Flaute im frühmittelalterlichen Brückenbau

Gubernator

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Gibt es eine, eine einzige Steinbogenbrücke, die nach dem Fall des weströmischen Reiches und vor der Romanik in Westeuropa errichtet wurde? Mir fällt keine ein.
 
Gibt es eine, eine einzige Steinbogenbrücke, die nach dem Fall des weströmischen Reiches und vor der Romanik in Westeuropa errichtet wurde? Mir fällt keine ein.
Drususbrücke ? Wikipedia eine ältere hab ich bis jetzt nicht gefunden - allerdings haben doch die Ostgoten in Italien Wasserleitungen repariert, ja sogar eine neue gebaut (?), ebenfalls gibt es aus dem 7. Jh. westgotische Bauwerke in Spanien: mich wundert jetzt selber, dass da kaum oder keine Brücken errichtet wurden; innovativ war man da ja gelegentlich, man denke an Belisars Schiffsgetreidemühlen im belagerten Rom (6.Jh.)

der Tante Wiki Artikel gibt irgendwie einen nicht ganz nachbollziehbaren Grund für den im frühen Mittelalter angeblich nicht praktizierten Brückenbau:
Mit dem Zerfall des Römischen Reiches entfiel der Bedarf an Verkehrswegen. Zahlreiche antike Brücken, die durch Hochwasser, Eis und laufende Belastung beschädigt wurden, verfielen, mit wenigen Ausnahmen in den maurischen Gebieten wie der Römerbrücke in Córdoba, die mit 16 Bögen den Guadalquivir überspannt, und die Puente Romano über den Guadiana in Mérida. Man begnügte sich im frühen Mittelalter in der Regel mit Holzbrücken, die aber häufig durch Hochwasser zerstört wurden.
aus Geschichte des Brückenbaus ? Wikipedia
 
Ich bin kein Experte. Meine Beispiele sind mir bei kurzer Überlegung eingefallen. Natürlich wurden Brücken gebaut, allerdings in erster Linie freilich Holzbrücken. Wie etwa im ersten Link zu Nienbrügge erwähnt. In Oberföhring entstand um die Jahrtausendwende eine „Zollbrücke“, die dann aus politischen Gründen niedergerissen wurde, damit in München eine neue gebaut werden konnte. Ich bin mir dabei nicht sicher, ob es eine steinerne Brücke war.
Sicher dagegen bin ich mir bei meinem letzten Link: Dabei handelte es sich um die sogenannte „Lange Brücke“ bei Fulda in Hessen. Eine Steinbrücke, deren Bau etwas nach 870 gebaut wurde. Es handelte sich damals sicherlich um etwas Besonderes, da rechtsrheinisch gelegen und keine Römerbrücke als Vorgängerbau vorhanden gewesen war.
Ausgehend von Tante Wiki, wonach die Romanik ab etwa dem Jahre 1000 beginne, ist zumindest die Brücke von Fulda ein gesichertes Beispiel für eine steinerne Brücke in Deutschland nach dem Untergang Roms. In Spanien oder überhaupt südlicheren Gegenden könnte die Suche vielleicht erfolgreicher sein? Wie dekumatland schon geschrieben hat, errichteten gerade die Goten durchaus in römischer Weise in Stein repräsentative Gebäude, oder reparierten sie. Auch unter den Merowingern wurde gebaut. Allerdings dürfte man eher Kirchen und Festungen erwarten als Brücken.
Nienbrügge (Hamm) ? Wikipedia
Oberföhring ? Wikipedia
München ? Wikipedia Straßen und Plätze in Fulda ? Wikipedia
 
Wo steht, daß die "Lange Brücke" bei Fulda eine Steinbrücke war?

Spanien war im Brückenbau wie schon im Altertum zwar weiter, aber nicht weit genug. Das älteste Exemplar dort, das ich finden konnte, ist diese Brücke, wie die Drususbrücke ebenfalls erst aus dem 11. Jahrhundert.
 
Wo steht, daß die "Lange Brücke" bei Fulda eine Steinbrücke war?

