Soziale und Nicht soziale Unternehmer (Industrialisierung)

L

Linet

Gast
Hallo,

ich habe letzte Woche ein Referat mit dem Titel ,,Alfred Krupp - ein sozialer Unternehmer?'' gehalten und daraufhin in der Feedback-Phase mit einem Mitschüler über den Begriff ,,sozial'' diskutiert. Er war der Meinung, dass nach der Definiton eines sozialen Unternehmers, die wir im Unterricht besprochen haben (Unternehmer nicht nur auf seinen Profit sondern auf das Wohl der Gesellschaft bedacht) jeder Unternehmer sozial sei, weil ja jeder Unternehmer zur Wirtschaft und somit zum Wohl der Gesellschaft beitrage.
Nun bin ich da einer anderen Meinung. Jetzt suche ich ein möglichst passendes Beispiel eines Unternehmers der ,asozial' ist und obwohl er viele Angestellte hat garantiert nicht zum Wohl der Gesellschaft beiträgt.
Ich habe lange im Internet gesucht und bin leider auf kein passendes Beispiel gestoßen.
Vielleicht lag es daran, dass ich mich hauptsächlich auf die Zeit der Industrialisierung konzentriert hab, ich weiß es nicht....
Auf jeden Fall hoffe ich, hier Hilfe zu finden! :)
 
... (Unternehmer nicht nur auf seinen Profit sondern auf das Wohl der Gesellschaft bedacht) ...

@Linet

Da wirst Du auch schwerlich was finden, u.a. deshalb, weil eure Definition sehr unscharf ist. Ihr vermischt in ihr mikro- und makroökonomische Kategorien mit moralisch-ethischen.

Zwei abstrakte Beispiele:

Ein Unternehmer tut in seinem Unternehmen alles zur Profitmaximierung, eurer Definition nach wäre er sozusagen "unsozial", die erwirtschafteten Gewinne führt er einer Stiftung zu, diese wiederum finanziert damit Krankenhäuser, damit wäre er eurer Definition nach "sozial".

Ein zweiter Unternehmer versucht mit freiwilligen Sozialleistungen seine Arbeitnehmer an das Unternehmen zu binden (da wirst Du wohl den Gegenstand Deines Vortrages erkennen), diese Sozialleistungen für seine Arbeitnehmer stellen Kostenbestandteile dar und verringern die Steuerschuld des Unternehmers, gehen also aufgrund der niedrigeren Steuern z.L. des Staates (unscharf formuliert der "Allgemeinheit"). Also er privilegiert seine Arbeitnehmer zu Lasten aller Bürger, die eventuell wohlfahrtsbedürftig sind.

Alle Beispiele hinken, aber erkennst Du das Dilemma eurer Definition?

Wenn Du Fragen hast, einfach schreiben.


M.
 
schau dir doch die Karriere des Ex-US-Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney an.

Er hat Millionen verdient mit Investmentgeschäften und hat nach eigenen Angaben einen niedrigeren Steuersatz als seine Putzfrau.

Und ob aus Investmentgeschäften Gemeinwohl entsteht ist auch in wirtschaftsliberalen Kreisen umstritten.

Allerdings spendet er ordentlich, u.a. an seine mormonische Kirche


Wenn du dir die alten Wirtschaftskapitäne von Thyssen bis Vanderbilt anschaust, wirst du feststellen, daß die, würde sagen immer, einen Gemeinnutzen kreiiert haben, auch wenn´s persönlich elende Raffzähne waren: Legionen von Arbeitsplätzen, Güter, die tatsächlich gebraucht wurden, sicher auch mehr oder weniger Steuerleistungen.

In der Historie würde ich vielleicht bei Sklavenhandel, Gewürzhandel, sonstige Luxusgüter ansetzen. Da könntest du auf Beispiele stossen, wie Unternehmer riesige Profite auf Kosten der Staatskassen gemacht haben und Volkswirtschaften, sprich Allgemeinwohl, an den Rand des Abgrunds trieben. Warum nicht den britischen Opiumhandel zwischen Indien und China thematisieren? Oder die Niederländische Tulpenkrise.

