Urchristliche Gemeinden

1: Was bedeutet in diesem Zusammenhang "natürlich"?

2: Es lohnt sich sowohl in den Evangelien als auch in Paulusbriefen nachzuschauen, wo in rabbinischer Tradition (jüdischer Tradition folgend) argumentiert wird und wo allein Jesu Autorität (neu im Christentum) auftritt.
Wenn geschaut werden soll, wo wer wie auch immer wen beeinflusst hat, so helfen die Schriften da sehr wohl weiter. Standen nicht sowohl Jesus als auch Paulus in rabbinischer Tradition? Die Schriften zeigen eine Verbindung.
Ohne auf theologische Fragen einzugehen stelle ich fest, dass die Religion der Essener und Therapeuten sich vom Christentum in jeder Ausprägung deutlich unterschied und alle Apologeten erkennen zwar gemeinsame Wurzeln an, streiten aber eine Identität der Religionen vehement ab. In den Evangelien werden Juden, vor allem in Form der Pharisäer als völlig fehlgeleitet dargestellt. Ich sehe keine gemeinsame Religion.

3: Das frühe Christentum hat nicht den Himmel auf Erden geboten, die Naherwartung ließ darauf hoffen. Das sind zwei sehr unterschiedliche Sichtweisen. Habe ich den Himmel auf Erden, warum ihn verlassen? Und dann noch lächelnd?
Was es geboten hat, versuchen wir doch gerade herauszubekommen. Du meinst wohl das Versprechen? Nächstenliebe und Verzicht auf Macht in den Briefen und Evangelien passen gut zu meiner Vorstellung des Zusammenlebens. Dass den Gläubigen ein noch besseres "Leben" nach dem Tod versprochen wird, ändert daran nichts.
 
In den Evangelien werden Juden, vor allem in Form der Pharisäer als völlig fehlgeleitet dargestellt. Ich sehe keine gemeinsame Religion.
Es geht ja in Deiner Suche - wenn ich sie richtig verstanden habe - nicht um eine gemeinsame Religion, sondern um eventuelle Gemeinsamkeiten der Religionen und deren Auswirkungen auf menschliche Gemeinschaften.
So haben Textkritiker und Historiker nicht nur behauptet, sondern belegt, dass rabbinische Elemente nun nicht einfach so aus dem Christentum wegzubehaupten sind. (Folgen für die katholische Sichtweise kannst Du nachlesen, wenn Du Dich mit dem 2. Vatikanischen Konzil beschäftigst. Aber das nur in Klammern, weil wir uns hier mit geschichtlichen Ereignissen, Vermutungen, Thesen etc. beschäftigen.)
 
Mir ist noch ein anderer Aspekt eingefallen: Das Kaiserreich war eine Zeit, die unserer in einem Punkt ähnlich ist: Es kam zur Auflösung der Nationalitäten. Es war nicht mehr wichtig, ob man Gallier, Ubier oder Syrer war. Jeder hatte eine Chance römischer Bürger zu werden. Das führte aber andererseits auch zum Verlust einer Identität. Stichwort: Romanisierung. Das Christentum bot eine neue Identität.
Was meint Ihr, welchen Stellenwert werden diese Aspekte der christlichen Gemeinschaft bei der Ausbreitung des Christentums gehabt haben?
Ob die diversen Einwohner des römischen Imperiums im 1. Jh. diese Gedanken über Identitäten überhaupt kannten? Aus der Spätantike jedenfalls hat man Zeugnisse, dass man sich sowohl als römischer Bürger als auch als Teil einer regionalen Gruppe fühlen konnte.
Aber weiter gedacht: wenn das Cristentum eine Konstruktion aus dem 2.-3. Jh. ist und wenn bei der Konstruktion dieser neuen Religion Überlegungen wie wir geben den identitätslosen Römern eine neue gemeinsame Identität angestellt worden sind, dann hätten die Konstrukteure ungemein modern gedacht.
Ich nehme an, dass solche Überlegungen damals nicht angestellt wurden.

