Eine andere Hypothese geht - wie oben schon angesprochen - davon aus, dass die Geburtenrate beim Neandertaler eine Idee niedriger gewesen wäre. Das hätte - ebenfalls über den gewaltigen Zeitraum von 10 000 Jahren - eben den entscheidenden Reproduktionsvorteil gebracht. Diese Vermutung ist freilich sehr spekulativ, da durch nichts beweisbar.
Du sagst ja schon selbst, diese Hypothese sei sehr spekulativ. Diesen Gedanken möchte ich durch folgenden stützen:
1. Wir wissen, das es zu Vermischungen kam (vorausgesetzt Svante Päabos Forschung ist wasserdicht). Demnach waren auf lange Sicht fruchtbare Verbindungen von HSN und HSS biologisch möglich.
2. Wenn Menschen in kleinen Gruppen <Horden> zusammenleben, gibt es einen Austausch mit anderen kleinen Gruppen in der Nähe, in der Regel indem entweder junge Männer oder junge Frauen die eigene Gruppe verlassen und sich einer anderen Gruppe anschließen, um eine Familie zu gründen. Wir wissen dass dies bei HSS-Gruppen der Fall ist und dürfen annehmen, dass auch bei HSN-Gruppen der Fall war.
Selbst wenn wir annehmen wollten (und das ist mal durchaus die Frage, ob wir überhaupt Grund haben das folgende anzunehmen), dass entweder HSS oder HSN oder gar beide die jeweils anderen nur als letzten Notnagel in Erwägung gezogen hätten, wird es immer wieder zu Vermischungen gekommen sein, wodurch markantere Unterschiede in der Physiologie und in der Kultur immer mehr verschwommen sein sollten - und sei es auch im Laufe vieler Jahrhunderte (hier ist ja von schlappen 10.000 Jahren die Rede).
Je verschwommener der Unterschied, desto weniger bedeutsam das (nur vielleicht anzunehmende) Kriterium, sich gegenseitig nur für den letzten Notnagel zu halten. Die Vermischungswahrscheinlichkeit müsste also zugenommen haben.
Kurzum, wenn zwei selbst markant unterschiedlich aussehende Phänotypen Menschen (Voraussetzung: eindeutige Erkennbarkeit, ob einer von uns oder einer von denen), die sich gegenseitig ablehnen (Voraussetzung: Handlungsabsicht), in kleinen Horden weit versprengt lebend, ein Gebiet durchmischt besiedeln, werden sich beide mit der Zeit verschmelzen.
Dieser Gedanke spricht mir sehr dafür, dass es mit der Zeit zu einer immer gleichmäßigeren Vermischung beider HS-Typen gekommen ist.
Wenn ich nun die Zahl 2-4% richtig dahin gehend verstehe, dass 2-4% der Vorfahren der betrachteten heutigen Population HSN waren, finde ich den Gedanken sehr folgerichtig, dass auf Zeiten starker Dezimierung der Menschen im betroffenen Siedlungsraum bessere Zeiten folgten, in denen viele HSS nachgerückt sind, die sich dann wieder mit den Überlebenden der letzten schweren Zeiten vermischt haben. Es braucht nicht allzu viele nicht allzu enge Flaschenhälse hintereinander, damit eine autochtone Bevölkerung durch nach Notzeiten nachrückende Zuwanderer bis zur Unkenntlichkeit verdünnt wird. Deshalb erscheint mir dieses unter der Voraussetzung zu 1) als das wahrscheinlichste Szenario.
Der Gedanke dagegen, auf Grund geringerer Geburtenrate sei der HSN schlicht ausgestorben (im Sinne von nachfahrenlos), während er von einer zunehmenden Zahl von HSS praktisch umlagert war, erscheint mir abwegig wenn ich die Voraussetzungen zu 1) und 2) als richtig unterstelle.
Diese Überlegung stammt doch aus der Zeit, in der man noch annahm, HSS und HSN könnten gar keine auf Dauer zeugungsfähige gemeinsame Nachkommenschaft haben.