Interessant sind sicher immer die Kolonialgesellschaften, ob britisch, niederländisch, belgisch etc.. Die haben meist riesige Gewinne gemacht, keine Steuern bezahlt und in Aufstandszeiten staatliche Unterstützung in Form von Geld und Militär in Anspruch genommen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich wäre da zurückhaltend mit dem Gebrauch des Holzhammers. Bei den Kolonialgesellschaften sieht die Bilanz etwas anders aus, wenn man sich die wirtschaftlichen Effekte für die Heimatländer anschaut. Beim populären Thema Tulpenmanie gehen die Meinungen über die tatsächlichen Effekte und die Beteiligten an der Preisblase, quer durch alle Schichten, wirtschaftshistorisch sehr auseinander.

Aber das zeigt doch erneut das Problem des Themas: was ist hier sozial, und für wen, und zu welchem Zeitpunkt?

Stellt man beim Opiumhandel auf die chinesische Seite ab, oder betrachtet man Großbritannien? Oder beide?

Ebenso bei den Kolonialgesellschaften: Goldene Zeiten für die Kolonisten und Ausstrahlung auf die Ökonomie ihrer Heimatländer, oder negative Auswirkungen für die Kolonisierten? Oder beide in einer "Gesamtbilanz"? Grenzt man die Ambivalenz der Fragestellung aus, wird das von Melchior beschriebene Dilemma deutlich. Und wählt man eine Binnenbetrachtung für den Wirkungskreis, siehe den Hinweis von ElQ? Und was ist dann wieder, wenn die negativen Effekte nicht abzu"schichten" sind, nicht geschlossen "schichtweise" auftreten, siehe wiederum das Beispiel von Melchior.

P.S. man könnte auch mal die Historie von NPO's betrachten. Wer ist hier der "Unternehmer"?
 
@ silesia: wohl war, die Realität ist immer unangenehm komplex. Viele Mexikaner leben gut als Angestellte erfolgreicher Drogenhändler, Afghanistan lebt praktisch ausschliesslich vom Opiumanbau etc..



Mir fällt es aber persönlich schwer, zu unterschreiben, daß jedes Unternehmertum sein gutes hat.


@ linet: scheint so, als ob dein Mitschüler (Jungliberaler?) recht hätte: Unternehmertum ist immer auch sozial.
 
Ob er die Frage so gestellt oder gemeint hat?

Vielleicht wollte er nur anregen, ein scharfkantiges historisches Bild/Urteil mit einem schwarzweißen "entweder/oder" zu hinterfragen, wie der vermutlich ironische Widerspruch in den letzten beiden Sätzen zeigt?
 
Es sollte doch einen Unterschied machen, ob ein Unternehmer sich ABSICHTLICH zum Wohle der Allgemeinheit verhält oder genau dasselbe aus EGOISTISCHEN Gründen tut. Allerdings ist es mitunter schwierig, die Absichten zu erkennen. Wenn man es psychologisch betrachtet, mag es sogar für den Unternehmer selbst schwer sein, seine eigenen Motive richtig zu deuten.
 