Das Novum der damals neuen Religion scheint mir eher darin zu liegen, dass soziale Schranken übergangen werden, salopp gesagt dass Unfreie/Hörige und Bürger nebeneinander/miteinander beten - und das dürfte durchaus sensationell damals gewesen sein. (gibt es nicht irgendwo seitens gebildeter "Heiden" das Bonmot von der "Sklavenreligion"?)

Das römische Bürgerrecht war im 1. Jh. noch relativ exklusiv, erst Caracallas Verordnung von 212 verlieh das Bürgerrecht automatisch allen freien Einwohnern des römischen Reichs.
 
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Es geht ja in Deiner Suche - wenn ich sie richtig verstanden habe - nicht um eine gemeinsame Religion, sondern um eventuelle Gemeinsamkeiten der Religionen und deren Auswirkungen auf menschliche Gemeinschaften.
Natürlich ist die dahinterstehende Religion eine der Hauptursachen für die Form der entstandenen Gemeinschaften und damit müssen in der Religion der Essener und Christen auch gemeinsame Elemente vermutet werden. Ich habe Dein post vielleicht missverstanden.

Ob die diversen Einwohner des römischen Imperiums im 1. Jh. diese Gedanken über Identitäten überhaupt kannten? Aus der Spätantike jedenfalls hat man Zeugnisse, dass man sich sowohl als römischer Bürger als auch als Teil einer regionalen Gruppe fühlen konnte.
Ein gutes Beispiel für ein überliefertes Nationalgefühl wäre die Gründung von Nationalstaaten auf dem Boden des zerfallenden Weströmischen Reichs gewesen, das sehe ich aber nicht so richtig.

Aber weiter gedacht: wenn das Cristentum eine Konstruktion aus dem 2.-3. Jh. ist und wenn bei der Konstruktion dieser neuen Religion Überlegungen wie wir geben den identitätslosen Römern eine neue gemeinsame Identität angestellt worden sind, dann hätten die Konstrukteure ungemein modern gedacht.
Ich nehme an, dass solche Überlegungen damals nicht angestellt wurden.
Hier kann ich nicht folgen. Das Christentum beginnt bei mir mit Paulus im ersten und fraglich als Gnosis ebenfalls im ersten oder zweiten Jahrhundert. Die Identitätsbildung wird kaum absichtlich aufgesetzt worden sein, sondern war von Anfang an eine Eigenschaft dieser Religion. Ob und was Jesus oder Paulus sich dabei gedacht haben, muss wohl Spekulation bleiben.

Das römische Bürgerrecht war im 1. Jh. noch relativ exklusiv, erst Caracallas Verordnung von 212 verlieh das Bürgerrecht automatisch allen freien Einwohnern des römischen Reichs.
Ich meine gelesen zu haben, dass Tiberius vorgeworfen wurde, das Bürgerrecht viel zu großzügig ausgeteilt zu haben. Sagte man Caracalla nicht nach, er hätte allen das Bürgerrecht verliehen, um mehr Steuern einzunehmen? Aber da ist mein Wissen etwas fadenscheinig. Ravenik, liest Du mit?
 
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Ein gutes Beispiel für ein überliefertes Nationalgefühl wäre die Gründung von Nationalstaaten auf dem Boden des zerfallenden Weströmischen Reichs gewesen, das sehe ich aber nicht so richtig.
Ich glaube nicht, dass man die germanischen Reiche, die auf dem Boden des zerfallen Weströmischen Reiches gegründet wurden, als Nationalstaaten bezeichnen kann. Die Bildung von Nationen und dem dazugehörigen Nationalbewußtsein ist doch eher eine Sache, die ins ausgehende Mittelalter gehört.

Oder war das Stauferreich schon ein Nationalstaat?

Ich glaube also nicht, dass der Begriff "Nation" für die Antike schon passt.
 
