Also jemand der etwas Umwälzendes in die Wege leitet oder umsetzen will ist keiner?

Die Frage ist doch die, ob ein Revolutionär in der Sicht der bestehenden Ordnung ein Terrorist ist, oder ob es einen allgemeingültigen Ansatz zur Klärung des Begriffes Revolutionär gibt?

Revolution ist ein rapider, radikaler Wandel einer bestehenden Ordnung. Sie kann technisch, sozial oder politisch sein.

Da die RAF ja vorgab diesen Wandel erzwingen oder zumindest einleiten zu wollen, müssten sie als Revolutionäre gelten. Mir behagt es aber nicht die RAF mit solchen Revolutionären wie Robert Blum auf eine Stufe zu stellen?
 
Also jemand der etwas Umwälzendes in die Wege leitet oder umsetzen will ist keiner??

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Meine Definition ist:

Ein Revolutionär ist, wer etwas Umwälzendes in die Wege geleitet oder umgesetzt hat. Keine Revolution - kein Revolutionär.

...
Revolution ist ein rapider, radikaler Wandel einer bestehenden Ordnung. Sie kann technisch, sozial oder politisch sein.

Da die RAF ja vorgab diesen Wandel erzwingen oder zumindest einleiten zu wollen, müssten sie als Revolutionäre gelten. Mir behagt es aber nicht die RAF mit solchen Revolutionären wie Robert Blum auf eine Stufe zu stellen?

Was die RAF als Absicht oder Ziel vorgab ist schlicht irrelevant - die Taten zählen - Ausreden haben alle Verbrecher.
 
Die Verwendung der Begriffe Terrorist oder Revolutionär für die RAF-Verbrecher trägt m. E. den Keim der Relativierung in sich, da sie nicht eindeutig definiert und vielseitig auslegbar sind, wie auch der bisherige Verlauf der Diskussion gezeigt hat.

Es bleibt ein gedankliches Hintertürchen offen:
"Sie werden vielleicht nur durch die Brille ihrer Gegner so gesehen, möglicherweise sind es ganz patente Leute, die für eine gute Idee kämpfen. Ihre Ideen sind vielleicht gar nicht so verkehrt usw."
Das ist dann allerdings ein Missverständnis. Es geht keineswegs darum, die RAF-Leute mit irgendwelchen revolutionären Idealen zu entschuldugen. Es bestand damals einfach keine Notwendigkeit, einen bewaffneten Kampf zu führen.

In den meisten Fällen ist klar, ob man es mit einem Revolutionär oder einem Terroristen zu tun hat. Leider zumeist immer erst hinterher. Rückblickend. Und rückblickend hat hier niemand behauptet, die RAF´ler wären Revolutionäre gewesen.

Kant als Revolutionär zu würdigen, ist ja schön und gut. Wir reden hier aber von Phänomenen politisch motivierter Gewalt.

????

Meine Definition ist:

Ein Revolutionär ist, wer etwas Umwälzendes in die Wege geleitet oder umgesetzt hat. Keine Revolution - kein Revolutionär.
In dem Sinne wären nur die Sieger Revolutionäre. Verlierer wären dann Terroristen. Wird ein Aufstand niedergeschlagen, handelt es sich nicht um eine Revolution, da es keine Umwälzung gab.

Was die RAF als Absicht oder Ziel vorgab ist schlicht irrelevant - die Taten zählen - Ausreden haben alle Verbrecher.
Deine Meinung über die RAF teile ich, aber Dein Urteil ist mir zu pauschal. Ob jemand ein Revolutionär oder ein Terrorist ist, lässt sich nicht an seinen Taten festmachen, da die Taten beider einander zwangsläufig ähneln.

Nehmen wir als prominentes Beispiel Menachem Begin. Er war Angehöriger einer Organisation, die von den Briten als Terrororganisation eingestuft wurde. Er hat Menschen entführt und aufgehängt, er war Drahtzieher von Bombenanschlägen (darunter einer auf Adenauer und einer auf ein Hotel, in dem fast 100 Menschen getötet wurden). Später wurde er israelischer Ministerpräsident. War das, was er getan hat, bloß Terrorismus?

