Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Immer wieder wird in den Diskussionen ja auf eine Übersetzung anstelle auf den lateinischen Text Bezug genommen und anstatt die lateinischen Textstellen zu hinterfragen wird immer wieder an den deutschen Übersetzungen herumgedeutelt. Meist stammen die aus der Feder von Walther Sontheimer aus dem Jahr 1964. Man darf annehmen, dass der damals 74jährige Sontheimer umsichtiger übersetzt hätte und weniger frei mit seinen Interpretationen des Originaltextes umgegangen wäre, wenn er gewusst hätte, was seine Übersetzung der taciteischen Annalen teilweise für abstruse Wirkungen haben könnte.
Seit diesem Jahr liegt von Alfons Städele eine neue Übersetzung der Annalen vor, die in drei Bänden soeben erschienen ist. Ich kenne sie selber noch nicht, hoffe aber darauf, dass Städele umsichtiger übersetzt hat. (Nichts gegen Sontheimers ÜS von 1964, die ist schon in Ordnung, aber wie gesagt, sie lässt im Deutschen Interpretationsspielraum an Stellen zu, der im lateinischen Original nicht gegeben ist, bzw. interpretiert vor - was wiederum ein Nebeneffekt des Übersetzens ist, um den wohl kein Übersetzer drum herum kommt, also wohl auch Städele nicht).
 
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So weit ich das Szenario verstehe, ist es doch wesentlich für den Erfolg des Angreifers am Kalkrieser Berg, daß sie dort mit punktueller, zahlenmäßiger Überlegenheit die Römer im Engpaß attackieren konnten.

Da bin ich anderer Meinung:

Wenn man dort (anfangs) eine zahlenmäßige Überlegenheit gehabt hätte, wäre der Wall schlicht überflüssig und Zeitverschwendung gewesen.

Ein Wall/Befestigung ist nur sinnvoll bei temporärer Defensive. Diese Funktion kann sich - Ausgang des Gefechts ist bekannt - nur auf die Frühphase beziehen, und schließt ein offensives Mitwirken der Wallbesatzung in späterer Phase keineswegs aus.

Der Wall deckt - unter perfekter Ausnutzung der Topographie - somit eingangs (nur) die Bedrohung der oben breit diskutierten Engpaßstelle, führt - durch die Bedrohung - zu einer erheblichen Bindung gegnerischer Kräfte, und spart dabei als Befestigung zugleich Kräfte gegen den Durchbruch ein. Der Erbauer des Walls muss kalkuliert haben, dass es gegen die Flankenbedrohung des Durchmarsches einen römischen Angriff geben würde (was auch logisch ist).
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist eine singuläre Überlieferung bei Cassius Dio mit der bekannten Problematik.

ich habe jetzt auch die Stelle gefunden:

Cassius Dio: Römische Geschichte, 19 (1):

Daher konzentrierte Varus seine Legionen nicht, wie es im Feindesland richtig gewesen wäre, sondern kommandierte von ihnen viele (Soldaten) zu denjenigen ab, die ihn hierum baten, weil sie zu schwach seien, etwa zur Bewachung gewisser Plätze oder zur Ergreifung von Räubern sowie zur Sicherung von Proviantkolonnen.

Internet-Portal "Westfälische Geschichte"
 
salvus schrieb:
Also grob skizziert etwa so:

Die Römer nähern sich aus östlicher Richtung und werden seitlich aus Waldkanten und Verhauen attackiert. Sie sind also in Kämpfe verwickelt. Die Grundordnung bleibt erhalten, d.h. Tote und Verwundete werden geborgen, Ausrüstung gesichert. Eine mögliche Voraufklärung erkennt evt. den Engpass und den Wall. Aber wie sollen die Römer reagieren? Ausweichen in nördliche Richtung (Moor) oder in südliche Richtung (Hang des Wiehengebirges=felsig/dichter Wald) kommt nicht infrage. Bleibt nur der Rückzug nach Osten. Und den werden die Germanen zu verhindern gewußt haben.
O.K., vor dem Wall gab es nach Deinem Scenario schwere Gefechte. Gab es dabei Tote?
Die Kalkriese-Ausgräber interpretieren die Funde, dass die römischen Toten im Bereich des Walls ausgeplündert und ihrer Rüstungen beraubt worden sind. Führen wir das mal uns vor unserem geistigem Auge. Haben die siegreichen Germanen dann im östlichen Bereich vor dem Wall die römischen Leichen weggetragen und dann im Wallbereich gefleddert? Wie glaubwürdig ist das denn? Ich will einem toten Legionär um seine Rüstung erleichtern. Dazu trage ich ihn 800 Meter zu einem zentralen Sammelplatz? Wird aber im östlichen Bereich vor dem Wall keine nennenswerte Funde - wie im Wallbereich - gefunden, dann kann man dort nicht einfach Gefechte voraussetzen.

