Die Shoa als Rechtfertigung

Hallo Hyokkose,

nun, was die Sache mit den Schuldgefühlen angeht, so war diese Aussage nicht unbedingt auf dieses Forum begrenzt. Damit meinte ich allgemeine Personen in unserer Gesellschaft. Gerade wenn es um Asylpolitik geht, tauchen immer wieder Personen auf, die Deutschland an seine Vergangenheit erinnern. Aber das bezieht sich in keiner Weise nur auf diese Forum.

Eines möchte ich hier aber auch klar stellen:

Es darf kein Vergessen des Holocaustes geben!

Ich bin der Meinung, dass sich Schuldgefühle negativ auf Beziehungen auswirken. Viel wichtiger ist es doch, dass wir - nicht nur in den Einwohnern des Staates Israel, sondern vielmehr in den Juden hierzulande - uns alle als Freunde und gleichberechtigte Partner gegenüber stehen.

Ich hoffe, das Du es mir nicht übel nimmst, dass ich Dir hier antworte und keine PN geschrieben habe.

Alles was ich zur Meinungsfreiheit schrieb, bezog sich nicht nur auf dieses Thema. Ich bedauere sehr, dass ich diesen Eindruck erweckt habe.

Wenn weitere Frage zu meinen Äusserungen sind, dann bitte per PN - ich werde alle beantworten.
 
von Trebra schrieb:
Hallo Hyokkose,

nun, was die Sache mit den Schuldgefühlen angeht, so war diese Aussage nicht unbedingt auf dieses Forum begrenzt. Damit meinte ich allgemeine Personen in unserer Gesellschaft. Gerade wenn es um Asylpolitik geht, tauchen immer wieder Personen auf, die Deutschland an seine Vergangenheit erinnern. Aber das bezieht sich in keiner Weise nur auf diese Forum.


Es sollte beim Erinnern der dt. Geschichte in der Gesellschaft , hier im Thema "Shoa," auch nicht um Schuldgefühle gehen , sondern um die Akzeptanz einer kollektiven Verantwortung der Geschichte gegenüber,die in der Einmaligkeit der Shoa eine speziell deutsche Verantwortung gerade gegenüber der Zukunft beinhaltet.
Schuldgefühle helfen niemanden weiter und taugen m.M. nach nicht als Geschichtsaufarbeitung,wobei die Wege dazu sicher unterschiedlich sein können.
Die unterschiedlichen Wahrnehmung dieser Verantwortung zu beleuchten macht hier dann m.E. durchaus Sinn. :)
 
Deutsche Verantwortung für die Zukunft sollte aber vielleicht auch heissen, dass Deutschland solche oder ähnliche Greueltaten nicht mehr geschehen lässt und vor allem nicht mit zugekniffenen Augen und geschlossenem Mund daneben steht.
Den hier stark diskutierten Beitrag von "von Trebra" finde ich übrigens persönlich sehr gut und treffend.
Wir sollten alle Menschenrechtsverletzungen sehen und nicht dann die Augen zu kneifen, weil unsere Vorfahren selber mal so abscheuliche Taten gemacht haben.

Wie gesagt, wir haben eine Verantwortung...
 
Verantwortung oder Belastung

Ich meine, aus den Geschehnissen der Vergangenheit eine spezielle deutsche Verantwortung abzuleiten, geht in die falsche Richtung.
Besonders die deutsche Politik sollte sich in der Nennung von Menschenrechtsverletzungen nicht zu weit aus dem Fenster lehnen (und hier vor allem nicht in Israel), da bei jedem "falschem" Wort sofort eine emotionelle Komponente hinzu kommt.
Das wir nicht schweigen sollen ist klar, jedoch sollten wir in keinem Fall die Vorreiterrolle übernehmen.
Hier wäre eine besondere Rolle in Frankreich zu sehen, das bisher im nahen Osten weder imperialistisch als auch antisemitisch besonders in Erscheinung getreten ist und führende Lehrer der Menschenrechte (Rousseau/Montesquieu) in seinen Reihen hatte.
 
