Wussten die Deutschen was (!) sie 1929-1933 wählten?

Zu "Wer 'Mein Kampf' gelesen hatte": Das ist ein beliebtes Argument, um die Verantwortlichkeit der Deutschen hervorzuheben. Es wurde auch von den Siegern den Deutschen immer wieder vorgehalten und war und ist nur schwer zu entkräften. M.E. vergisst man, dass 'Mein Kampf' erst dann in gewaltiger Auflagenzahl den Deutschen vorlag (jedes Hochzeitspaar bekam ja das Buch überreicht), als Hitler schon fest "im Sattel saß", also Diktator war. Von da ab konnte einem die Kenntnis des Inhalts von "Mein Kampf" nichts mehr nützen (in dem Sinne etwa, dass man Hitler ablehnte). Wer Hitler jetzt noch entgegentreten wollte, wanderte ins KZ bzw. wurde "auf der Flucht erschossen". Vor der Machtergreifung lag es den Deutschen nur in geringer Stückzahl vor, ja, ich vermute, seine Existenz war den meisten Deutschen gar nicht bekannt. [„Die Zahl der eingeschriebenen Mitglieder (der NSDAP) stieg von 72117 Ende 1925 auf 1 414 975 Ende 1932. In dieser Zeit wurden von H.’s Buch „Mein Kampf“ 287000 Exemplare verkauft“ (s. Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte, 1965, S. 186)]. Das ist, bei einem 80-Millionen-Volk, eine sehr geringe Zahl, nur Parteimitglieder, evtl. auch einige Hitler-Gegner, haben vielleicht das Buch gekauft; ob sie’s dann auch gelesen haben, ist äußerst fraglich. Die Masse der Deutschen – wie gesagt – haben von dem Buch vor der Machtergreifung (m.E.) gar nichts gewusst. Außerdem, bei den ungeheuren wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Deutschen - wer hätte sich auch schon diesen Polit-Schinken, falls man von ihm doch gehört haben sollte, angeschafft? - Natürlich können sich die Deutschen mit der Unkenntnis dieses Buches (vor der Machtergreifung) nicht herausreden. Sie haben nun mal diesen Hitler gewählt – mehrheitlich – und der hat dann später diese Untaten begangen. Doch im Interesse der Wahrheitsfindung sollte man diese Verantwortlichkeit der Deutschen – gerade was das Buch „Mein Kampf“ betrifft – etwas differenzierter betrachten.
 
Zu "Wer 'Mein Kampf' gelesen hatte": Das ist ein beliebtes Argument, um die Verantwortlichkeit der Deutschen hervorzuheben. Es wurde auch von den Siegern den Deutschen immer wieder vorgehalten und war und ist nur schwer zu entkräften. M.E. vergisst man, dass 'Mein Kampf' erst dann in gewaltiger Auflagenzahl den Deutschen vorlag (jedes Hochzeitspaar bekam ja das Buch überreicht), als Hitler schon fest "im Sattel saß", also Diktator war. Von da ab konnte einem die Kenntnis des Inhalts von "Mein Kampf" nichts mehr nützen (in dem Sinne etwa, dass man Hitler ablehnte). Wer Hitler jetzt noch entgegentreten wollte, wanderte ins KZ bzw. wurde "auf der Flucht erschossen". Vor der Machtergreifung lag es den Deutschen nur in geringer Stückzahl vor, ja, ich vermute, seine Existenz war den meisten Deutschen gar nicht bekannt. [„Die Zahl der eingeschriebenen Mitglieder (der NSDAP) stieg von 72117 Ende 1925 auf 1 414 975 Ende 1932. In dieser Zeit wurden von H.’s Buch „Mein Kampf“ 287000 Exemplare verkauft“ (s. Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte, 1965, S. 186)]. Das ist, bei einem 80-Millionen-Volk, eine sehr geringe Zahl, nur Parteimitglieder, evtl. auch einige Hitler-Gegner, haben vielleicht das Buch gekauft; ob sie’s dann auch gelesen haben, ist äußerst fraglich. Die Masse der Deutschen – wie gesagt – haben von dem Buch vor der Machtergreifung (m.E.) gar nichts gewusst. Außerdem, bei den ungeheuren wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Deutschen - wer hätte sich auch schon diesen Polit-Schinken, falls man von ihm doch gehört haben sollte, angeschafft? - Natürlich können sich die Deutschen mit der Unkenntnis dieses Buches (vor der Machtergreifung) nicht herausreden. Sie haben nun mal diesen Hitler gewählt – mehrheitlich – und der hat dann später diese Untaten begangen. Doch im Interesse der Wahrheitsfindung sollte man diese Verantwortlichkeit der Deutschen – gerade was das Buch „Mein Kampf“ betrifft – etwas differenzierter betrachten.


