Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Cassius Dio schreibt zur Unterhaltung, -Tacitus z.T. ja auch-. Die Berichte sind nett zu lesen, aber keiner der beiden ist wirklich zeitnah. Das ganze kommt mir vor, als ob man aus den Romanen über die Schlacht am Little Big Horn auf den Schlachtverlauf schließen wollte.
Natürlich können in Dio (und Tacitus) mehr Ausschmückungen als Tatsachen stecken, aber - auch wenn die Grenzen damals schon schwimmend gewesen sein mögen - wird Dio sein Werk weniger zur Unterhaltungsliteratur als vielmehr zur seriösen Geschichtsschreibung (im antiken Sinne) gezählt haben. Und heutige Historiker lesen den Dio wohl auch weniger, um mittels alter Geschichten unterhalten zu werden, sondern um die römische Geschichte zu rekonstruieren.
Wenn man nach reiflicher Erwägung - an der ich bei El Q. überhaupt nicht zweifle - zu dem Ergebnis kommt, dass Dios Bericht zur Varusschlacht zu Teilen fallen gelassen werden muss, um anderen Quellen Genüge leisten zu können und historische Plausibilität in puncto Varusschlacht zu erlangen, dann kann ich das nur akzeptieren (ich kenne mich mit der Varusschlacht an sich da eh zu wenig aus). Mich überzeugen bisher nur die beiden hauptsächlich ins Rennen geschickten Argumente nicht: 1. Dio schreibe so spät; 2. Dios Schilderung "Super-Germanen vs. ohnmächtige Römer" sei lächerlich.

In der Tat liegen Widersprüche innerhalb der Quellen vor. Möglicherweise lassen sich die Widersprüche dadurch auflösen bzw. erklären, dass alle Quellen auf Teilaspekte der Schlacht bzw. Einzelschlachten sich beziehen.
Das ist in meinen Augen ein vorbildlicher, die Quellen ernst nehmender Ansatz. (Aber wie gesagt, mir fehlt die Ahnung zur Varusschlacht, ob sich das Widerspruch-Auflösen überhaupt plausibel realisieren lässt.)
 
Mich überzeugen bisher nur die beiden hauptsächlich ins Rennen geschickten Argumente nicht: 1. Dio schreibe so spät;
Das ist jedoch nicht ganz der Kern. Es wundert mich, dass Cassius Dio 200 Jahre nach der Schlacht Dinge weiß, die kein anderer Autor zuvor wusste und, dass bei ihm Physik (Körpermechanik) keine Rolle spielt.

Und deshalb bleibe ich dabei:
2. Dios Schilderung "Super-Germanen vs. ohnmächtige Römer" sei lächerlich.
Sie ist es - elbengleiche (der Schwerkraft enthobene) Germanen gegen tumb-trottelige Römer, die ein Treffen vom Tramp mit Dick & Doof inszenieren. Ich weiß nicht, was man da noch retten kann. Textbeispiele habe ich gebracht. Die unterstellte Geländekenntnis der Germanen, die man bei einem mehrere Tausend Krieger umfassenden, aus mehreren Stämmen zusammengeströmten Heer wohl allenfalls für einige hundert Mann unterstellen kann, nämlich für die, welche in der engeren Umgebung lebten, hebt die Naturgesetze auch nicht auf.

In der Tat liegen Widersprüche innerhalb der Quellen vor. Möglicherweise lassen sich die Widersprüche dadurch auflösen bzw. erklären, dass alle Quellen auf Teilaspekte der Schlacht bzw. Einzelschlachten sich beziehen.
Das ist in meinen Augen ein vorbildlicher, die Quellen ernst nehmender Ansatz. (Aber wie gesagt, mir fehlt die Ahnung zur Varusschlacht, ob sich das Widerspruch-Auflösen überhaupt plausibel realisieren lässt.)
Auch das habe ich versucht zu zeigen:
Bei Florus stirbt Varus im Lager, als er einen Gerichtstag abhält. Bei Cassius Dio stirbt er auf dem Marsch, nachdem er gerufen wurde, einen angeblichen Aufstand niederzuschlagen. Das lässt sich beim besten Willen nicht seriös mit Teilaspekten erklären oder verschiedenen Schlachttagen (zumal Cassius Dio ja mehr oder weniger ausführlich alle Schlachttage beschreibt).
Wir müssen einfach damit leben, dass es unauflösliche Widersprüche gibt. Die Quellen zu harmonisieren ist daher nicht vorbildlich sondern würde ihnen Gewalt antun.
 
