Aussterben der Neandertaler

Das Problem bei dieser "Kann den Speer nicht werfen" Theorie ist das wir in Europa ja mehrere Hunderttausend Jahre alte Wurfspeere gefunden haben. Und dass sie (das ganze wurde ja hier im Thread vor ein paar Jahren schonmal diskutiert) auf einem sehr fragwürdigem Vergleich mit heutigen Profisportlern basiert.

Um das nochmal zusammen zu fassen was damals diskutiert wurde: Eine Studie kam zu der Ansicht dass beim Neanderthaler keine übermäßige Belastung der Gelenke im rechtem Arm festzustellen sei. Dies wurde als Beleg gedeutet dass keine Speere geworfen wurden. Bei Sapiensfunden gab es durchaus (teilweise) diese Belastungsspuren.

Inwieweit aber hier die etwas andere Muskulatur des Neandertalers die Gelenke entlastet hat, ob Neandertaler in der Mehrzahl Rechtshänder waren oder ob man an Jägern überhaupt die gleichen Belastungsspuren erwarten sollte wie an Profisportlern ist reine Spekulation.

Klar ist nur: Zum Werfen geeignete Speere gab es. Umgedreht gibt es aus dieser Zeit noch keine Funde von Speerschleudern oder Bögen. Insofern können diese auch kaum zum Aussterben beigetragen haben.
 
Bei Wikipedia ist während des Threads hier neues eingearbeitet ...
Wir reden hier übrigens über einige Hundert Funde von Neandertalern aus mehreren 10 000 Jahren....
Welche Individuenzahl hat denn überhaupt gleichzeitig in dem Raum gelebt????
bei so rein statisch 2-4 Individuen je tausend Jahre brauchen wir über die Möglichkeit, "Hybridenskelette" zu finden, garnicht nachdenken. Selbst wenn am Ende der "Neandertalerzeit" alle Neandertaler mit Homosapienspartnern gelebt hätten, wäre das nicht nachweisbar. Es sind ja auch in den letzten 30000 Jahren genug Menschen aus Gegenden eingewandert, in denen Neandertaler nicht vorkamen. Auf der anderen Seite kann ein einziger Neandertaler in dieser Zeit ein paar sehr effektive Gene in die HSS -population eingestreut haben, die dann eben seine Nachkommen befähigten, mehr Nachwuchs "durchzubringen"
 
Ich glaube eher, dass die Neandertaler immer stärker in unwirtlichere Rückzugsgebiete gedrängt wurden, sodass schließlich nicht nur die Bevölkerungszahl, sondern auch die Geburtenrate mehr und mehr sank.

Das ganze war ein circulus vitiosus, bei dem der brave und unbeweglichere Neandertaler schließlich gegenüber dem agileren und wohl auch ideenreicheren Jetztmenschen das Nachsehen hatte.
 
Neandertaler und Homo sapiens werden sich im Jagd- und Revierhalten nicht sonderlich unterschieden haben. Welche anderen "Prädatoren" sollte es sonst noch gegeben haben?

Wölfe, Löwen, Tiger, Bären...

Man kann hierbei problemlos argumentieren dass diese sich in Rückzugsgebiete zurückzogen wenn Sapiens in ihrem Gebiet jagten. Hätte aber auch für Neandertaler gelten können.

Warum Höhlenlöwen in Europa noch vor 12000 Jahren existierten - Neandertaler aber nicht lässt sich rein über die Konkurrenzsituation kaum erklären. Rückzugsgebiete scheinen letztlich noch für längere Zeit existiert zu haben.

Es scheint durch die Forschungen von Svante Pääbo u.a. wissenschaftlich gesichert zu sein, dass es einen Genfluss vom Neandertaler zum modernen Menschen gab, der etwa 2-4% betrug. Demnach muss es - in sehr geringem Maße - eine Vermischung von beiden Spezies gegeben haben, die zu fruchtbaren Nachkommen führte. Angesichts der äußerst minimalen Genübertragung hat der moderne Homo sapiens keine anatomischen Merkmale des Neandertalers übernommen.

Da wäre ich vorsichtig - bei beiden Annahmen. Zum einem bedeutet der Genfluss ja noch nicht dass es keine Ausrottung gab. Schon eine einzige Gruppe die sich in der Levante mit Neanderthalern vermischt würde ausreichen um den Genfluss zu erklären wenn sich ihre Nachkommen durchsetzten. Auch dann wenn der Rest der Sapiensgruppen Neandertaler konsequent gewaltsam begegnen würde. Das meinte ich oben - es ist sehr schwer festzustellen ob die Neandertaler eher in der Sapienspopulation aufgingen oder eher einfach ausstarben (mit geringer Vermischung). Dafür wissen wir zu wenig wer sich durchgesetzt hat in späteren Zeiten.