Das kannst du alles in diesem Thread nachlesen.


Eine bitte noch, kannst du die nächsten Beiträge in normaler Schrift schreiben. Es ist viel lesefreundlicher und man muss nicht die Lupe nehmen um deine Beiträge zu lesen. Danke :winke:
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich finde es ist schwierig, sich heute in die Zeit Anfang der 30er Jahre reinzuversetzen.

-zu dem Wissen, was ein Politiker bringt, finde ich es heute auch noch schwer. Das Bild wird meist über Medien vermittelt, damals wie heute. Man sieht es an der gehypten Lichtgestalt Guttenberg, deren Bundeswehrreformerfolge nunja eher weniger durchschlagend gewesen sein sollen.

-Auch Gerhart Schröder wurde Ende der 90er von Bild, BamS und Glotze gehypt, die Leute sehnten sich nach linker Politik nach 16 Jahren Kohl - und bekamen den Genossen der Bosse aka Gas Gerd...

Auch heute verfassen Politiker sogar oft mehrere Bücher, aber lange nicht jeder liest sie...

Ich schätze, dass es damals in den Grundzügen auch schon so war. Ich sag nur Hugenberg.
 
Sie haben nun mal diesen Hitler gewählt – mehrheitlich – und der hat dann später diese Untaten begangen. Doch im Interesse der Wahrheitsfindung sollte man diese Verantwortlichkeit der Deutschen – gerade was das Buch „Mein Kampf“ betrifft – etwas differenzierter betrachten.

"Mein Kampf" hin oder her - dieser Mann hat doch auch Reden gehalten, Auftritte gehabt. Und vor allem: Auch seine Schergen haben ja auf der Strasse deutlich gezeigt, "woher der Wind weht" bzw. wehen wuerde.

Ich denke schon, dass man sich wenigstens ungefæhr ausmalen konnte, dass man es hier nicht mit einer demokratischen Partei zu tun hatte.



Aber selbst wenn man das noch abtun møchte, indem man (sich) sagte:

- "wo gehobelt wird, fallen Spæne"
- "so schlimm wird's nicht werden"
- "die anderen sind auch nicht besser"
usw. usw.

Die Eigenverantwortung kann man niemandem abnehmen. Und es war eben nicht nur Hitler, der die Juden ermordet hat und einen Weltkrieg vom Zaun brach, sondern eine Heerschar von Leuten, die begeistert mitmachten, von willigen Helfern und Helfershelfern.
Es gab nicht nur den Vater, der zur Wehrmacht musste, weil's halt damals so Pflicht war: Es gab Denunzianten, Mørder, Lumpen, Verbrecher...Menschen, die das System vielleicht nicht nur unterstuetzt haben, sondern sogar Motor waren.

Ob nun "Mein Kampf" gelesen wurde oder nicht, auch damals schon konnte man sicher erkennen, was falsch und richtig war.

