich werden zu lassen.

Fortsetzung in #65, da zu lang
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Frage, die sich daran anschließt, konzentriert sich auf den wahrscheinlichen Zeitpunkt der eigentlichen revolutionären Phase. Dem konkreten Muster, das Elias beschreibt liegen, so Davies (Eine Theorie der Revolution, in: Zapf (Hg.) Theorien des sozialen Wandels, 1970, S.402) eine zunehmende Differenz zwischen der erwarteten Bedürfnisbefriedigung einer gesellschaftlichen Gruppe innerhalb einer Gesellschaft und die subjektiv wahrgenommene Bedürfnisbefriedigung zugrunde. Teilweise auch dem Konstrukt der relativen Deprivation zugeordnet und somit ein wichtiger Ansatz der Sozialpsychologie zur Erklärung von Unzufriedenheit. Dieses wäre im Einzelfall für die Vorlaufzeit zur FR zu untersuchen. Insgesamt hält Davies sein Modell auch in Hinblick einer Erklärung der Russischen Revolution für anwendbar (ebd. S. 405).

Neben der Frage des Zeitpunktes ist auch die Intensität des Konflikts von Bedeutung. In seiner Analyse zu den Bedingungen von Revolutionen weist Johnson (Johnson: Bedingungen der Revolution, in: Jänicke (Hg.) Politische Systemkrisen, 1973, S. 73ff) darauf hin: „Wenn eine Gesellschaft von Machtdeflation und Autoritätsverlust heimgesucht wird, bleibt als einzige Grundlage der Interaktion die primitive Logik der Abschreckung, verkörpert im Monopol der Elite auf die bewaffnete Macht (ebd. S. 79). Ausführlich dargestellt bei Gurr (T.R. Gurr: Rebellion, 1972, S. 329ff).

An diesem Punkt treffen unterschiedliche Legitimationsmuster für die Wahrnehmung des Handels des politischen Gegners und für das eigene Handeln in Kraft.

Die Monopoleliten des Ancien Regime unter Ludwig XVI beriefen sich im ideologischen Wettstreit primär auf die göttliche Legitimation ihrer sozialen Position. Diese Frage wird umso dringlicher, sofern man die interaktive Wirkung der Gewaltexzesse betrachtet, die im Rahmen der FR stattgefunden haben.

Das Weltbild, das mit der FR in Erscheinung trat, unterschied sich grundsätzlich von dem des Mittelalters. Folgt man Griewank (Der neuzeitliche Revolutionsbegriff, 1992, S. 23ff) dann beriefen sich die Revolutionen des Mittelalters eher auf die Wiederherstellung eines vorherigen Zustands. Die Vorstellung der FR ist demgegenüber zukunftsorientiert, begründet auf Vernunft und emanzipativ gegenüber der – unvernünftigen - tradierten göttlichen Ordnung (vgl. dazu die Rolle des „Weltgeistes“ bei Hegel). „Hier zuerst ist Revolution nicht nur nachträglich festgestellt , sondern bewußt erlebt und in langen Kämpfen duchgesetzt…(ebd. S.187).

Zur Einzig- und Neuartigkeit dieser Situation schreibt Simmel: „Es ist das 18.Jahrhundert [und gemeint ist die R], in dem das Bedürfnis nach Freiheit überhaupt, nach Loslösung der Fesseln, mit denen die Gesel lschaft …das Individuum…gebunden hat, seine stärkste Bewußtheit und Wirksamkeit fand.

In diesem Kontext agierten die Protagonisten der FR und definierten ihr revolutionäres Handeln als politisches Labor, in dem die Gedanken der führenden Theoretiker der FR in praktische Politik umgesetzt wurden und man war sich der außergewöhnlichen Situation bewußt.

Greift man die Interaktion von Gewalt im Rahmen der Gewaltspirale auf, dann ist es schwer – aus der heutigen Sicht - zu beurteilen, in welchem Umfang das generelle Niveau der Gewaltbereitschaft in der französischen Gesellschaft interaktiv angestiegen ist. Auch vor dem Hintergrund der Bedrohung durch die monarchische Konterrevolution und durch die Bedrohung der aufmarschierten Armeen der europäischen Monarchen.

Zumindest der Terror von „Unten“, im Rahmen des Gefängnis-Massakers verweist auf eine stark aufgeladene, spontan gewaltbereite Situation hin, die vermutlich nur geringe ideologische Begründungen aufwies und die revolutionären Institutionen vor ein massives Problem der Kontrolle der Ausschreitungen des Mobs stellten (Mayer: The Furies, 2002, S. 171ff).

Vor diesem Hintergrund gab es bereits von Zeitgenossen der FR ein unterschiedliches Echo auf die mit der Revolution verbundene Anwendung von Gewalt. Bei Mayer (ebd. S.94) werden Thomas Jefferson, Kant und Hegel herangezogen für ein Verstehen der Prozesse der FR, obwohl er auch einschränkt, dass sie die Ausnahmen in der damaligen Zeit bildeten. Als Gegenpol führt er Schiller und Goethe an, die in der FR und den Gewaltexzessen die Rückkehr der Barbarei erblickten.

Abschließend soll mit Machiavelli ein weiteres Mal ein Theoretiker der „realistischen Machtpolitik“ zu Wort kommen. Seine Arbeiten stehen in dem Kontext eines schwachen Gemeinwesens der italienischen Stadtstaaten und sind ein Eintreten für die Stärkung der staatlichen Ordnung. In diesem Sinne kann sich das Ancien Regime bei der Unterdrückung der aufbegehrenden sozialen Gruppen auf ihn beziehen.

Nach erfolgreicher Durchführung der Revolution und der Durchsetzung der neuen staatlichen Ordnung wird man den Institutionen aber im Sinne Machiavellis zugestehen müssen, einen ähnlichen politischen Ordnungsrahmen durchzusetzen. Wenngleich die Ideologie der FR einen aufklärerischen und humanistischen Anspruch verfolgte, erfolgte der Kampf um das Überleben der FR nach den klassischen Gesetzen der Machtpolitik. Sowohl nach innen wie nach außen.

Und vor diesem Hintergrund ordne ich persönlich das Wirken der „Terrors von Oben“ durch das Revolutionstribunal (ca. 2747 Verurteilung zum Tode) der Jahre 1793 bis 1795 ein.