Aber auch ob der geringe Anteil nun zu keinen anatomischen Merkmalen führte ist ja fraglich, schließlich basieren viele sehr auffällige Merkmale eigentlich auf sehr wenigen Genunterschieden. Wenig heißt also hier nicht unbedingt "nichts sichtbar".

Wahrscheinlicher ist dass die Unterschiede einfach nicht groß genug waren um sie heute noch zu bemerken.
 
Nun, in geschichtlicher Zeit haben wir einen ähnlich gelagerten Fall
Hauskatze-Wildkatze ...
Es gibt kaum noch reine Wildkatzen, dies liegt jetzt z.T. am verdrängen/ausrotten durch den Menschen aber hauptsächlich an der starken Vermehrung der Hauskatze
 
Wölfe, Löwen, Tiger, Bären...

Die eiszeitlichen Tiere wurden von beiden Spezies gejagt. Wo liegt da das Problem?

Warum Höhlenlöwen in Europa noch vor 12000 Jahren existierten - Neandertaler aber nicht lässt sich rein über die Konkurrenzsituation kaum erklären. Rückzugsgebiete scheinen letztlich noch für längere Zeit existiert zu haben.

Man sollte vielleicht eine Liste möglicher Ursachen aufstellen, die zum Verschwinden des Neandertalers geführt haben könnten, und sie in einem späteren Schritt nach wahrscheinlichen, weniger wahrscheinlichen oder unwahrscheinlichen Aspekten ordnen.

Genannt wird meist an prominentester Stelle, dass der Neandertaler vom eiszeitlichen Jetztmenschen verdrängt wurde. Als Gründe werden angeführt, der moderne Mensch sei geistig beweglicher gewesen als sein Vetter, der Neandertaler, und hätte somit beim Überleben in einer lebensfeindlichen Umwelt bessere Chancen gehabt. Dieser winzige Vorsprung hätte sich zwar nicht in wenigen Jahrhunderten ausgewirkt, wohl aber über die Distanz von etwa 10 000 Jahren, die Neandertaler und Jetztmensch im eiszeitlichen Europa nebeneinander lebten.

Diese Hypothese hat einiges für sich, zumal die Fortschritte des Homo sapiens sapiens bei der Bearbeitung und Herstellung von Geräten und Waffen im Gegensatz zum Neandertaler offensichtlich sind. Vermutlich wäre der Neandertaler noch früher ausgestorben, wenn er nicht so hervorragend an seine eiszeitliche Umwelt angepasst gewesen wäre.

Eine andere Hypothese geht - wie oben schon angesprochen - davon aus, dass die Geburtenrate beim Neandertaler eine Idee niedriger gewesen wäre. Das hätte - ebenfalls über den gewaltigen Zeitraum von 10 000 Jahren - eben den entscheidenden Reproduktionsvorteil gebracht. Diese Vermutung ist freilich sehr spekulativ, da durch nichts beweisbar.

Andere Hypothesen sind mir momentan nicht bekannt, doch gibt es gewiss diverse, die mehr oder weniger glaubhaft sind.

Da wäre ich vorsichtig - bei beiden Annahmen. Zum einem bedeutet der Genfluss ja noch nicht dass es keine Ausrottung gab. Schon eine einzige Gruppe die sich in der Levante mit Neanderthalern vermischt würde ausreichen um den Genfluss zu erklären wenn sich ihre Nachkommen durchsetzten. Auch dann wenn der Rest der Sapiensgruppen Neandertaler konsequent gewaltsam begegnen würde. Das meinte ich oben - es ist sehr schwer festzustellen ob die Neandertaler eher in der Sapienspopulation aufgingen oder eher einfach ausstarben (mit geringer Vermischung). Dafür wissen wir zu wenig wer sich durchgesetzt hat in späteren Zeiten.

Wo es zu Vermischungen von Neandertalern und modernen Menschen kam, wissen wir nicht. Wir wissen lediglich, dass sie nach den jüngsten Gen-Analysen erfolgt sein müssen.

Aber auch ob der geringe Anteil nun zu keinen anatomischen Merkmalen führte ist ja fraglich, schließlich basieren viele sehr auffällige Merkmale eigentlich auf sehr wenigen Genunterschieden. Wenig heißt also hier nicht unbedingt "nichts sichtbar".

