Ilan
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Indoeuropäisches und Semitisches
Das Wort für ›Wein‹ ist ein ganz typisches Wanderwort, das in vielen indoeuropäischen und nichtindoeuropäischen im Mittelmeerraum vorkommt. So findet es sich z.B. in fast allen westsemitischen Sprachen, wie arab. wayn, Geez wayn, ugaritisch yn (= /yēnu/), hebr. yayin, syr. yaynā. Auffällig ist, dass das Wort den nordwestsemitischen Lautwandel w → y /#__ mitgemacht hat. Die ältesten Zeugnisse nordwestsemitischer Sprachen sind das Ugaritische und die kanaanitischen Fragmente in den Amarna-Briefen – beide in das 14. Jh. v. Chr. zu datieren. Ein Wort *wayn- muss also spätestens in der Mitte des 2. Jt. v. Chr. im Semitischen vorhanden gewesen sein. Gegen eine protosemitische Herkunft spricht, dass kein nativer akkadischer Kognat belegt ist.
Die indoeuropäischen Verhältnisse sind den semitischen nun ganz ähnlich: Dieses Wort für ›Wein‹ ist hauptsächlich im mediterranen Gebiet verbreitet – die germanische und slawische Formen sind wahrscheinlich entlehnt –, im Sanskrit beispielsweise aber nicht belegt. Letzteres macht eine Rekonstruktion bis in das Protoindoeuropäische durchaus fragwürdig.
Um auch noch einmal auf die Literatur zu verweisen, gegen einen indoeuropäischen Ursprung des Wortes spricht sich sich z.B. aus: Bonfante, G. (1974). Das Problem des Weines und die linguistische Paläontologie. In: M. Mayrhofer, W. Meid, B. Schlerath, & R. Schmitt (Hrsg.), Antiquitates Indogermanicae, S. 85–90. Innsbruck: Institut für Sprachwissenschaft der Universität Innsbruck.
Selbst Befürworter eines indoeuropäischen Ursprungs formulieren das in der Regel vorsichtiger und weisen darauf hin, wie kontrovers so eine Deutung ist, so beispielsweise Beekes:
Falls in dem Zusammenhang wieder jemand mit Häusler ankommt: Seine These von den autochthonen Indoeuropäern verflüchtigt sich schon von allein, weil damit die Verbreitung der indoeuropäischen Sprachen nicht erklärt werden kann. Seinen Vorschlag, dass sich zunächst unterschiedliche Sprachen durch Angleichung zu einem Sprachkontinuum entwickelt hätten, kann man wohl eher getrost in die Tonne kloppen. Für so eine Entwicklung gibt es nicht ein einziges belastbares Beispiel. Das passiert in der Realität schlicht und ergreifend nicht. Und so kann man Häusler in dieser Hinsicht ignorieren, solange er kein Szenario entwirft, das mit den Erkenntnissen der historischen Sprachwissenschaft und Kontaktlinguistik kompatibel ist.
Den arabischen Infinitiv – Verbalnomen oder Verbalsubstantiv wären wohl adäquatere Bezeichnungen, auch wenn ein Teil der Literatur Infinitiv schreibt – braucht man erst gar nicht hinzuziehen, da der ʾifʿāl lautet. Einen Infinitiv im engeren Sinn kennt das Arabische gar nicht und die 3. Person mask. Singular Perfekt ist lediglich eine Zitierform für Wörterbücher u.ä., daraus lässt sich auch nichts weiter ableiten.
Wenn man für diese Phänome auf das Arabische rekurriert, sollte man auch erklären können, warum das nur einige spanische Verben betrifft. Und wenn weiter das ganze Argument nicht aus mehr als »im Arabischen gibt es genauso wie im Spanischen Verbformen, die auf a anlauten« besteht, hat das ganze mehr mit Kabbala als mit Sprachwissenschaft zu tun. Das wäre dann eine völlig unplausible Ad-Hoc-Spekulation ohne jegliche Erklärungskraft. Aber vielleicht (hoffentlich ) steckt ja doch mehr dahinter.