Gruss, muheijo
 
Zu "Wer 'Mein Kampf' gelesen hatte": Das ist ein beliebtes Argument, um die Verantwortlichkeit der Deutschen hervorzuheben. Es wurde auch von den Siegern den Deutschen immer wieder vorgehalten und war und ist nur schwer zu entkräften. M.E. vergisst man, dass 'Mein Kampf' erst dann in gewaltiger Auflagenzahl den Deutschen vorlag (jedes Hochzeitspaar bekam ja das Buch überreicht), als Hitler schon fest "im Sattel saß", also Diktator war. Von da ab konnte einem die Kenntnis des Inhalts von "Mein Kampf" nichts mehr nützen (in dem Sinne etwa, dass man Hitler ablehnte). Wer Hitler jetzt noch entgegentreten wollte, wanderte ins KZ bzw. wurde "auf der Flucht erschossen". Vor der Machtergreifung lag es den Deutschen nur in geringer Stückzahl vor, ja, ich vermute, seine Existenz war den meisten Deutschen gar nicht bekannt. [„Die Zahl der eingeschriebenen Mitglieder (der NSDAP) stieg von 72117 Ende 1925 auf 1 414 975 Ende 1932. In dieser Zeit wurden von H.’s Buch „Mein Kampf“ 287000 Exemplare verkauft“ (s. Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte, 1965, S. 186)]. Das ist, bei einem 80-Millionen-Volk, eine sehr geringe Zahl, nur Parteimitglieder, evtl. auch einige Hitler-Gegner, haben vielleicht das Buch gekauft; ob sie’s dann auch gelesen haben, ist äußerst fraglich. Die Masse der Deutschen – wie gesagt – haben von dem Buch vor der Machtergreifung (m.E.) gar nichts gewusst. Außerdem, bei den ungeheuren wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Deutschen - wer hätte sich auch schon diesen Polit-Schinken, falls man von ihm doch gehört haben sollte, angeschafft? - Natürlich können sich die Deutschen mit der Unkenntnis dieses Buches (vor der Machtergreifung) nicht herausreden. Sie haben nun mal diesen Hitler gewählt – mehrheitlich – und der hat dann später diese Untaten begangen. Doch im Interesse der Wahrheitsfindung sollte man diese Verantwortlichkeit der Deutschen – gerade was das Buch „Mein Kampf“ betrifft – etwas differenzierter betrachten.

Das alles ändert ja nichts daran, dass MK nicht die einzige Publikation der Nazis war, Völkischer Beobachter und Stürmer war für jedermann zu lesen, zudem die Meinung der bürgerlichen Presse - die vielfach in den Händen Hugenbergs war - und der proletarischen Presse zu den Nazis und ihren Bekundungen. Gerade den Menschen in den Großstädten aber auch auf den Dörfern konnte nicht entgehen, was die Nazis auf der Straße veranstalteten: Straßenkämpfe und Saalschlachten. Nicht zuletzt war Hitler Wahlkämpfer, der vieles von dem, was er geschrieben hatte in ähnlicher Form auch in seinen Wahlkampfreden von sich gab.
 
Nicht zuletzt war Hitler Wahlkämpfer, der vieles von dem, was er geschrieben hatte in ähnlicher Form auch in seinen Wahlkampfreden von sich gab.


Hitler selbst siehst sich ja als großer Redner. Und auch bei den Zeitgenossen kann man diese Einschätzung lesen.

Ich hatte vor Jahren mal Gelegenheit in den USA 2-3 seiner Wahl-Reden aus den beginnenden 30ern von CD/DVD anzuhören.
Es ist vollkommen unverständlich wie damit eine Wirkung erreicht worden sein soll.
Selbst wenn man versucht verschiedene Faktoren einzurechnen, das Wissen was daraus geworden ist, die fehlende Masse usw. usf.

es ist das ekelhafte Gegeifere eines Verrückten.

Dem Nachgeborenen völlig unbegreiflich.
 