Dazu fand ich das hier:

Die Lange Brücke ist die älteste Brücke der Stadt. Sie war in früheren Jahrhunderten, als das Gelände östlich von ihr noch morastiger war, länger als heute. Über den Stumpfboden führte ein Knüppeldamm, dessen Reste bei Ausschachtungsarbeiten gefunden wurden. Die Brücke wurde von Abt Siegehard 872 erbaut. Sie wurde 1254 durch einen Bürger Namens Gerhard erneuert. In gotischer Zeit bekam sie ein abgetrepptes Geländer. 1602 ließ der Administrator Maximilian die letzten drei Bogen in Richtung Neuenberg neu aufführen (Inschriften). Die Brücke wurde, da die beiden mittleren Bogen am Ende des Krieges herausgesprengt waren, im Jahre 1956 abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt. Die alte, mit sauberen Sandsteinen verblendete Brücke hatte ursprünglich neun Bögen, sechs davon saßen zwischen sieben spitz zulaufenden Brückenpfeilern, der siebte vor dem ersten Pfeiler und einem eckigen Ausweichbau. Ein achter, zwischen dem Anbau und einem versetzt gegenüberliegenden, wurde zu einem unbekannten Zeitpunkt abgebrochen, während der neunte in der Auffahrt von Fulda stillgelegt war. Die 156,40 m lange Steinbrücke gehört zu den ältesten und schönsten Brücken in Hessen.

In einer anderen Quelle steht: "Sigehard baute die lange Brücke bei Fulda aus lauter Steinen." Chronik von Fulda und dessen Umgebungen vom Jahre 744 bis und mit 1838 - Google Books
 
Die Wahnsinnigen haben eine tausend Jahre alte, neunbögige Brücke wegen zweier gesprengter Bögen komplett zerstört?! Das trägt die Handschrift der frühbundesrepublikanischen Sprengstoffarchitektur. Deren progressiven Wahnvorstellungen haben wir (auch) unsere entseelten Innenstädte zu verdanken.
 
Nur mal eine Überlegung:
Wenn/falls (ich habe mich mit dem Thema noch nie beschäftigt) in den Jahrhunderten nach dem Ende des römischen Reiches kaum noch Steinbrücken gebaut wurden, könnte das dann nicht auch damit zusammenhängen, dass der Bedarf - im ehemals römischen Gebiet - einfach schon gedeckt war? Wo es sinnvoll/notwendig war, eine Brücke zu errichten, werden das im Laufe der Jahrhunderte schon die Römer getan haben, und nach dem Untergang des Reiches werden sich vermutlich nicht so arg viele neue Verkehrsströme entwickelt haben, dass viele neue Brücken erforderlich wurden. Die alten römischen Steinbrücken werden schon noch eine Weile gehalten haben.
 
Der Chronik von 1839 würde ich erst mal nicht so schnell trauen. Das müßte man erstmal verifizieren. Ich könnte mir eher vorstellen, dass sie erst 1254 in Stein ausgeführt wurde.

Aber gut, vielleicht gab es ja auch in Fulda viele Fährleute, die ihre Fackeln prima zu benutzen wußten, wie damals in Mainz: https://de.wikipedia.org/wiki/Rheinbr%C3%BCcke_Karls_des_Gro%C3%9Fen
Ich bin da auch skeptisch. Was du beschreibst, ist die Regel: erst Holzkonstruktion, später in Stein ausgeführt.
Auch wenn die von Dieter aufgeführte Chronik erst im 19.Jht. gedruckt worden ist, so basiert sie doch auf älteren Aufzeichnungen. Gerade im 19.Jht. pflegte man sehr genau alte Schriften abzuschreiben und konnte sich leicht lächerlich machen, wenn man zu Phantasievoll damit umging.
Was die Vorstellung von „feuerliebenden Fährleuten“ betrifft, kann dies für Fulda nicht gelten. Das liegt an der Geographie: Die Fulda ist dort schlicht zu flach und unbedeutend in diesem frühen Flussstadium um einem Fährmann Arbeit zu geben. Der Fluss ist mit dem Main oder Rhein überhaupt nicht vergleichbar. Ich zitiere aus einer Veröffentlichung der „Historischen Kommission für Hessen 57“ aus dem Jahre 1995

Fulda in seiner Geschichte S374 schrieb:
Für die Entwicklung eines kleinen weltlichen Wohnbereichs [Anm. von mir: Gemeint ist der Bereich zwischen Langer Brücke und dem Dom] gerade an dieser Stelle spricht die günstige Lage an der hier direkt verlaufenden Fernverbindung (Antsanvia) vom Rhein-Main-Gebiet nach Thüringen unmittelbar an einem wichtigen Übergang der einst schiffbaren Fulda östlich der 872 unter Abt Sigehard in Stein aufgeführten sog. Langen Brücke, deren nahegelegener hölzerner Vorgänger bereits um 300 n.Chr. vorhanden gewesen sein soll…
Antsanvia ? Wikipedia