Skelette von Neandertalern und Homo sapiens sind so verschieden, dass jeder Anthropologe und sogar Laie sie unterscheiden kann. Wo und ob sich nun der minimale Genbestand von 2-4% bemerkbar macht, wissen wir nicht.
 
Die eiszeitlichen Tiere wurden von beiden Spezies gejagt. Wo liegt da das Problem?

Es ging um die Verdrängung wegen desselben Beuteschemas. Ardwulf hatte darauf hingewiesen, dass andere Räuber, die dasselbe Beuteschema wie die beiden Menschenspezies hatten, den angeblichen Konkurrenzdruck überlebten, auch noch lange, als der Neandertaler verschwunden war. Ergo kann das Verschwinden des Neandertalers nicht wirklich aufgrund von Konkurrenzdruck erklärt werden.

Skelette von Neandertalern und Homo sapiens sind so verschieden, dass jeder Anthropologe und sogar Laie sie unterscheiden kann. Wo und ob sich nun der minimale Genbestand von 2-4% bemerkbar macht, wissen wir nicht.

Wenn man denn ganze Skelette hat...
 
Es ging um die Verdrängung wegen desselben Beuteschemas. Ardwulf hatte darauf hingewiesen, dass andere Räuber, die dasselbe Beuteschema wie die beiden Menschenspezies hatten, den angeblichen Konkurrenzdruck überlebten, auch noch lange, als der Neandertaler verschwunden war. Ergo kann das Verschwinden des Neandertalers nicht wirklich aufgrund von Konkurrenzdruck erklärt werden.

Danke für die Aufklärung. Da war ich langsam im Denken - gewiss ein Relikt des Neandertal-Gens. :winke:
 
La Grotte aux fées ist dazu ein interessanter Fundort, aufgrund der Besiedlungsgeschichte (nach Grabfunden) Neandertaler - HS - Neandertaler, mit einer Überlappung von Siedlungsbewegungen von rd. 1000 Jahren.

Ein Erklärungsansatz geht von der vollständigen Verdrängung des Neandertalers aus, aufgrund welcher Fähigkeiten von HS auch immer (Sprachfähigkeiten, Bevölkerungswachstum, Werkzeuge, usw.).

Mit dem Verschwinden von HSS (klimatisch bedingt?, erneute Wanderungsbewegung?) rückt wieder der Neandertaler nach, und wird ein zweites Mal verdrängt.

Human Genetics: Race, Population, and Disease - Russ Hodge - Google Books
 
Ich lese immer Eiszeit ...
Neanderthaler "tauchten auf", als es in etwa so warm war wie heute und starben aus, als es so ~3-6° kälter war. Ob jetzt die neben den Neandertalern lebende HSS -populationen ebenfalls ausstarben und durch nachrückende ersetzt wurden, wissen wir nicht. Am Ende war die Region der Neandertaler von Homosapiens bewohnt.
Das die Neandertaler aber an ein kälteres Klima angepaßt waren, läßt sich so nicht belegen. Es wurde kälter und die Neandertaler wurden weniger. Als es am kältesten war, waren sie weg.
 
Das die Neandertaler aber an ein kälteres Klima angepaßt waren, läßt sich so nicht belegen. Es wurde kälter und die Neandertaler wurden weniger. Als es am kältesten war, waren sie weg.

Das Auftauchen der Neandertaler fällt mit der Würm-Kaltzeit zusammen, die vor rund 120 000 Jahren begann und vor 11 000 Jahren endete.

Der Neandertaler lebte somit in einem eisigen Klima und war ihm exzellent angepasst - sonst hätte er nicht etwa 60 000 Jahre (!) überlebt.

Natürlich taucht der Neandertaler nicht schlagatrtig auf. Er entwickelt sich allmählich aus dem Präneandertaler bzw. dem Homo heidelbergensis.
 
Interessant finde ich dass wir ja (vorgeschichtlich) kurz nach dem Aussterben der Neandertaler vergleichbare Situationen mit alteingesessenen Sapiensgruppen gehabt haben müssen.

In Asien waren vor dem Auftauchen der heutigen Asiaten ja bereits andere Gruppen aus der Besiedlungsphase in der auch Australien besiedelt wurde vorhanden.

Hier haben wir eigentlich ähnliche Zeiträume, und können vielleicht Analogieschlüsse ziehen. Die Negritos sind zwar weitgehend in abgelegene Rückzugsgebiete verdrängt worden. Ausgestorben sind sie aber nicht. Tatsächlich ist das Zurückdrängen wohl sogar erst im Zuge des Aufkommens der Landwirtschaft geschehen.
 