Betrachtet man die FR lediglich unter dem Gesichtspunkt des Terrors, dann versteht man noch nicht mal ansatzweise, welche Veränderungen sie für das Projekt der „Aufklärung“ erbracht ha
 
Zuletzt bearbeitet:
Kannst du die 2 Ebenen der Gewalt erklären. Du meinst damit offensichtlich nicht, die schon besprochene Gewalt 1. während und 2. nach der R., die du erst folgend noch weiter aufgliederst.
Sorry, da habe ich mich unsauber ausgedrückt. Man kann Gewalt auf einer politischen Ebene betrachten und man kann Gewalt auf einer soziologischen Ebene betrachten. Auf der politischen Ebene wäre die Betrachtung wann Gewalt als probates Mittel des Umsturzes genutzt wird, auf der soziologischen Ebene wären dann die Betrachtungen bzgl. des Gewaltverlaufs und der Veränderung der Dimension der Gewalt.

Das nennt man dann "Reform" und das gab's häufig! :)
Nein, es gibt durchaus der historisch-wissenschaftlichen Definition folgend Revolutionen von oben, in der deutschen Geschichte sogar überproportional häufig. Gerade die Revolution von oben dient dazu einer "normalen" Revolution vorzubeugen, indem die wichtigsten der von den potentiellen Revolutionären geforderten Maßnahmen aufgegriffen und in einer Konsenslösung mit der bestehenden Herrschaftsform umgesetzt werden. Einmal mehr empfiehlt sich hier die Lektüre von Hans-Ulrich Wehler ("Das deutsche Kaiserreich"), aber auch Engelberg "Über die Revolution von oben – Wirklichkeit und Begriff".

Das ist das Problem, das ich sehe. Ich stimme da eher @Lili zu, als sie meinte:
"schreibt sich das nicht jede Revolution auf de Fahnen?"
Das habe ich in einem anderen Zusammenhang gesagt, mir ging es dabei um die "höheren", um die "besseren" Ziele und die "Befreiung" der Menschen von den Machtausübenden. Nachdem ich Wehlers Aufsatz mittlerweile gelesen habe, meine ich, auf der politischen Ebene, der Thanepowers Argumentation folgt, dem Ansatz entsprechend folgen zu können: die Gewaltlegitimation war eine andere. Um beim Beispiel des Dritten Reichs zu bleiben: die NSDAP war an der Macht und griff zur Gewaltausübung eben weil sie an der Macht war, in den "klassischen Revolutionen", wurde zur Gewalt gegriffen, um altes zu überwinden und die eigene Macht zu festigen bzw. zu verteidigen. Die Motivation der Gewaltausübung ist also eine vollkommen andere.

Genau. Und in sofern würde ich nicht unterscheiden, wer da gerade eine Revolution macht. Es ist immer die Gruppe, die sich gerade benachteiligt fühlt, gegenüber der, die (meistens) an der Macht ist. Da die machthabende Gruppe diese Macht aber nicht aus der Hand geben möchte (oder eigentlich nicht einmal eine Einschänkung dieser Macht hinnehmen möchte), kommt es oft zur Gewalt. Die Geschichte zeigt dabei, daß die machthabende Gruppe oft mit der Anwendung von Gewalt beginnt, weil sie sich dazu im Recht sieht und erst dadurch kommt es dann (oft, nicht immer - siehe friedliche Revolution) zur Eskalation der Gewalt.
Das ist mir persönlich zu simpel formuliert. Der Sinnzusammenhang und die Kausalkette mögen beim groben drüberblicken zwar bestehen, das zu überprüfen und genauer zu beleuchten ist aber gerade Gegenstand dieses Threads. Ist es immer die Gruppe die sich gerade benachteiligt fühlt? Nein, mit Blick auf die französische Revolution können es auch Mitglieder der bevorteilten Gruppe sein, die im Geiste der Aufklärung diese Bevorteilung sals ungerechtfertigt empfinden und für ein größeres Ganzes kämpfen und sich eben nicht auf der eigenen Bevorteilung ausruhen. Auch die machthabende Gruppe kann Revolutionen einleiten (siehe meine Ausführungen zur Revolution von oben), auch wenn ihr diese Veränderungen u.U. nicht schmecken, so zeigt der Lauf der Geschichte doch öfter, dass entsprechender Konsens gesucht und gefunden wurde. Es muss auch nicht immer zur Gewalt kommen, die NSDAP kam ohne Gewaltanwendung an die Macht. Auch muss die machthabende Gruppe nicht immer mit der Gewaltanwendung beginnen, auch die Revolutionäre können von Gewalt getrieben sein, man beachte hier beispielsweise den Terror der RAF, die sich auch als revolutionäre Vereinigung sahen und revolutionäre Ziele verfolgten. Auch eine Eskalation in der Gewaltspirale muss nicht sein, siehe die friedliche Revolution, bei der zunächst seitens der Staatsgewalt Gewalt angewandt wurde, trotzdem kam es zu keiner Eskalationsschleife.

Vor diesem Hintergrund wird die FR zu einem konträr diskutierten politischen Symbol, das aus der Sicht der „Linken“ den geistigen Vätern der Aufklärung (Rousseau etc.) eine praktische Bedeutung verliehen hat und der Vernunft im Rahmen der historischen Entwicklung zum Durchbruch verholfen hat. Für die Gegner auf der „Rechten“ als ein Fanal gegen die staatliche Ordnung und wird als „Sündenfall“ betrachtet für eine abzulehnende Begründung für die Nutzung revolutionärer Gewalt im Rahmen gesellschaftlicher Prozesse.