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Das ist in meinen Augen ein vorbildlicher, die Quellen ernst nehmender Ansatz. (Aber wie gesagt, mir fehlt die Ahnung zur Varusschlacht, ob sich das Widerspruch-Auflösen überhaupt plausibel realisieren lässt.)

Die Quellen lassen sich in deutscher Übersetzung leicht hier nachlesen:
Antike Schriftsteller zum Thema Varusschlacht -

Es wurde schon angesprochen: Manche Dinge lassen sich nur harmonisieren, wenn man die Aussagen der Quellen verbiegt.

Einig sind sich die Quellen, dass Varus überraschend angegriffen wurde, als er sich "unter Freunden" völlig sicher wähnte.

Aber befand sich Varus im Lager zu einer Gerichtsverhandlung oder befand er sich auf dem Marsch, als der Überraschungsangriff erfolgte?

Florus:
So griffen sie den Ahnungslosen und nichts derartiges Befürchtenden überraschend an, als jener - welche Sorglosigkeit! - vor Gericht lud, und von allen Seiten brachen sie herein. Das Lager wurde ausgeraubt, drei Legionen überwältigt
Cassius Dio:
Varus sollte gegen diese Unruhestifter zu Felde ziehen und auf dem Marsch durch angeblich befreundetes Gebiet mit geringerer Mühe überwältigt werden, anstatt daß er sich, wie bei einem allgemeinen, plötzlichen Ausbruch von Feindseligkeiten gegen ihn zu erwarten war, besonders in Acht nahm. Und so kam es denn auch

EDIT: Hat sich mit El Quijote überschnitten...
 
Zuletzt bearbeitet:
Auch das habe ich versucht zu zeigen:
Bei Florus stirbt Varus im Lager, als er einen Gerichtstag abhält. Bei Cassius Dio stirbt er auf dem Marsch, nachdem er gerufen wurde, einen angeblichen Aufstand niederzuschlagen. Das lässt sich beim besten Willen nicht seriös mit Teilaspekten erklären oder verschiedenen Schlachttagen (zumal Cassius Dio ja mehr oder weniger ausführlich alle Schlachttage beschreibt).
Wir müssen einfach damit leben, dass es unauflösliche Widersprüche gibt. Die Quellen zu harmonisieren ist daher nicht vorbildlich sondern würde ihnen Gewalt antun.

Es wurde schon angesprochen: Manche Dinge lassen sich nur harmonisieren, wenn man die Aussagen der Quellen verbiegt.
[...]
Aber befand sich Varus im Lager zu einer Gerichtsverhandlung oder befand er sich auf dem Marsch, als der Überraschungsangriff erfolgte?

Danke für die inhaltliche Aufklärung, auf die hin ich zur Kenntnis nehme, dass sich Florus und Dio in diesem Punkte nicht harmonisieren lassen. Ich kann damit auch gut leben.


Sie ist es - elbengleiche (der Schwerkraft enthobene) Germanen gegen tumb-trottelige Römer, die ein Treffen vom Tramp mit Dick & Doof inszenieren. Ich weiß nicht, was man da noch retten kann. Textbeispiele habe ich gebracht.
Falls Du Cass. Dio: hist. 56, 20, 1ff meinst, dann, finde ich, kann man den Inhalt einer Quelle gar nicht polemischer wiedergeben, als Du es hier machst.
Nur mal angenommen Dios Schilderung würde auf dem Bericht eines überlebenden Soldaten basieren, der einst mit seiner Truppe schwer bepackt, regendurchnässt und relativ orientierungslos über marsch-unwürdige Waldwege zog, als er plötzlich von mehreren Seite angegriffen wurde, sich so gut es ging wehrte, während er sah, dass viele seiner Kameraden vor und hinter ihm abgeschlachtet wurden (Dio berichtet ja auch vom 'langgezogenen' röm. Heer und der Überzahl der Germanen an den einzelnen Weg-Abschnitten - finde ich nicht unglaubwürdig). Was sollte dieser Soldat denn später von der Schlacht erzählen oder aufschreiben? "Wir hatten als kampferprobte Römer natürlich alles im Griff"? "Die Germanen waren von ihrem Angriff übrigens selbst genauso überrascht wie wir und hatten somit keinen Vorteil"? "Dafür, dass wir die Schlacht verloren haben, gibt's eigentlich keinen Grund, alles lief glatt und nach Plan"?
Jetzt bin ich auch schön polemisch geworden (ups?!) und hab ja auch nur ein Szenario gemäß Dio zusammengesponnen, von dem ich nicht weiß, ob es so stattgefunden hat, jedenfalls aber kann man in Dios Schilderungen, wenn man will, auch echte Gründe für eine Niederlage der Römer erblicken.
 