Ein gutes Beispiel für ein überliefertes Nationalgefühl wäre die Gründung von Nationalstaaten auf dem Boden des zerfallenden Weströmischen Reichs gewesen, das sehe ich aber nicht so richtig.
...na ja... Nationalgefühle, Nationalstaaten etc., das ist doch eher was fürs späte 18. und dann fürs 19. Jh. (vgl. Geary Europäische Völker im frühen Mittelalter. Zur Legende vom Werden der Nationen.)

Das Christentum beginnt bei mir mit Paulus im ersten und fraglich als Gnosis ebenfalls im ersten oder zweiten Jahrhundert.
ja und? bist "du" eine allgemein akzeptierte Lehrmeinung?

Die Identitätsbildung wird kaum absichtlich aufgesetzt worden sein, sondern war von Anfang an eine Eigenschaft dieser Religion. Ob und was Jesus oder Paulus sich dabei gedacht haben, muss wohl Spekulation bleiben.
welche antike Quelle gibt es speziell zur Identitätsbildung durch Religion? (ich halte nicht viel davon, moderne Begriffe in die Antike zu projizieren)

zum römischen Bürgerrecht: es wäre irrig, anzunehmen dass quasi jedermann es locker vor Caracalla erhalten hätte - so inflationär war das nicht. (aber Dank Onkel Google findet man das schnell)
 
Ich glaube nicht, dass man die germanischen Reiche, die auf dem Boden des zerfallen Weströmischen Reiches gegründet wurden, als Nationalstaaten bezeichnen kann. Die Bildung von Nationen und dem dazugehörigen Nationalbewußtsein ist doch eher eine Sache, die ins ausgehende Mittelalter gehört.
So meinte ich das nicht. Die Germanen waren Außenstehende, aber in der Tat eine Art "Nation". Ich meinte die alten Nationen Gallier, Iberer, Ägypter usw.

ja und? bist "du" eine allgemein akzeptierte Lehrmeinung?
Gemeint war: "Nach meiner Auffassung" aber auch nach weit verbreiteter Auffassung. Ich vermute aber ein Missverständnis...


welche antike Quelle gibt es speziell zur Identitätsbildung durch Religion? (ich halte nicht viel davon, moderne Begriffe in die Antike zu projizieren)
Mitglied in einer religiösen Gemeinschaft zu werden, ist in meinen Augen immer mit einer Identitätsbildung verbunden. Quellen wie Tacitus, Sueton, Plinius II, Josephus und natürlich die Kirchenväter zeigen doch deutlich eine Identitätsbildung. Seltsame Debatte...

zum römischen Bürgerrecht: es wäre irrig, anzunehmen dass quasi jedermann es locker vor Caracalla erhalten hätte - so inflationär war das nicht. (aber Dank Onkel Google findet man das schnell)
Mag sein, meinst Du die Einschränkungen für Frauen und Sklaven? Wichtig ist eher das Verfahren im ersten Jahrhundert und die Intuition hinter der Verleihung an Nichtrömer. Hier wurde doch absichtlich versucht, eine neue gemeinsame Identität zu schaffen. Sogar Paulus war römischer Staatsbürger.
 
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Das kommt dann schon stark auf die Definition von "Nation" an. Und die übliche Defintion trifft einfach nicht auf die Antike zu. Daher ist es genauso eine Frage der Definition, ob man die Germanen als "Nation" bezeichnen kann. Ich denke nein.

Genauso bei den Galliern, Iberern und Ägyptern usw. Vor allem: Wer davon hat auf dem Boden des zerfallenden Reiches im Westen neue Reiche gegründet? In Gallien waren dies die Franken und Goten - haben beide nicht viel mit den Galliern zu tun, in Spanien waren es ebenfalls die Goten und nicht die Iberer. Und welches Reich haben die Ägypter im zerfallenden Westreich gegründet? Alle Reiche gehen doch auf Völker zurück, die mit der Völkerwanderung zu tun haben: Franken, Goten, Wandalen, Langobarden.

Und mit Nationen hat das nichts zu tun.
 