Vor allem die ultrakonservativen Gegner der FR gehen zu einer eindimensionalen Betrachtung über, indem sie weniger den Prozess der Aufklärung und der Modernisierung betrachten, sondern die FR auf die Frage des Terrors reduzieren.
Wow, also das ist mir jetzt wirklich zu eindimensional bis schubladig. Mit dieser Aussage stellst du jeden, der die Französische Revolution in Summe nicht als den ultimativen Heilsbringer betrachtet automatisch in die rechte Ecke und das ist dann doch unangemessen. Die Französische Revolution ist genauso wie jedes andere x-beliebige historische Ereignis mehrdimensional. Es ist also nicht nur eindimensional die Französische Revolution auf den Terreur zu reduzieren, es ist auch eindimensional die Französische Revolution auf den Durchbruch von Vernunft und Aufklärung zu reduzieren. Wie ich bereits mehrfach anmerkte bin ich auch nach der Lektüre von Wehler nicht mit dabei die genannten Revolutionen im vorgeschlagenen Klassifikationsschema zu sehen, weil ich nach wie vor der Ansicht bin, dass es vielmehr eine Einzelbetrachtung der Revolutionen braucht. Diese Klassifikation nimmt im übrigen auch Wehler nicht vor, vielmehr schreibt er "Denn in der politischen Semantik einer einflussreichen Geschichtsphilosophie sind die klassischen Revolutionen des Westens: die Englische, die Amerikanische, die Französische, auch die Industrielle Revolution als welthistorische Lokomotiven des Fortschritts auf ein höheres Entwicklungsniveau rundum positiv bewertet worden." Er formuliert unbestimmt im Passiv, womit deutlich wird, dass das nicht seine Einteilung ist sondern es sich vielmehr um eine mehr oder minder allgemeingültige Summation im Sinne einer gesamthaften Bewertung anhand des Ergebnisses handelt. Das hilft uns allerdings bei der Betrachtung der Gewalt im Zusammenhang mit einem gesellschaftlichen Umsturz nur sehr bedingt weiter. Wir wissen so lediglich dass es bei diesen Revolutionen, im Gegensatz zu den totalitären Revolutionen eine summarisch positive Wahrnehmung gibt, die angewandte Gewalt also in der Gegenüberstellung als weniger schlimm erscheint, als die erreichten Ziele. Das "Warum?" wäre hier für mich noch zu hinterfragen.


In Anlehnung an Wehler wurde folgende These aufgestellt, die für die FR näher beleuchtet werden soll: „In diesem Sinne erscheint es mir angebracht, den Gewaltbegriff als theoretisches Konstrukt, nicht undifferenziert für die unterschiedlichen Formen der revolutionären gesellschaftlichen Veränderungen heranzuziehen.“ Und den Einsatz von Gewalt im Rahmen der FR näher zu beleuchten.
Hier braucht es für mich nach wie vor eine Einzelbetrachtung der Gewaltphasen. Um bei der Französischen Revolution zu bleiben: die Gewalt des Umsturzes 1789 ist eine andere als die des Terreurs 1793/94, schlicht weil auch die Legitimation der Gewalt eine andere ist.

2. Der eigentlichen FR liegt ein Prozess der Demokratisierung zugrunde, der bereits vor der Industrialisierung eingesetzt hat.
Welcher wäre das denn im vorrevolutionären Frankreich gewesen? Geht Elisas da genauer drauf ein?

3. Er identifiziert drei relevante Machtzentren bzw. Monopoleliten für das Königtum. Zum einen den König, den klassischen „Schwertadel“ und den „Amts Adel“, der nicht selten aus dem Bürgertum aufstieg.
Da bin ich nicht so wirklich dabei. Das Frankreich des Ludwig XVI. war absolutistisch, die Macht von Schwert- und Amtsadel hielt sich daher in Grenzen, bzw. beschränkte sich auf wenige und ist daher mE nicht dergestalt generalisierbar. Zudem werden mit der Fixierung dieser drei relevanten Machtzentren der Klerus und die Bourgeoisie völlig außer Acht gelassen und gleichzeitig vernachlässigt, dass unter den Revolutionären sehr wohl auch Adelige waren.

4. Über den zeitlichen Verlauf von Ludwig XIV zu Ludwig XVI kam es zunehmend zu einer Erstarrung des gesellschaftlichen Prozesses, da diese drei Machtzentren primär mit der Bewahrung ihrer Privilegien beschäftigt waren und einen intensiven Machtkampf gegeneinander führten. Vor diesem Hintergrund ergab sich eine Selbstblockade im Herrschaftssystem und notwendige Anpassungsschritte im Rahmen der gesellschaftlichen Modernisierung konnten nicht vorgenommen werden. (ebd. S. 401).
In Konsequenz zu meinen Einwendungen zu 3. bin ich auch hier nicht dabei. Welcher gesellschaftliche Prozess wäre nach Elias denn ins Starren geraten, es gibt ja mehr als nur einen. Welche Privilegien wurden durch welche Machtkämpfe bewahrt? Gab es wirklich eine Selbstblockade im Herrschaftssystem? Gab es keine Reformen, oder Reformversuche? Was versteht Elias unter gesellschaftlicher Modernisierung? Welche Anpassungsschritte wären hier seiner Meinung nach notwendig gewesen?

Vor diesem Hintergrund hatten die bisherigen Monopoleliten die grundsätzliche Alternative, neue soziale Gruppierungen, deren Aufstieg sich durch die Industrialisierung anbahnte, auszugrenzen oder sie zu kooptieren.
Die Industrielle Revolution und der daraus resultierende soziale Neugruppierung im vorrevolutionären Frankreich als Ursache der Französischen Revolution? :confused: Mach mich nicht schwach... Das ist doch ein bisschen arg weit hergeholt, oder?

Nach erfolgreicher Durchführung der Revolution und der Durchsetzung der neuen staatlichen Ordnung wird man den Institutionen aber im Sinne Machiavellis zugestehen müssen, einen ähnlichen politischen Ordnungsrahmen durchzusetzen. Wenngleich die Ideologie der FR einen aufklärerischen und humanistischen Anspruch verfolgte, erfolgte der Kampf um das Überleben der FR nach den klassischen Gesetzen der Machtpolitik. Sowohl nach innen wie nach außen.

Und vor diesem Hintergrund ordne ich persönlich das Wirken der „Terrors von Oben“ durch das Revolutionstribunal (ca. 2747 Verurteilung zum Tode) der Jahre 1793 bis 1795 ein.
Na dann waren wir hierzu aber von Anfang an d’accord. Der Terreur beinhaltet eine andere Form der Gewalt und damit auch der Gewaltlegitimation, als die des Umsturzes und verdient daher auch eine andere Betrachtung. Die Gewaltlegitimation besteht allein durch das Innehaben der Macht und dem Wunsch, die eigene Macht zu festigen und eben nicht mehr in der Absicht begründet einen gesellschaftlichen Wandel einzuleiten. Vielmehr wurde der gesellschaftliche Wandel vollzogen, die Machteliten wurden ausgetauscht, nichts desto trotz eskaliert hier die Gewalt, was für mich der Französischen Revolution unter den traditionellen Revolutionen einen Alleinstellungscharakter verleiht.