Falls Du Cass. Dio: hist. 56, 20, 1ff meinst, dann, finde ich, kann man den Inhalt einer Quelle gar nicht polemischer wiedergeben, als Du es hier machst.

Konkret beziehe ich mich auf Hist. rom. 56, 20, 3 u. 4 sowie Hist. rom. 56, 21, 2 - 4.
Ich halte diese Stellen in der Tat für ziemlich konstruiert, um die Schmach irgendwie mit den Unbilden des Wetters zu rechtfertigen. Polemik meinerseits? Mag sein. Ich sehe das eher so, um eine Metapher von mir, die ich in einem der von dir verlinkten Beiträge gefunden habe wiederzubeleben, dass ich die Suppe von Cassius Dio auf ihren Fond eindampfe.

Nur mal angenommen Dios Schilderung würde auf dem Bericht eines überlebenden Soldaten basieren, der einst mit seiner Truppe schwer bepackt, regendurchnässt und relativ orientierungslos über marsch-unwürdige Waldwege zog, als er plötzlich von mehreren Seite angegriffen wurde, sich so gut es ging wehrte, während er sah, dass viele seiner Kameraden vor und hinter ihm abgeschlachtet wurden (Dio berichtet ja auch vom 'langgezogenen' röm. Heer und der Überzahl der Germanen an den einzelnen Weg-Abschnitten - finde ich nicht unglaubwürdig). Was sollte dieser Soldat denn später von der Schlacht erzählen oder aufschreiben? "Wir hatten als kampferprobte Römer natürlich alles im Griff"? "Die Germanen waren von ihrem Angriff übrigens selbst genauso überrascht wie wir und hatten somit keinen Vorteil"? "Dafür, dass wir die Schlacht verloren haben, gibt's eigentlich keinen Grund, alles lief glatt und nach Plan"?
Jetzt bin ich auch schön polemisch geworden (ups?!) und hab ja auch nur ein Szenario gemäß Dio zusammengesponnen, von dem ich nicht weiß, ob es so stattgefunden hat, jedenfalls aber kann man in Dios Schilderungen, wenn man will, auch echte Gründe für eine Niederlage der Römer erblicken.

Ein absurdes Szenario durch ein noch absurderes Szenario zu ersetzen um das erste weniger absurd erscheinen zu lassen, rettet die Darstellung nicht.

Ich möchte Cassius Dio auch nicht völlig verwerfen. Ich bin z.B. bereit zu akzeptieren, dass es sich um eine viertägige Marschschlacht handelte. Ob das am Ende so stimmt, ist eine andere Frage. Aber Römer die gegen jede Vernunft tumb durcheinanderlaufen? Das kann man in der Panik ja noch verstehen. Aber niemand läuft aus der Panik heraus gegen Bäume. Und es hat auch noch niemand eine ernstzunehmende Lösung vorgeschlagen, warum die Germanen von den Unbilden des Wetters nicht behelligt wurden. Ich bin bereit zu akzeptieren, dass der Matsch den schwer beladenen Römern vielleicht mehr zugesetzt hat, als einem Germanen, der vielleicht nur mit Hemd und Hose bekleidet und einem Schwert in der Hand durch den Wald gerannt ist, aber vom herabstürzenden Baumwipfel wird dieser genauso erschlagen, wie der Römer. Hier liegt mein Problem.

Nehmen wir mal die Idee des Users Segimerus, wonach nicht der Sturm die Bäume umgehauen hat (wie es explizit in der Quelle steht) sondern die Germanen, welche die Bäume gezielt auf die Römer stürzen ließen.