Nebenbei: Den Fall, dass eine Sprache tatsächlich einen Verbalstamm aus dem Arabischen entlehnt hat, kennt man vom Neuaramäischen. Beide Sprachen sind sich morphologisch aber auch sehr ähnlich.
Ich kenne mich nun mit der Hispanistik nicht aus, in der Arabistik aber wird bei Dialekten, die vom normativen Ideal abweichen, gerne schnell Substrateinfluss aus dem Aramäischen, Südarabischen, Berberischen usw. unterstellt. In vielen Fällen ist das aber nicht haltbar und das Ausmaß solcher Substrateinflüsse wird häufig übertrieben, wie demonstriert wurde u.a. schon von Werner Diem (1979. Studien zur Frage des Substrats im Arabischen. Der Islam, 56(1), 12–80).
Vielleicht kommt dem Arabischen und dem Baskischen in der Hispanistik ja eine ähnliche Rolle zu?
Wer sich übrigens dafür interessiert, wie die sprachliche Landschaft im vorgeschichtlichen Europa denn wohl ausgesehen haben könnte, wie sich indoeuropäische Sprachen in Europa verbreitet haben können und wie nicht, dem lege ich diesen Blogbeitrag des bekannten Indoeuropäisten Donald Ringe nahe. Eine plausiblere Spekulation auf dem aktuellen wissenschaftlichen Stand wird wohl kaum zu haben sein.
Das meinst Du doch wohl nicht ernst? Jetzt bist Du mal an der Reihe hier den Dieter zu machen? Nun jedenfalls zitierst Du einseitig und verkaufst Spekulationen als Fakten.An dieser Stelle möchte ich erneut die Empfehlung aussprechen, auch das zu lesen, was Sprachwissenschaftler publiziert haben. Zum Beispiel in dem von dir empfohlenden Band "Die Urheimat der Indogermanen" (Hrsg. Anton Scherer, Darmstadt 1968) die Beiträge von Weriand Merlingen und Heinz Kronasser. Beide befassen sich mit dem Befund zum indoeuropäischen Weinwort und kommen zum selben Ergebnis: Das griechische Wort für den Wein ist nach linguistischen Kriterien indogermanisch, und es gibt aus linguistischer Sicht keine Möglichkeit, das abzustreiten.
Das Wort für ›Wein‹ ist ein ganz typisches Wanderwort, das in vielen indoeuropäischen und nichtindoeuropäischen im Mittelmeerraum vorkommt. So findet es sich z.B. in fast allen westsemitischen Sprachen, wie arab. wayn, Geez wayn, ugaritisch yn (= /yēnu/), hebr. yayin, syr. yaynā. Auffällig ist, dass das Wort den nordwestsemitischen Lautwandel w → y /#__ mitgemacht hat. Die ältesten Zeugnisse nordwestsemitischer Sprachen sind das Ugaritische und die kanaanitischen Fragmente in den Amarna-Briefen – beide in das 14. Jh. v. Chr. zu datieren. Ein Wort *wayn- muss also spätestens in der Mitte des 2. Jt. v. Chr. im Semitischen vorhanden gewesen sein. Gegen eine protosemitische Herkunft spricht, dass kein nativer akkadischer Kognat belegt ist.
Die indoeuropäischen Verhältnisse sind den semitischen nun ganz ähnlich: Dieses Wort für ›Wein‹ ist hauptsächlich im mediterranen Gebiet verbreitet – die germanische und slawische Formen sind wahrscheinlich entlehnt –, im Sanskrit beispielsweise aber nicht belegt. Letzteres macht eine Rekonstruktion bis in das Protoindoeuropäische durchaus fragwürdig.
Um auch noch einmal auf die Literatur zu verweisen, gegen einen indoeuropäischen Ursprung des Wortes spricht sich sich z.B. aus: Bonfante, G. (1974). Das Problem des Weines und die linguistische Paläontologie. In: M. Mayrhofer, W. Meid, B. Schlerath, & R. Schmitt (Hrsg.), Antiquitates Indogermanicae, S. 85–90. Innsbruck: Institut für Sprachwissenschaft der Universität Innsbruck.