Nehmen wir die "Theoretiker" des Guerillakampfes - Micheal Collins, Mao, Carlos Marighella, Ernesto Guevara und wie sie alle heißen. Oder den schweizerischen Offizier Hans von Dach. Sie haben Taktiken für den gewaltsamen Widerstand gegen die Staatsgewalt entwickelt. Genau die gleichen Taktiken nutzen Terroristen. Das unterscheidet sie nicht.

Als Unterscheidungskriterium taugt vielleicht noch am ehesten Maos Definition: "Der Revolutionär bewegt sich in den Volksmassen wie der Fisch im Wasser." Für die RAF heißt das: Sie saß von Beginn an auf dem Trockenen.

MfG
 
Hallo Maelonn, es zunächst einmal schön, dass wir uns im Grundsatz einig sind. :winke:

Das es dann noch die eine oder andere Nuance in der Wahrnehmung / Auffassung gibt es ja nur zu begrüßen, deshalb noch einige Anmerkungen:

...
In dem Sinne wären nur die Sieger Revolutionäre. Verlierer wären dann Terroristen. Wird ein Aufstand niedergeschlagen, handelt es sich nicht um eine Revolution, da es keine Umwälzung gab.

Nicht ganz, nach meiner Definition wäre er nur kein Revolutionär, genauso wie jemand, der sein Physikstudium abgebrochen hat, eben auch kein Diplom-Physiker ist.

Ob er als Terrorist einzustufen ist, ist eine andere Frage. Terror ist ist ja nicht zwangsläufig eine Zwischenstufe auf dem Weg zum Revolutionär. Die Frauen, die am 5. Oktober 1789 nach Versailles zogen, waren Revolutinärinnen aber bei Leibe keine Terroristinnen, auch wenn sie Ludwig XVI. vielleicht Angst gemacht haben.

... Ob jemand ein Revolutionär oder ein Terrorist ist, lässt sich nicht an seinen Taten festmachen, da die Taten beider einander zwangsläufig ähneln.

Das sehe ich anders. Die Ermordung von Menschen mag zwar terroristisch sein, revolutionär ist sie bestimmt nicht, und letztlich sind es die Taten die zählen, wobei bei den Taten die Umstände natürlich mit einzubeziehen sind, bspw. einer Notwehrsituation.

... Nehmen wir als prominentes Beispiel Menachem Begin. Er war Angehöriger einer Organisation, die von den Briten als Terrororganisation eingestuft wurde. Er hat Menschen entführt und aufgehängt, er war Drahtzieher von Bombenanschlägen (darunter einer auf Adenauer und einer auf ein Hotel, in dem fast 100 Menschen getötet wurden). Später wurde er israelischer Ministerpräsident. War das, was er getan hat, bloß Terrorismus?

Dass Begin genannt wird, habe ich schon befürchtet. Wir sind uns sicher einig, dass zwischen Irgun und RAF Welten liegen. Die angesprochene Entführung und Erhängung habe ich gegoogelt:

While the tragedy of the Exodus was being played out, a new drama was unfolding in Palestine. On July 12, the Irgun finally succeeded in kidnaping two British officers, Sergeants Cliff Marin and Mervyn Paice. The British, aided by the Haganah, launched a massive search for the missing men but were unable to locate them. For over two weeks there was no word on the sergeants. During that period 13 British were killed and 77 wounded in underground attacks while only one terrorist was killed. Then, on July 29, three Irgunists involved in the Acre breakout were hung.
The Irgun response was delivered in the Irgunpress:
We recognize no one-sided laws of war. If the British are determined that their way out of the country should be lined by an avenue of gallows and of weeping fathers, mothers, wives, and sweethearts, we shall see to it that in this there is no racial discrimination. The gallows will not be all of one color...Their price will be paid in full.34
The same day the Irgun hung the two sergeants and booby-trapped their bodies.

Das Beispiel zeigt sehr schön, wie untauglich der Begriff Terrorist eigentlch ist. Aber um die Frage zu beantworten: Nein!