Da ist halt die Frage, wie viel von unserem Wissen und der Gnade des Spätgeborenseins da mit hinein spielt. Ich verstehe die Wirkung H.s auf sein Publikum auch nicht.
Was H. allerdings machte und worin er sich von seinen Konkurrenten unterschied, das war die Nutzung aller technischen Mittel im Wahlkampf: Flugzeug, Radio etc. Man darf wohl sagen, H. war in den Spätjahren der Weimarer Republik der präsenteste der wahlkämpfenden Politiker, der die meisten Kilometer machte. Und das ist bis heute so: Die Menschen erwarten von den Politikern Nähe. Nehmen wir das Muldehochwasser 2002. Vor 2002 war die Mulde ein eher regional bekannter Fluss, im Sommer 2002 beherrschte sie die Medien. Und es war Wahlkampf. Kanzler und Wahlkämpfer Schröder ließ sich vor Ort sehen, Wahlkämpfer und Herausforderer Stoiber nicht. Erst einige Tage später, nachdem die Öffentlichkeit schon deswegen über ihn hergefallen war. Beide konnten eigentlich nichts tun, als dumm aus der Wäsche gucken und ein paar mehr oder weniger kluge Sprüche ablassen - und doch wurde die Anwesenheit von ihnen erwartet bzw. die Abwesenheit ihnen angekreidet. Bei Obama war es im vergangenen Jahr dasselbe, seine Abwesenheit beim Ölunglück wurde ihm angekreidet. Aber was hätte er am Golf von México tun sollen? Das Leck mit seinen Händen stopfen? (Nein, das sind keine politischen Statements, es sind Beispiele dafür, dass es den Menschen wichtig ist, dass die Politiker zumindest medial präsent sind.)
 
Nein, wußten sie in ihrer überwiegenden Mehrheit nicht. Des Weiteren hat Hitler seine Aussagen im Zuge seiner zahlreichen Wahlkampfauftritte dem jeweiligen Publikum angepasste. Jeder bekam das zu hören, was er/sie hören wollte. Wenn jemand sich einmal die Mühe gemacht hätte, seine Wahlkampfaussagen auszuwerten, wäre zumindest aufgefallen, das der inhaltliche Gehalt dieser Reden doch gering war.


"Wir Nationalsozialisten werden dann den Staat auf legalem Wege erobert haben und ihm das Gepräge einer nationalen Gemeinschaft geben ... Wenn es aber dann soweit ist, dann: Wehe unseren Feinden!"

Diese Worte Hitlers in immer ähnlichen Wendungen konnte man auf jeder Wahlveranstaltung zwischen 1930 und 1933 hören. Die Nationalsozialisten hatten von vornherein darauf verzichtet, ihre wahren Ziele und Absichten auch nur im geringsten zu verbergen oder abtzschwächen. Nichts von alledem, was kommen sollte, war verschwiegen worden, aber diese Wahrheit wurde so klar und mit brutaler Nacktheit ausgesprochen, dass man sie gerade deshalb nicht glaubte, nicht einmal unter den am schwersten Betroffenen, den Juden, als die Henker schon Hand angelegt hatten.

Die beste und treffendste Deutung der politischen Psychologie des deutschen Bürgertums in der Weimarer Zeit gibt Max Frisch in seinem Schauspiel Biedermann und die Brandstifter: "Die beste und sicherste Tarnung ist immer noch die blanke und nackte Wahrheit. Komischerweise. Die glaubt niemand."
 
(Nein, das sind keine politischen Statements, es sind Beispiele dafür, dass es den Menschen wichtig ist, dass die Politiker zumindest medial präsent sind.)


Bleiben wir doch historisch.
Conny Adenauer der so ums verrecken die Mauer nicht sehen wollte. (naja, die nächste Wahl hat er doch gewonnen)
dagegen Kennedy und viel später Raegan mit ihren Berliner Reden.
 
"Wir Nationalsozialisten werden dann den Staat auf legalem Wege erobert haben und ihm das Gepräge einer nationalen Gemeinschaft geben ... Wenn es aber dann soweit ist, dann: Wehe unseren Feinden!"

Einspruch! Wenn auch OT.

Ob nun Hitler zitierte Worte gebraucht hat oder ob heute solche Begriffe wie "Schurkenstaaten" oder "Achse des Bösen" fallen zeigt deutlich, dass die Rhethorik sich nicht wirklich unterscheidet. Wer bitte sollte/soll da gut, böse, Recht und Unrecht trennen können?

OT aus.

Grüße
excideuil
 
Dieter schrieb:
Wir Nationalsozialisten werden dann den Staat auf legalem Wege erobert haben und ihm das Gepräge einer nationalen Gemeinschaft geben ... Wenn es aber dann soweit ist, dann: Wehe unseren Feinden!"