Eine Problematik bei Kalkriese ist auch die Fundinterpretation. Finde ich einen Schädel, dann gibt es keine Debatte und Interpretationsmöglichkeit. Ich habe genau einen Toten vor mir - denn ohne Schädel ist nicht gut weiterleben. Finde ich drei Rippen, dann ist schon ein Interpretationsspielraum gegeben. Ein Toter oder gar drei arme Opfer? Das kann ein Anthropologe oder Mediziner wohl klären, ob sich die drei Rippen auf ein Individuum zurückführen lassen oder ob es sich um mehrere Opfer handelt. Notfalls hilft uns hier die DNA.
Schwierig wird es bei den Resten von Kettenhemden. Was will ich erreichen? Habe ich jetzt 500 kleine Segmente von Kettenhemden vorliegen, kann man dies auf ein Kettenhemd zurückführen oder halt 500 verschiedene Kettenhemden annehmen. Entsprechend ist dann die Argumention von einem kleinen Scharmützel oder einer großen Schlacht möglich. Ich habe da hinsichtlich der Objektivität der Ausgräber in Kalkriese zwischenzeitlich wenig Vertrauen. Es wird in größerer Entfernung zu Kalkriese ein Pferdegeschirr-Anhänger gefunden. Für Frau Wilbers-Rost ist dies gleich die Gelegenheit, den Fundort als Beginn der Varus-Schlacht zu interpretieren. Es scheint wohl gleich abwegig zu sein, dass ein römischer Reiter

-unter Drusus
oder
-unter Tiberius im "immensum bellum"

das Teil verloren hat.
 
Wird aber im östlichen Bereich vor dem Wall keine nennenswerte Funde - wie im Wallbereich - gefunden, dann kann man dort nicht einfach Gefechte voraussetzen.

Sehe ich nicht so. Schließlich ist das Gebiet nicht annähernd ergraben. In wie weit es prospektiert wurde, ist mir nicht bekannt. Wir können aber nicht immer so tun, als sei das ganze Schlachtfeld in seinem Ausmaß schon bekannt.

Schwierig wird es bei den Resten von Kettenhemden. Was will ich erreichen? Habe ich jetzt 500 kleine Segmente von Kettenhemden vorliegen, kann man dies auf ein Kettenhemd zurückführen oder halt 500 verschiedene Kettenhemden annehmen.

Anzunehmen sind bei zusammengehörenden Teilen allerdings eher Rostklumpen, als viele kleine Einzelstücke.


Entsprechend ist dann die Argumention von einem kleinen Scharmützel oder einer großen Schlacht möglich. Ich habe da hinsichtlich der Objektivität der Ausgräber in Kalkriese zwischenzeitlich wenig Vertrauen. Es wird in größerer Entfernung zu Kalkriese ein Pferdegeschirr-Anhänger gefunden. Für Frau Wilbers-Rost ist dies gleich die Gelegenheit, den Fundort als Beginn der Varus-Schlacht zu interpretieren.

Wo wurde der Pferdegeschirranhänger gefunden? In Venne? Das sind gerade mal sieben km. Derselbe Weg, der durch den Kalkrieser Wall bedrängt wurde, ein Stück zurück. Wir müssen bedenken, dass wir hier von drei Legionen, plus Tross und sechs zubefohlenen Kohorten und ebensovielen Reitereinheiten reden, selbst wenn diese nicht alle in Vollstärke angetreten waren, ein ganz ordentlicher Menschenhaufen. Und der Wall spricht gegen die Interpretation eines Scharmützels. Ein solches Bauwerk errichtet man nur dann, wenn es sich auch lohnt, nämlich wenn man selber etwas dorthin lenken kann, was die entsprechende Menschenmenge mit sich führt.
 
O.K., vor dem Wall gab es nach Deinem Scenario schwere Gefechte. Gab es dabei Tote?
Die Kalkriese-Ausgräber interpretieren die Funde, dass die römischen Toten im Bereich des Walls ausgeplündert und ihrer Rüstungen beraubt worden sind. Führen wir das mal uns vor unserem geistigem Auge. Haben die siegreichen Germanen dann im östlichen Bereich vor dem Wall die römischen Leichen weggetragen und dann im Wallbereich gefleddert? Wie glaubwürdig ist das denn? Ich will einem toten Legionär um seine Rüstung erleichtern. Dazu trage ich ihn 800 Meter zu einem zentralen Sammelplatz? Wird aber im östlichen Bereich vor dem Wall keine nennenswerte Funde - wie im Wallbereich - gefunden, dann kann man dort nicht einfach Gefechte voraussetzen.