smsmax schrieb:
Ich meine, aus den Geschehnissen der Vergangenheit eine spezielle deutsche Verantwortung abzuleiten, geht in die falsche Richtung.
Besonders die deutsche Politik sollte sich in der Nennung von Menschenrechtsverletzungen nicht zu weit aus dem Fenster lehnen (und hier vor allem nicht in Israel),

:grübel: meinst Du , daß sich die dt. Politik nicht zu Menschenrechtsfragen
im Ausland äußern soll wegen der speziellen dt. Vergangenheit ? Das wäre aber falsch verstandene Verantwortung in beide Richtungen : der Vergangenheit gegenüber und vorallem für die Zukunft. Unrecht benennen ist das Zeichen von positiver Verantwortungsübernahme , besonders unter Freunden.
Übrigens hatten "wir " in unseren Reihen ebensolche Humanisten wie :Herder, Humboldt, Goethe, Schiller, Böll etc..
 
Zuletzt bearbeitet:
@von Treba
Ich finde deine Argumentationsline in Ordnung. Aber lass dich von Hyokose nicht in die Ecke drängen, sondern verteidige deinen Standpunkt weiterhin sachlich.
@
Arcimboldo

Ich denke man sollte nicht mehr so viel Gewese um das Gewesene machen, sondern den Staat Israel als das akzeptieren was er ist.

Ein souveräner Staat mit allen seinen guten und schlechten Seiten.
Es wäre heute nicht mehr möglich, die Fakten die vor und nach dem IIWK geschaffen wurden wieder Rückgängig zu machen ohne alle Seiten massiv zu schädigen.
Vielleicht sollte man dafür Sorge tragen, das in diesem Bereich mal wieder Ruhe einkehrt( was aber in Betrachtung der Vorgeschichte in diesem Teil der Welt schwerfallen wird)

Was mich wundert ist, wie schwer sich viele damit tun, die schlechten Dinge die in Israel passieren wahrzunehmen.

A. Da wäre die Weigerung israelischer Kampfpiloten weiterhin auf Zivilisten und schlecht aufgeklährte Ziele Mordmissionen zu fliegen. Wie unfair mit diesen Piloten verfahren wurde, ist Bemängelnswert, vor allem von einer Regierung, die es aus eigenem erleben her besser wissen müsste.
B. Um weiter in der Geschichte zurückzugehen, sei hier noch auf die Menschenrechtsverletzungen im Fall Vanunu hingewiesen.

Das sind Verhaltensmuster die in jedem andern Staat angeprangert werden würden. Nur in diesem Falle fällt das komischerweise sehr schwer. Warum?
 
Karthager schrieb:
@Arcimboldo

Ich denke man sollte nicht mehr so viel Gewese um das Gewesene machen, sondern den Staat Israel als das akzeptieren was er ist.

. Um weiter in der Geschichte zurückzugehen, sei hier noch auf die Menschenrechtsverletzungen im Fall Vanunu hingewiesen.

1. ich sehe hier keinen Bezug auf einen Beitrag von mir. Wo mach ich "Gewese " um Gewesenes :confused:

2. Klär mal auf was der Fall Vanunu bedeutet.

3. wäre nett von Dir nicht zu versuchen Mods gegen Mitglieder auszuspielen,da kann jeder für sich selber sprechen !
 
smsmax schrieb:
Ich meine, aus den Geschehnissen der Vergangenheit eine spezielle deutsche Verantwortung abzuleiten, geht in die falsche Richtung.
Besonders die deutsche Politik sollte sich in der Nennung von Menschenrechtsverletzungen nicht zu weit aus dem Fenster lehnen (und hier vor allem nicht in Israel), da bei jedem "falschem" Wort sofort eine emotionelle Komponente hinzu kommt.
Hier wäre eine besondere Rolle in Frankreich zu sehen, das bisher im nahen Osten weder imperialistisch als auch antisemitisch besonders in Erscheinung getreten ist und führende Lehrer der Menschenrechte (Rousseau/Montesquieu) in seinen Reihen hatte.
Frag mal Libanesen und Syrer, wie die das sehen. Oder wenn Du den Nahen Osten weiter fassen willst, auch Marokkaner, Tunesier und v.a. Algerier.
Auch die Deutschen waren mal das Volk der Dichter und Denker, wie es so schön heißt. Trotzdem haben sie eine Reihe von Verbrechen zustande gebracht, wie die Weltgeschichte ihresgleichen sucht (Nein, eine "Quantitätsdiskussion" bietet sich hier nicht an!). Sollen die (wir!) Deutschen sich (uns!) noch einmal schuldig machen, weil sie (wir!) auf alle Ewigkeit zum Schweigen verdammt sind? Nein! Wir sollten gerade aufgrund unseres Erbes anderen aufzeigen wo ihr Weg hinführen kann, wenn sie eine Gewaltlösung vor der friedlichen präferieren!
 