Nö, Dieter, sieh Dir das mal an:
File:Ice Age Temperature.png - Wikimedia Commons
Ich dachte auch immer, Eiszeit ist "kalt", aber es gibt auch "warm"

Der Neandertler entwickelte sich, als die Temperaturen anstiegen, voll, als es 3° wärmer war , als heute, dann fällt die Temperatur zwar recht steil ab, aber steigt dann wieder an...
so bis 3° kälter als heute, danach sinkt sie mit Schwankungen auf 7° kälter als heute. Bis es denn so bei 20 000 vor heute wieder anfängt, schneller warm zu werden.
In dieser Tieftemperaturperiode verschwindet der Neandertaler....
 
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Hier haben wir eigentlich ähnliche Zeiträume, und können vielleicht Analogieschlüsse ziehen. Die Negritos sind zwar weitgehend in abgelegene Rückzugsgebiete verdrängt worden. Ausgestorben sind sie aber nicht. Tatsächlich ist das Zurückdrängen wohl sogar erst im Zuge des Aufkommens der Landwirtschaft geschehen.

Auch bei all diesen analogen Beispielen handelt es sich stets um den Aspekt der Verdrängung durch eine andere Ethnie, die aufgrund militärischer oder ökonomischer Übermacht oder wegen größerer intellektueller Beweglichkeit oder aber Anpassungsfähigkeit eine Region besetzt. Die unterlegene Ethnie führt fortan ein Nischendasein, sofern sie nicht völlig verdrängt wird.

Als Beispiele seien genannt die Papua in Neuguinea, Aborigenes in Australien, die indigene Bevölkerung Amerikas oder die Adivasi, die Urbevölkerung Indiens.
 
Ich tue mich ehrlich gesagt etwas schwer die Gewinner und Verlierer von Migrationsbewegungen nur aufgrund von Eigenschaften zu erklären die Ethnienweit gelten.

Da gibt es zu viele konkrete Details, und wenn Volk A Volk B verdrängt kann dafür selbst ein einzelnes Individuum ursächlich sein, einzelne Erfindungen entscheiden. Die aber genausogut auch auf der anderen Seite stehen könnten. Das es am Ende immer Gründe gab ist klar. Ich mag nur die Überlegung: sie sind nicht mehr da, also waren sie in XYZ schlechter" nicht so.

Aber die Negritos habe ich aus anderem Grund genannt. Offenbar geschah dort die Verdrängung in ihre heutigen, sehr kleinen Verbreitungsgebiete erst sehr spät - im beginnenden Neolithikum. Obwohl wir wissen dass die Migrationswelle mit der die Sapiens Europa besiedelten auch Asien betraf (anhand eben jener genetischen Untersuchungen)

Das ganze ist also ein Beispiel dafür dass es durchaus möglich war - wenn auch im begrenztem Rahmen - auch nach Ankunft dieser Gruppen zu überleben und Rückzugsgebiete zu finden.
 
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Der Neandertler entwickelte sich, als die Temperaturen anstiegen, voll, als es 3° wärmer war , als heute, dann fällt die Temperatur zwar recht steil ab, aber steigt dann wieder an...
so bis 3° kälter als heute, danach sinkt sie mit Schwankungen auf 7° kälter als heute. Bis es denn so bei 20 000 vor heute wieder anfängt, schneller warm zu werden.
In dieser Tieftemperaturperiode verschwindet der Neandertaler....

Die Würm-Eiszeit begann vor 120 000 Jahren und klang erst vor etwa 12 000 Jahren aus. Sie wurde nur unterbrochen durch ein Stadial zwischen 80 000-70 000, das zu einer überaus leichten Erwärmung führte, die freilich die zentrale Wirkung der Würm-Eiszeit nicht aufhob.Lediglich die Grenze der Vereisung wich ein wenig zurück zugunsten eines unbedeutend größeren Anteils von Tundra.

Sowohl Neandertaler als auch HSS mussten also die Beschwernisse des eiszeitlichen Klimas uneingeschränkt ertragen, sodass klimatische Ursachen für etwaige Spekulationen hinsichtlich des Aussterbens der Neandertaler entfallen.
 
I
Das ganze ist also ein Beispiel dafür dass es durchaus möglich war - wenn auch im begrenztem Rahmen - auch nach Ankunft dieser Gruppen zu überleben und Rückzugsgebiete zu finden.

Tatsache bleibt, dass die Neandertaler nicht überlebt haben und dafür ist die Zahl von Gründen begrenzt.