Betrachtet man die FR lediglich unter dem Gesichtspunkt des Terrors, dann versteht man noch nicht mal ansatzweise, welche Veränderungen sie für das Projekt der „Aufklärung“ erbracht ha
Ein alleiniges Verherrlichen des "Projektes der Aufklärung" verbunden mit gleichzeitigem Kleinreden des Terreurs zeugt aber auch nicht gerade von mehr Verständnis. Vielmehr sehe ich einen ganz immensen Kontrast zwischen Aufklärung und Terreur, der im Sinne des Threads hier nicht vernachlässigt werden sollte. Gerade bei der Französischen Revolution finde ich das Gegenüberstellen der 1. und der 2. Revolutionsphase im Sinne von Gewaltanwendung, Gewaltlegitimation sowie Gewalteskalation durchaus berechtigt.
 
Liebe Lilli, das ist ja eine Lesung von lynxxxhafter Länge - muss aber angesicht der Multidimensionalität des Themas wohl sein... Danke jedenfalls.:winke:

Bevor ich ab #1 alles noch mal durchlese, hier ein Kalenderspruch von Blaise Pascal:
"Die Gerechtigkeit ohne Gewalt ist ohnmächtig; die Gewalt ohne Gerechtigkeit ist tyrannisch. Daher muß man Gerechtigkeit und Gewalt zusammenbringen und machen, daß das, was gerecht ist, mächtig, oder das, was mächtig ist, gerecht sei." [1]
Das gelingt aber häufig nicht, wobei neben den endogenen Ursachen auch die exogenen eine wichtige Rolle spielen, gerade auch bei der FR: Bedrohung von außen bzw. Kampf ums Überleben (thanepower).

Eine andere Frage, die mir spontan einfällt: Tendiert denn Gewaltanwendung im Verlauf einer Revolution/Rebellion [2] ab einer bestimmten Größenordnung immer zum Bürgerkrieg oder ist das eine ganz andere Kategorie?


[1] Zit nach Hans Barth: Masse und Mythos. Die Theorie der Gewalt: Georges Sorel. Hamburg 1959, S. 99
[2] Diese Differenzierung nimmt Chalmers Johnson vor (Revolutionstheorie. Köln 1971, S. 157 ff. ("Arten der Revolution").
 
Der Terreur beinhaltet eine andere Form der Gewalt und damit auch der Gewaltlegitimation, als die des Umsturzes und verdient daher auch eine andere Betrachtung.

Die Gewaltlegitimation besteht allein durch das Innehaben der Macht und dem Wunsch, die eigene Macht zu festigen und eben nicht mehr in der Absicht begründet einen gesellschaftlichen Wandel einzuleiten.

Vielmehr wurde der gesellschaftliche Wandel vollzogen, die Machteliten wurden ausgetauscht,

Auf Robespierre bezogen stimmt das so nicht.

"Die Revoltion ist der Krieg der Freiheit gegen ihre Feinde... Ist denn die Gewalt nur dazu da dem Verbrechen Vorschub zu leisten...[die Revolutionsregierung] schuldet den Feinden des Volkes nur den Tod...
Wir wollen den Willen der Natur erfüllen und die Bestimmung der Menschheit vollenden, die Versprechen der Philosophie einlösen und die Vorsehung devon der langen Herrschaft des Verbrechens und der Tyrannei befreien. Frankreich... soll das Vorblid aller Nationen und der Schrecken der Unterdrücker werden, und während wir unser Werk mit unserem Blute besiegeln, sehen wir vielleicht noch die Morgenröte der universellen Glückseligkeit aufscheinen."
(Robespierre, Über die Prinzipien der Revolutionsregierung Dez.´93; Über die Prinzipien der politischen Moral...Feb.´94)

Man kann natürlich sagen, er lügt, aber selbst wenn, versucht er doch die Gewalt mit dem Streben nach Freiheit und Glück zu rechtfertigen, eher begründen (ich glaube R. hätte sich nie entschuldigend erklärt).

Auch scheint es mir zu schwierig die Welt stärker neu zu formen (Religion, Zeitrechnung), wenn man vorangig nur die Macht behalten will. Ich kann mir kaum vorstellen, daß dies Kalkül war, auf der einen Seite zu riskant, auf der anderen zu idealistisch.
 
versucht er doch die Gewalt mit dem Streben nach Freiheit und Glück zu rechtfertigen, eher begründen (ich glaube R. hätte sich nie entschuldigend erklärt).

ein Gedanke daran:
kann es sein das Gewalt sich so stark in einem Umfeld stabilisiert, daß die Frage nach Legitimation absurd/unnötig wird?

Also, es werden nicht neue Gründe geliefert, gesucht, auch nicht das Prinzip komplett abgelehnt ("Ich bin stark genug!"), sondern man kommt einfach nicht mehr dahin.
Sowas wie eine ,abgehobene´Ruhm-Verklärung, wie wenn jemand zum Popstar wird
 
Mit dieser Aussage stellst du jeden, der die Französische Revolution in Summe nicht als den ultimativen Heilsbringer betrachtet automatisch in die rechte Ecke und das ist dann doch unangemessen.

Nein, so ist es nicht gemeint gewesen. Ich habe mich primär gegen eine Funktionalisierung mit gleichzeitiger reduzierter Rezeption der FR ausgesprochen. Und sehe diese Kombination sehr häufig bei Personen mit einem „rechten“ Weltbild.

Eine angemessene Beurteilung sollte, im Sinne von Max Weber, ein angemessenes Verstehen voraussetzen und das Verstehen der damals wirkenden immanenten ideengeschichtlichen, innen- und außenpolitische Faktoren und deren spezifisches System der Herrschaftsstrukturen. Man kann durchaus über den Terror der damaligen Zeit zu Gericht sitzen, aber erst nachdem das „Verstehen“ geleistet wurde.

Und im Kern steht damit die Frage, welche Beziehung die FR zur Entwicklung eines funktionsfähigen Staatssystems hatte. Wie organisiert sie die drei zentralen Anforderungen im Sinne von M. Weber (vgl. dazu beispielsweise: Käsler: Einführung in das Studium Max Webers, 1979, S. 162ff).