Als Unterscheidungskriterium taugt vielleicht noch am ehesten Maos Definition: "Der Revolutionär bewegt sich in den Volksmassen wie der Fisch im Wasser." Für die RAF heißt das: Sie saß von Beginn an auf dem Trockenen.
Eine schöne Interpretation zu Mao und einigen seiner Leser.
 
@ Maelonn

Ich hatte versucht weiter oben darzulegen, das Terroristen eben keine Guerilla-Taktik anwenden und und dass der Begriff Stadtguerilla eine Verschleierung des Begriffs Terrorismus und terroristischer Akte ist.
Ansonsten muss ich dir beipflichten das mir Stephans Ansatz zu simpel ist um eine allgemeingültige Erklärung zu liefern was ein Rvolutionär ist.
 
Nehmen wir als prominentes Beispiel Menachem Begin. ...
War das, was er getan hat, bloß Terrorismus?
Wikipedia: Menachem Begin
1948 in New York ...verfassten 26 zumeist jüdische Intellektuelle, darunter Hannah Arendt und Albert Einstein, einen Leserbrief an die New York Times, in dem sie seine terroristische Vergangenheit verurteilten ...
((
Hannah Arendt/Wikipedia:
….


Als im Dezember 1948 der ehemalige Führer der zionistischen Terror-Organisation Irgun Menachem Begin New York besuchte, um Spenden für seine neugegründete Cherut-Partei zu sammeln, verfassten 26 Intellektuelle, darunter viele mit jüdischem Hintergrund, einen scharf formulierten Leserbrief, der am 4. Dezember 1948 in der New York Times veröffentlicht wurde.[29] Zu den Unterzeichnern gehörten neben Hannah Arendt u. a. Isidore Abramowitz, Albert Einstein, Sidney Hook und Stefan Wolpe. Sie warnten eindringlich vor dieser Partei und charakterisierten sie als faschistisch und terroristisch. Als schockierendes Beispiel für Charakter und Vorgehensweise der Organisation erwähnen sie auch das von Begin kommandierte Massaker von Deir Yasin.
An ihre Freundin, die US-amerikanische Schriftstellerin Mary McCarthy, schrieb Arendt mehr als zwanzig Jahre später, Israel sei ein eindrucksvolles Beispiel für die Gleichheit der Menschen. Für noch wichtiger hielt sie die „Überlebensleidenschaft“ des jüdischen Volkes seit der Antike. Sie äußerte die Angst, dass sich der Holocaust wiederholen könne. Als Rückzugsort und wegen des unausrottbaren Antisemitismus sei Israel notwendig. Arendt betont, dass jede wirkliche Katastrophe in Israel sie mehr berühre als fast alles andere.[30]
))
 
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Wikipedia: Menachem Begin
Ja, ist schon klar. Vielleicht wird mit den folgenden Erläuterungen deutlich, was ich meinte...

Dass Begin genannt wird, habe ich schon befürchtet. Wir sind uns sicher einig, dass zwischen Irgun und RAF Welten liegen. Die angesprochene Entführung und Erhängung habe ich gegoogelt:

Das Beispiel zeigt sehr schön, wie untauglich der Begriff Terrorist eigentlch ist. Aber um die Frage zu beantworten: Nein!
Dabei hatte ich gerade den erwähnt, weil in seinem Fall die Grenzen vollendes verschwimmen. Ich persönlich bin mir nicht sicher, wie ich ihn und seine Irgun einschätzen soll. Und selbst Kampfgefährten hatten keine hohe Meinung von ihm. Einiges, was Irgun so getrieben hat, erinnerte schon sehr an Terrorismus. Zum Beispiel das Aufknüpfen der beiden kleinen Soldaten. Oder das eine oder andere Massaker an Palästinensern. Im Nachhinein haben sich die Urteile dann verschoben und zumindest die "herrschende Meinung" sprach nicht mehr von Terrorismus.