Selbst Befürworter eines indoeuropäischen Ursprungs formulieren das in der Regel vorsichtiger und weisen darauf hin, wie kontrovers so eine Deutung ist, so beispielsweise Beekes:
Wether the word for ‘wine’ was also Indo-European in origin has long been a matter for dispute, because the Semitic word (Arab. wain) and the Georgian (ɣwino) both make use of the same root. It seems to me that the Hittite form, wiyana-, points toward PIE *u(e)ih₁-(o)n- (Arm. gini, Gr. oĩnos, Lat. vīnum). (Beekes, R. S. P. (2011). Comparative Indo-European linguistics: An introduction (2. Aufl.). Amsterdam: John Benjamins, S. 36)
Übersetzung: Ob das Wort für ›Wein‹ auch einen indoeuropäischen Ursprung hat, ist seit langem umstritten, da das semitische Wort (arab. wain) und das georgische (ɣwino) beide auf diesselbe Wurzel zurückgehen. Mir scheint, dass die hethitische Form, wiyana-, auf protoindoeuropäisch *u(e)ih₁-(o)n- hindeutet (armenisch gini, griech. oĩnos, lat. vīnum).
Auführlicher begründet hat er das noch in: Beekes, R. S. P. (1987). On Indo-European ‘wine’. Münchener Studien zur Sprachwissenschaft, 48, 21–26. Übersetzung: Ob das Wort für ›Wein‹ auch einen indoeuropäischen Ursprung hat, ist seit langem umstritten, da das semitische Wort (arab. wain) und das georgische (ɣwino) beide auf diesselbe Wurzel zurückgehen. Mir scheint, dass die hethitische Form, wiyana-, auf protoindoeuropäisch *u(e)ih₁-(o)n- hindeutet (armenisch gini, griech. oĩnos, lat. vīnum).
Was spricht denn dagegen, dieses Wort zu ignorieren? Die Herkunft ist vollkommen ungewiss; beide in der Hauptsache diskutierten Kandidaten für eine indoeuropäische Urheimat, die südrussische Steppe und Anatolien, schließen auch nicht aus, dass den Indoeuropäern der Wein bekannt war.Es gibt allerdings die Möglichkeit, die indogermanische Wein-Gleichung zu ignorieren. Das war und ist leider auch heute noch bei Autoren der Fall, die bestimmte Urheimattheorien favorisieren.
Falls in dem Zusammenhang wieder jemand mit Häusler ankommt: Seine These von den autochthonen Indoeuropäern verflüchtigt sich schon von allein, weil damit die Verbreitung der indoeuropäischen Sprachen nicht erklärt werden kann. Seinen Vorschlag, dass sich zunächst unterschiedliche Sprachen durch Angleichung zu einem Sprachkontinuum entwickelt hätten, kann man wohl eher getrost in die Tonne kloppen. Für so eine Entwicklung gibt es nicht ein einziges belastbares Beispiel. Das passiert in der Realität schlicht und ergreifend nicht. Und so kann man Häusler in dieser Hinsicht ignorieren, solange er kein Szenario entwirft, das mit den Erkenntnissen der historischen Sprachwissenschaft und Kontaktlinguistik kompatibel ist.
Typisches Strohmannargument. Kein erwähneswerter Indoeuropäist argumentiert so.Da kommt es dann zum Zirkelschluss: Weil ich eine bestimmte Urheimat präferiere und dort kein Wein wächst, darf das Weinwort nicht indogermanisch sein. Und wo wir das Weinwort doch haben, muss es dann ein Substratwort sein. Woraus dann wieder zu schließen ist, dass die Indogermanen dort zugewandert sein müssen, natürlich aus der von mir präferierten Urheimat.