Der erste Teil des Zitats ist mir geläufig, der zweite aber nicht. Hast du dafür eine Quelle?
 
Wer bitte sollte/soll da gut, böse, Recht und Unrecht trennen können

Die Feinde der Nationalsozialisten wurden sehr genau benannt und es konnte überhaupt kin Zweifel daran bestehen, wer "die ganze Wucht unserer völkischen Bewegung" zu spüren bekommen sollte. "Die marxistischen Verbrecher werden unnachsichtig verfolgt." Ferner ohnehin die "Novemberverbrecher", die "sozialistischen Volksverräter", "der Abschaum der Juden" und natürlich "alle, die sich der Bewegung und den Zielen der Partei in den Weg stellen".

Wer also die Knute der Nazis zu fürchten hatte, war völlig klar.
 
"Mein Kampf" hin oder her - dieser Mann hat doch auch Reden gehalten, Auftritte gehabt. Und vor allem: Auch seine Schergen haben ja auf der Strasse deutlich gezeigt, "woher der Wind weht" bzw. wehen wuerde.

Ich denke schon, dass man sich wenigstens ungefæhr ausmalen konnte, dass man es hier nicht mit einer demokratischen Partei zu tun hatte.

Diese Straßenprügelnazis waren ja meist auch recht junge Leute. Hier wäre es auch mal interessant zu klären, inwieweit die Perspektivlosikeit und speziell die Jugendarbeitslosigkeit in der Weimarer Republik die jungen Männer radikalisiert hat. Ich denke das wird eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben. Der Kampf rechts gegen links in den 20ern fiel ja nicht vom Himmel.

Die NSDAP schaffte es, einen großen Teil dieser Leute mitzunehmen und zu einer "Bewegung" für ihre Ziele zu formen.

Ähnliche Prozesse laufen ja auch heute in manchen Teilen der neuen Bundesländer ab.

Für viele der Älteren waren nach Versailles wahrscheinlich die ganzen restaurativen Elemente im NSDAP-Programm attraktiv.

Für Jung und alt der mediengehypte Führer, der ja teilweise in den Fußstapfen von Kaiser Wilhelm und der "guten alten Zeit" gesehen wurde.

Mein Eindruck ist, dass die ganzen totalitären und vernichtenden Elemente von vielen Wählern einfach in Kauf genommen wurde. Generell war man zu dieser Zeit mit den Menschenrechten ohnehin weniger Zimperlich, auf anderen Kontinenten wurden zu der Zeit Experimente an Ureinwohnern durchgeführt, in den USA mussten Schwarze im Bus hinten sitzen...

Nach der Implementation des Nationalsozialismus stellte sich dann auch für den kleinen Mann raus, dass konformistische Hardliner und Sadisten die meisten Karrierechancen hatten. Man konnte leicht Karriere im System machen indem man sein Anstandsgefühl ignorierte, sofern man je eines besessen hatte. Genug Leute ohne Weitblick gaben als Schreibtischtäter ohne Weitblick und Gefühl für die Konsequenzen ihres Handelns wahnsinnige Befehle weiter. Für Sadisten begann ohnehin eine große Zeit...

Ich denke, die meisten Leute wussten 1933 nicht, was für ein System sie erwartete, sie hatten kaum konkrete Vorstellungen von einem totalitären Faschismus in der Praxis mit seinen Konsequenzen.

Viele, wie ja auch in der Regierung dachten ja auch, dass Hitler im Wahlkampf reißerische Reden hielt, aber an der Macht dann schnell zur Vernunft kommen würde. (Die angekündigte "Lösung der Judenfrage" klang natürlich reißerisch, aber die Umsetzung ist natürlich noch mal eine andere Frage)
Dass er die Weimarer Republik in 2-3 Jahren zum Führerstaat umbauen konnte, ohne dass es eine große Gegenwehr politisch und gesellschaftlich relevanter Gruppen gab, war für viele sicher die erste Überraschung.
Das ging aus Sicht von 80% der Bevölkerung schnell und einigermaßen ungestört über die Bühne (sofern man nicht bei den Roten, "vaterlandslosen" Parteien Mitglied war). Aus Sicht wilhelministisch geprägter Konservativer war das vielleicht soagr ein "Reinigungsprozeß".
Die zweite Überraschung (die eigentlich keine mehr war) war, dass er dann tatsächlich auf dieser Basis kompromisslos seine Programme bis in die letzte grausame Konsequenz verwirklichte.

