Aussterben der Neandertaler

Es stimmt einfach nicht, dass was Menschen einmal können, stets an die Nachfahren weitergegeben wird. Kulturen differenzieren sich, häufen Wissen an und gehen wieder unter. Wenn die Menschen dazu zurückkehren, sich vom Jagen und Sammeln zu ernähren, haben sie keinen Anlass das Wissen darüber lebendig zu halten, wie man Ackerbau betreibt, den man doch schon verworfen hat.

Sicher gehen Kulturen unter, während andere aufsteigen. Was den Verlust von Wissen und Fertigkeiten angeht, so gibt es weder eine klare Tendenz noch ein berechenbares Schema.

Was die ersten Ackerbauern Europas angeht, so breiteten sich Landwirtschaft und sesshafte Lebensweise kontinuierlich vom südlichen Balkan bis Mittel- und Nordeuropa aus. Neolithische Kulturen wie die von Sesklo, Vinca, Tripolje, Bandkeramik oder Starcevo kamen und vergingen - die Ausbreitung des Ackerbaus ging dennoch unaufhaltsam weiter. Wenn einige Bevölkerungsgruppen möglicherweise (!) die sesshafte Lebensweise aufgaben und wieder zum mesolithischen Jäger- und Sammlerdasein zurückkehrten, so waren das nur Episoden, die den Erfolg der neuen Lebensweise nicht aufhielten.

Im Gegensatz dazu kam es z.B. nach dem Untergang Westroms in den einst römischen Gebieten nördlich der Alpen zu einem eklatanten Niedergang des Wissens und der Kultur, vielfach verbunden mit einem Verschwinden der Schriftlichkeit, des Münzwesens und einer geordneten Verwaltung. Aber auch hier kehrten versunkene kulturelle Leistungen nach einer Periode des Verfalls allmählich zurück.
 
Sicher gehen Kulturen unter, während andere aufsteigen. Was den Verlust von Wissen und Fertigkeiten angeht, so gibt es weder eine klare Tendenz noch ein berechenbares Schema.

Richtig.

Was die ersten Ackerbauern Europas angeht, so breiteten sich Landwirtschaft und sesshafte Lebensweise kontinuierlich vom südlichen Balkan bis Mittel- und Nordeuropa aus. Neolithische Kulturen wie die von Sesklo, Vinca, Tripolje, Bandkeramik oder Starcevo kamen und vergingen - die Ausbreitung des Ackerbaus ging dennoch unaufhaltsam weiter.

Tatsache ist, dass sich die Landwirtschaft letztendlich erfolgreich ausgebreitet hat. Ob das nun ein kontinuierlicher und von vornherein unaufhaltsamer Prozess war, ist eine andere Frage.

Wenn einige Bevölkerungsgruppen möglicherweise (!) die sesshafte Lebensweise aufgaben und wieder zum mesolithischen Jäger- und Sammlerdasein zurückkehrten, so waren das nur Episoden, die den Erfolg der neuen Lebensweise nicht aufhielten.

Womöglich waren es ja andere Gruppen, die die Landwirtschaft am Leben erhielten. Die einen hören entnervt auf, andere machen weiter, vielleicht, weil bei ihnen die Bedingungen grundsätzlich besser waren, vielleicht, weil sie ein geschickteres Händchen hatten. Hätte keiner ein glückliches Händchen und ausreichend gute Bedingungen gehabt, wäre das Projekt auf Nimmerwiedersehen im Dunkeln der Geschichte verschwunden.

Im Gegensatz dazu kam es z.B. nach dem Untergang Westroms in den einst römischen Gebieten nördlich der Alpen zu einem eklatanten Niedergang des Wissens und der Kultur, vielfach verbunden mit einem Verschwinden der Schriftlichkeit, des Münzwesens und einer geordneten Verwaltung. Aber auch hier kehrten versunkene kulturelle Leistungen nach einer Periode des Verfalls allmählich zurück.