In meinem Beitrag # 708 habe ich die Möglichkeiten ziemlich erschöpfend aufgezählt und weitere wollen mir nicht einfallen. Im übrigen ist festzuhalten, dass wir von einem Zeitfenster von 10 000 Jahren (!) sprechen, während dem Neandertaler und HSS nebeneinander lebten. Geringfügige Nachteile können in so langen Zeiten zu einem völligen Verschwinden führen.
 
Das ist klar. Nur sind die Gründe (auch die von dir genannten) ja so vielschichtig das es schwer ist sie in eine Kategorie zu packen. Oder anders gesagt: so ziemlich jeder denkbarer Grund möglich wäre.
 
Eine andere Hypothese geht - wie oben schon angesprochen - davon aus, dass die Geburtenrate beim Neandertaler eine Idee niedriger gewesen wäre. Das hätte - ebenfalls über den gewaltigen Zeitraum von 10 000 Jahren - eben den entscheidenden Reproduktionsvorteil gebracht. Diese Vermutung ist freilich sehr spekulativ, da durch nichts beweisbar.

Du sagst ja schon selbst, diese Hypothese sei sehr spekulativ. Diesen Gedanken möchte ich durch folgenden stützen:

1. Wir wissen, das es zu Vermischungen kam (vorausgesetzt Svante Päabos Forschung ist wasserdicht). Demnach waren auf lange Sicht fruchtbare Verbindungen von HSN und HSS biologisch möglich.

2. Wenn Menschen in kleinen Gruppen <Horden> zusammenleben, gibt es einen Austausch mit anderen kleinen Gruppen in der Nähe, in der Regel indem entweder junge Männer oder junge Frauen die eigene Gruppe verlassen und sich einer anderen Gruppe anschließen, um eine Familie zu gründen. Wir wissen dass dies bei HSS-Gruppen der Fall ist und dürfen annehmen, dass auch bei HSN-Gruppen der Fall war.

Selbst wenn wir annehmen wollten (und das ist mal durchaus die Frage, ob wir überhaupt Grund haben das folgende anzunehmen), dass entweder HSS oder HSN oder gar beide die jeweils anderen nur als letzten Notnagel in Erwägung gezogen hätten, wird es immer wieder zu Vermischungen gekommen sein, wodurch markantere Unterschiede in der Physiologie und in der Kultur immer mehr verschwommen sein sollten - und sei es auch im Laufe vieler Jahrhunderte (hier ist ja von schlappen 10.000 Jahren die Rede).

Je verschwommener der Unterschied, desto weniger bedeutsam das (nur vielleicht anzunehmende) Kriterium, sich gegenseitig nur für den letzten Notnagel zu halten. Die Vermischungswahrscheinlichkeit müsste also zugenommen haben.


Kurzum, wenn zwei selbst markant unterschiedlich aussehende Phänotypen Menschen (Voraussetzung: eindeutige Erkennbarkeit, ob einer von uns oder einer von denen), die sich gegenseitig ablehnen (Voraussetzung: Handlungsabsicht), in kleinen Horden weit versprengt lebend, ein Gebiet durchmischt besiedeln, werden sich beide mit der Zeit verschmelzen.


Dieser Gedanke spricht mir sehr dafür, dass es mit der Zeit zu einer immer gleichmäßigeren Vermischung beider HS-Typen gekommen ist.


Wenn ich nun die Zahl 2-4% richtig dahin gehend verstehe, dass 2-4% der Vorfahren der betrachteten heutigen Population HSN waren, finde ich den Gedanken sehr folgerichtig, dass auf Zeiten starker Dezimierung der Menschen im betroffenen Siedlungsraum bessere Zeiten folgten, in denen viele HSS nachgerückt sind, die sich dann wieder mit den Überlebenden der letzten schweren Zeiten vermischt haben. Es braucht nicht allzu viele nicht allzu enge Flaschenhälse hintereinander, damit eine autochtone Bevölkerung durch nach Notzeiten nachrückende Zuwanderer bis zur Unkenntlichkeit verdünnt wird. Deshalb erscheint mir dieses unter der Voraussetzung zu 1) als das wahrscheinlichste Szenario.


Der Gedanke dagegen, auf Grund geringerer Geburtenrate sei der HSN schlicht ausgestorben (im Sinne von nachfahrenlos), während er von einer zunehmenden Zahl von HSS praktisch umlagert war, erscheint mir abwegig wenn ich die Voraussetzungen zu 1) und 2) als richtig unterstelle.

Diese Überlegung stammt doch aus der Zeit, in der man noch annahm, HSS und HSN könnten gar keine auf Dauer zeugungsfähige gemeinsame Nachkommenschaft haben.
 
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