-Herrschaft: soll die Chancen heißen, für eine Anweisung bei der Empfängergruppe Gehorsam zu finden
- Macht: bedeutet die Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen unabhängig von der Frage, wodurch es legitimiert ist
- Disziplin: soll die Chance bezeichnet werden, im Rahmen eingeübter Verhaltensweisen, eine Anweisung bei der Empfängergruppe erfolgreich durchzusetzen.

Betrachtet man die Chronologie der Ereignisse, dann ist der 10. August 1792 mit dem Sturm auf die Tuilerien der eigentliche embryonale Beginn, des eigentlichen staatlichen Handelns.

Dass es aber absolut kein staatliches Handeln im Sinne der obigen Kriterien gab zeigen die Berichte über den ersten Terror von Unten am kurz danach stattfindenden ausgesprochen brutalen Massaker der Pariser Aufständischen in den Pariser Gefängnissen.

Zu diesem Zeitpunkt sind die Repräsentanten der FR von Innen (27. 06. 92: General La Fayette & Königliche Garde & Schweizer Garde Einschüchterung der Legislative in Paris) und von außen (25.06. Ankündigung der Zerstörung von Paris durch den Herzog von Braunschweig & 23.08. Einnahme der Festung Longvy durch Preußische Truppen) unter einem massiven Druck der Konterrevolution standzuhalten.

Und dieses nicht nur unter machtpolitischen Gesichtspunkten, die neuerrichtete Republik zu stabilisieren, sondern auch im Geiste der Aufklärung der Vernunft zum Sieg zu verhelfen.

Es geht somit zu diesem Zeitpunkt primär um eine Staatsgründung. Max Weber schrieb in diesem Zusammenhang: „Man kann vielmehr den modernen Staat soziologisch nur definieren aus seinem spezifischen Mittel, das ihm, wie jedem politischen Verband, eignet: das der physischen Gewaltsamkeit. „Jeder Staat wird auf Gewalt gegründet“, sagte seinerzeit Trotzkij in Brest-Litowsk. Das ist in der Tat richtig.“ (M. Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, 1980, S. 822). Er bindet die Ausübung von Gewalt an den Legitimationsbegriff und die drei Typen der legitimen Herrschaft (vgl. W. Mommsen: Soziologische Geschichte und historische Soziologie, in: ders.: Max Weber: Gesellschaft, Politik und Geschichte, 1974, bes. Schaubild S. 205).

In diesem Sinne kristallisierte sich die Notwendigkeit heraus, den staatlichen Zusammenhang zu wahren. Eine Aufgabe, die vergleichsweise problemlos zu organisieren war, folgt man R. Aron: ( Das politische Drama Frankreichs, in: ders. Hauptströmungen des klassischen soziologischen Denkens, 1997, S. 216ff), da Frankreich bereits vor der Revolution zentralistisch organisiert war und somit eine zentralistische Verwaltung durch den Konvent etc. erleichtert wurde.

In der Folge des Jahres 1793 wurde jedoch die Integrität der Republik durch den Bürgerkrieg in der Vendee (11.03.73), Aufstand in Marseille (29.04.73) oder Erhebung in Lyon (29.0573) um nur einige zu nennen, in Frage gestellt.

Vor diesem Hintergrund wird man, im analytischen Sinne, dem Konvent zugestehen müssen, sich der staatlichen Instrumente zu vergewissern und zur Durchsetzung der Ziele der FR einzusetzen. Immer auch bezogen auf die ursprüngliche These von Wehler, einer Trennung der Typen von Revolutionen in zwei Gruppen und dem Anspruch der einen als „Lokomotiven des Fortschritts“ zu agieren gegen den totalitären Anspruch der anderen.

Diese Klassifikation nimmt im übrigens auch Wehler nicht vor, …Er formuliert unbestimmt im Passiv, womit deutlich wird, dass das nicht seine Einteilung ist sondern es sich vielmehr um eine mehr oder minder allgemeingültige Summation im Sinne einer gesamthaften Bewertung anhand des Ergebnisses handelt. Das hilft uns allerdings bei der Betrachtung der Gewalt im Zusammenhang mit einem gesellschaftlichen Umsturz nur sehr bedingt weiter. Wir wissen so lediglich dass es bei diesen Revolutionen, im Gegensatz zu den totalitären Revolutionen eine summarisch positive Wahrnehmung gibt, die angewandte Gewalt also in der Gegenüberstellung als weniger schlimm erscheint, als die erreichten Ziele.

Das ist sprachlich korrekt, aber entspricht nicht den Intentionen von Wehler, m.E. Er wählt dieses Klassifikationsschema, um zu argumentieren, dass es sich bei der NS-Machtübernahme um eine Revolution gehandelt hat. Würde er diese Einteilung als nicht relevant ansehen, dann wären seine Schlussfolgerungen ja ebenfalls nicht korrekt.

Warum sollte er sich und seinen Leser analytisch auf ein Glatteisführen führen, das nach dem Einlassen auf seine Argumentation nicht hält?

Somit gehe ich weiterhin davon aus, dass er ideengeschichtlich an dieser Klassifikation festhält. Die, und ich hatte bereits auf Horkheimer`s „Dialektik der Aufklärung“ hingewiesen, kompatibel zu diesem Geschichtsbild ist.

Diesen Aspekt greift identisch beispielsweise auch Lenski (Macht und Privileg, 1977, S. 48ff) auf, der in diesem Konflikt zwischen „Radikalen“ und „Konservativen“ der „Streit über den Ursprung des Bösen“ erkennt und das bereits angeführte lineare Geschichtsbewusstsein eines Hegels durch die menschenverachtenden Ereignisse des Nazismus „zum Stillstand kommt“ und „zum ersten Mal seit rund dreihundert Jahren scheint das Pendel in die Gegenrichtung auszuschlagen“ (ebd. S. 48) [FONT=&quot]
[/FONT]
 
Zuletzt bearbeitet:
Welcher wäre das im vorrevolutionären Frankreich gewesen

Folgt man der Argumentation von Elias verändert sich der Absolutismus von Ludwig LIV zu Ludwig LVI nicht unerheblich. Insgesamt schreibt Elias Ludwig LIV noch die Fähigkeit zu, den Hof, als zentralen Ort der Ausübung von Herrschaft (Elias: Die höfische Gesellschaft, 1981, S. 179), aus der Position der relativen Distanz zu manipulieren. Er ist Entscheider bei Zwistigkeiten, er verteilt Gunst und bestraft durch Entzug, aber wird nicht Teil des Intrigenspiels, da er es inszeniert.
Diese Fähigkeit hat Ludwig LVI aus der Sicht von Elias verloren und ist bereits Teil des Verteilungskampfes um Macht und Einfluss.