Gefördert durch königliche und päpstliche Privilegien und beflügelt durch das Ansehen des dort begrabenen Gründers Bonifatius (Pilger!), entwickelte sich das 744 gegründete Kloster sehr rasch, was von ständigen Baumaßnahmen begleitet war. Die Mönche fühlten sich zeitweilig durch die Baumaßnahmen so bedrückt, dass der König in die inneren Verhältnisse eingriff. Bereits ab 791 wurde die bisherige, steinerne Konventskirche (früher Vorgänger des Domes) durch die sehr ambitionierte, sogenannte Ratgar-Basilika ersetzt: Damals die größte Kirche nördlich der Alpen, welchem der (damalige) Petersdom in Rom als Vorbild diente und schon 819 beendet werden konnte. Doch die rege Bautätigkeit setzte sich fort im ständig wachsenden Konventsbereich und umliegenden Kirchen. Zählte der (exklusive, weil durchgehend adelige) Konvent um das Jahr 781 schon gut 360 Mönche, waren es 822 unter dem gelehrten Abt Hrabanus Maurus über 600! Von karolingischer- bis zur Stauferzeit logierten oft Könige in Fulda, für die in Verlängerung der Basilika nach Osten ein eigener Pfalzbereich erbaut wurde. Die Reihe begann mit dem ersten Besuch von Karl dem Großen im Jahre 782.
Ratgar-Basilika ? Wikipedia
Kurz: Man kann eine sehr rege, nahezu nicht unterbrochene Bautätigkeit repräsentativer Gebäude über einen sehr langen Zeitraum feststellen. Es bestand wohl bereits vor Bau der „Langen Brücke“ ein Vorgängerbau aus Holz. Know how und Mittel waren reichlich vorhanden. Der Bau der Brücke wurde nicht durch einen reißenden Fluss behindert. – Es gibt keinerlei Grund zu bezweifeln, dass Abt Sigehard 872 tatsächlich Willens- & in der Lage gewesen ist, die steinerne Brücke zu errichten. Wie so oft hat auch dieser Bau einen Niederschlag in der Sagenwelt gefunden.
Buchenblätter - Hochschule Fulda - Hochschul- und Landesbibiliothek
 
Tejason es hat doch niemand behauptet, dass eine Steinbrücke nicht möglich gewesen sein soll. Es wäre halt nur sehr ungewöhnlich. Deswegen einfach nochmal verifizieren.

Damals war jeder Zweite ein guter Zimmermann, aber es gab sehr wenig Leute die sich mit Steinkonstruktionen auskannten. Gut, der Abt hatte vielleicht die finanziellen Mittel und die politische Macht das durchzusetzen. Es war aber sicherlich nicht einfach.

Normalerweise wollte man ja die Zimmerleute vor Ort zufrieden stellen und nicht irgendwelche Leute einfliegen. Das Ding mußte auch gewartet werden. Falls sich niemand damit auskennt, verfällt es sehr schnell.

Es war also möglich, aber äußerst schwierig es politisch und technisch umzusetzen.

Auf welche Urkunden bezieht sich eigentlich diese Chronik ?
 
Tejason es hat doch niemand behauptet, dass eine Steinbrücke nicht möglich gewesen sein soll. Es wäre halt nur sehr ungewöhnlich. Deswegen einfach nochmal verifizieren.

Vermutlich handelte es sich - analog zum Zitat oben - zunächst um einen Knüppeldamm, dann um eine Holzbrücke, die zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt von einer Steinbrücke ersetzt wurde.

Nach der oben genannten Chronik soll das unter Sigehard von Fulda (auch: Sigihart) gewesen sein, von 869 bis 891 Abt des Klosters Fulda.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Puente de Henares in Guadalajara soll zwar der Tradition entsprechend aus der Römerzeit stammen, aber archäologisch stammt sie aus dem 10. Jahrhundert und wird dem Kalifen ʿAbd ar-Raḥman I./III. zugeschrieben.
 
Spanien war im Brückenbau wie schon im Altertum zwar weiter, aber nicht weit genug. Das älteste Exemplar dort, das ich finden konnte, ist diese Brücke, wie die Drususbrücke ebenfalls erst aus dem 11. Jahrhundert.
Der Ort Zubiri - baskisch für Dorf iri an der Brücke zubi - ist ebenfalls mindestens seit dem 11. Jhdt. belegt. Bei Ponferrada haben wir den Befehl zum Bau der Brücke aus dem Jahr 1082 erhalten.