Der Nachsatz ist mir zu relativierend.
Ziel eines jeden Unternehmens ist erst einmal, Gewinn zu machen. Ohne Gewinn macht ein Unternehmen keinen Sinn. Die Frage ist jetzt, wie hoch die Gewinne sein müssen und was mit den Gewinnen angestellt wird.
Es gibt durchaus Unternehmen, die nachhaltig wirtschaften, die Gewinne teilweise an ihre Arbeitnehmer auszahlen (Gewinn ist das, was nach den Kosten übrig bleibt, das Arbeitnehmergrundgehalt gehört zu den Kosten), die Gewinne (sozial) reinvestieren...
Auf der anderen Seite gibt es Unternehmen, die all dies nicht machen.
Zwischen diesen Extremen liegen die Gesetze und die Zwänge des Marktes, u.a. Konkurrenzdruck, Nachfrage, Rohstoffkosten, Teilhaber- und Aktionärsbegehren, Dinge, die es einem Unternehmen erleichtern und erschweren nachhaltig und sozial zu wirtschaften. Ergo: es kommt darauf an wie ein Unternehmer in dem ihm durch die Sachzwänge vorgegebenen Rahmen agiert.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo,

ich habe letzte Woche ein Referat mit dem Titel ,,Alfred Krupp - ein sozialer Unternehmer?'' gehalten und daraufhin in der Feedback-Phase mit einem Mitschüler über den Begriff ,,sozial'' diskutiert. Er war der Meinung, dass nach der Definiton eines sozialen Unternehmers, die wir im Unterricht besprochen haben (Unternehmer nicht nur auf seinen Profit sondern auf das Wohl der Gesellschaft bedacht) jeder Unternehmer sozial sei, weil ja jeder Unternehmer zur Wirtschaft und somit zum Wohl der Gesellschaft beitrage.
Das ist die "Eseltheorie": Wenn man dem Esel (= die Wirtschaft) vorn genug Futter reinschiebt, lässt er hinten so viel runterfallen, was noch genug Körnchen enthält, um die Spatzen (= die Gesellschaft) satt zu machen.

Dass dieser Theorie kein Naturgesetz zugrunde liegt, ist in der Geschichte menschlicher Gesellschaften tausendfach bewiesen worden. Ob die Wirtschaft zum Wohl einer Gesellschaft beiträgt, hängt nicht vom Willen der Unternehmer sondern von der Verfasstheit der Gesellschaft ab. Das feudale Wirtschaftssystem und die ökonomischen Gesetze in Sklavenhaltergesellschaften haben jedenfalls weit weniger zum Wohl der Menschen beigetragen als ein beliebiges modernes Wirtschaftssystem.

Jetzt suche ich ein möglichst passendes Beispiel eines Unternehmers der ,asozial' ist und obwohl er viele Angestellte hat garantiert nicht zum Wohl der Gesellschaft beiträgt.
Wie die vorangegangenen Beiträge schon gezeigt haben, wird es Dir auch schwer fallen, im Wirtschaftsleben Belege für das "abgrundtief Böse" zu finden. Das hängt damit zusammen, dass Schein und Sein nicht immer übereinstimmen.

Beispiel: Alfred Krupp hat zwar Wohnraum für seine Arbeiter bauen lassen und eine Art Kranken- und Sterbekasse eingeführt. Beides hat den Arbeitern genutzt. Beide Maßnahmen waren aber nicht als "soziale Wohltaten" gedacht, sondern sollten der sich formierenden Arbeiterbewegung den Boden entziehen und die Krupp-Beschäftigten so weit befrieden, dass sie bereit waren, die grundlegenden Verhältnisse zwischen Unternehmer und Arbeiterschaft nicht mehr in Frage zu stellen.

Zweites Beispiel: Kinderarbeit. In der frühen Zeit der Industrialisierung haben die Unternehmen Kinder unter 9 Jahren in Fabriken arbeiten lassen, gern auch in Bergwerken, weil Kinder so schön klein sind und auch in enge Flöze hineinpassen. Damit verdienten die Kinder Geld und trugen so zum Überleben der Familien bei, die sonst vielleicht Not gelitten hätten. Der Argumentation Deines Freundes zufolge war die Beschäftigung von Kindern demnach eine Tat zum Wohl der Allgemeinheit.