Wie wir inzwischen klargestellt haben, unterscheiden sich unsere Urteile hinsichtlich der RAF nicht. Ich vermute, dass unsere Meinungsverschiedenheiten nur damit zusammenhängen, dass wir unterschiedliche Dinge meinen, wenn wir "Revolution" sagen. Ich meine damit das hier: Revolution | bpb

Das markiert dann schon das Problem: Gewalt ist regelmäßig mit Taten verbunden, die landläufig als Verbrechen gelten. So war das bei den meisten Revolutionen. Nur die wenigsten spielen sich so ab wie damals in der DDR. Du selbst zitierst die Französische Revolution. Die Revolutionäre waren aber gar nicht die paar Frauen, die nach Versailles zogen. Die eigentlichen Revolutionäre waren Leute wie Robbespierre, Marat und Saint-Just. Und die haben den "Terreur" zum Prinzip ihrer Revolution eroben.

Nicht ganz, nach meiner Definition wäre er nur kein Revolutionär, genauso wie jemand, der sein Physikstudium abgebrochen hat, eben auch kein Diplom-Physiker ist.
Da bin ich auch anderer Meinung. Guevara ist in Bolivien besiegt worden und elend zugrunde gegangen und Robert Blum hat keine "radikale Veränderung" erreichen können. Trotzdem sind beide sicher Revolutionäre.

MfG
 
@ Maelonn

Ich hatte versucht weiter oben darzulegen, das Terroristen eben keine Guerilla-Taktik anwenden und und dass der Begriff Stadtguerilla eine Verschleierung des Begriffs Terrorismus und terroristischer Akte ist.
Ansonsten muss ich dir beipflichten das mir Stephans Ansatz zu simpel ist um eine allgemeingültige Erklärung zu liefern was ein Rvolutionär ist.

Deinen Beitrag habe ich so verstanden, dass Du mit Verweis auf Kleinkriegstaktiken eine dritte (militärisch ausgerichtete) Kategorie einführen willst. Das erscheint mir nicht hilfreich, da sich in Konflikten, auf die das Etikett "Revolution" einigermaßen passt, militärische und politische Aktionen selten klar trennen lassen. Wie sich eine Revolution vollzieht, hängt sehr von dem Umfeld ab, in dem sie stattfindet. Das sah in russischen Großstädten ganz anders aus als auf dem Land in Mittelamerika. Sowohl Mobilisierung als auch Taktiken unterscheiden sich grundlegend.

Aber das nur nebenbei. Die Bezeichnung "Stadtguerilla" geht zurück auf den von mir bereits zitierten Carlos Marighella. Und er nennt Aktionen wie "Hinrichtungen, Entführungen, Sabotage Terrorismus, bewaffnete Propaganda" als Methoden seiner Vorstellung von "revolutionärem Kampf" im städtischen Raum. Übrigens zählte er auch Flugzeugentführungen dazu.

MfG
 
@ Maelonn
Da hast du mich falsch verstanden...
Ich wollte keinen dritten Begriff einführen, sondern klarstellen das Guerilla ein militärischer Begriff ist und Stadtguerilla lediglich ein Synonym für Terrorismus ist. Meines Wissens von Michael Collins eingeführt beinhaltet er die von dir genannten Methoden, die genau die gleichen sind mit denen man Terrorismus beschreibt. Darin ind wir uns vollkommen einig.
Der am Anfang des Treads häufiger genannte Begriff Guerilla ist im Zusammenhang mit der RAF also gar nicht zu verwenden. Darauf hatte ich reagiert. ;)(Ps: was meinst du mit "bewaffneter Propaganda?)