Beeindruckend ist die Teufelsbrücke, die bei Matotrell den Llobregat (Rubricatus) überquert aus dem 12. Jhdt. Sie ersetzt eine alte Römerbrücke, die im 12. Jhdt. durch ein verheerendes Hochwasser zerstört wurde.
 
nun ja ergänzend zu dem ,was Ravenik ja bereits ausgeführt hat muss man natürlich auch sehen, dass die Einwohnerzahl der Städte nach dem Ende des römischen Reiches rapide abgenommen hat- Daraus folgt, dass natürlich das Potential und die Mittel und Ressourcen allenfalls zur Bestandserhaltung ausreichten aber nicht zum Ausbau der Infrastruktur. Der Verfall der römischen Fernwasserversorgung zeigt dies ja auch überdeutlich .

Ausserdem kam es am Ende des römischen Reiches zu einer Klimaverschlechterung, was zu mehr Hochwasserereignissen, verstärktem Eisgang und teilweise auch Veränderungen der Flussläufe führte
Hierauf konnte mit dem Bau von Holzbrücken ,Schiffsbrücken und Fährverbindungen erheblich flexibler reagiert werden als mit dem wesentlich aufwändigeren Bau von Steinbrücken.
 
muss man natürlich auch sehen, dass die Einwohnerzahl der Städte nach dem Ende des römischen Reiches rapide abgenommen hat-
Das ist eine Sichtweise, die man früher hatte, weil der Flächenverbrauch geringer wurde. Heute weiß man, dass nicht unbedingt die Einwohnerzahlen der Städte geringer wurden, sondern dass es schlicht weniger repäsentative Bauten gab und viele Bauten auch einfach umgenutzt wurden und die Leute enger beieinander wohnten. Quartiere wurden aufgegeben und die Infrastruktur (dort) nicht mehr gepflegt.
 
worauf fusst diese These ?
Wenn ich mir die Einwohnerzahlen von Mainz und Köln betrachte, so lagen diese in der Römerzeit im Schnitt bei circa 30.000 Einwohner Hinzu kamen die Soldaten der dort stationierten Legionen und Hilfstruppen,
Das Mainzer Bühnentheaters, dessen Reste heute am Südbahnhof zu besichtigen sind konnte alleine bereits circa 10.000 Zuschauer aufnehmen .
Zwischen dem 5. und 8. Jahrhundert lebten nur wenige tausend Menschen in der Stadt und erst um 1300 hatte Mainz wieder 24.000 Einwohner
In Köln sank die Einwohnerzahl in diesem Zeitraum auf 15.000 und stieg erst im Hochmittelalter wieder auf etwa 40.000 an.
Das römische Trier hatte schätzungsweise 80.000 Einwohner, eine Zahl, die erst 1939 und dann 1969 wieder erreicht wurde.
Insoweit erscheint mir die These, dass nach dem Niedergang des römischen Reiches die Einwohnerzahlen der Städte nicht unbedingt geringer wurden zumindest für den Bereich des nachmaligen HRR doch ein wenig steil.
Dass natürlich Städten und Gemeinwesen die nur noch über einen Bruchteil der Einwohnerschaft verfügen das wirtschaftliche Potential zur Errichtung von Grossprojekten wie Steinbrücken fehlt versteht sich von selbst.
Hinzu kommt noch,dass in der Römerzeit die Legionäre auch als Arbeitskräfte beim Bau strategischer Projekte wie Brücken eingesetzt wurden. Und die Soldaten fielen ja ebenfalls weg.
 
Zwischen dem 5. und 8. Jahrhundert lebten nur wenige tausend Menschen in der Stadt und erst um 1300 hatte Mainz wieder 24.000 Einwohner
In Köln sank die Einwohnerzahl in diesem Zeitraum auf 15.000 und stieg erst im Hochmittelalter wieder auf etwa 40.000 an.
Woher kennt man eigentlich die Einwohnerzahlen des 5. bis 8. Jahrhunderts?
 
die Binger Drususbrücke wurde übrigens auch erst unter Willigis im 11.Jahrhundert in Stein erbaut. Die vorher bestehende Römerbrücke war aus Holz.
Das erklärt sich auch aus der Sondersituation in der Region Durch die die Binger Klöster,die Städte Bingen,Kreuznach,Ingelheim,Mainz ,das Mainzer Erzbistum und die Ingelheimer Pfalz war die Gegend relativ dicht bevölkert und wohlhabend und die Nahe, die dadurch überquert wurde und ist ein relativ kleiner und überschaubarer Fluss mit festem Bett im Brückenbereich
 
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