Die Realität sah aber anders aus: Tatsächlich wurden Kinder beschäftigt, weil sie billiger waren als Erwachsene. Dieses niedrigere Lohnniveau war den Unternehmern wichtiger als der Umstand, dass Kinder durch die Arbeit besonders gefährdet wurden und dass viele von ihnen in der Folge dauerhafte Gesundheitsschäden davontrugen oder verkrüppelt wurden. Das nahmen die Unternehmer billigend in Kauf. Und wir reden nicht über "bedauerliche Einzelfälle". Die Zahl der jugendlichen Krüppel und Invaliden war so groß, dass Preußen im Jahr 1839 per Gesetz die Kinderarbeit verboten (besser: stark eingeschränkt) hat.

Auch dieses preußische Gesetzt wirkt auf den ersten Blick wie eine Wohltat, die aus Sorge um die Gesundheit der armen Kinder beschlossen wurde. Auch dieser Schein trügt aber: Anlass für das Gesetz war vielmehr der Umstand, dass das preußische Militär wegen der vielen "wehruntauglichen" Kinder nicht mehr genügend Rekruten fand.

Vielleicht lag es daran, dass ich mich hauptsächlich auf die Zeit der Industrialisierung konzentriert hab, ich weiß es nicht....
Aber gerade das ist doch ein guter Ansatz! Da findest Du in unserer eigenen Lebenswelt genügend Beispiele, die einen Vergleich zwischen heute und damals erlauben: Zu Zeiten der Industrialisierung gab es hier eine "freie" Marktwirtschaft, heute gibt es eine "soziale" Marktwirtschaft. Man kann an unzähligen konkreten Beispielen deutlich machen, wie sich diese beiden Zustände voneinander unterscheiden. Man könnte zum Beispiel die Arbeitsbedingungen bei der Thyssen Krupp AG mit denen in den Werken von Alfred Krupp vergleichen. Arbeitszeitregelungen, Gesundheitsschutz, Lohnfortzahlunge im Krankheitsfall, Alterssicherung, nicht zuletzt Mitbestimmung...

All das ist nicht auf freiwilliger Basis eingeführt worden, sondern musste per Gesetz verordnet werden. Letztlich landet man also bei der Verfasstheit der Gesellschaft: Grundlage der sozialen Marktwirtschaft ist der Leitsatz, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Daraus folgt: Unsere Gesellschaft toleriert "Gewinnsucht", wenn diese Gewinnsucht im Ergebnis AUCH der Allgemeinheit nutzt oder ihr zumindest nicht schadet (z.B. durch die "Produktion" verkrüppelter Kinder). Die Wirtschaft hat der Gesellschaft zu dienen, und das ist durch Gesetze geregelt. Das war zur Zeit der Industrialisierung anders. Damals wurden die Menschen der Wirtschaft dienstbar gemacht, und es war allein dem sozialen Gewissen (oder bei Fehlen desselben eben der kalt-rationalen Weitsicht) des einzelnen Unternehmers überlassen, ob er sich für das Wohl seiner Arbeiter interessierte oder nicht.

MfG
 
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Ich fulfille mal Godwin's Law, welches besagt, dass jede Diskussion in Internetforen irgendwann bei den Nazis landet. Aber ich finde, hier können wir anhand der Zwangsarbeiter/Ostarbeiter und KZ-Häftlinge im Extremen sehen, wie unterschiedlich Unternehmer in demselben Rahmen handeln können. Man nehme die Organisation Todt, IG Farben und Schindlers Emailwarenfabrik und die ein oder andere Fabrik die von irgendeinem Wehrwirtschaftsführer, hieß er nun Röchling, Porsche, Krupp oder Quandt, geleitet wurde. Manche dieser Leute haben ihre Unternehmen ganz auf den Betrieb mit Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen eingerichtet und deren Sterben mehr als nur in Kauf genommen. Andere, bekanntestes Beispiel ist Schindler, haben nach und nach begriffen, dass sie diesen Menschen gegenüber so etwas wie eine Verantwortung hatten und haben dafür gesorgt, dass sie über die eigentlichen Rationen hinaus versorgt und dem Zugriff der SS entzogen wurden. Einige Firmen weigern sich bis heute, ihre Schuld anzuerkennen und in den Wiedergutmachungstopf der deutschen Wirtschaft zu zahlen.
 