Um aber beim Thema zu bleiben.....​
Ich fasse einmal zusammen:
Der Begriff Terrorismus ist uns allen klar, denke ich. Attentate, Erpressung, Entführung etc.​
Auch der Begriff Revolution ist eindeutig und klar definiert, wie der Link von Maelonn noch einmal unstrittig zeigt.​
Ebenfalls scheinen wir uns einig zu sein was ein Terrorist ist. Also jemand der terroristische Methoden anwendet.​
Unklar ist noch was ein Revolutionär ist. Eine Definition über den Erfolg scheint nicht geeignet zu sein. Obwohl dadurch die RAF eindeutig als Terroristische Vereinigung erklärbar wäre und hier sicherlich den Kern treffen würde, aber in Bezug auf andere Revolutionäre ungeeignet ist.​
 
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...
Für mich kann ich sehr gut erklären was Terrorismus ist und würde die RAF genau dort einordnen, jedoch ist mir ein definieren des Begriffs Revolutionär nicht so einfach möglich....
Vor allem sind Revolutionaer und Terrorist doch gar keine einander ausschliessende Gegensetzlichkeiten.

Der Begriff Terrorist ist auch nicht unproblematisch. Einerseits kann er wertneutral eine Sammlung von Techniken im politisch Kampf umschreiben, andererseits ist er auch politisch geladen. Was dem einem sein Freiheitskaempfer, ist dem anderem ein Terrorist.
 
Der am Anfang des Treads häufiger genannte Begriff Guerilla ist im Zusammenhang mit der RAF also gar nicht zu verwenden. Darauf hatte ich reagiert. ;)(Ps: was meinst du mit "bewaffneter Propaganda?)
Es mag ja sein, dass die Bezeichnung "Guerilla" in dem Zusammenhang falsch ist oder auch nicht. Ich habe diese Definition nicht aufgestellt, sondern nur zitiert. Auch die Formulierung "bewaffnete Propaganda" stammt nicht von mir, sondern ist ein Zitat aus Marighellas "Minihandbuch des Stadtguerilleros". Ich vermute, dass er "militärische" Aktionen meint, die nicht militärischen sondern politischen Zwecken dienen. Aber ich habe das Buch nicht in Gänze gelesen.

Losgelöst davon hätte ich einen zugegebenermaßen sehr "weichen" Vorschlag, wie man Revolutionäre von Terroristen unterscheiden könnte. Maßstab könnte die Frage sein, ob Gewaltanwendung als "angemessen" betrachtet werden kann, um revolutionäre Ziele zu erreichen. Wie ich bezüglich Begin schon angedeutet habe, kann ich nicht erkennen, wie das Aufknüpfen von zwei Gefangenen, die zudem auch noch machtlose Befehlsempfänger sind, revolutionären Zielen dienen soll.

MfG
 
Auch die Formulierung "bewaffnete Propaganda" stammt nicht von mir, sondern ist ein Zitat aus Marighellas "Minihandbuch des Stadtguerilleros". Ich vermute, dass er "militärische" Aktionen meint, die nicht militärischen sondern politischen Zwecken dienen.

Aus meiner Erinenrung: Ja, so etwa; bewaffnete/terroristische Aktionen, die va dazu dienen, Aufmerksamkeit zu erwecken, die dann genutzt werden kann, die eigenen Ziele populär zu machen. Die Entführung Hanns Martin Schleyers könnte man so erklären (während der folgende Mord wie auch andere RAF-Morde auch "nur" mit der Ausschaltung eines politischen Gegners erklärt werden könnte).

Ob das jetzt durchdacht oder ethisch ist lass ich mal dahingestellt...

Maßstab könnte die Frage sein, ob Gewaltanwendung als "angemessen" betrachtet werden kann, um revolutionäre Ziele zu erreichen. Wie ich bezüglich Begin schon angedeutet habe, kann ich nicht erkennen, wie das Aufknüpfen von zwei Gefangenen, die zudem auch noch machtlose Befehlsempfänger sind, revolutionären Zielen dienen soll.

Wenns aber zum Erfolg führt? Begin oder auch frühere IRA-Mitglieder haben sich ja sowohl terroristisch betätigt, damit (im Gegensatz zur RAF) einiges erreicht und sind (mehr oder minder) geachtete Politiker geworden. Gut, ich sehe auch kein Problem darin, die Herren als (Ex-) Terroristen zu bezeichnen.
:grübel:
 
Zunächst möchte ich noch einmal kurz auf Maelonns Frage
War das, was er getan hat, bloß Terrorismus?
eingehen.