Eine Problematik bei Kalkriese ist auch die Fundinterpretation. Finde ich einen Schädel, dann gibt es keine Debatte und Interpretationsmöglichkeit. Ich habe genau einen Toten vor mir - denn ohne Schädel ist nicht gut weiterleben. Finde ich drei Rippen, dann ist schon ein Interpretationsspielraum gegeben. Ein Toter oder gar drei arme Opfer? Das kann ein Anthropologe oder Mediziner wohl klären, ob sich die drei Rippen auf ein Individuum zurückführen lassen oder ob es sich um mehrere Opfer handelt. Notfalls hilft uns hier die DNA.
Schwierig wird es bei den Resten von Kettenhemden. Was will ich erreichen? Habe ich jetzt 500 kleine Segmente von Kettenhemden vorliegen, kann man dies auf ein Kettenhemd zurückführen oder halt 500 verschiedene Kettenhemden annehmen. Entsprechend ist dann die Argumention von einem kleinen Scharmützel oder einer großen Schlacht möglich. Ich habe da hinsichtlich der Objektivität der Ausgräber in Kalkriese zwischenzeitlich wenig Vertrauen. Es wird in größerer Entfernung zu Kalkriese ein Pferdegeschirr-Anhänger gefunden. Für Frau Wilbers-Rost ist dies gleich die Gelegenheit, den Fundort als Beginn der Varus-Schlacht zu interpretieren. Es scheint wohl gleich abwegig zu sein, dass ein römischer Reiter

-unter Drusus
oder
-unter Tiberius im "immensum bellum"

das Teil verloren hat.

Zwei Aspekte:
1. Zum Plündern der Leichen: Wäre ja möglich, dass die von den Germanicus-Truppen abgeräumt wurden. Oder dass das Plündern kontrolliert stattfinden sollte, um keine Streitigkeiten unter den germanischen Soldaten aufkommen zu lassen.

2. Die Fundmenge: diese ist persönlich für mich das wichtigste Argument pro Varusschlacht-Hypothese (die ich nicht für vollkommen beweisbar halte). Gerade der Münzanfall ist enorm und übertrifft meines Wissens in der Menge jeden anderen augusteischen Platz in Deutschland, selbst die länger besiedelten wie Haltern, Waldgirmes und die Legionslager am Rhein (für diese Zeit). Sie übertrifft - um mal eine andere Dimension zu zeigen - auch die von mittelgroßen, lange besiedelten Limeskastellen wie der Saalburg.
Es steht für mich daher außer Frage, dass man zumindest davon ausgehen kann, dass in Kalkriese ein größeres römisches Heer gekämpft hat. Ob es nun die Varusschlacht war oder eine andere, vielleicht gar historiografisch noch gar nicht erwähnte Auseinandersetzung im selben Zeitabschnitt, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen.
 
... Gerade der Münzanfall ist enorm und übertrifft meines Wissens in der Menge jeden anderen augusteischen Platz in Deutschland, selbst die länger besiedelten wie Haltern, Waldgirmes und die Legionslager am Rhein (für diese Zeit). Sie übertrifft - um mal eine andere Dimension zu zeigen - auch die von mittelgroßen, lange besiedelten Limeskastellen wie der Saalburg.
...

Moin

Ich finde es nicht verwunderlich, dass mehr Münzen auf einem Schlachtfeld zu finden sind als z. B. in einem Limeskastell!

An einer, in einem Kastell verloren gegangenen Münze, liefen täglich viele Leute vorbei und die Chance gefunden zu werden war nicht gering.
Bei Kalkriese liefen nach den Plünderungen nur noch Rehe und Wildschweine an den dortigen Münzen vorbei!

Über die Jahre wurden in den Kastellen sicher mehr Münzen verloren als bei Kalkriese, doch im Kastell sind auch sicher sehr viel mehr wiedergefunden worden.

Gruß
Andreas
 
2. Die Fundmenge: diese ist persönlich für mich das wichtigste Argument pro Varusschlacht-Hypothese (die ich nicht für vollkommen beweisbar halte). Gerade der Münzanfall ist enorm und übertrifft meines Wissens in der Menge jeden anderen augusteischen Platz in Deutschland, selbst die länger besiedelten wie Haltern, Waldgirmes und die Legionslager am Rhein (für diese Zeit). Sie übertrifft - um mal eine andere Dimension zu zeigen - auch die von mittelgroßen, lange besiedelten Limeskastellen wie der Saalburg.
Es steht für mich daher außer Frage, dass man zumindest davon ausgehen kann, dass in Kalkriese ein größeres römisches Heer gekämpft hat. Ob es nun die Varusschlacht war oder eine andere, vielleicht gar historiografisch noch gar nicht erwähnte Auseinandersetzung im selben Zeitabschnitt, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen.