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Das ließe sich für alle durchdeklinieren, die i.w.S. "Macht" ausübten oder Einfluss besaßen, im Kleinen wie im Großen. Das Beispiel ließe sich 1:1 auf Behörden im NS übertragen, auf Ärzte, Richter, usw.

Dann ist man beim menschlichen Verhalten angelangt.

Insofern finde ich Maelonns Einwurf beachtenswert, auf die Gesellschaft und ihre Verfasstheit bzw. Normen abzustellen, die im Sinne der Ausgangsfrage Verhalten und Entscheidungen quasi "sozialisieren" bzw. dieses erzwingen.
 
Nun, Silesia, das macht aber das von Maelonn gesagte noch nicht wesentlich: Natürlich sind auch Wirtschaftsführer Teil der Gesellschaft in der sie leben. Das ist doch eine Platitüde. Es ging aber hier darum, ihr Verhalten, nicht das der übrigen Gesellschaft zu betrachten. Ich finde EQ hat das ganz gut erläutert, wenn er darstellt, dass ein Unternehmen letztlich einen mehr oder auch weniger großen Spielraum hat, innerhalb dessen die Unternehmensführung sich menschenfreundlicher oder auch rücksichtsloser verhalten kann. Das Beispiel Schindler finde ich gut: Der Mann hat sein Leben dafür aufs Spiel gesetzt, entgegen den Zielen der ihm vorgesetzten Regierung Menschen zu retten. Ihn hat das Geld gekostet und nach dem Krieg wurde es ihm kaum gedankt.
Im viel normaleren täglich Leben fällt mir ein Wirt bei uns in Hannover ein, der bei Jauch die Million gewonnen hat und daraufhin die Löhne für seine Mitarbeiter angehoben hat. Das hätte er sicherlich nicht tun müssen. Ich hoffe, er bleibt dabei wirtschaftlich noch im grünen Bereich.
 
Erlaubt mir bitte eine Bemerkung vorab, Schindler finde ich, ist kein gutes Beispiel, weil, bei seinem handeln ging es nicht um GuV und Bilanz, sondern um Leben und Tod in einem Unrechtsregime, das ist m.E. eine ganz ander ethisch-moralische Ebene.

silesia hat m.E recht, das Thema kann man "hoch und runter" deklinieren, aus historischer und schon gar nicht aus wirtschafts- und sozialhistorischer Sicht wird man ein befriediegendes Ergebnis erreichen. Da hat unser Gast eine wirklich interessante Diskussion angestoßen.

Im Zweifel "buddelt" einer einen Gerichtsherren aus dem 17. Jh. aus, der einer Witwe die ihm zustehenden Sporteln erlassen hat und postuliert dieses als "soziales Verhalten der herrschenden Elite" in der FNZ im HRR; in der Übertreibung liegt die Anschauung.

Will damit zum Ausdruck bringen, eine derartige Diskussion kann aus meiner Sicht kaum mittels historischer Kategorien geführt werden, sondern mit ethisch-philosophischen, vllt. noch soziologischen und theologischen. Das ist ein Faß ohne Boden aus meiner fernen Sicht.

M.
 
in der Übertreibung liegt die Anschauung.
:D:D

dann aus Rosendienstagsgründen noch ein eher satirisch gemeinter Beitrag: jene riesige Villa http://de.wikipedia.org/wiki/Villa_Wesendonck , welche sich der Industrielle Otto Wesendonck in der Schweiz (am Züricher See) bauen ließ, eröffnet einen Blick in die finanziellen Möglichkeiten des Finanzadels im 19. Jh. ... man kann errechnen, wie viele Familien der Unterschicht hätten ein Jahr lang ernährt werden können, wenn der Otto die Villa sich nicht gebaut sondern die Finanzmittel gespendet hätte... ...ach ja: dem Otto seiner Frau, Mathilde, widmete ein gewisser Wagner, Richard, fünf Lieder für Frauenstimme und Klavierbegleitung (wir haben ja das Wagner-Verdi-Jahr)
Helau!
 