Es bleibt für mich immer noch die Frage, wo der Point of no return auch durch das Volk überschritten wurde. Hitler wurde bis zur Machtübernehme von den meisten Unterschätzt. Dann war er an der Macht, aber begann natürlich auch sofort, durch die Propaganda den Leuten das Hirn zu waschen...

Begleitet durch Inszenierung seiner Selbst, eigener Machtausweitung, aber gleichzeitig auch das gezielte Einschränken von gewissen "normalen" Bürgerrechten sowie der zunehmend radikalen Diskriminierung und später Verfolgung von Minderheiten.
Wieso hat das Volk an bestimmten Stellen nicht STOP gesagt? Einerseits wurde das in der Nachkriegszeit den Deutschen immer wieder vorgeworfen, aber andererseits: wie realistisch wäre das gewesen? Wie hätte sich bei all den oppotunistischen Mitläufern eine größere Opposition entwickeln können?

Ich würde nicht soweit gehen wie Goldhagen, dass die Deutschen "willige Vollstrecker" gewesen wären. Ein großer Teil waren aber piefige opportunistische Kleinbürger, dem Obrigkeitsdenken des Kaiserreichs verhaftet, die letztlich bereit waren, "Unannehmlichkeiten" (aus ihrer Sicht!) im 3. Reich mitzutragen und durchzusetzen, sofern es einen selbst nicht betraf, die Ostgebiete weit weg waren (bzw. die KZs ausser Sichtweite) und man evtl. sogar persönlich davon profitieren konnte.

Georg Elser hat erkannt, dass er diesen unheilvollen gesellschaftlichen Prozess letztlich nur stoppen konnte, indem er das Übel an der Wurzel ausrottete, was ihm am 8.9.1939 leider misslang.

Die Frage bleibt natürlich, warum es nicht mehr Menschen wie Elser gab. Waren die anderen zu eingeschüchtert? Oder hat es sie nicht interessiert? Oder haben sie sogar profitiert?
Wahrscheinlich gab es in D tatsächlich zu viele Mitläufer, welche sich selbst am nächsten waren und auf den eigenen Vorteil achteten.

Und um die Frage zu beantworten:

Aus meiner Sicht haben die Leute gewusst, wen sie wählen, aber sie hielten die Umsetzung für unwahrscheinlich, falls es doch klappt war es ihnen vermutlich auch egal, solange Arbeit da ist, abends was vernünftiges auf dem Tisch steht und man nicht ständig mit abgemagerten KZ-Häftlingen konfrontiert ist ("irgendwas werden die schon angestellt haben!") - so hart es klingt!
 
Die Feinde der Nationalsozialisten wurden sehr genau benannt und es konnte überhaupt kin Zweifel daran bestehen, wer "die ganze Wucht unserer völkischen Bewegung" zu spüren bekommen sollte. "Die marxistischen Verbrecher werden unnachsichtig verfolgt." Ferner ohnehin die "Novemberverbrecher", die "sozialistischen Volksverräter", "der Abschaum der Juden" und natürlich "alle, die sich der Bewegung und den Zielen der Partei in den Weg stellen".

Wer also die Knute der Nazis zu fürchten hatte, war völlig klar.

Ich gebe dir völlig recht, wenn wir Nachgeborene dies historisch betrachten. Gar keine Frage, aber genau da liegt das Problem.

Wenn alles so klar und deutlich war, warum ist dann Hitler an die Macht gekommen? Parlamentarisch wäre es zu verhindern gewesen, wenn sich alle anderen Parteien einig gewesen wären. Waren sie aber nicht.
Wenn also selbst in intellektuellen Kreisen H. Absichten nicht richtig gedeutet wurden, warum erwartet man dies vom "dt. Michel"? Warum wird versucht, zu beweisen, dass jeder es hätte wissen können ja müssen? Ich kann den Sinn nicht erkennen.