Man kann das aber auch anders auslegen.
Die Fundmenge spricht eher für die Caecinaschlacht weil:

  • Hier mehr Soldaten gekämpft haben als bei Varus. Und auch Caecina hat seinen Tross verloren.
  • Das Varusschlachtfeld zweimal abgesucht wurde. Einmal von den Germanen und einmal von Caecina/Germanicus und deshalb leergeräumt war.
  • Die Caecina-Legionen wahrscheinlich auch Beute vom Varusschlachtfeld dabei hatten, die bei der Verheerung des Brukterergebietes aufgetrieben wurde. (-->Münzdatierung!)
  • Die Caecinalegionen durch die Aufwendungen zur Niederschlagung der Meuterei möglicherweise mehr Geld in den Taschen hatten als die Varuslegionen.
Aber es gibt auch andere Faktoren die die Fundmenge erhöht erscheinen lassen können. Durch die Plaggendüngung ist das Schlachtfeld relativ schnell zugedeckt worden. Der Pflug hat in den Jahrhunderten danach hier wahrscheinlich also weniger nach oben transportiert als in Gebieten mit fruchtbareren Böden.

Gruss
jchatt
 
Man kann das aber auch anders auslegen.
Die Fundmenge spricht eher für die Caecinaschlacht weil:

  • Hier mehr Soldaten gekämpft haben als bei Varus. Und auch Caecina hat seinen Tross verloren.
  • Das Varusschlachtfeld zweimal abgesucht wurde. Einmal von den Germanen und einmal von Caecina/Germanicus und deshalb leergeräumt war.
  • Die Caecina-Legionen wahrscheinlich auch Beute vom Varusschlachtfeld dabei hatten, die bei der Verheerung des Brukterergebietes aufgetrieben wurde. (-->Münzdatierung!)
  • Die Caecinalegionen durch die Aufwendungen zur Niederschlagung der Meuterei möglicherweise mehr Geld in den Taschen hatten als die Varuslegionen.
Aber es gibt auch andere Faktoren die die Fundmenge erhöht erscheinen lassen können. Durch die Plaggendüngung ist das Schlachtfeld relativ schnell zugedeckt worden. Der Pflug hat in den Jahrhunderten danach hier wahrscheinlich also weniger nach oben transportiert als in Gebieten mit fruchtbareren Böden.

Gruss
jchatt

Du gehst also ernsthaft davon aus, dass die versteckten und/oder in den Schmutz getretenen Münzen, die nach der Varusschlacht niemand aufgelesen hat, nach sechs Jahren alle blinkend auf der Erdoberfläche gelegen haben und darauf warteten von den Legionären des Germanicus aufgesammelt zu werden?
 
Zuletzt bearbeitet:
Von den gefundenen Münzen auf die Ursprungsmenge und dann davon auf die Größe der Heeresverbandes zu schätzen, ist heikel.

Das ist ja eine Rechnung mit vielen unbekannten Größen:

Wir gehen von einer unbekannten Gesamtmenge Münzen aus, die verloren wurden. Dann müßte man den Anteil schätzen, der nicht direkt nach der Schlacht bzw. Jahre später bei einer Schlachtfeldbegehung durch Römer wiedergefunden wurde. Dann der Verlustanteil durch natürliche Korrosion oder auch (nicht dokumentierte) Auffindung in folgenden Jahrhunderten.

In Kalkriese sind wohl an die Tausend Münzen (eine genaue, aktuelle Zahl liegt mir gerade nicht vor) gefunden worden. Wie sollte man da auf eine ungefähre Ursprungsmenge kommen?

Man könnte jetzt natürlich überlegen, ob man hier schätzungsweise 0,1 % oder weniger der Ursprungsmenge hätte -> das wären immer noch mind. ca. 1.000.000 Münzen. Dazu käme noch die Problematik, daß man die verschiedenen Münzarten (Gold, Silber, Bronze und Kupfer) noch differenzieren müßte. Kupfer- und Bronzmünzen hätte man bei der Plünderung eher liegen gelassen als Gold oder Silber. Gold und Silber erhalten sich aber durch die Jahrhunderte schon besser.

Aber dann die Zuordnung zu einem Heer wird dann schon schwieriger. Wer hätte mehr Geld dabei gehabt? Varus in vermeintlichen Friedenszeiten oder ein größeres Heer in Kriegszeiten. In Kriegszeiten wird ja weniger Geld im Feindesland gebraucht. Statt zu erwerben würde dann eher requiriert werden.