Die Ursache liegt in der Veränderung im Sozialgefüge Frankreichs. Zunächst, so Hondrich (Theorie der Herrschaft, 1973, S. 172), kam es zu einer Stabilisierung des Gewaltmonopols im Verhaltenskodex der „höfischen Gesellschaft“. Ein Prozess, der bei Elias als Prozess der Zivilisation beschrieben wird (N. Elias: Über den Prozess der Zivilisation, Bd. 2, 1982, S. 6ff).

Die Veränderung, die zwischenzeitlich stattgefunden hatte, führte dazu, dass sich der soziale Rang einer Person, primär der Schwertadel, und damit sein Prestige nicht mehr mit seiner sozialen Macht (vgl. beispielsweise: R. Bierstedt: Eine Analyse sozialer Macht, in: Mühlfeld & Schmid: Soziologische Theorie, 1974, S. 380ff) deckte.

Die spezifische Funktion des Hofes und sein Bedarf nach qualifizierten Administratoren staatlicher Herrschaft, bot dem Bürgertum die Möglichkeit sozial aufzusteigen. Für talentierte Bürger und für Bankiers ergab sich die Möglichkeit in den Amts- respektive den Geldadel aufzusteigen. Eine Begrifflichkeit, die sich auch bei Bluche als Abgrenzung der Gruppen am Hof wiederfindet (Bliche: Im Schatten des Sonnenkönigs, 1986, S. 40ff).

Der Prozess, der im Hintergrund ablief, war die beginnende Industrialisierung, primär im Bereich der Baumwollverarbeitung.

Das Frankreich des Ludwig XVI. war absolutistisch, die Macht von Schwert- und Amts Adel hielt sich daher in Grenzen, ….Zudem werden mit der Fixierung dieser drei relevanten Machtzentren der Klerus und die Bourgeoisie völlig außer Acht

Dieser Einschätzung könnte ich für Ludwig LIV noch zustimmen. Für Ludwig LVI müsstest Du mir schon sagen, auf welche Quelle sich Deine Beurteilung stützt.

Bei den Darstellungen bin ich nicht auf eine besondere Berücksichtigung der Rolle des Klerus gestoßen. Vermutlich nicht, weil sie als irrelevant angesehen wurden, sondern als Funktionsträger des Königs bzw. des Schwertadels angesehen wurden. Zumindest nicht als ein eigenständiges Machtzentrum, das Positionen vertreten würde, die nicht deckungsgleich zum Schwertadel waren.

Welcher gesellschaftliche Prozess wäre nach Elias denn ins Starren geraten, es gibt ja mehr als nur einen. Welche Privilegien wurden durch welche Machtkämpfe bewahrt? Gab es wirklich eine Selbstblockade im Herrschaftssystem? Gab es keine Reformen, oder Reformversuche? Was versteht Elias unter gesellschaftlicher Modernisierung?

Er fasst die Situation dahingehend zusammen: Dass bereits vor dem Eintreffen der FR der König und der Adel seine Funktionen in der Gesellschaft sukzessive einbüßte, „as soviety in pre industrial France became more commercialized“ (Elias: What is Sociology, 1978, S. 174). Als zentrales Problem benennt er die Privilegien, die mit den „unequal distribution of taxes in their favor“ (ebd. S. 174) verbunden sind. Und fährt fort: „It was initiated [die Revolution] by the understandable incapacity of the king and the nobles to adapt themselves to the fact that their position were gradually loosing function, and by their refusal to agree to a reduction in their privileges correspond ending to their declining power”.

Dennoch, und folgt man der Argumentation von Milward and Saul (The Economic Develeopment of Continental Europe 1780 – 1870, 1973, S. 256ff), dann ist es die Unfähigkeit des politischen Systems, eine Neuordnung des Steuersystems vorzunehmen, dass die Situation eskalieren ließ.

Dynamisiert durch schlechte Ernten in 1788 und 1789, die die Einkommenssituation der ländlichen Bevölkerung deutlich verschärfte.

Die Industrielle Revolution und der daraus resultierende soziale Neugruppierung im vorrevolutionären Frankreich als Ursache der französischen Revolution?

Ich habe nicht von der industriellen Revolution gesprochen! Sondern von der sich abzeichnenden Industrialisierung und ihren Auswirkungen. Allerdings nicht im Sinne des Hervorbringens eines „Proletariats“, sondern in der Veränderung des Stellung des Bürgertums. Als soziale Gruppe mit zunehmender sozialer Macht.

In Anlehnung an Tocqueville erklärt Boudon (Die Logik des gesellschaftlichen Handels, 1980, S. 48) die im Vergleich zu GB eher agrarisch geprägte Wirtschaftsstruktur Frankreich durch den Zentralismus. Er würde bewirken, dass sich kompetente Personen eher um eine staatliche Stelle bei Hof bewerben würden und so dem genuinen Wirtschaftsleben entzogen wären.

Hinzu kommt, wie Rübberdt (Geschichte der Industrialisierung, 1972, S. 57) deutlich macht, dass die wirtschaftliche Freizügigkeit, die England bereits auszeichnete, so nicht vorhanden war. Zunftschranken und staatliche Reglementierung erstickten vor 1789 „jede private Initiative auf dem Gebiet der gewerblichen Produktion“ (ebd. S. 58).

Jonas weist in Anlehnung an Tocqueville darauf hin, dass in einer Kleinstadt in Frankreich 36 verschiedene Standesränge vorhanden waren und die wichtigste Beschäftigung bestand in der Verteidigung der jeweiligen Privilegien des eigenen Standes, gefolgt von der zweiten Lieblingsbeschäftigung, dem Reden über die „Gleichheit“ (Jonas: Geschichte des Soziologie: Bd. 1, 1976, S. 178). Um die Restriktionen der Zunftschranken zu illustrieren.

Dennoch war bereits 1789 eine große Anzahl von großen mechanischen Spinnereien in Betrieb. Der Steinkohlebergbau war der einzige Bereich, der Merkmale einer kapitalistischen Großindustrie aufwies.