Im Zweifel "buddelt" einer einen Gerichtsherren aus dem 17. Jh. aus, der einer Witwe die ihm zustehenden Sporteln erlassen hat und postuliert dieses als "soziales Verhalten der herrschenden Elite" in der FNZ im HRR; in der Übertreibung liegt die Anschauung.
Aber sowas von locker belege ich, dass es im Ancien régime etliche Aristokraten gab, die sich ihrer Verantwortung für ihre Untergebenen durchaus bewusst waren und entsprechend handelten und spanne dann den Bogen zu den vielen familiengeführten Betrieben, die noch Anfang der 90iger bestanden, wo der Chef noch die Familienmitglieder seiner Mitarbeiter kannte und dies getreu dem GG: "Eigentum verpflichtet." ... bis die Globalisierung ...

Ich weiß nicht recht, was die Diskussion bringen soll. M.A.n. wird sich Wirtschaft und damit der Unternehmer immer in den vorgegebenen Spielregeln (Gesetze) bewegen, bei entsprechend hohem Profit auch außerhalb. Die Frage ist daher, ist ein Unternehmer sozial oder asozial, weil er die Spielregeln benützt oder eher das gesellschaftliche System, das die Spielregeln aufstellt?

Grüße
excideuil
 
Die Frage ist daher, ist ein Unternehmer sozial oder asozial, weil er die Spielregeln benützt oder eher das gesellschaftliche System, das die Spielregeln aufstellt?

Ganz richtig.

Die Frage ergibt sich konsequent bei einem "enforcement" der gesellschaftlichen Verfasstheit, den Rahmenbedingungen für das unternehmerische Verhalten. In Folge des enforcement werden moralische Vorstellungen juristisch um- und durchgesetzt. Verhalten innerhalb eines legitimen Rahmens (zumal, wenn das Recht auch breit akzeptierte moralische Vorstellungen umsetzt) entzieht sich einer moralischen Bewertung, sondern verweist Kritik auf die Notwendigkeit eines gesellschaftlichen Konsenses, Regeln ggf. neu aufzustellen oder zu ändern.

Für das ökonomische Verhalten bestehen dann (akzeptierte) Regeln, gleich, ob das ein HGB oder AktG ist oder gute alte Kaufmannspraxis. Es gibt dann zwei Sonderfälle:

- Gebotenen Widerstand gegen ein verbrecherisches Regime (sozusagen als Extremfall "sozialen Verhaltens", siehe Schindler) würde ich wie Melchior nicht als Regelfall diskutieren.

- "Übererfüllung" wäre der andere Extremfall im Rahmen einer breit akzeptierten gesellschaftlichen Verfasstheit. Das ist lobenswert, wertet aber das Verhalten der übrigen Unternehmer nicht als "asozial" ab.
 
Die Frage ergibt sich konsequent bei einem "enforcement" der gesellschaftlichen Verfasstheit, den Rahmenbedingungen für das unternehmerische Verhalten.
wobei es auch da andere Perspektiven gibt, z.B. die des Erzählers in Nikolai Gogols Roman "die toten Seelen" über seinen Protagonisten:
Gogol schrieb:
Am besten wird es sein, ihn einen Unternehmer, einen Erwerber zu nennen. Der Erwerbssinn ist an allem schuld. Ihm entspringen Geschäfte, die die Umwelt als nicht ganz sauber bezeichnet.