M. E. spricht die reine Menge an Münzen eher für Varus als für die späteren Kriegszüge.
 
Du gehst also ernsthaft davon aus, dass die versteckten und/oder in den Schmutz getretenen Münzen, die nach der Varusschlacht niemand aufgelesen hat, nach sechs Jahren alle blinkend auf der Erdoberfläche gelegen haben und darauf warteten von den Legionären des Germanicus aufgesammelt zu werden?

Wenn 20-40.000 Mann ein Schlachtfeld aufräumen, dann war es mit Sicherheit leerer als vorher. Und da ja Überlebende der Varusschlacht dabei waren wussten die vielleicht auch wo man suchen musste. Nimm es einfach als ein, sicherlich nicht starkes Argument, das zeigen soll, daß man auch die grossen Münzfunde in die eine oder andere Richtung interpretieren kann. Letztlich wissen wir aber auch nicht wie genau und wo diese Bestattungsaktion stattgefunden hat.

Ist die Fundmenge für eine Schlacht Römer gegen Germanen als viel oder eher als normal anzusehen ? Gehörten die Münzen den Soldaten oder der Legion oder waren sie Teil der Beute ? Wie verändert sich über die Jahrhunderte die Fundmenge eines Schlachtfeldes bei unterschiedlichen Bodenverhältnissen ? Wieviel Geld hatte ein römischer Legionär im Feld vor und nach der Varusschlacht bei sich ? Wieviel Gold führte die Legion zur Besoldung der Soldaten mit ?
Das sind mir zuviele Unbekannte um daraus Schlüsse zu ziehen.
Wir können ja nicht mal zuverlässig sagen was dem Varus genau passiert ist. Wer weiss, vielleicht ist bei einer der konkurrierenden Szenarien das Gold ja sogar unversehrt in die Hände der Germanen geraten ? Was machen wir dann ?
Sehe gerade, daß Carolus schneller war ;-)


Aber um die Diskussion mal auf einen anderen Punkt zu lenken:
Der von Carolus erwähnte Hellweg am Fuß des Wiehengebirges ist weniger direkt nachgewiesen, als eher durch die topographischen Verhältnisse und die Siedlungsfunde in seinem Verlauf.
Auf dem Kamm des Wiehengebirges reihen sich in Richtung Osten die vorgeschichtlichen Fliehburgen

  • Schnippenburg
  • Babilonie
  • Wittekindsburg
  • Nammer Lager (hinter der Weser)
  • Amelungsburg
  • Kukesburg
  • Barenburg
Auch direkt am Engpass hat man Siedlungsspuren aus unterschiedlichen Epochen gefunden. Dieser Verkehrsweg war also Jahrhunderte vor Varus und auch danach eine wichtige Verkehrsverbindung.
Wie passt das zu der Überlieferung, daß das Varusschlachtfeld abgelegen lag, so daß Caecina Dämme und Brücken über das trügerische Gelände bauen musste ?

Gruss
jchatt
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn 20-40.000 Mann ein Schlachtfeld aufräumen, dann war es mit Sicherheit leerer als vorher. Und da ja Überlebende der Varusschlacht dabei waren wussten die vielleicht auch wo man suchen musste. Nimm es einfach als ein, sicherlich nicht starkes Argument, das zeigen soll, daß man auch die grossen Münzfunde in die eine oder andere Richtung interpretieren kann. Letztlich wissen wir aber auch nicht wie genau und wo diese Bestattungsaktion stattgefunden hat.

Die Überlebenden konnten auch nur mutmaßen, wo etwas zu suchen war. Was in den Matsch getreten ist, ist weg. Lediglich angelegte Horte könnten - unter Vorbehalt - wiedergefunden worden sein, nämlich wenn man entsprechende Marken wiederfand, was nach sechs Jahren sowohl aus topographischen, wie auch neurologischen Gründen und dem Stress einer Schlacht keineswegs eine Selbstverständlichkeit ist!

Ist die Fundmenge für eine Schlacht Römer gegen Germanen als viel oder eher als normal anzusehen? Gehörten die Münzen den Soldaten oder der Legion oder waren sie Teil der Beute? [...]Wieviel Geld hatte ein römischer Legionär im Feld vor und nach der Varusschlacht bei sich ? Wieviel Gold führte die Legion zur Besoldung der Soldaten mit ?