Kehrten diese kulturellen Leistungen aus der Mitte der Bevölkerungen zurück, die so viel Kukrltur aufgegeben hatten? Oder kam das nicht vielmehr von außen wieder nach?
 
Hätte keiner ein glückliches Händchen und ausreichend gute Bedingungen gehabt, wäre das Projekt auf Nimmerwiedersehen im Dunkeln der Geschichte verschwunden.

Das glaube ich kaum.
Auch in Ostasien und auf dem amerikanischen Kontinent setzten sich Ackerbau und sesshafte Lebensweise durch. Derart viele "glückliche Händchen" sind sicher kein Zufall, sondern ein Beweis dafür, dass die Menschen die neue Lebensweise bevorzugten. Und dafür hatten sie auch viele gute Gründe, die die negativen Aspekte in ihren Augen überwogen.

Kehrten diese kulturellen Leistungen aus der Mitte der Bevölkerungen zurück, die so viel Kukrltur aufgegeben hatten? Oder kam das nicht vielmehr von außen wieder nach?

Die führende Schicht der Karolinger erkannte, dass der Rückfall in barbarische Verhältnisse aufgehalten werden musste. Das führte zur so genannten "Karolingischen Renaissance", die vom königlichen Hof und den Geistlichen der Hofkapelle ausging. Karolingische Renaissance ? Wikipedia
 
Gibt es eigentlich Erkenntnisse darüber, wie es zur "Erfindung" der Landwirtschaft kam? Das wurde ja sicher nicht von jetzt auf gleich eingeführt. Es müsste eigentlich Vorstufen vor der Sesshaftwerdung gegeben haben.

Bezüglich Viehzucht ist die Sache wohl einfacher, weil man domestizierte oder halbdomestizierte Tiere auch bei einer nomadischen Lebensweise halten und mitnehmen kann. Beispiel: Rentiere.

MfG
 
Bezüglich Viehzucht ist die Sache wohl einfacher, weil man domestizierte oder halbdomestizierte Tiere auch bei einer nomadischen Lebensweise halten und mitnehmen kann. Beispiel: Rentiere.

MfG

Hirtennomaden ziehen mit (halb)domestizierten Tieren umher. Diese Lebensweise ergab sich idR erst nach der neolithischen Revolution.
Und auch dazu gibt es schon einen Thread http://www.geschichtsforum.de/f22/se-hafte-vs-umherziehende-j-gergesellschaften-28064/
Gleich am Anfang geht es um den Unterschied zwischen Wildbeutern, das waren die Neandertaler und die frühen HS und die späteren Hirtennomaden.
 
Neandertals made the first specialized bone tools in Europe

unter dieser Überschrift berichtet pnas am 12. August 2013 über die Entdeckung von Knochenwerkzeugen zum Glätten von Leder (sog. Lissoir) in den steinzeitlichen Ausgrabungsstätten Abri Peyrony und Pech-de-l'Azé I. Nach dem Artikel, siehe auch in Die Zeit, besteht a. G. des Alters der Fundstücke (> 40.000 Jahre) die Möglichkeit, dass die Neantertaler diese Technologie entwickelt und an den homo sapiens weitergegeben haben.
 
Auch wenn die Antwort etwas spät kam: Vielen Dank! :winke:

Es gab durchaus Bestrebungen, aus dem Neandertaler einen Homo sapiens neanderhalensis zu machen. Wiki sagte korrekterweise dazu: "Zeitweise wurde der Neandertaler nicht als eigene Art, sondern als Unterart von Homo sapiens angesehen und deshalb als Homo sapiens neanderthalensis bezeichnet, der anatomisch moderne Mensch als Homo sapiens sapiens."

Das scheint aber wohl inzwischen Geschichte zu sein.
 
Es gab durchaus Bestrebungen, aus dem Neandertaler einen Homo sapiens neanderhalensis zu machen. Wiki sagte korrekterweise dazu: "Zeitweise wurde der Neandertaler nicht als eigene Art, sondern als Unterart von Homo sapiens angesehen und deshalb als Homo sapiens neanderthalensis bezeichnet, der anatomisch moderne Mensch als Homo sapiens sapiens."