So meinte ich das nicht. Die Germanen waren Außenstehende, aber in der Tat eine Art "Nation".
waren sie das in der Tat? ...warum haben all die Franken, Goten, Langobarden, Sueben usw. sich nie selber kollektiv als "Germanen" oder gar als "germanische Nation" betrachtet?? (dergleichen taucht erst als Fiktion in der germanophilen Belletristik des 19. Jhs. auf, z.B. bei Dahn)
 
Das kommt dann schon stark auf die Definition von "Nation" an. Und die übliche Defintion trifft einfach nicht auf die Antike zu. Daher ist es genauso eine Frage der Definition, ob man die Germanen als "Nation" bezeichnen kann. Ich denke nein.
Vor der Eroberung waren es Völker (lat. Nationen), am Ende des Römischen Reichs waren es Römer. Ergo: Sie haben in dieser Zeit ihren Völkerstatus aufgegeben. Das ist alles, was ich damit sagen wollte.

waren sie das in der Tat? ...warum haben all die Franken, Goten, Langobarden, Sueben usw. sich nie selber kollektiv als "Germanen" oder gar als "germanische Nation" betrachtet?? (dergleichen taucht erst als Fiktion in der germanophilen Belletristik des 19. Jhs. auf, z.B. bei Dahn)
Seufz...
Jede für sich eine Art Nation. Besser?
 
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Zu Paulus als römischer Staatsbürger gab es in letzter Zeit schonmal eine Diskussion, wo die Diskussion dargelegt worden war, ob Paulus Römer war oder nicht.
 
Interessant, aber was sind die Fakten?

Die Fakten sind:

- Ein römisches Bürgerrecht für Paulus wird in der Apg behauptet.
- Paulus wusste von einem solchen offenbar nichts.
- Die für die 1. Hälfte des 1. Jhs bekannten römischen Bürger in Tarsos lassen sich an einer Hand abzählen.

Im Detail ist darüber bei P. Pilhofer, Neues aus der Welt der frühen Christen, Beiträge von der Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament, 10 Folge, Heft 15, Verl. Kohlhammer, 2011 Stuttgart, S. 63-75, nachzulesen:

Die Zählung der römischen Bürger durch Kaiser Claudius im Jahr 48 n.Chr. ergab die Zahl von 5984072. War Paulus in der Tat - wie Lukas in der Apostelgeschichte behauptet - ein römischer Bürger, wurde er also von der Zählung des Claudius als solcher erfasst?