Es ist jedenfalls so, dass die Menge der in Kalkriese gefundenen Münzen nicht erst seit den Grabung auffällig ist und andere Gebiete bei weitem übertrifft. In keiner anderen Schlacht in der Region mussten die Römer eine derart vernichtende Niederlage hinnehmen und es ist überdies unerheblich, ob es sich um die Legionskasse, Geschenke des Feldherren an den germanischen Adel oder um Einzelbesitztümer handelt. Allerdings: Einige der gefundenen Silbermünzen hatten einen ganz erheblich Wert, im Rahmen eines Monatssolds, es handelt sich daher nicht unbedingt um Legionärsgeld.


Wie verändert sich über die Jahrhunderte die Fundmenge eines Schlachtfeldes bei unterschiedlichen Bodenverhältnissen?

Edelmetall hat eine ganz wunderbare Eigenschaft: Es bleibt erhalten.


Aber um die Diskussion mal auf einen anderen Punkt zu lenken:
Der von Carolus erwähnte Hellweg am Fuß des Wiehengebirges ist weniger direkt nachgewiesen, als eher durch die topographischen Verhältnisse und die Siedlungsfunde in seinem Verlauf.
Auf dem Kamm des Wiehengebirges reihen sich in Richtung Osten die vorgeschichtlichen Fliehburgen

  • Schnippenburg
  • Babilonie
  • Wittekindsburg
  • Nammer Lager (hinter der Weser)
  • Amelungsburg
  • Kukesburg
  • Barenburg
Auch direkt am Engpass hat man Siedlungsspuren aus unterschiedlichen Epochen gefunden. Dieser Verkehrsweg war also Jahrhunderte vor Varus und auch danach eine wichtige Verkehrsverbindung.
Wie passt das zu der Überlieferung, daß das Varusschlachtfeld abgelegen lag, so daß Caecina Dämme und Brücken über das trügerische Gelände bauen musste?

Er lag aus römischer Sicht abgelegen. Und dass die althergebrachten Fernwege die alle paar Tage mal eine kleine Händlergruppe sahen oder weniger Reisende für eine Mehrerelegionenheer nicht ausgelegt waren, das sollte eigentlich klar sein und wird dir jeder Festival- oder auch nur Stadtfesterfahrene bestätigen können.
 
Es ist jedenfalls so, dass die Menge der in Kalkriese gefundenen Münzen nicht erst seit den Grabung auffällig ist und andere Gebiete bei weitem übertrifft. In keiner anderen Schlacht in der Region mussten die Römer eine derart vernichtende Niederlage hinnehmen und es ist überdies unerheblich, ob es sich um die Legionskasse, Geschenke des Feldherren an den germanischen Adel oder um Einzelbesitztümer handelt. Allerdings: Einige der gefundenen Silbermünzen hatten einen ganz erheblich Wert, im Rahmen eines Monatssolds, es handelt sich daher nicht unbedingt um Legionärsgeld.

Nein, es lässt ganz entscheidende Schlüsse zu. Wenn es sich nur um Legionärsgeld gehandelt hätte, dann könnte Varus wahrscheinlicher sein, da die Caecina Legionen entkommen sind. Handelt es sich um die Legionskasse, dann war diese möglicherweise beim Tross und wäre in beiden Szenarien verloren gegangen.

Edelmetall hat eine ganz wunderbare Eigenschaft: Es bleibt erhalten.
Die Frage ist: Bleibt es im Boden erhalten, oder in der Tasche von pflügenden Bauern?

Er lag aus römischer Sicht abgelegen. Und dass die althergebrachten Fernwege die alle paar Tage mal eine kleine Händlergruppe sahen oder weniger Reisende für eine Mehrerelegionenheer nicht ausgelegt waren, das sollte eigentlich klar sein und wird dir jeder Festival- oder auch nur Stadtfesterfahrene bestätigen können.

Es war eben nicht abgelegen. Auch für die Römer nicht. Im Bericht der Kalkrieser Ausgräber wird von einer Kulturlandschaft geredet. Wenn dieser Bereich von den Römern besetzt war, dann mussten sie regelmässig hier durch. Eine anzunehmende Verbindung zwischen Ems und Weser führte mit grosser Wahrscheinlichkeit durch die Engstelle bei Kalkriese.
Das war für die Römer nicht anders als für irgendwelche Händler.
Und deshalb wird es hier auch einen römischen Heerweg gegeben haben.

Gruss
jchatt
 
...
Es war eben nicht abgelegen. Auch für die Römer nicht. Im Bericht der Kalkrieser Ausgräber wird von einer Kulturlandschaft geredet. Wenn dieser Bereich von den Römern besetzt war, dann mussten sie regelmässig hier durch. Eine anzunehmende Verbindung zwischen Ems und Weser führte mit grosser Wahrscheinlichkeit durch die Engstelle bei Kalkriese.
Das war für die Römer nicht anders als für irgendwelche Händler.
Und deshalb wird es hier auch einen römischen Heerweg gegeben haben. ...