Zudem gab es eine Reihe mittlerer Betriebe der Eisenverarbeitung, allerdings war dieser wichtige Wirtschaftszweig insgesamt gering entwickelt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Blaise Pascal: "Die Gerechtigkeit ohne Gewalt ist ohnmächtig; die Gewalt ohne Gerechtigkeit ist tyrannisch. Daher muss man Gerechtigkeit und Gewalt zusammenbringen und machen, dass das, was gerecht ist, mächtig, oder das, was mächtig ist, gerecht sei."
Das gelingt aber häufig nicht, wobei neben den endogenen Ursachen auch die exogenen eine wichtige Rolle spielen, gerade auch bei der FR: Bedrohung von außen bzw. Kampf ums Überleben.

Hatte im Rahmen der Einordnung der Gewalt in den Bereich der Herrschaftstheorie bei M. Weber versucht, eine Antwort auf dieses Problem zu finden (vgl. #70 oben)

Eine andere Frage, die mir spontan einfällt: Tendiert denn Gewaltanwendung im Verlauf einer Revolution/Rebellion ab einer bestimmten Größenordnung immer zum Bürgerkrieg oder ist das eine ganz andere Kategorie?

Es sind m. E. mehrere Phasen, die relevant sind
- 1. Phase: Revolution als revolutionäre Handlung (Umsturz)
- 2. Phase: Bei Erfolg: Revolution als administrative Verankerung (Etablierung und Kampf gegen Konterrevolution)
- 3. Phase: Bei Eskalation: qualitative Veränderung in Richtung Bürgerkrieg

Die Übergänge sind sicherlich fließend zwischen revolutionären Handlungen und konterrevolutionären Aktionen und dem qualitativen und vor allem quantitativen Sprung zum Bürgerkrieg.

Bei Widmaier (Politische Gewaltanwendung als Problem der Organisation von Interessen, 1978) findet sich eine Diskussion der unterschiedlichen Ansätze zur Erklärung von politischer Gewalt und auch im Rahmen von Bürgerkriegen.
Eine Zusammenfassung bietet Zimmermann (Soziologie der politischen Gewalt, 1977, bes. S. 44 ff), der die faktorenanalytischen Ergebnisse zu den strukturellen Voraussetzungen von Bürgerkriegen referiert.

Er stellt ausführlicher die kausalanalytische Darstellung des Modells von Gurr (ebd. S. 48) im Rahmen einer Pfadanalyse dar.

Die Eskalation von Gewalt, folgt man Gurr (Rebellion. Eine Motivationsanalyse von Aufruhr, Konspiration und innerem Krieg, 1972) wird zum einen durch den Grad der unterschiedlichen Formen der Deprivation der Akteure beeinflußt.
Gurr selber (ebd. S. 343) versucht folgende Klassifikation anhand der Relativen Deprivation

……………………….Intensität der Bevölkerungs-RD
....................................……Gering………………………Stark ….
Eliten RD
Gering…….........…………politischer Protest………….Aufruhr / Revolution

Stark ……………............…..Konspiration………………..Bürgerkrieg

kann es sein, das Gewalt sich so stark in einem Umfeld stabilisiert, dass die Frage nach Legitimation absurd/unnötig wird?

Nein, eigentlich nicht. Es ist eher die Unterteilung nach legitimer und illegitimer Herrschaft, die eine Rolle spielt. Aber jedes Regime wird immer eine Form der Legitimation seines Handels anstreben. Das ist schon deswegen notwendig, da alternativ alle Anweisungen per direkter Gewalt durchgesetzt werden müssten, wie in einem besetzte Gebiet.

Aus diesem Grund kam ja auch der Kirche und andere religiösen Begründungen von weltlicher Macht in der Regel eine starke Bedeutung zu.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Thanepower

Hab vielen Dank für Deine Beiträge, die essayistische Qualität haben und folgedessen auch zum Widerspruch anregen.

Geschichtsphilosophie neigt zu Abstraktionen.

Darf ich zum Ausgangspunkt des Threads zurückkommen.

Alle gesellschaftlichen Umstürze sind mit Gewalt verbunden; ökonomischer und/oder außerökonomischer Gewalt, seht mir bitte diese marxistischen Termini nach, aber ich halte sie für zielführend. Thane und Rephraim ihr spracht die Legitimationsgrundlage von Macht an und da liegt m.E. der Punkt, alleine der Entzug der Legitimationsgrundlage der einstmals herrschenden Elite durch die neue Elite, ist die Folie für Gewalt.

Die Rformation (um mal Weber zu bemühen) ;)

Der Unabhängigkeitskrieg der Niederlande.

Die englische Revolution.

Der Unabhängigkeitskrieg der USA.

Die FR.

1848/49

Die OR.

Die NR.

Der Umbruch 1989 in den sog. sozialistischen Ländern.

usw. usf.

Selbst die Industrielle Revolution war mit Gewalt verbunden.

Den Einwurf, damit wird der Gewaltbegriff "verwässert" antizipiere ich schon.

Nur, ist der Entzug hergebrachter, legitimer Machtausübung durch eine neue Elite, deren Macht gemessen an der ursprünglichen Herrschaftsausübung der ehemaligen Elite illegitim erscheint, nicht per se die größte Gewaltausübung (?). Über Gewaltformen ließe sich dann diskutieren.


M.
 
Hab vielen Dank für Deine Beiträge, die essayistische Qualität haben und folgedessen auch zum Widerspruch anregen.

Geschichtsphilosophie neigt zu Abstraktionen.

Hoffe doch nicht, dass Sie wegen ihrer essayistischen Qualität, nur, zum Widerspruch einladen. Hm...vielleicht auch zur Zustimmung. ;)

Und die Abstraktion wollte ich auch eher im Kontext einer soziologischen Betrachtung vornehmen, aber das sind natürlich nur Begriffe.

Spannend wäre, die Diskussion auf die Legitimation von Gewalt zu lenken. Welche Muster werden von revolutionären Bewegungen herangezogen, um ihre Herrschaft durchzusetzen.

Inhaltlich sehe ich die Bewertung sozialer Prozesse bzw. bruchhafter sozialer Veränderungen ähnlich wie Du. Es muss "Arbeit" aufgewendet werden, um Strukturen zu zerbrechen, neue zu etablieren und dauerhaft durchzusetzen

Exkurs 1: Wer in einem Unternehmen arbeitet, dass "Change-Management" auf seine Fahnen geschrieben hat und die Unternehmenskultur anpassen möchte, der weiss, welche "arkanen Kräfte" entfesselt werden müssen, um dieses Ziel zu erreichen. Ähnliches gilt auch für soziale oder volkswirtschaftliche Transformationen.