Anmerkung: die zitierten nicht ganz sauberen Geschäfte hießen im 19. Jh. sinnigerweise Usancen (Gelegenheiten), recht hübsch dargestellt in Thomas Manns Roman "die Buddenbrooks"

...ja...das war auch noch ein eher etwas karnevalistischer Beitrag ;)
 
wobei es auch da andere Perspektiven gibt, z.B. die des Erzählers in Nikolai Gogols Roman "die toten Seelen" über seinen Protagonisten:


Anmerkung: die zitierten nicht ganz sauberen Geschäfte hießen im 19. Jh. sinnigerweise Usancen (Gelegenheiten), recht hübsch dargestellt in Thomas Manns Roman "die Buddenbrooks"

...ja...das war auch noch ein eher etwas karnevalistischer Beitrag ;)


In den Buddenbrooks laufen ja einige krumme Touren. Der Traumschwiegersohn mit dem goldgelockten Backenbart Bendix Grünlich zieht Johann Buddenbrook II. gehörig über den leisten, um an die Mitgift von Antonie "Toni" Buddenbrook zu kommen. Sein "reges Geschäft ist Blendwerk und die Ratingagenturen die Konsul Buddenbrook Auskunft gaben waren Grünlichs Gläubiger und hofften so saturiert zu werden.

Tom und Christian haben eine heftige Auseinandersetzung, als Tom zugesteckt wird, sein Bruder habe im Club eine Äußerung gemacht, jeder Kaufmann sei ein Gauner, was natürlich nicht zur Maxime des Hauses Buddenbrook passt:
"Sei mit Eifer bei den Geschäften des Tages, aber mache nur solche, bei denen wir nachts ruhig schlafen."

Senator Thomas Buddenbrook macht nur ein solches Spekulationsgeschäft, das seinem Ehrenkodex total widerspricht, nämlich die Ernte auf dem Halm zu kaufen. Der Ehemann von Tonis Schulkameradin, der Gutsbesitzer Ralf von Maiboom hat alles verzockt und ist gezwungen, die Ernte auf dem Halm zu verkaufen.

Thomas Buddenbrook lehnt zunächst höchst entrüstet ab, entschließt sich aber doch zuzugreifen, denn einem Konkurrenten wie Hermann Hagenström wären solche Skrupel gar nicht gekommen, und er schreibt Herrn von Maiboom einen Brief, den er schließlich für den eloquentesten seiner Karriere hält, doch es kommt anders und zum 100 jährigen Jubileum des Hauses Buddenbrook verhagelt es die Ernte von Pöppenrade, und Herr von Maiboom schießt sich eine Kugel in den Kopf.

An Usancen erinnere ich mich nur in Zusammenhang mit Tonis Schwiegersohn Hugo Weinschenk, der Tonis Tochter Erika Grünlich heiratet. Der bauernschlaue Weinschenk kommt auf den Dreh, ihm bekannte Schäden auf andere Versicherungen abzuwälzen. Weinschenks Verfehlungen gelten unter Insidern als Usancen, und weinschenk hat es nicht viel schlimmer getrieben, als Kollegen, doch ihm kann Staatsanwalt Dr. Moritz Hagenström Betrug in mehreren Fällen nachweisen, und Weinschenk landet für ein paar Jahre im Knast und verlässt nach seiner Entlassung seine Familie.
 
An Usancen erinnere ich mich nur in Zusammenhang mit Tonis Schwiegersohn Hugo Weinschenk, der Tonis Tochter Erika Grünlich heiratet.
exakt diese Textstelle hatte ich gemeint
(übrigens verlor das Haus Buddenbrooks nicht viel in Sachen Grünlich, den man fallen ließ (mit dem gläubigen Hinweis, sich an Gott zu wenden), und Tonis Mitgift schrumpfte halt (egal, Bierbrauer Permaneder "hatte das seine") - sehr schön übrigens Grünlichs Bankier, der schopenhauerische Kesselmeier)
 
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