Die Diskussion um diese Frage, die in den letzten Jahren wieder intensiver geführt wird, vernachlässigt einerseits Kilikien, die Heimat des Paulus, - das verwundert nicht -, andrerseits - und das ist doch erstaunlich - die Briefe des Paulus. Meist beschäftigt man sich vielmehr mit dem Zeugnis der Apostelgeschichte.
[…]
Nippel (als Befürworter der Annahme eines röm. Bürgerrechts f. Paulus - eig.Anm.) beruft sich auf Theodor Mommsen und Eduard Meyer und konstatiert, dass „in der althistorischen Forschung der historische Quellenwert der Apostelgeschichte sowohl für die Bedeutung des römischen Bürgerrechts wie für die Entwicklung des Urchristentums im Allgemeinen nicht in Frage gestellt worden ist“; diesem idyllischen Befund stellt er sogleich Teile „der theologischen Literatur“ gegenüber, die „erhebliche Zweifel“ daran hat, „die Apostelgeschichte ... als historische Quelle in Anspruch nehmen zu können.“
[…]
Im Unterschied zu Nippel geht Noethlichs nicht nur auf die Apostelgeschichte ein, sondern zieht daneben auch die Briefe des Paulus in Betracht. In Bezug auf das römische Bürgerrecht ...: „Es gibt kein Zeugnis und kein Ereignis, das die Möglichkeit des römischen Bürgerrechts für Paulus absolut unmöglich machen würde; es gibt aber auch kein Ereignis, was nur unter der Prämisse dieses Bürgerrechts verständlich wäre.“
[…]
… sein Ergebnis bezüglich des römischen Bürgerrechts des Paulus:
…Die Wahrscheinlichkeit schon anhand des quantitativ bis heute vorliegenden Befundes über kleinasiatisch-syrische Juden mit römischem Bürgerrecht spricht insgesamt eher dagegen.
[…]
In einer Zeit, in der gerade das syrisch-palästinensische und alexandrinische Judentum einen permanenten politisch-militärischen Unruhefaktor darstellte, hätte es schon eines besonderen Anlasses bedurft, dass die von Geburt jüdische Familie spätestens etwa um Christi Geburt die civitas Romana (durch Freilassung oder Verleihung, kaum durch Kauf) erhielt, worüber sich bei Paulus selbst keinerlei Anzeichen finden.
Daraus ergibt sich: Man kann nur weiterkommen, wenn man die beiden bisher kaum oder gar nicht berücksichtigten „Quellen“ heranzieht: Kilikien und seine Metropole Tarsos einerseits, die Briefe des Paulus andrerseits.
[…]
Wer die römischen und griechischen Quellen zu Kilikien durchmustert, kommt zu dem Ergebnis, dass Kilikier in römischen Quellen fast nur als Piraten und Wegelagerer auftauchen.
[…]
Uns interessiert nun besonders die Stadt Tarsos im 1. Jahrhundert. Schon in der späten Phase der römischen Republik war Tarsos eine libera civitas geworden, ein Privileg, das der Kaiser Augustus erneuerte. … Zudem war Tarsos die Hauptstadt der Provinz Cilicia. Damit ist die Bedeutung der Stadt im ersten Jahrhundert Umrissen: Kein Provinznest, sondern so etwas wie ein regionales Zentrum.
[…]
Die Untersuchung wird durch die Spärlichkeit des epigraphischen Materials erschwert. Als Beispiel mag die Hauptstadt Tarsos dienen:
„Selbst aus Tarsos, dem Sitz der römischen Administration von Kilikien, sind nur vier lateinische Inschriften bekannt! Auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass insgesamt nur 63 tarsische Inschriften erhalten sind, ist das für die Hauptstadt einer römischen Provinz überraschend wenig.
[…]
…listet im Anhang für ganz Kilikien 178 römische Bürger auf, die tria nomina aufweisen, und weitere 82 Bürger, die kein praenomen nennen. In Bezug auf den Namen Paulus wüssten wir noch nicht einmal zu sagen, ob „Paulus“ cognomen oder praenomen wäre, hätte sein Träger das römische Bürgerrecht besessen. Näher liegt wohl die Vermutung, „Paulus“ wäre als cognomen gebraucht. Der Apostel hätte dann etwa Caius Iulius Paulus geheißen, wie einst schon W.M. Ramsay vorgeschlagen hat. Ein Namensvetter existierte dann im Zusammenhang einer Inschrift eines Cilix in der Tat.*
Die genannten Listen, die insgesamt 260 römische Bürger umfassen, beziehen sich auf die Zeit vor 212 n. Chr. Bedenkt man die Größe Kilikiens, so ist dies eine verschwindend geringe Zahl. Allein die römische Kolonie Philippi weist in demselben Zeitraum deutlich mehr römische Bürger auf!
Befragt man die Listen nach römischen Bürgern aus dem ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung, so reduziert sich die Zahl auf ungefähr 105. Von diesen einhundertfünf römischen Bürgern, die möglicherweise dem ersten Jahrhundert zuzuordnen sind, lassen sich ganze drei mit Sicherheit der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts - also der Zeit des Paulus - zuordnen. Wer dem Paulus ein römisches Bürgerrecht zuschreiben wollte, konnte ihn als Nr. 4 in diese Liste aufnehmen.
[…]
Ich komme daher zu dem Ergebnis, dass es wahrscheinlicher ist, dass Paulus das römische Bürgerrecht nicht besessen hat. Er war wohl keiner der 5984072.



