Falls Du Cass. Dio: hist. 56, 20, 1ff meinst, dann, finde ich, kann man den Inhalt einer Quelle gar nicht polemischer wiedergeben, als Du es hier machst.
Konkret beziehe ich mich auf Hist. rom. 56, 20, 3 u. 4 sowie Hist. rom. 56, 21, 2 - 4.
Ich halte diese Stellen in der Tat für ziemlich konstruiert, um die Schmach irgendwie mit den Unbilden des Wetters zu rechtfertigen. Polemik meinerseits? Mag sein. Ich sehe das eher so, um eine Metapher von mir, die ich in einem der von dir verlinkten Beiträge gefunden habe wiederzubeleben, dass ich die Suppe von Cassius Dio auf ihren Fond eindampfe.
Nur mal angenommen Dios Schilderung würde auf dem Bericht eines überlebenden Soldaten basieren, der einst mit seiner Truppe schwer bepackt, regendurchnässt und relativ orientierungslos über marsch-unwürdige Waldwege zog, als er plötzlich von mehreren Seite angegriffen wurde, sich so gut es ging wehrte, während er sah, dass viele seiner Kameraden vor und hinter ihm abgeschlachtet wurden (Dio berichtet ja auch vom 'langgezogenen' röm. Heer und der Überzahl der Germanen an den einzelnen Weg-Abschnitten - finde ich nicht unglaubwürdig). Was sollte dieser Soldat denn später von der Schlacht erzählen oder aufschreiben? "Wir hatten als kampferprobte Römer natürlich alles im Griff"? "Die Germanen waren von ihrem Angriff übrigens selbst genauso überrascht wie wir und hatten somit keinen Vorteil"? "Dafür, dass wir die Schlacht verloren haben, gibt's eigentlich keinen Grund, alles lief glatt und nach Plan"?
Jetzt bin ich auch schön polemisch geworden (ups?!) und hab ja auch nur ein Szenario gemäß Dio zusammengesponnen, von dem ich nicht weiß, ob es so stattgefunden hat, jedenfalls aber kann man in Dios Schilderungen, wenn man will, auch echte Gründe für eine Niederlage der Römer erblicken.
Ein absurdes Szenario durch ein noch absurderes Szenario zu ersetzen um das erste weniger absurd erscheinen zu lassen, rettet die Darstellung nicht.
Ich möchte Cassius Dio auch nicht völlig verwerfen. Ich bin z.B. bereit zu akzeptieren, dass es sich um eine viertägige Marschschlacht handelte. Ob das am Ende so stimmt, ist eine andere Frage. Aber Römer die gegen jede Vernunft tumb durcheinanderlaufen? Das kann man in der Panik ja noch verstehen. Aber niemand läuft aus der Panik heraus gegen Bäume. Und es hat auch noch niemand eine ernstzunehmende Lösung vorgeschlagen, warum die Germanen von den Unbilden des Wetters nicht behelligt wurden. Ich bin bereit zu akzeptieren, dass der Matsch den schwer beladenen Römern vielleicht mehr zugesetzt hat, als einem Germanen, der vielleicht nur mit Hemd und Hose bekleidet und einem Schwert in der Hand durch den Wald gerannt ist, aber vom herabstürzenden Baumwipfel wird dieser genauso erschlagen, wie der Römer. Hier liegt mein Problem.
Nehmen wir mal die Idee des Users Segimerus, wonach nicht der Sturm die Bäume umgehauen hat (wie es explizit in der Quelle steht) sondern die Germanen, welche die Bäume gezielt auf die Römer stürzen ließen.
Wenn man einen Baum fällt, hat der eine ziemliche Spannung. Das Baum fällen kann daher auch für den Fällenden, selbst wenn der entgegen der Fallrichtung steht, gefährlich werden, weil der Baum nämlich nicht einfach an der verletzten Stelle umkippt, sondern häufig zurückspringt. (Ich weiß nicht, ob das verständlich erklärt ist.) Dabei ist schon so mancher Holzfäller erschlagen worden, obwohl er, was die Fallrichtung des Baumes anging, alles richtig gemacht hat.
Nun stellen wir uns mal gemäß User Segimerus vor, Germanen wollen Bäume auf die Römer fallen lassen. Wie weit können sie dabei von den Römern entfernt sein? Eichen werden selten mal dreißig Meter hoch, das sind dann meistens sehr, sehr alte Exemplare mit einem entsprechenden Umfang. Buchen werden gerne mal 30 hoch. Aber was sind 30 m? Und wer beschützt mich als holzfällender Germane, der ich mich darauf konzentrieren muss, dass der fallende Baum nicht zurückspringt und mittels Hebelwirkung erschlägt, vor den Römern, die während ich noch fälle - was ja auch mit Geräuschen verbunden ist, auf mich zustürmen? Wer ist wohl bereit zwischen den Römern und mir in der Baumfallzone zu stehen?
Diese Hypothese, die versucht die fallenden Baumkronen irgendwie vom Sturm unabhängig zu machen, um die Behauptung des Cassius Dio zu retten, funktioniert also auch nicht, womit wir wieder zurückkehren zu der ungelösten Frage, warum niederstürzende Baumkronen ethnische Unterschiede machen, wen sie erschlagen und wen nicht.