Sie enthält das kleine aber für mich entscheidende Wort: "bloß", dass mich bewogen hat, mit Nein zu antworten. Die beiden Unteroffiziere wurden bereits am 12.7. von der Irgun gefangen genommen. Am 18.7. enterten die Briten die Exodus (3 Tote, 30 Verletzte). Am 22.7. begann die zwangsweise Rückführung der Immigranten der Exodus nach Dtschl. - ausgerechnet. Am 29.7. wurden 3 Irgunmitglieder, die am Angriff auf Akko teilgenommen hatten, gehängt. Gleichzeitig liefen die UN-Beratungen über die Zukunft des Mandatsgebietes.

Die Hinrichtung der beiden britischen Unteroffiziere kann also auch als Repressalie gewertet werden, zumal sie sich gegen Angehörige der gegnerischen Streitkräfte richtete und "verhältnismäßig" war. Die zeitgleiche Erklärung der Irgun enthält ferner implizit die Botschaft, wenn ihr aufhört, unsere Leute aufzuhängen, hören wir auf, eure aufzuhängen.

Ein terroristischer Akt war es, aber nicht nur. Ohne das kleine Wörtchen "bloß" hätte ich mich für Ja entschieden.

Aber zurück zur Frage Terrorist - Revolutionär. Ich glaube ein Problem ist, dass noch nicht ganz geklärt, ist welchem Zweck diese Bezeichnungen dienen sollen: Sollen sie jemanden bezeichen, der den dahinterstehenden Vorgang ausgeführt hat, an ihm beteiligt war, oder ihn vielleicht "nur" geplant hat, oder soll sie als besondere Hervorhebung, quasi als "Titel", dienen?

Je nachdem wofür man sich entscheidet hat man möglicherweise einmal sehr viele Revolutionäre, Gott sei Dank aber weniger Terroristen, oder zwei kleinere "Eliten".

Mit Terror und Revolution werden m. E. zwei ganz verschiedene Dinge bezeichnet, auch wenn sie auf politischer Ebene häufig im Zusammenhang auftraten / auftreten:

Nämlich einmal eine Form der Kampfführung und einmal eine Form von Entwicklung (Evolution), wenn auch in ihrer drastischsten Form, verbunden mit etwas Neuem.

Vielleicht hilft es ja, zunächst eine Liste (ginge das als Umfrage?) zu erstellen, was/wer als Terrorist bzw. Revolutionär angesehen werden soll, um dann die jeweils gemeinsamen Wesensmerkmale herauszuarbeiten.

Klar sein dürfte, dass in den 1970ern das Aufhängen eines Che Guevara Posters und das Hochhalten der Mao-Bibel keine revolutionären Akte sind, auch wenn die Betreffenden das gerne so sähen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenns aber zum Erfolg führt? Begin oder auch frühere IRA-Mitglieder haben sich ja sowohl terroristisch betätigt, damit (im Gegensatz zur RAF) einiges erreicht und sind (mehr oder minder) geachtete Politiker geworden. Gut, ich sehe auch kein Problem darin, die Herren als (Ex-) Terroristen zu bezeichnen.
:grübel:
das ist ein origineller Verdacht: im Falle des Erfolgs vergibt man a posteriori die Bezeichnung "Revolutionär", im Falle des Mißerfolgs vergibt man die Bezeichnung "Terrorist" :grübel: :still:
...aber diese, wohlweislich hinterher getroffene Bewertung, erscheint mir doch ein wenig utilitaristisch :)

könnte es nicht eher so sein, dass ab dem ausgehenden 18. Jh. der "Revolutionär" eine arg repressalische Umwelt (böse Könige etc.) benötigt, welche er, da andere Mittel nicht fruchten, gewaltsam umstürzen will, um tatsächlich (sic) schlechtere gegen gerechtere Verhältnisse zu vertauschen? Wenn das stimmt, wäre zu fragen, ob die Damen und Herren der RAF unabhängig von ihren großspurigen Verlautbarungen in einem stark von Repressalien und diktatorischen Machthabern beherrschten Land gelebt hatten... letzteres scheint mir, trotz aller Gesellschaftskritik der schöngeistigen Literatur dieser Zeit (im dt. Sprachraum), eigentlich nicht so sher der Fall gewesen zu sein :)
 