Wenn man einen Baum fällt, hat der eine ziemliche Spannung. Das Baum fällen kann daher auch für den Fällenden, selbst wenn der entgegen der Fallrichtung steht, gefährlich werden, weil der Baum nämlich nicht einfach an der verletzten Stelle umkippt, sondern häufig zurückspringt. (Ich weiß nicht, ob das verständlich erklärt ist.) Dabei ist schon so mancher Holzfäller erschlagen worden, obwohl er, was die Fallrichtung des Baumes anging, alles richtig gemacht hat.
Nun stellen wir uns mal gemäß User Segimerus vor, Germanen wollen Bäume auf die Römer fallen lassen. Wie weit können sie dabei von den Römern entfernt sein? Eichen werden selten mal dreißig Meter hoch, das sind dann meistens sehr, sehr alte Exemplare mit einem entsprechenden Umfang. Buchen werden gerne mal 30 hoch. Aber was sind 30 m? Und wer beschützt mich als holzfällender Germane, der ich mich darauf konzentrieren muss, dass der fallende Baum nicht zurückspringt und mittels Hebelwirkung erschlägt, vor den Römern, die während ich noch fälle - was ja auch mit Geräuschen verbunden ist, auf mich zustürmen? Wer ist wohl bereit zwischen den Römern und mir in der Baumfallzone zu stehen?
Diese Hypothese, die versucht die fallenden Baumkronen irgendwie vom Sturm unabhängig zu machen, um die Behauptung des Cassius Dio zu retten, funktioniert also auch nicht, womit wir wieder zurückkehren zu der ungelösten Frage, warum niederstürzende Baumkronen ethnische Unterschiede machen, wen sie erschlagen und wen nicht.
 
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Sicherheitsabstand: mindestens zwei bis drei Baumlängen

Vor der Fällung müssen Sie sich vergewissern, dass sich niemand innerhalb eines Sicherheitsabstands von mindestens der doppelten Stammlänge des zu fällenden Baums aufhält. Ihre Kollegen und Sie sollten Schutzjacken oder -westen in Signalfarben tragen, damit Sie füreinander und für andere gut sichtbar sind.



Planen Sie die Fällarbeiten

Planen Sie die Fällung, bevor Sie am Holzeinschlagort angekommen sind. Bestimmen Sie die Fallrichtung. Beachten Sie die unterschiedlichen Faktoren, die die Fällung beeinflussen wie z. B. Windrichtung, Windstärke, Abhänge und Hindernisse in der Umgebung.

Sehen Sie sich den Baum genau an. Ist er durch Fäule, Risse oder andere Faktoren beschädigt? Besteht die Gefahr, dass abgestorbene oder gebrochene Äste vom Baum oder den umliegenden Bäumen herunterfallen? Neigt sich der Baum? In welche Richtung sollte der Baum im Hinblick auf die weiteren Arbeiten fallen?

Für die nachfolgende Entastungsarbeit ist für eine geeignete Arbeits­höhe zu sorgen. Beispielsweise können Sie sicherstellen, dass der Baum auf einen gefällten Stamm, Felsen oder eine Erhöhung im Gelände fällt. Bedenken Sie, dass das Wurzelende seitlich ausschlagen kann. Lesen Sie mehr im Abschnitt Entasten in Kapitel 7.


Vergrößern
Wie weit wird der Baum fallen?

Beim Fällen von Bäumen in der Nähe von Gebäuden muss sichergestellt werden, dass sowohl Fallrichtung als auch Falllänge miteinbezogen werden. Eine Möglichkeit ist, mithilfe einfacher geometrischer Prinzipien den Punkt auf dem Boden zu ermitteln, der ein gleichschenkliges und rechtwinkliges Dreieck ergibt, d. h. die Höhe des Baums und der Abstand des Punktes zum Baum sind gleich lang. Das Prinzip kann mithilfe eines Stocks umgesetzt werden. Halten Sie den Stock so, dass der Abstand zu Ihrem Auge der Länge des Stocks entspricht und der Winkel zwischen den beiden Seiten des Dreiecks gerade ist. Am besten ist es, wenn Ihr Auge auf der gleichen Höhe wie der Stubben ist.



Wenn möglich in die natürliche Fallrichtung des Baumes fällen

Die meisten Bäume haben eine natürliche Fallrichtung. Diese wird durch die Neigung des Baums, die Form der Äste und eine mögliche Schneelast (schneebedeckte Äste) bestimmt. Wenn Sie sich unsicher sind, in welche Richtung sich der Baum neigt, gehen Sie einige Schritte zurück und kontrollieren Sie die Richtung mit einem Lot.