Grüße
excideuil
 
Die Feinde der Nationalsozialisten wurden sehr genau benannt und es konnte überhaupt kin Zweifel daran bestehen, wer "die ganze Wucht unserer völkischen Bewegung" zu spüren bekommen sollte. "Die marxistischen Verbrecher werden unnachsichtig verfolgt." Ferner ohnehin die "Novemberverbrecher", die "sozialistischen Volksverräter", "der Abschaum der Juden" und natürlich "alle, die sich der Bewegung und den Zielen der Partei in den Weg stellen".

Wer also die Knute der Nazis zu fürchten hatte, war völlig klar.


Was oft übersehen wird:
Die Liberalen wurden ebenfalls als Feinde betrachtet, sehr mißtrauisch beobachtet.
Da sie nicht als Gegner bei Straßenschlachten aufgetreten waren, musste man anders vorgehen.
Ehemalige Mitglieder liberaler Parteien hatten keine Chance in eine Naziorganisation aufgenommen zu werden.
z.B.: Beamte mit liberaler Vergangenheit kuranzt und schikaniert, wenn ihnen das nicht reichte, stellte man bei einer überraschenden Kassenprüfung einen "Fehlbestand" von 20RM fest, und jagte sie mit Schimpf und Schande davon....

Ich kenne den Fall eines liberalen Gemeinderates, (Handwerker) der sich etliche Monate weigerte sein vom Wähler übertragenes Mandat aufzugeben. "Unbekannte" zertrümmerten ihm die Werkstatt, außerdem machte man ihm klar, dass er die nächsten 4-5 Leben mit keinerlei öffentlichen Aufträgen zu rechnen habe.

Es ist in der Ausführlichkeit natürlich OT, ich weiß auch nicht, inwieweit dies außerhalb des Südwestens, wo die Liberalen eine recht große Rolle spielten, auch der Fall war.
Jedenfalls wird die Gruppe der Liberalen als Feinde der Nazis in der Regel nicht weiter beachtet.
 
@ Muheijo hat den Begriff der "Verantwortung iin die Diskssion gebracht. Dem kann ich nur zustimmen.

Das hat doch auch etwas mit Demokratieverständniss zu tun. Spätestens wenn ich eine Partei wähle, habe ich in einer Demokratie die Pflicht, mich über die Ziele dieser Partei zu informieren, auch wenn ich die Biografie des Zugpferdes der Partei nicht bei meiner Hochzeit frei Haus geliefert bekomme.

Zugegeben, heute hilft die Presse da ungemein. Jeder Politiker muss damit rechnen, dass auch in kleinem Kreis bei Wahlveranstaltungen geäußerte fremdenfeindliche Parolen am nächsten Tag die Titelseiten schmücken.

Wer einen Demokratiefeind an die Macht wählt, wer sich wünscht, die ihm durch das politische System aufgegebene Verantwortung an einen starken "Führer" abzugeben, der trägt selbstverständlich auch Mitverantwortung für das Handeln dieses Politikers.

Inwieweit und wann der Einzelne, der die NSDAP nicht gewählt hat, die Verantwortung als mitfühlendes menschliches Wesen wahrnnehmen musste, gegen Mord und Unterdrückung vorzugehen, ist eine andere Frage.
Inwieweit die Presse ihrer Verantwortung nachgekommen ist, die Bevölkerung über Absichten und Ziele der NSDAP zu informieren ebenso.
 
Wohl auch weil die Liberalen nicht mehr all zu viel einfluss in den 30er Jahren hatten. 1932 erhielt die deutsche Staatspartei (zuvor DDP) grade einmal 1% der Stimmen. Die gemäßigt Konservative DVP, die ursprünglich aus den Nationalliberalen hervorgegangen war) erhielt im Juli 1,2% und im November 1,8% der Stimmen. Außerdem waren im Reichsbanner durchaus auch Liberale (DDP) vertreten, also auch auf der Straße gegen die SA kämpften. Allerdings war das Reichsbanner natürlich größtenteils Sozialdmeokratisch geprägt, sodass die wenigen Liberalen wohl kaum aufgefallen sein dürften. Die Fraktion der Deutschen Staatspartei (unter anderem auch Heuss) haben für das Ermächtigungsgesetz gestimmt. Auch in Baden und Württemberg hatte die DDP/Deutsche Staatspartei bei Landtagswahlen keine 5% mehr erreicht.
 