*Inschrift CIL X 3377 = ILS 2839 = Pilhofer Q44, wo in Zeile 8 der Erbe Caius Iulius Paulus genannt wird (es handelt sich um eine Grabinschrift aus Neapel für Lucius Antonius Leo, natione Cilix).
 
Die Fakten sind:

- Ein römisches Bürgerrecht für Paulus wird in der Apg behauptet.
- Paulus wusste von einem solchen offenbar nichts.
- Die für die 1. Hälfte des 1. Jhs bekannten römischen Bürger in Tarsos lassen sich an einer Hand abzählen.

Wer die römischen und griechischen Quellen zu Kilikien durchmustert, kommt zu dem Ergebnis, dass Kilikier in römischen Quellen fast nur als Piraten und Wegelagerer auftauchen.
Vielen Dank. Ich habe das einmal auf die Teile mit Inhalt reduziert. Daraus geht eindeutig hervor, dass Paulus ein Pirat oder Wegelagerer war, denn alle Gegenargumente sind rein statistisch.
Ich erlaube mir, weiter an das Lügenkonstrukt Apostelgeschichte zu glauben. Immerhin ist es eine Quelle ohne Gegenbeweis. Ich glaube, ich habe diesen Punkt der Quellenkritik schon einige Male gebracht: Für eine absichtliche Fälschung braucht man ein Motiv. Dieses Motiv fehlt. Wird dann diese angeblich falsche Aussage noch mit Details versehen und passt zudem zu anderen Daten: Der nicht stattgefundenen Hinrichtung und der folgenden Anwesenheit Paulus' in Rom, dann ist nicht von einer Fälschung auszugehen.
Im übrigen ist das ein unwichtiger Randaspekt.

Ich habe noch eine Wikipedia-Stelle (Artikel "Claudius") gefunden, die meine Vermutung bestätigt:
"Die zeitgenössische Kritik äußerte, dass Claudius wahllos und in gewaltigem Ausmaß Provinzialen das Bürgerrecht verliehen habe. Claudius berief sich bei Verleihungen zwar auf Augustus und Tiberius, nahm sie aber weit häufiger als seine Vorgänger vor."
Dort steht auch, dass von Augustus bis Claudius die Bürgerzahl um eine Million gestiegen ist.
 
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Ich habe das einmal auf die Teile mit Inhalt reduziert.

Es sieht mehr danach aus, als hättest du die Teile mit Inhalt nicht begriffen. Dass du dazu neigst, abwegige Schlüsse zu ziehen, hast du ja hinlänglich bewiesen.

Anhand der Quellen lassen sich für Tarsos in der ersten Hälfte des ersten Jahrhunderts insgesamt drei Personen mit römischem Bürgerrecht nachweisen. Die Behauptung, dass es dort vor Kilikiern, die im Besitz des römischen Bürgerrechts gewesen waren, nur so gewimmelt habe, ist unsinnig.
 
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Ich erlaube mir, weiter an das Lügenkonstrukt Apostelgeschichte zu glauben. Immerhin ist es eine Quelle ohne Gegenbeweis.

Es gibt ein Argument, das sich einem Gegenbeweis stark annähert: die völlige Nichterwähnung der Korrespondenztätigkeit des Paulus in der Apg. Kein Wort über seine Briefe ist darin enthalten. Wie das? Warum unterschlägt der Autor die Brieftätigkeit, die doch ein wesentlicher Bestandteil der paulinischen Aktivitäten gewesen ist, soweit man die Briefe (in ihrer Mehrheit zumindest) als echt, d.h. von einem historischen Paulus verfasst, anerkennt, und deren Bedeutung für die Gemeindebildungen beträchtlich gewesen sein muss (unter der vorgenannten Bedingung)? Es ist von daher äußerst unwahrscheinlich, dass der in der Apg beschriebene Paulus dem Paulus der Briefe entspricht. Ersterer scheint von einem Autor erdacht worden zu sein, der mit dem letzteren kaum oder gar nicht vertraut war.