Es ist bis zu einem gewissen Grad möglich, einen Baum gegen seine natürliche Fallrichtung zu fällen. Dies führt jedoch immer ein erhöhtes Risiko und zusätzliche körperliche Anstrengung mit sich. Außerdem sind Wissen, Können und Erfahrung und die richtigen Fällwerkzeuge erforderlich. Bäume mit schwächerem Holz, wie tote oder verrottete Bäume, sollten immer in die einfachste Richtung gefällt werden.



Neigung, Form, Länge sowie Durchmesser, Art und Verrottungsgrad sind Faktoren, die die Fällung beeinflussen, genau wie das Gefälle des Bodens, die Windrichtung, Überlandleitungen, Straßen und Gebäude.
 
Ein absurdes Szenario durch ein noch absurderes Szenario zu ersetzen um das erste weniger absurd erscheinen zu lassen, rettet die Darstellung nicht.
Der Satz gefällt mir irgendwie ausgesprochen gut.=) ...

Och nee, das ging ja gegen mich!:motz:


Spaß beiseite und hin zu jenen Bäumen:

Bäume an geeigneten Engpässen absichtl. auf den Römerzug fallen zu lassen, wäre zwar vermutlich eine gute Idee von den Germanen gewesen, aber aus Dio sehe ich das auch nicht gestützt.
Andererseits steht da aber auch nicht, dass die Bäume den Römern auf den Kopf fielen - wie Du immer so schön nach Asterix-Manier sagst -, sondern nach der Übersetzung v. Otto Veh (56, 20, 3):
[...] Sturm und Regen [...], Boden [...] schlüpfrig geworden [...]; Bruch und Sturz der Baumwipfel sorgten für weitere Verwirrung.
Das hört sich für mich so an, dass das Problem für die Römer darin bestand, dass sie als Marschkolonne aufgrund des heruntergestürzten Geästs und womögl. querliegender Stämme auf dem Weg/ Pfad nicht gerade zügig vorankamen, während die Germanen als einzelne Krieger viel besser "durch die ärgsten Dickichte" dringen konnten (vgl. 56, 20, 4) und ja auch nicht versuchen mussten, auf irgendeinem bestimmten Wege zu bleiben. Ohne Marschgepäck ist man einfach schneller über ein Baumstamm gesprungen oder an Geäst drumherumgelaufen, als man solche Hindernisse als bepackte Gruppe, die dabei noch versucht eine gemeinsame Richtung beizubehalten, überwunden hat. Ist nur mal ein Gedanke zur Interpretation der Stelle.
 
Das hört sich für mich so an, dass das Problem für die Römer darin bestand, dass sie als Marschkolonne aufgrund des heruntergestürzten Geästs und womögl. querliegender Stämme auf dem Weg/ Pfad nicht gerade zügig vorankamen, während die Germanen als einzelne Krieger viel besser "durch die ärgsten Dickichte" dringen konnten (vgl. 56, 20, 4)

Römer als Marschkolonne, Germanen als einzelne Krieger?

Laut Cassius Dio war es genau umgekehrt: Da marschieren die Römer in lockerer Formation, während die Germanen in geballten Kampfverbänden durch den Wald preschen:

Die Römer marschierten ja in keiner festen Ordnung, sondern im Durcheinander mit Wagen und Unbewaffneten; sie konnten sich auch nirgendwo leicht zu einer Gruppe zusammenschließen, und da sie überall den jeweiligen Angreifern zahlenmäßig unterlegen waren, hatten sie selbst schwer zu leiden, ohne etwas dagegen ausrichten zu können.

Wogegen die Versuche der Römer, in geballten Formationen dem Gegner entgegenzustürmen, daran scheitern, dass sie dauernd gegen die Bäume rummsen.
Denn auf engem Raum zusammengepreßt, damit Schulter an Schulter Reiter und Fußvolk den Feinden entgegenstürmen könnten, stießen sie vielfach aufeinander oder gegen die Bäume.
Das hört sich schon ein wenig nach Slapstick an, oder?
 
Mit großen rechteckigen, also relativ sperrigen Schilden ausgerüstete Römer sind im dichten germanischen Urwald unbeweglicher als mit viel kleineren und oftmals auch runden Schilden ausgestattete Germanen? What else is new?

Die Beschreibung des Wetters scheint übertrieben? Dass es im Herbst regnet und stürmt ist so unwahrscheinlich nicht. Und um die Zeitenwende war das Klima relativ warm, entsprechend intensiv waren auch die Herbststürme.