Das scheint aber wohl inzwischen Geschichte zu sein.

Ist das nicht eher die ältere Aussage, du hattest das doch selbst schon anders dargestellt, nach den DNA-Analysen, siehe Zitat von Sepiola.
 
Ist das nicht eher die ältere Aussage, du hattest das doch selbst schon anders dargestellt, nach den DNA-Analysen, siehe Zitat von Sepiola.

Der erst vor einiger Zeit wissenschaftlich ermittelte Genfluss zwischen Homo sapiens und Neandertaler schien einigen Beleg dafür zu sein, den Neandertaler als Unterart bzw. Subspezies des Homo sapiens anzusehen.

Wenn ich die Tiefen des Internets durchforsche, finde ich allerdings keine Hinweise, dass sich diese Ansicht durchgesetzt hat. Auf jeden Fall hat die hier lange diskutierte Artschranke, falls es sie denn gab, zwischen Sapiens und Neandertaler nicht lückenlos funktioniert.
 
SZ schrieb:
Die beiden Forscher halten es für wahrscheinlicher, dass die Neandertaler im modernen Menschen aufgingen, als sie sich mit diesem paarten. Der moderne Mensch sei zahlenmäßig so überlegen gewesen, dass die Neandertaler-Gene größtenteils verdrängt worden seien.
Zur Beantwortung der Frage, warum der Neanderthaler ausgestorben ist und der Homo S. nicht, ist das allerdings ein Zirkelschluss. Denn es ergibt sich die Frage, warum, auf Grund welcher größeren "Fitness", die Sapiens-Population größer war als die des Neanderthalers, und dann sind wir wieder am Anfang der Argumentationskette.
 
@Zirkelschluss:
Jein. Denn wenn der HSN im HSS aufgegangen wäre, wäre er ja nicht wirklich ausgestorben. Es wäre dann allenfalls zu fragen, warum die Vermehrungsrate des HSN geringer gewesen ist als die des HSS, weshalb die Neandertalergene eine geringere Rolle spielen.
 
Die Autoren der Studie führen das Aussterben der Neandertaler auf einen komplexen, langwierigen Prozess zurück, in dem die niedrige Bevölkerungsdichte, Vermischung mit dem HSS einschließlich kulturellem Kontakt, mögliche Sterilität der männlichen Hybriden und Schrumpfung des Verbreitungsgebietes, gefolgt von genetischer Verdrängung und Assimilation durch die steigende Anzahl von einwandernden modernen Menschen, eine Rolle spielten.

The Neandertal demise appears to have resulted from a complex and protracted process [147] including multiple dynamic factors such as low population density, interbreeding with some cultural contact, possible male hybrid sterility and contraction in geographic distribution [148] followed by genetic swamping and assimilation by the increasing numbers of modern immigrants.
PLOS ONE: Neandertal Demise: An Archaeological Analysis of the Modern Human Superiority Complex

Ergänzung: Die Schlussfolgerung der Untersuchung mag zwar begründet sein, ich halte aber zumindest die Wortwahl für problematisch.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das wirft doch neue Fragen auf:
Warum war die Bevölkerungsdichte der Neandertaler so gering - vor allem offenbar verglichen mit dem HSS, wenn sie von ihm quasi absorbiert worden sein sollen?
Warum schrumpfte ihr Verbreitungsgebiet, während das des HSS immer größer wurde?

Ich kann mich da nur Klaus anschließen. Das erklärt zwar vielleicht, wieso der Neandertaler letztlich verschwand *, nicht aber, wieso es zu dieser Entwicklung kam. Offenkundig war er letzten Endes nicht so erfolgreich wie der HSS, also warum? Da kann man so oft behaupten, er sei eh ganz toll gewesen, wie man will. Durchgesetzt hat sich trotzdem die Konkurrenz.