das ist ein origineller Verdacht: im Falle des Erfolgs vergibt man a posteriori die Bezeichnung "Revolutionär", im Falle des Mißerfolgs vergibt man die Bezeichnung "Terrorist" :grübel: :still:
...aber diese, wohlweislich hinterher getroffene Bewertung, erscheint mir doch ein wenig utilitaristisch :)
Meine angeborene Skepsis hinsichtlich der Reinheit menschlicher Motive hat mich bewogen, von Beginn an genau diese utilitaristische Logik als Grund für die Unterscheidung zu vermuten. :devil: Dagegen spricht allerdings wieder, dass ich die RAF´ler nicht nur wegen ihrer Erfolglosigkeit als Terroristen betrachte. Ich glaube, dass mein Urteil "objektiv" ist. Es fällt mir nur schwer, die Gründe dafür zu benennen.

Wenn das stimmt, wäre zu fragen, ob die Damen und Herren der RAF unabhängig von ihren großspurigen Verlautbarungen in einem stark von Repressalien und diktatorischen Machthabern beherrschten Land gelebt hatten... letzteres scheint mir, trotz aller Gesellschaftskritik der schöngeistigen Literatur dieser Zeit (im dt. Sprachraum), eigentlich nicht so sher der Fall gewesen zu sein :)
Jepp! Ganz genau. Darauf wollte ich hinaus mit der Frage, ob man die "Angemessenheit" von Gewaltanwendung als Maßstab heranführen könnte. Bei aller Unzulänglichkeit. Wie der mehrfach angeführte Herr Begin belegt, ist es ja individuell sehr unterschiedlich, was man für "angemessen" hält.

Wenns aber zum Erfolg führt? Begin oder auch frühere IRA-Mitglieder haben sich ja sowohl terroristisch betätigt, damit (im Gegensatz zur RAF) einiges erreicht und sind (mehr oder minder) geachtete Politiker geworden. Gut, ich sehe auch kein Problem darin, die Herren als (Ex-) Terroristen zu bezeichnen.:grübel:
Hat die Irgun-Aktion denn zum Erfolg geführt? Das ist ja der Punkt, an dem Menachem Begin mir suspekt wird. Wenn man Irgun nicht als Terrorgruppe sondern als "Befreiungsbewegung" begreift, dann muss man erwarten, dass die Aktionen der Truppe einen "militärischen" oder einen "politischen" Zweck haben. Ich erkenne aber weder das eine noch das andere. "Militärisch" war das Aufhängen der beiden Soldaten völlig sinnbefreit. Sie waren als Gefangene nicht mehr in der Lage, Irgun an irgendwas zu hindern. "Politisch" sehe ich auch keinen Sinn. Wollte man den Briten Angst einflößen? Auf die Weise ging das wohl nicht. Wollte man seine eigenen Anhänger von irgendwas überzeugen? Oder Unentschlossene als Anhänger gewinnen? Dann wäre es sinnvoller gewesen, die beiden Soldaten gegen irgendwas einzutauschen, was man der Öffentlichkeit als eigenen Erfolg verkaufen kann. Diese beiden Morde (als das betrachte ich die Tat) hatten allenfalls "symbolische" Bedeutung. Und nur aus symbolischen Gründen bringt man niemanden um. Meiner Meinung nach ist da jedenfalls die Grenze der "Angemessenheit" klar überschritten.

Sie enthält das kleine aber für mich entscheidende Wort: "bloß", dass mich bewogen hat, mit Nein zu antworten.
Mit der Frage wollte ich Dich nicht aufs Glatteis führen. Das "bloß" ist Ausdruck meiner eigenen Zweifel gewesen, wie ich so eine Tat einschätzen soll. Ich sehe keinen Sinn darin, kenne aber auch die von Begin selbst geäußerte Ansicht, dass es ohne derartige Aktion den Staat Israel nicht geben würde. Das stimmt ja vielleicht sogar. Ich kenne mich da zu wenig aus.

