dekumatland
Aktives Mitglied
genau das ist ja das Problem bzgl. der Betrachtungsweise.Nun ist mir schon klar, dass solche Übertragungen problematisch sind.
angenommen es gäbe einen rassistischen "Antihunnismus" oder "Antislawismus", dann müsste man die Historiker Priskos und Prokop für Antihunnisten bzw. Antislawisten halten -- beides ist natürlich Blödsinn aber es macht etwas sehr wesentliches deutlich: Luther und seine Zeit konnten noch nichts vom Rassismus und Genozid des 20. Jh. wissen. Wir sollten folglich beim lesen seiner Schriften auf gar keinen Fall unseren Erfahrungshorizont dort wiederfinden wollen! Das Wort "Volk" im 16. Jh. wurde nicht mit denselben Konnotationen und Hintergründen wie heute verwendet.
Also gälte es erst einmal, Luthers Sprache zu analysieren und zu verstehen, und das vor dem Erfahrungshorizont und bzgl. des Vokabulars innerhalb seiner Zeit - tun wir das nicht, ist die Gefahr von Missverständnissen zu groß.
antijudaisch, Judenhasser, unreflektierte antijüdische Ressentiments - all das kann man Luther attestieren; aber der Begriff Antisemit ist dennoch fehl am Platz, denn er betrifft andere Zeiten und Kontexte/Konnotationen, die das 16. Jh. noch nicht kannte.
(mal scherzhaft dieses Problem beschrieben: Luther hat sich nie gegen den Nuklearkrieg ausgesprochen, also muss er ein übler Kriegshetzer gewesen sein)