1. ich sehe hier keinen Bezug auf einen Beitrag von mir. Wo mach ich "Gewese " um Gewesenes :confused:

War allgemein bezogen nicht auf dich persönlich, sorry wenns so rüberkam.

2. Klär mal auf was der Fall Vanunu bedeutet.

Vanunu ist der israelische Atomwissenschaftler der in den 60er? bzw 70er Jahren den Mut hatte der Welt offenzulegen, das Israel trotz gegenteiliger Behauptung der Regierung auf Atomwaffen zurückgreifen konnte bzw heute immer noch kann.
Daraufhin wurde Vanunu vom israelischen Geheimdienst entführt und für Jahre weggesperrt.(so weit ich mich Erinnern kann auch noch ohne Prozess muss das aber mal heute Nachmittag nachschlagen, wenn jemand da Infos hat her damit:rofl: ) weiterhin wird er bis heute Menschenunwürdig behandelt.

3. wäre nett von Dir nicht zu versuchen Mods gegen Mitglieder auszuspielen,da kann jeder für sich selber sprechen !
Empfinde es als kein Ausspielen, wenn ich jemanden ermutige sich nicht von der klassischen Zweizeilentechnik in eine Argumentationsschiene drücken zu lassen die vom Schreiber anscheinend so nicht gedacht war.:grübel: :D
 
Karthager schrieb:
2. Klär mal auf was der Fall Vanunu bedeutet.

Vanunu ist der israelische Atomwissenschaftler der in den 60er? bzw 70er Jahren den Mut hatte der Welt offenzulegen, das Israel trotz gegenteiliger Behauptung der Regierung auf Atomwaffen zurückgreifen konnte bzw heute immer noch kann.
Daraufhin wurde Vanunu vom israelischen Geheimdienst entführt und für Jahre weggesperrt.(so weit ich mich Erinnern kann auch noch ohne Prozess muss das aber mal heute Nachmittag nachschlagen, wenn jemand da Infos hat her damit:rofl: ) weiterhin wird er bis heute Menschenunwürdig behandelt.

Kurzinfo zu Mordechai Vanunu:

http://de.wikipedia.org/wiki/Mordechai_Vanunu


MOD: Ich sehe, v.a. beim Fall Vanunu ein Abdriften der Diskussion ins tagespolitische. Möchten wir hier nicht haben. Ich möchte darum alle bitten, dies nicht weiter zu diskutieren. Herzlichen Dank.


smsmax schrieb:
Besonders die deutsche Politik sollte sich in der Nennung von Menschenrechtsverletzungen nicht zu weit aus dem Fenster lehnen (und hier vor allem nicht in Israel), da bei jedem "falschem" Wort sofort eine emotionelle Komponente hinzu kommt.



Arcimboldo schrieb:
meinst Du , daß sich die dt. Politik nicht zu Menschenrechtsfragen
im Ausland äußern soll wegen der speziellen dt. Vergangenheit ?


Mal aus einer anderen Warte heraus betrachtet: Es gibt hier die Tendenz einiger gesellschaftlicher Kreise, Israel in dieser Frage als "Sonderfall" zu betrachten und einer Art "speziellen moralischen Kontrolle" zu unterziehen. Eben dies ist meiner Meinung nach nicht zulässig. Vielleicht meinte smsmax eben dies.
Abgesehen davon finde ich, dass man halt immer zuerst mal vor der eigenen Haustür kehren sollte. Und ehe man sich über eine Mauer in Israel echauffiert, darf man sich im Gegenzug auch gern über Mauern und Zäune in Ceuta und Melilla unterhalten.
Aber das driftet jetzt auch in die Tagespolitik ab. Darum: Mein obiger Ordnungsruf gilt auch mir....