Roman Warm Period - Wikipedia, the free encyclopedia

Dass die germanischen Krieger überhaupt nicht von dem Herbststurm betroffen waren les ich bei Dio im Übrigen auch nicht heraus, richtig ist aber dass Dio die Geschehnisse aus Sicht der Römer schildert.
 
Römer als Marschkolonne, Germanen als einzelne Krieger?

Laut Cassius Dio war es genau umgekehrt: Da marschieren die Römer in lockerer Formation, während die Germanen in geballten Kampfverbänden durch den Wald preschen:
Da steckt, glaub ich, ein Gedankenfehler drin. Die lockere Formation der Römer ist doch nicht im Vergleich zur Formation der Germanen ausgesagt, sondern im Vergleich zur sonst üblichen "geschlossenen" Kampf-Formation der Römer.

Stell Dir vor, Du ziehst mit Deiner Legion durch ein für röm. Verhältnisse recht unwegsames Gelände. Der Weg ist schmal, sodass sich die Legion immer weiter auseinander zieht; und weil auch hier und da zwischendrin Äste und Stämme aus dem Weg geräumt oder überstiegen werden müssen, kommt es auch zu kleineren Lücken im Zug. Nun werdet ihr angegriffen. Weil sich Deine Legion wie eine Perlenschnur durch den Wald zieht und obendrein blöderweise überall Bäume im Wald herumstehen, könnt Ihr Euch nicht zum Kampf formieren, wie Ihr das sonst gewohnt seid. Dann ist das gefährlich: Ihr steht nicht in Formation, bildet trotzdem eine Kolonne! Die gewohnte Formation erlaubt das Gelände eh nicht, aber die Kolonne auch noch aufzugeben, um sich einzeln überall im Wald zu zerstreuen, nähme Dir dann auch noch alle Hoffnung, dass die nachrückenden Kameraden bei Dir eintreffen. Du rennst also nicht als einzelner den Germanen in den Wald entgegen, sondern bleibst in der Nähe des Weges, aber - wie Dio sagt - bildest Du schnell mit Deinen gerade um Dich herumstehenden Kameraden ad hoc eine Art Mini-Formation, Schulter an Schulter, um die "von allen Seiten" angreifenden Gegnern Paroli bieten zu können. Eure Legion bleibt dabei eine Art "Perlenschnur mit aufgeriebenen Lücken".
Bei ihren aktiven Angriffen bestand für die Germanen hingegen überhaupt keine Notwendigkeit, sich Schulter an Schulter zu formieren und derart vorzurücken, wenn das in einem sturm-geschädigte Gelände einfach keinen Sinn machte. Die Germanen hatten Platz zum Angreifen; sie kamen wie Dio sagt, aus allen Richtungen des Waldes und stürmten auf die Römer zu, die einerseits als angegriffene Klein-Grüppchen somit im Gegensatz zu den Angreifern natürlich in ihrem Platz begrenzt waren, sich andererseits in Form einer Kolonne lang durch den Wald zogen. Und jetzt sag mir mal, wer sich schneller durch den sturm-geschädigten Wald bewegen kann, die angegriffene Kolonne oder die Angreifer? Ich verstehe Dio so, dass die Sturmschäden im Wald und auf dem Weg, es den Römern zusätzlich erschwerte, sich zügig in größeren Gruppen zu sammeln und so schlagkräftige Formationen zu bilden.


Falls Du von der Suggestion jetzt Kopfschmerzen hast, entschuldige bitte.


Und nochmal generell:
Ich verstehe es, wenn man die Dio-Darstellung aufgrund der Florus-Darstellung verwirft. Aber Dios Darstellung für sich genommen finde ich persönlich ziemlich schlüssig und bei weitem nicht abwegig (Damit behaupte ich aber nicht, dass Dio im Gegensatz zu Florus die historische Wahrheit über die Varusschlacht liefere).
 
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Ich denke, du übersiehst bei deinen Überlegungen etwas wichtiges. Es muss gar nicht so gewesen sein, dass die Römer den Wall nicht bemerkt hätten und ich halte es nebenbei für unwahrscheinlich, dass ein 400 m langer Wall für drei einigermaßen intakte Legionen hätte ein Problem werden können. M.E. liegt das Problem viel eher darin, dass die bereits geschlagenen Römer keinen anderen Weg sahen, als durch die Engstelle durch. Und ich glaube, dass dies auch der Grund ist, warum die Germanen den Wall nicht als Sperre des Weges angelegt haben, sondern diesen begleitend. Das machte den Anreiz größer nicht gegen den Wall anzurennen sondern zu versuchen daran vorbei zu kommen, gerade weil man schon geschlagen war.
....