Dass auch viele andere Indizien für die Unechtheit bzw. für die hochgradige Fiktionalität der Apg sprechen, ist allgemein bekannt.

Für eine absichtliche Fälschung braucht man ein Motiv. Dieses Motiv fehlt.

Keineswegs. Das grundsätzliche Motiv aller NT-Texte besteht darin, als Glaubenszeugnisse, oder profaner ausgedrückt: als Glaubenspropaganda zu fungieren. Beispiel Weihnachtsgeschichte, deren Historizität ja nun wirklich mit breitem Konsens bestritten wird. Und ausgerechnet der wichtigste Autor dieser Story (Lukas) soll auch die Apg verfasst haben...

Das von dir bestrittene Motiv für eine Apg-Fiktionalisierung dürfte hauptsächlich darin bestehen, eine narrative Grundlage für das Dogma der "apostolischen Tradition" zu liefern, was notwendig war, um die Autorität des römischen Klerus (des 2. Jh.) in die Kontinuität der Sukzession ´authentischer´ Apostel zu stellen, die sich von ´Jesus´ herleitet.

Als ein weiteres (Neben-)Motiv kann man die auffallend positive Darstellung der Römer ansehen, was die Akzeptanz des christlichen Glaubens beim römischen Publikum gewiss zu steigern half. Diese überaus romfreundliche Tendenz ist auch im LukEv zu beobachten.
 
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Vielen Dank. Ich habe das einmal auf die Teile mit Inhalt reduziert. Daraus geht eindeutig hervor, dass Paulus ein Pirat oder Wegelagerer war, denn alle Gegenargumente sind rein statistisch.
Ich erlaube mir, weiter an das Lügenkonstrukt Apostelgeschichte zu glauben. Immerhin ist es eine Quelle ohne Gegenbeweis. Ich glaube, ich habe diesen Punkt der Quellenkritik schon einige Male gebracht: Für eine absichtliche Fälschung braucht man ein Motiv. Dieses Motiv fehlt. Wird dann diese angeblich falsche Aussage noch mit Details versehen und passt zudem zu anderen Daten: Der nicht stattgefundenen Hinrichtung und der folgenden Anwesenheit Paulus' in Rom, dann ist nicht von einer Fälschung auszugehen.
Im übrigen ist das ein unwichtiger Randaspekt.

Ich habe noch eine Wikipedia-Stelle (Artikel "Claudius") gefunden, die meine Vermutung bestätigt:
"Die zeitgenössische Kritik äußerte, dass Claudius wahllos und in gewaltigem Ausmaß Provinzialen das Bürgerrecht verliehen habe. Claudius berief sich bei Verleihungen zwar auf Augustus und Tiberius, nahm sie aber weit häufiger als seine Vorgänger vor."
Dort steht auch, dass von Augustus bis Claudius die Bürgerzahl um eine Million gestiegen ist.

Ich würde mir an deiner Stelle Epicharms Beitrag noch einmal durchlesen, vielleicht geht dir ein Licht auf. CIL und ILS heißt Corpus Inscriptiones und ILS Inscriptiones Latinae Selectae, also eine Sammlung lateinischer Inschriften. Epicharm verwies darauf, dass im 1. Jhd der Besitz des römischen Bürgerrechts zumal in der Provinz Cilicia noch etwas ungewöhnliches und exklusives war und die Zahl der eruierbaren römischen Bürger und Bürgerrechtsverleihungen in der Provinz Cilicia um die Zeitenwende auf eine recht kleine Zahl beschränkt war, und ein Saulus, Sohn des X, der auch Paul(l)us genannt wird (Lukas) sich nicht darunter befindet.
Paul(l)us ist nun auch nicht gerade ein Allerweltsname wie Niger oder Markus, sondern der einer römischen Gens, der Sergii Paulli, die in Südgalatien und Lykaonien über riesigen Landbesitz verfügten. Der auch in der ApG erwähnte L. Sergius Paullus, Statthalter von Creta et Cyrene, ist inschriftlich gut fassbar, er stammte aus Antiochia ad Pisidiam, wohin Paulus (= der Kleine, der geringe) seine erste Missionsreise unternahm. Der von Epicharm erwähnte Historiker Ramsay äußerte die These, dass der Apostel möglicherweise den Namen der Sergii Paul(l)i annahm. Sollte daran etwas sein, wäre der Apostel neben den beiden Herodes Agrippas der einzige Jude, der den Namen einer römischen Gens annahm.
 