Das sehe ich nicht so! Nicht das ich bestreite, dass die Römer diesen Weg bei Kalkriese kannten und nutzten, doch wozu brauchten sie dort gleich einen großen Heerweg? Gab es vor der Varuschlacht einen Bedarf mit großem Heer dort vorbeizumaschieren?

Einen Bedarf an großen Heerwegen gab es doch wohl eher im Süden entlang der Lippe (> Lager, Kastelle) und von dort gen Osten zu den Sommerquartieren (Minden?, Paderborn?, Höxter?). Hier mussten die Wege für mehere Legionen ausgelegt werden.

Die kleineren Einheiten, die zur Kontrolle oder zum Steuereintreiben durch das Land reisten, kamen doch wohl mit "herkömmlichen" Wegen aus!?

Gruß
Andreas
 
Aber um die Diskussion mal auf einen anderen Punkt zu lenken:
Der von Carolus erwähnte Hellweg am Fuß des Wiehengebirges ist weniger direkt nachgewiesen, als eher durch die topographischen Verhältnisse und die Siedlungsfunde in seinem Verlauf.


Kalkriese lag allerdings am Hellweg vor dem Sandforde, einer der wenigen großen Kommunikationslinie in Germanien um Christi Geburt. Die Vorstellung, Varus sei von Minden aus auf diesem Hellweg entlang des Wiehengebirges nach Westen gezogen gilt deshalb längst als überholt.

ich habe dazu einen Focus-Artikel gefunden: 2000 Jahre Varusschlacht (7): Der Todesmarsch beginnt - 2000 Jahre Varusschlacht (7) - FOCUS Online - Nachrichten

Darin wird aus einer Dissertation von Ralf Jahn zitiert:

Die folgende Schlachtschilderung geht daher von der Annahme aus, dass die Varuslegionen aus der Gegend um Minden nach Kalkriese zogen. Dann ergibt sich eine logische Marschroute, wie etwa der Historiker Ralf Jahn in seiner Dissertation „Der römisch-germanische Krieg 9 -16 n. Chr.“ darlegt: Es ist der Hellweg vor dem Sandforde, eine uralte Ost-West-Trasse, auf der Händler schon Jahrhunderte vor Christi Geburt wanderten. Der Trampelpfad folgt dem Nordrand des Wiehengebirges, einer langgestreckten Mittelgebirgskette, die ab Minden westwärts „wie eine lange Mauer fast geradlinig sich hinzieht und einem Heer den Weg selbst zu zeigen scheint“. So formulierte es der große Historiker Theodor Mommsen, der bereits 1885 die These vertrat, auf jener Route seien die Varuslegionen in den Untergang marschiert

Der Wiki-Artikel zum Hellweg vor dem Santforde ? Wikipedia
gibt leider zum Thema nicht so viel her. Wie er nachgewiesen wurde (meinetwegen direkt oder indirekt) und wie er genau verlief, bleibt leider offen.
 
Nein, es lässt ganz entscheidende Schlüsse zu. Wenn es sich nur um Legionärsgeld gehandelt hätte, dann könnte Varus wahrscheinlicher sein, da die Caecina Legionen entkommen sind. Handelt es sich um die Legionskasse, dann war diese möglicherweise beim Tross und wäre in beiden Szenarien verloren gegangen.

Naja, gerade die Kleinmünzen, die Asse in Kalkriese, tragen den VAR-Stempel.


Die Frage ist: Bleibt es im Boden erhalten, oder in der Tasche von pflügenden Bauern?
Die Rede war von der Chemie der Edelmetalle. Außerdem haben die Bauern die Münzen, die als solche erkennbar waren, also die aus Gold und Silber weitgehend in Barenaue abgegeben. Wäre wohl auch aufgefallen, wenn ein Bauer mit einer Gold- oder Silbermünze irgendwo bezahlt hätte und hätte sich rumgesprochen.


Es war eben nicht abgelegen. Auch für die Römer nicht. Im Bericht der Kalkrieser Ausgräber wird von einer Kulturlandschaft geredet. Wenn dieser Bereich von den Römern besetzt war, dann mussten sie regelmässig hier durch.

Ja, ja, die Germanen haben auf Bäumen gehaust...
Und was heißt regelmäßig. Wir wissen, dass die Lippelinie die Hauptmarschroute ins Innere Germaniens war, ich darf hier zum wiederholten Male auf die Versorgunsgproblematik und ihre Lösung verweisen, diese Lösung hieß Flüsse. Mit der Nordsee und ihren Gezeiten haben die Römer regelmäßig schlechte Erfahrungen gemacht.