Das halte ich für zweifelhaft. :autsch: Wo steht denn geschrieben, daß Germanen einen Wall gebaut haben, damit die Römer daran langziehen sollen? Hat es sowas später auch nochmal gegeben, wenn es doch so erfolgreich war? Wenn die römischen Legionen so geschwächt waren, sodaß kein ernsthafter Widerstand zu erwarten war, dann hätte man doch gerade den Weg absperren müssen, damit keiner entkommt, oder?
Die Vermutung eines Defileegefechtes wird doch arg in den Zweifel gezogen.
 
Mit großen rechteckigen, also relativ sperrigen Schilden ausgerüstete Römer sind im dichten germanischen Urwald unbeweglicher als mit viel kleineren und oftmals auch runden Schilden ausgestattete Germanen? What else is new?

War denn der "germanische Urwald" wirklich so dicht, wie von den Autoren beschrieben? Oder handelt es sich um einen topos vom Barbaricum? Die Archäologie (Pollenanaylse) besagt, dass zur fraglichen Zeit in der fraglichen Region kaum noch Urwälder bestanden haben.

Die Beschreibung des Wetters scheint übertrieben? Dass es im Herbst regnet und stürmt ist so unwahrscheinlich nicht. Und um die Zeitenwende war das Klima relativ warm, entsprechend intensiv waren auch die Herbststürme.

Roman Warm Period - Wikipedia, the free encyclopedia

Dass die germanischen Krieger überhaupt nicht von dem Herbststurm betroffen waren les ich bei Dio im Übrigen auch nicht heraus, richtig ist aber dass Dio die Geschehnisse aus Sicht der Römer schildert.

Es geht gar nicht so sehr um das Wetter selbst, das kann die ganze Bandbreite des Septemberwetters, wie man es in Nordwestdeutschland kennt, gehabt haben, sondern darum, dass a) nur Cassius Dio von dem Wetter weiß und mit dem Wetter einen neuen Schuldigen an der Niederlage kreiert - das ist gegenüber den älteren Autoren, bei denen Varus alleine Schuld an der Katastrophe ist, eine Neuheit und, dass das Wetter die Germanen nicht anficht. Während die Römer quasi blind wegen der Unbilden des Wetters sind, können die Germanen sie mit Speeren beschießen. Wer das für glaubwürdig hält, soll das tun. Aber bitte verlangt nicht, dass man diese Auffassung teilt.

Das halte ich für zweifelhaft. :autsch: Wo steht denn geschrieben, daß Germanen einen Wall gebaut haben, damit die Römer daran langziehen sollen? Hat es sowas später auch nochmal gegeben, wenn es doch so erfolgreich war? Wenn die römischen Legionen so geschwächt waren, sodaß kein ernsthafter Widerstand zu erwarten war, dann hätte man doch gerade den Weg absperren müssen, damit keiner entkommt, oder?
Die Vermutung eines Defileegefechtes wird doch arg in den Zweifel gezogen.

Den archäologischen Befund muss man nun mal so nehmen wie er ist und der archäologische Befund besagt, dass ein Teil des Weges abgegraben wurde und dadurch eine Alternativroute nicht genommen werden konnte und der Wall den Weg nicht versperrt sondern parallel dazu verläuft.
Diesen Befund muss man interpretieren. Psychologisch ist es jedenfalls sehr geschickt, den geschlagenen Römern die Illusion zu geben, dass sie das Heil in der Flucht suchen können und nicht in der Falle sitzen. Das ist wie bei der Jagd: Ein Fluchttier läuft weg, solange es kann, wenn es aber keinen Ausweg mehr sieht, dann kämpft auch ein Fluchttier. Solange die geschlagenen Römer ihr Heil in der Flucht sehen konnten, dürfte es schwieriger gewesen sein, sie zu ordnen, als wenn sie in die Enge getrieben worden wären, das Heil also nur noch im Durchbrechen des Walls liegen konnte.
 
Da steckt, glaub ich, ein Gedankenfehler drin. Die lockere Formation der Römer ist doch nicht im Vergleich zur Formation der Germanen ausgesagt, sondern im Vergleich zur sonst üblichen "geschlossenen" Kampf-Formation der Römer.