Wird das wirklich ernsthaft in der Hispanistik diskutiert? Welche Argumente werden denn dafür überhaupt ins Feld geführt? Vielleicht gibt es wirklich eine rationale Grundlage dafür, die ich nicht erkenne, aber ich konnte eben echt nur noch verdutzt den Kopf schütteln. Aber ernsthaft, warum sollte jemand (ausgerechnet?) die Perfektform des IV. Stammes – der im Arabischen immerhin eine kausative Bedeutung hat! – auf spanische Verben übertragen? Vor allem ist nicht einmal das der Fall, denn im Arabischen lautet der in der 3. Person mask. Singular ʾafʿala bzw. ugs. ʾafʿal. Das ist der Form nach nicht einmal ansatzweise den von Dir genannten Verben ähnlich. Warum wird dann nur das a übertragen, nicht aber den Rest des Paradigmas?Z.B. gibt es die Hypothese, dass das anlautende [a-] vor vielen spanischen Verben ein Adstrat aus dem Arabischen sei:
apuntar
anochecer
amontonar
amanecer
Im Arabischen gibt es das nämlich, dass im 4. Stamm im Perfekt (welcher in seiner 3. Person Singular maskulin auch immer dem Infinitiv entspricht) vor den eigentlichen Infinitiv ein "Alif Hamza" gesetzt wird (sprich ein [a]). Die Hypothese nimmt nun an, dass in einer arabisch-iberoromanischen Diglossie lebende Sprecher dieses vom 4. Stamm des arabischen Verbs übernommen und auf das Spanischen angewendet haben, was sich erhalten hätte.
Den arabischen Infinitiv – Verbalnomen oder Verbalsubstantiv wären wohl adäquatere Bezeichnungen, auch wenn ein Teil der Literatur Infinitiv schreibt – braucht man erst gar nicht hinzuziehen, da der ʾifʿāl lautet. Einen Infinitiv im engeren Sinn kennt das Arabische gar nicht und die 3. Person mask. Singular Perfekt ist lediglich eine Zitierform für Wörterbücher u.ä., daraus lässt sich auch nichts weiter ableiten.
Wenn man für diese Phänome auf das Arabische rekurriert, sollte man auch erklären können, warum das nur einige spanische Verben betrifft. Und wenn weiter das ganze Argument nicht aus mehr als »im Arabischen gibt es genauso wie im Spanischen Verbformen, die auf a anlauten« besteht, hat das ganze mehr mit Kabbala als mit Sprachwissenschaft zu tun. Das wäre dann eine völlig unplausible Ad-Hoc-Spekulation ohne jegliche Erklärungskraft. Aber vielleicht (hoffentlich ) steckt ja doch mehr dahinter.
Nebenbei: Den Fall, dass eine Sprache tatsächlich einen Verbalstamm aus dem Arabischen entlehnt hat, kennt man vom Neuaramäischen. Beide Sprachen sind sich morphologisch aber auch sehr ähnlich.
Ich kenne mich nun mit der Hispanistik nicht aus, in der Arabistik aber wird bei Dialekten, die vom normativen Ideal abweichen, gerne schnell Substrateinfluss aus dem Aramäischen, Südarabischen, Berberischen usw. unterstellt. In vielen Fällen ist das aber nicht haltbar und das Ausmaß solcher Substrateinflüsse wird häufig übertrieben, wie demonstriert wurde u.a. schon von Werner Diem (1979. Studien zur Frage des Substrats im Arabischen. Der Islam, 56(1), 12–80).
Vielleicht kommt dem Arabischen und dem Baskischen in der Hispanistik ja eine ähnliche Rolle zu?
Wer sich übrigens dafür interessiert, wie die sprachliche Landschaft im vorgeschichtlichen Europa denn wohl ausgesehen haben könnte, wie sich indoeuropäische Sprachen in Europa verbreitet haben können und wie nicht, dem lege ich diesen Blogbeitrag des bekannten Indoeuropäisten Donald Ringe nahe. Eine plausiblere Spekulation auf dem aktuellen wissenschaftlichen Stand wird wohl kaum zu haben sein.
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