* Denn verschwunden ist er, so gering wie sein Einfluss auf das Erbgut des modernen HSS ist. Da kann man nicht wirklich davon sprechen, dass er in uns fortexistieren würde.
 
Den Autoren ging es vor allem darum, dass die archäologischen Funde die bisherigen Erklärungen für das Verschwinden der Neandertaler, die eine kognitive oder technologische Unterlegenheit der Neandertaler zum Gegenstand haben, nicht stützen.
 
Das mag ja alles sein, aber trotzdem muss es einen Grund gegeben haben, wieso er sich nicht neben dem HSS behaupten oder sich sogar durchsetzen konnte. Und wenn jetzt als Erklärung wieder kommt: weil es zu wenige Neandertaler gab - so stellt sich die Frage nach dem Warum. Also warum konnten z. B. in einem bestimmten Lebensraum mehr HSS existieren als Neandertaler?

Dass die archäologischen Funde die bisherigen Erklärungen für das Verschwinden der Neandertaler nicht stützen, mag gut sein. Ich habe Annahmen über die Ausgefeiltheit der Sprache und die Komplexität der Sozialstrukturen ohnehin immer schon für recht spekulativ gehalten.
Dass bisherige Annahmen über die Gründe der "Unterlegenheit" (ein etwas unglücklich gewählter Ausdruck) falsch gewesen seien, bedeutet aber noch nicht, dass er nicht "unterlegen" gewesen sei, sondern nur, dass man andere Gründe als Erklärung suchen müsste.
 
Das mag ja alles sein, aber trotzdem muss es einen Grund gegeben haben, wieso er sich nicht neben dem HSS behaupten oder sich sogar durchsetzen konnte. Und wenn jetzt als Erklärung wieder kommt: weil es zu wenige Neandertaler gab - so stellt sich die Frage nach dem Warum. Also warum konnten z. B. in einem bestimmten Lebensraum mehr HSS existieren als Neandertaler?.

Der Neandertaler war seiner eiszeitlichen Umwelt hervorragend angepasst, in der er immerhin über 150 000 Jahre überlebte. Sein Aussterben - oder besser "Verschwinden"? - ist deshalb um so rätselhafter. Entweder war er seinen vor 40 000 Jahren nach Europa eingewanderten modernen Homo-sapiens-Konkurrenten unterlegen - aus all den schon genannten biologischen, mentalen oder kognitiven Gründen -, oder aber die Neandertalpopulation verschmolz restlos mit ihm, wie das im oben schon angeführten Artikel zum Ausdruck kommt. Neandertaler - Zweifel an der Unterlegenheit - Wissen - Sddeutsche.de

Im Grunde ist der Gedanke bestechend, das Verschwinden der Neandertaler innerhalb von nur 10 000-15 000 Jahren mit der Assimilation durch den modernen Menschen zu erklären. Sollte das wirklich zutreffen, bleibt für mich allerdings die minimale Rate des Genflusses unerklärlich. Angeblich soll nach Erkenntnissen von Svante Pääbo & Co. der Genfluss vom Neandertaler zum Jetztmenschen nur etwa 1-2% betragen haben. Falls jedoch die gesamte europäische Neandertalerpopulation in uns aufgegangen ist, müsste dann dieser Wert nicht eklatant höher ausfallen?
 
Nö, dieter, einmal ist das nur das Genmaterial, was vom Neandertaler der untersuchten Gruppen zum Homosapiens geflossen ist, die könnten sich ja von anderen Neandertalern unterschieden haben und dann ist das ganze ein Zahlenspiel.

In 2 von 100 Menschen steckt das Genmaterial vom Neandertaler. Toll. Aber , volle Population vorausgesetzt, gabs max 100 000 Neandertaler weltweit. Dem stünden dann weltweit 10 000 000 moderne Menschen zur selben Zeit gegenüber.
Das sin d jetzt nicht soooo viele, das das nicht einfach zum Aufsaugen geführt haben könnte
 
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