Der direkte Vergleich ist: Römer in kleinen Gruppen gegen Germanen in der "Überzahl".
und da sie überall den jeweiligen Angreifern zahlenmäßig unterlegen waren, hatten sie selbst schwer zu leiden, ohne etwas dagegen ausrichten zu können.

Stell Dir vor, Du ziehst mit Deiner Legion durch ein für röm. Verhältnisse recht unwegsames Gelände.
Was heißt denn "für röm. Verhältnisse"?
Die Legionen haben ja nicht ihr Leben lang auf dem gepflasterten Forum Romanum exerziert und wurden nun plötzlich in die Wildnis gebeamt.
Die waren doch trainiert, durch unwegsames Gelände zu ziehen.
 
Den archäologischen Befund muss man nun mal so nehmen wie er ist und der archäologische Befund besagt, dass ein Teil des Weges abgegraben wurde und dadurch eine Alternativroute nicht genommen werden konnte und der Wall den Weg nicht versperrt sondern parallel dazu verläuft.
Diesen Befund muss man interpretieren. Psychologisch ist es jedenfalls sehr geschickt, den geschlagenen Römern die Illusion zu geben, dass sie das Heil in der Flucht suchen können und nicht in der Falle sitzen. Das ist wie bei der Jagd: Ein Fluchttier läuft weg, solange es kann, wenn es aber keinen Ausweg mehr sieht, dann kämpft auch ein Fluchttier. Solange die geschlagenen Römer ihr Heil in der Flucht sehen konnten, dürfte es schwieriger gewesen sein, sie zu ordnen, als wenn sie in die Enge getrieben worden wären, das Heil also nur noch im Durchbrechen des Walls liegen konnte.

In einem Zeitungsartikel habe ich jetzt gelesen, daß ein Kalkrieser Forscher den Wall nicht mehr als germanisch sieht, sondern als römisches Bauwerk. Wie verhält es sich denn dann mit dem archäologischen Befund?
 
Der direkte Vergleich ist: Römer in kleinen Gruppen gegen Germanen in der "Überzahl".
Ja, Römer in kleinen Gruppen! So ne "kleine Gruppe" war "Mittelpunkt" von german. Angreifern in der Überzahl, die aus allen Richtungen kamen. "Kleine Gruppe" ist daher beengt; Germanen hingegen haben Platz bzw. können sich die einzelnen Angreifer ihren Angriffsweg individuell aussuchen (mal eben um die rumliegenden Bäume herum oder über sie drüber usw.), während die röm. Mini-Formation als Ganzes nicht so schnell um Stämme und Baumteile, die den Weg versperren, herumkommt oder über sie drüber kommt.


Was heißt denn "für röm. Verhältnisse"?
Die Legionen haben ja nicht ihr Leben lang auf dem gepflasterten Forum Romanum exerziert und wurden nun plötzlich in die Wildnis gebeamt.
Die waren doch trainiert, durch unwegsames Gelände zu ziehen.

Mit "für röm. Verhältnisse" meinte ich, dass Märsche durch die meisten anderen Provinzen wie bspw. in Kleinasien, Syrien, Illyrien, Armenien, Spanien, Gallien usw. in der Regel über wegsameres Gelände geführt haben dürften, als der Marsch durch den germanischen Wald. Hast aber recht, hab ich einfach mal so nach Bauchgefühl formuliert.
 
Nun werdet ihr angegriffen. Weil sich Deine Legion wie eine Perlenschnur durch den Wald zieht und obendrein blöderweise überall Bäume im Wald herumstehen, könnt Ihr Euch nicht zum Kampf formieren, wie Ihr das sonst gewohnt seid.
während die röm. Mini-Formation als Ganzes nicht so schnell um Stämme und Baumteile, die den Weg versperren, herumkommt oder über sie drüber kommt.


Cassius Dio schreibt von zwei unterschiedlichen Situationen, die wirfst Du gerade durcheinander.

Am ersten Tag marschierten die Legionen in lockerer Formation durch den Wald, während die Germanen in großen Gruppen überraschend angreifen.

Vom nächsten Tag an bleiben die Römer besser zusammen und versuchen nun ihrerseits, die Germanen in geballter Formation anzugreifen. Aber das geht schief, weil sie dauernd mit den Bäumen und den eigenen Leuten zusammenrempeln.
 
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