Es gibt ein Argument, das sich einem Gegenbeweis stark annähert: die völlige Nichterwähnung der Korrespondenztätigkeit des Paulus in der Apg. Kein Wort über seine Briefe ist darin enthalten. Wie das? Warum unterschlägt der Autor die Brieftätigkeit, die doch ein wesentlicher Bestandteil der paulinischen Aktivitäten gewesen ist, soweit man die Briefe (in ihrer Mehrheit zumindest) als echt, d.h. von einem historischen Paulus verfasst, anerkennt, und deren Bedeutung für die Gemeindebildungen beträchtlich gewesen sein muss (unter der vorgenannten Bedingung)? Es ist von daher äußerst unwahrscheinlich, dass der in der Apg beschriebene Paulus dem Paulus der Briefe entspricht. Ersterer scheint von einem Autor erdacht worden zu sein, der mit dem letzteren kaum oder gar nicht vertraut war.

Dass auch viele andere Indizien für die Unechtheit bzw. für die hochgradige Fiktionalität der Apg sprechen, ist allgemein bekannt.



Keineswegs. Das grundsätzliche Motiv aller NT-Texte besteht darin, als Glaubenszeugnisse, oder profaner ausgedrückt: als Glaubenspropaganda zu fungieren. Beispiel Weihnachtsgeschichte, deren Historizität ja nun wirklich mit breitem Konsens bestritten wird. Und ausgerechnet der wichtigste Autor dieser Story (Lukas) soll auch die Apg verfasst haben...

Das von dir bestrittene Motiv für eine Apg-Fiktionalisierung dürfte hauptsächlich darin bestehen, eine narrative Grundlage für das Dogma der "apostolischen Tradition" zu liefern, was notwendig war, um die Autorität des römischen Klerus (des 2. Jh.) in die Kontinuität der Sukzession ´authentischer´ Apostel zu stellen, die sich von ´Jesus´ herleitet.

Als ein weiteres (Neben-)Motiv kann man die auffallend positive Darstellung der Römer ansehen, was die Akzeptanz des christlichen Glaubens beim römischen Publikum gewiss zu steigern half. Diese überaus romfreundliche Tendenz ist auch im LukEv zu beobachten.

Du solltest dir auch wirklich mal etwas Neues einfallen lassen, sobald das NT auch nur erwähnt wird, spulst du deine "Argumente" auf Knöchelhöhe ab.
1. gab es im 2. Jhd noch gar keinen "römischen" Klerus. Kirchensprache wurde Latein erst z. Z. Augustinus im 1. oder 2. Jahrhundert wurde Griechisch gesprochen, ein "römisches Publikum" hätte zumindest wenigstens kleines Graecum besitzen müssen.
2. Wenn alles "Fake" war, dann waren die Fälscher jedenfalls erbärmliche Stümper, eine Kreuzigung war alles andere als rühmlich, und der Stifter der Bewegung wurde rechtskräftig durch einen römischen Amtsträger zum Tode am Kreuz verurteilt, also ganz sicher kein Ruhmesblatt, und gerade das wurde den Christen von Gegnern wie Celsus ja gerade zum Vorwurf gemacht. Ein erhaltenes Grafitto das bei der Pagerie auf dem Palatin gefunden wurde, das aus dem 3. Jhd stammt, macht sich über einen gewissen Alexamenos lustig, der einen Gekreuzigten mit Eselskopf anbetet. Bis nach der konstantinischen Wende vermieden die Christen die Kreuzsymbolik, Symbol war das Christusmonogramm oder der Fisch.
 
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