Georg Elser hat erkannt, dass er diesen unheilvollen gesellschaftlichen Prozess letztlich nur stoppen konnte, indem er das Übel an der Wurzel ausrottete, was ihm am 8.9.1939 leider misslang.

Wenn wir hier Georg Elser selber zu Wort kommen lassen wollen.

Auszug aus dem Verhörprotokoll:

»die Verhältnisse der Arbeiterschaft bessern und einen Krieg vermeiden«.

Das kann man hier nachlesen:

Georg Elser "Ich habe den Krieg verhindern wollen" - Eine Dokumentation

Die Frage bleibt natürlich, warum es nicht mehr Menschen wie Elser gab.

Es gab einen Widerstand, der aber nicht bereit war ein Staatsoberhaupt zu töten. Nach dem Attentat im Burgbräukeller wurde die Sicherheitsvorkehrungen erhöht. Versuche Hitler zu töten gab es eine Menge:

Chronik aller Attentate auf Hitler


Waren die anderen zu eingeschüchtert? Oder hat es sie nicht interessiert? Oder haben sie sogar profitiert?

Wie gesagt es gab Widerstand und Menschen die bereits 1933 die Zeichen erkannten.

Ein grosses Problem war, dass 1933 (von dieser Zeit sprechen wir hier ja eigentlich) die Arbeiterschaft nicht organisiert waren. Die SPD und die KPD bekämpfte sich lieber gegenseitig, als das man die Gefahr von der NSDAP zusammen bekämpfte. Die SPD sah in der KPD ihren Feind.

Deshalb gelang es auch nicht einen gemeinsamen Arbeiterwiderstand aufzubauen. Und nachdem die KPD verboten, ihre Führer in den KZ's sassen oder ins Exil gingen, ebenso bei der SPD, war es schon zu spät. Mit der Zerrschlagung der Gewerkschaften wurde es sehr schwer einen gesammten Widerstand aufzubauen.



Und um die Frage zu beantworten:

Aus meiner Sicht haben die Leute gewusst, wen sie wählen, aber sie hielten die Umsetzung für unwahrscheinlich, falls es doch klappt war es ihnen vermutlich auch egal, solange Arbeit da ist, abends was vernünftiges auf dem Tisch steht und man nicht ständig mit abgemagerten KZ-Häftlingen konfrontiert ist ("irgendwas werden die schon angestellt haben!") - so hart es klingt!

Nicht die Zeiten durcheinander bringen.

1929 bis zum Jan. 1933 gab es noch keine KZ-Häftlinge. Das erste KZ war Dachau (22. März 1933). Zuvor gab es wilde KZs.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich möchte aber doch festhalten, das es Hitler und seiner Partei nie gelungen ist, in freien Wahlen die Mehrheit der Stimmen wahlberechtigten Bevölkerung für sich zu gewinnen.

Des Weiteren sind die Wahlerfolge der NSDAP unbedingt im Kontext der Weltwirtschaftskrise seit 1929 und deren spezifische Auswirkungen auf die Republik zu sehen. Die Menschen wollten ,verständlicherweise, das es Ihnen besser geht und "der Führer" hat ihnen das Blaue vom Himmel versprochen.

Außerdem ist die autoritäre Umgestaltung Deutschlands mit dem Beginn der Präsidialregieungen und der Verfassungsrealität in Rechung zu stellen.

Ob die Leute tatsächlich wussten, welch furchtbares Monster sie sich da holten oder ob die Menschen nur das hörten, was sie tatsächlich hören wollten, das laße ich einmal offen.

Wenn du heute auf die Straße gehst und und die Bürger und Bürgerinne nach der Parteiprogrammatik der CDU oder SPD fragst, wird dir fast keiner ein vernünftige Antwort geben können. Weshalb sollte es damals anders gewesen sein.
 
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