Und wenn man den Begriff der "strukturellen Gewalt" (Galtung) als sinnvolles Konstrukt ansieht, dann ist es sowieso sehr schwer, den Gewaltbegriff in einem sehr beschränkten Sinne zu definieren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Man kann natürlich sagen, er lügt, aber selbst wenn, versucht er doch die Gewalt mit dem Streben nach Freiheit und Glück zu rechtfertigen, eher begründen (ich glaube R. hätte sich nie entschuldigend erklärt).
Früher hätte ich gesagt, dass er log. Heute bin ich eher der Meinung bzw. habe den Eindruck, dass er schlicht das selber glaubte, was er sagte. Man könnte ihn als Idealist bezeichnen. In seinem Weltbild folgte er einem Ideal, die Mittel ließen sich seines Erachtens moralisch rechtfertigen. Diese Rechtfertigungen waren also keine Lügen in dem Sinne, auch wenn er Lügen wahrscheinlich für seine Zwecke gebrauchte (vgl. Verleumdungen gegen die Dantonisten).
Ich bin mir nicht so ganz sicher, wie man den Terreur in eine Betrachtung der FR einbeziehen soll. Im Grunde bewirkte der Terreur erstmal keine Veränderung, sondern diente primär einem Erhalt (der "Errungenschaften" vom 2. Juni).
So ganz unrichtig war der Ausspruch von Saint-Just nicht als er sagte:
"La révolution est glacée, tous les principes sont affaiblis, il ne reste que des bonnets rouges portés par l'intrigue."
Die nächste revolutionäre Umwälzung fand dann mit dem Thermidor und der Entwicklung hin zur Verfassung des Directoire statt. Als Ergebnis mag zwar wiederum eine Art Diktatur eines kleinen Ausschusses, nicht viel größer als das Triumvirat Robespierre - Saint-Just - Couthon, installiert worden sein, aber das Bild, das Paris abgab, war dann wirklich ein völlig anderes als das der Zeit des Terreur.
 
Hoffe doch nicht, dass Sie wegen ihrer essayistischen Qualität, nur, zum Widerspruch einladen. Hm...vielleicht auch zur Zustimmung. ;)

...

Und wenn man den Begriff der "strukturellen Gewalt" (Galtung) als sinnvolles Konstrukt ansieht, dann ist es sowieso sehr schwer, den Gewaltbegriff in einem sehr beschränkten Sinne zu definieren.

@Thane

Widerspruch beinhaltet durchaus auch Zustimmung.

Strukturelle Gewalt ist m.E. evident. Um wieder nach diesem geschichtsphilosophischen Exkurs zur Geschichte zurück zu kommen, sollten wir die Ausformungen der Gewalt diskutieren. Ich glaube jschmidt hat das in ein paar Beiträgen weiter oben angesprochen, bedeutet Revolution immer auch Bürgerkrieg? Oder kann Gewalt auch sublimere Formen annnehmen, w.z.B. die radikale Umwälzung der Eigentumsverhältnisse und dabei denke ich nicht nur an die Oktoberrevolution, sondern z.B. auch an die Hyperinflation in 1923, die ganze soziale Schichten gleichsam enteignete, mit vielen sozialen und politischen Folgen und einer enormen, vorher nicht denkbaren gesellschaftlichen Polarisation.


M. :winke:.
 
bedeutet Revolution immer auch Bürgerkrieg?

Diesen Aspekt habe ich in Anlehnung an Gurr #72 versucht zu differenzieren.

Und folgt man dieser Klassifikation dann ist als Umschlag von einer Revolution zum Bürgerkrieg das Vorhandensein einer antirevolutionären Elite erforderlich, die den Widerstand systematisiert.

Grundsätzlich ist diese Annahme sicherlich richtig und man wird es für die FR und die RR diagnostizieren können.

So sinnvoll die Annahme von Gurr sein mag, dennoch kann man bezogen auf den Bürgerkrieg in der Vendee (1793) festhalten, dass die Organisation des Bürgerkriegs nicht durch den Adel geleistet wurde.

Dieser schloss sich dem religiös motivierten Widerstand gegen die säkularisierte FR erst an, als die Organisation bereits ein gewisses Stadium überschritten hatte. Als Widerstandszentren können der Klerus und !!!! vor allem jüngere Frauen identifiziert werden, die ihre Männer anstifteten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Und folgt man dieser Klassifikation dann ist als Umschlag von einer Revolution zum Bürgerkrieg das Vorhandensein einer antirevolutionären Elite erforderlich, die den Widerstand systematisiert

Da oben die Begrifflichkeiten angesprochen wurden:

Gewalt wäre demnach durch Veränderung der "immateriellen" Strukturen, Eingriffe in materielle Rechte (i. W. Eigentumsrechte) oder unmittelbar gegen die Personen selbst gekennzeichnet? Der Umschlag von Revolution in Bürgerkrieg erfolgt dann bei systematischen (=organisierten, gesellschaftlich fühlbaren) Widerstand?
 
Ja, im Sinne einer Gewaltspirale, die sich nicht nur durch Gewalt und Gegengewalt speist, sondern auch durch einen systematischen Bezug auf die Metaebene von Konflikten.

- auf das Herrschaftssystem und seine Legitimation
- auf rivalisierende ideologische Überzeugungen
- religiöse bzw. säkulare Glaubensbekenntnisse

Und dieser Bezug wird im Rahmen von Bürgerkriegen durch die rivalisierenden Eliten organisisert und sorgt damit für die Stabilität des Konflikts. Und auch für die Härte der Auseinandersetzung.
 
Und dieser Bezug wird im Rahmen von Bürgerkriegen durch die rivalisierenden Eliten organisisert und sorgt damit für die Stabilität des Konflikts. Und auch für die Härte der Auseinandersetzung.

Das verlockt zur Nachfrage, auf welchen Zeitpunkt bzw. Zustand der Hinweis auf rivalisierende Eliten abstellt: diese können auch erst im Zuge des Konflikts resp. Bürgerkrieg entstehen bzw. sich herausbilden und sind nicht als Charakterisierung des ex ante-Zustandes zu verstehen?
 
Zurück
Oben