@Hellweg vor dem Santforde: ich weiß gar nicht, warum der regelmäßig erwähnt wird, der ist nämlich östlicher zu suchen. Bei Kalkriese führte der Hellweg unterm Berg vorbei.
 
O.K., vor dem Wall gab es nach Deinem Scenario schwere Gefechte. Gab es dabei Tote?
Die Kalkriese-Ausgräber interpretieren die Funde, dass die römischen Toten im Bereich des Walls ausgeplündert und ihrer Rüstungen beraubt worden sind. Führen wir das mal uns vor unserem geistigem Auge. Haben die siegreichen Germanen dann im östlichen Bereich vor dem Wall die römischen Leichen weggetragen und dann im Wallbereich gefleddert? Wie glaubwürdig ist das denn? Ich will einem toten Legionär um seine Rüstung erleichtern. Dazu trage ich ihn 800 Meter zu einem zentralen Sammelplatz?
Die Argumentation der Archäologen sieht so aus, dass die Römer sich vor Erreichen des Walls (Anmerkung von mir: evt. auch nach dem Durchbruch) noch einigermaßen behaupten konnten und schlicht keine Verwundeten oder Gefallenen zurückgelassen haben. Diese Theorie wird dadurch erhärtet, dass in Knochengruben Handknochen im anatomischen Verbund gefunden wurden, die durch Wundverbände zusammengehalten worden sein könnten. Das deutet auf eine noch intakte medizinische Versorgung nach vorangegangenen Gefechten hin. Am Wall sind die römischen Truppen dann zusammengebrochen und konnten keine Opfer mehr bergen.

Wird aber im östlichen Bereich vor dem Wall keine nennenswerte Funde - wie im Wallbereich - gefunden, dann kann man dort nicht einfach Gefechte voraussetzen.
Es ist schon einiges gefunden worden. Anhand der Fundkarten kann man den mutmaßlichen Verlauf des Marschwegs gut erkennen. In weiten Bereichen ist aber nicht wirklich gegraben worden. Man hat stattdessen mit Metallsonden gesucht - weshalb fast nur Metallgegenstände entdeckt wurden, nicht aber beispielsweise die sonst allgegenwärtige römische Alltagskeramik. Möglicherweise wird das Fundbild durch diese Art der Suche stark "verfälscht"

Eine Problematik bei Kalkriese ist auch die Fundinterpretation.
...
Habe ich jetzt 500 kleine Segmente von Kettenhemden vorliegen, kann man dies auf ein Kettenhemd zurückführen oder halt 500 verschiedene Kettenhemden annehmen.
Nicht wirklich. Die Plünderer haben die Kettenhemden ja nicht in ihre Einzelteile zerrissen. Die Teile, die gefunden und auf Plünderung zurückgeführt wurden, waren schon recht aufschlussreich: z. B. Schnallen und Kettenhemd-Schließen. Die Teile eben, an denen rumgerissen wird, wenn jemand eine Leiche fleddert.


Wenn es sich nur um Legionärsgeld gehandelt hätte, dann könnte Varus wahrscheinlicher sein, da die Caecina Legionen entkommen sind. Handelt es sich um die Legionskasse, dann war diese möglicherweise beim Tross und wäre in beiden Szenarien verloren gegangen.
Nach allem was wir wissen haben die römischen Legionäre ihr Geld nicht mit in den Krieg genommen. Die Gefahr, dass etwas verlorengeht, ist im Krieg viel zu groß. Und auf einem Schlachtfeld kann man ohnehin nichts kaufen. Deshalb bestand für Caecina auch keine Notwendigkeit, seine Kriegskasse mitzunehmen. Die Legionäre wurden im Feld nicht besoldet. Das Geld blieb offenbar "daheim in der Kaserne" zurück. Nur so ist der Vorwurf erklärbar, dass Asprenas sich an der "Erbschaft" der gefallenen Varus-Legionäre bereichert habe. Dass Varus möglicherweise große Summen dabei hatte, ließe sich noch erklären. Dass Caecina einen Schatz im Gepäck hatte, hingegen nicht.

@Hellweg vor dem Santforde: ich weiß gar nicht, warum der regelmäßig erwähnt wird, der ist nämlich östlicher zu suchen. Bei Kalkriese führte der Hellweg unterm Berg vorbei.
Und meines Wissens führte er auch nicht an der Hangkante entlang, sondern über die Flugsandzone etwa einen Kilometer nördlich davon. Da stellt sich die "Gretchenfrage", warum die Römer überhaupt am Hang entlang gezogen sind. Der Hellweg müsste doch für sie die bessere Passage gewesen sein.

MfG
 
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