MfG
 
Noch eine Idee, wie man Revolutionäre von Terroristen unterscheiden kann:
Die Auswahl der Ziele, die angegriffen werden.

Beispiel zur Erläuterung: Dem Terroristen ist es egal, wer durch eine Bombe getötet wird. Die Opfer sind austauschbar. Dem Revolutionär muss es darauf ankommen, dass ganz bestimmte Ziele getroffen werden.

Noch ein mögliches Unterscheidungskriterium:
Der beabsichtige Zweck von Zerstörungen.

Erläuterung: Dem Terroristen kommt es darauf an, Schrecken zu verbreiten. Deshalb beabsichtigt er möglichst große Zerstörung. Je mehr kaputt geht (egal was), desto besser. Der Revolutionär will dagegen durch Zerstörung die Mittel seines Gegners verringern.

Wäre das ein Ansatz? Spricht was dagegen?

MfG

Drittes mögliches Unterscheidungskriterium muss auf jeden Fall in der Frage liegen, ob es Alternativen zur Gewaltanwendung gibt: Wenn jemand sich zu einem bewaffneten Kampf entschließt, obwohl es auch andere Wege zur Erreichung seiner Ziele geben würde, ist er ein Terrorist.
 
Darauf wollte ich hinaus mit der Frage, ob man die "Angemessenheit" von Gewaltanwendung als Maßstab heranführen könnte. Bei aller Unzulänglichkeit. Wie der mehrfach angeführte Herr Begin belegt, ist es ja individuell sehr unterschiedlich, was man für "angemessen" hält.
Georg Herwegh schrieb:
Fürstenblut muß fließen
knüppelhageldick
soll daraus ersprießen
die neue Republik.
Herwegh und auch Büchner hatten im 19. Jh. (am ästhetischen Teetisch) keine Bedenken, notfalls auch Gewalt für die gute sozialrevolutionöre Sache zu rechtfertigen.
...sozialrevolutionär...
da schwingt viel positiv konnotiertes mit (die Drohnen namens Gebutsadel abschaffen, enteignen, entmachten; Gerechtigkeit für alle usw usw)

Vormärz, junges Deutschland, 48er Revolution - kultur- und literaturhistorisch durchaus positiv konnotiert.

der Begriff des "revolutionären" insbesondere des "sozialrevolutionären" ist infolge des 19. Jhs. (und seiner Kultur- und Geistesgeschichte) überwiegend positiv, ja das erstreckt sich sogar auf einen Begriff wie "Rebell / Rebellion" (man denke an "die Erschießung der Rebellen" von Goya (mit formaler Christus-Assoziation)), ja sogar im komisch-heiteren taucht die Rebellion auf (bei von Suppé in der Operette "Boccaccio")

zugleich im 19. Jh. schon die Unterscheidung zwischen Revolutionär und Terrorist, exemplarisch im Roman "die Dämonen" von Dostojeski - dort wird etwas sehr eigentümliches, ja auffälliges attestiert: dass der Terrorist sich gerne das positive Kostüm des Revolutionärs überstülpt.

Herwegh, Büchner, aber auch Doistojewski, hätten in den Damen und Herren der RAF keine Revolutionäre gesehen: es fehlen die ungerechten drückenden Verhältnisse und es fehlt ein sozialrevolutionäres (sei es republikanisch, demokratisch) gesellschaftspolitisches (meinetwegen auch sozialutopisches) Konzept.

Wir haben den Gegensatz Terrorist - Revolutionär; jetzt fehlt uns noch der Anarchist :):)
 
Noch ein mögliches Unterscheidungskriterium:
Der beabsichtige Zweck von Zerstörungen.

Erläuterung: Dem Terroristen kommt es darauf an, Schrecken zu verbreiten. Deshalb beabsichtigt er möglichst große Zerstörung. Je mehr kaputt geht (egal was), desto besser.
ok, da hätten wir dann den terroristisch aktiven Anarchisten :):)
 
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