Repo schrieb:
Hätten die "Emire" das Land nicht verkauft, wären jetzt keine Juden dort.

Sagen wir mal: Nicht so viele. Ich meine, dass es eine kontinuierliche -wenngleich zahlenmäßig relativ kleine - jüdische Besiedlung des heutigen Israel gab.
 
Die Besiedlung Palästinas und später Israels durch jüdische Siedler erfolgte in mehreren Einwanderungswellen (genannt Alija). Der Anstieg der Zuwanderung zur Zeit des NS-Regimes und des 2. Weltkrieges ist nur mäßig, verglichen mit der Zuwanderung in den Jahren nach der Staatsgründung.

Dies beweist, dass ein Zusammenleben mit den Menschen unserer heutigen Gesellschaft durchaus möglich war und keine Flucht erforderte.
Und in der Tat lebt noch immer eine große Zahl jüdischer Menschen in Dtl., Frankreich...
Die Bundesrepublik Deutschland ist auch gar nicht das Problem. Man sollte daher die Länder betrachten, in denen es nur noch verschwingend geringe jüdische Minderheiten gibt.

Ein besonderes Schwerpunkt jüdischer Einwanderer nach 1948 bilden Polen, Rumänien, Ungarn und die CSSR (hierzu die Zahlen in der englischen Wikipedia). Das Massaker von Kielce wurde ja bereits erwähnt, aber auch in anderen osteuropäischen Staaten gab es kurz nach dem 2. Weltkrieg antisemitische Gewalttaten.

Die Mehrheit der jüdischen Einwanderer stammte jedoch aus Nordafrika und dem Nahen Osten hatte. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die jüdische Bevölkerung aus praktisch allen arabischen Staaten vertrieben. Arabische Juden bilden heute die größte Gruppe unter den Israelis.

Der größte Teil der jüdischen Einwanderung nach Israel fand ohne direkten Zusammenhang zur Shoa statt. Sie kann daher nicht die Grundlage einer glaubwürdigen Rechtfertigung sein.

Die zionistische Einwanderung begann unmittelbar nach dem 1. Weltkrieg. Neben der britischen Mandatspolitik durfte der Russische Bürgerkrieg und die daraus resultieren Fluchtbewegungen der Hauptmotor gewesen sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Mehrheit der jüdischen Einwanderer stammte jedoch aus Nordafrika und dem Nahen Osten hatte.
Hier ist dir irgendetwas durcheinander gegangen oder abhanden gekommen.


In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die jüdische Bevölkerung aus praktisch allen arabischen Staaten vertrieben. Arabische Juden bilden heute die größte Gruppe unter den Israelis.

Der größte Teil der jüdischen Einwanderung nach Israel fand ohne direkten Zusammenhang zur Shoa statt. Sie kann daher nicht die Grundlage einer glaubwürdigen Rechtfertigung sein.
Ich sehe hier schon eine Folge: Ohne Verfolgung wäre die Alija wohl ein kleines Rinnsal einer kleinen sozialistisch orientierten sektiererischen Gruppierung geblieben. In Zeugnissen europäischer Juden aus den 20er Jahren kommen die Auswanderer nach Palästina eher als schwärmerische, sozialistisch orientierte Romantiker daher, denn als Massenbewegung, das ändert sich eigentlich erst im Laufe des Nationalsozialismus, wo zunächst aus Dtld. später aus anderen Gebieten die Menschen fliehen (und die ersten Ziele sind zunächst einmal die Niederlande (prominentes Bsp. Fam. Frank), Frankreich (beispielsweise Walter Benjamin) und die anderen Nachbarstaaten, sowie England und die USA. Auch damals noch, vor dem Krieg, denken die wenigsten daran, nach Palästina zu gehen. Zumal es ja auch eine restriktive Einwanderungspolitik der Engländer als Schutzmacht Palästinas gab und es 1929 zu ersten heftigen antizionistischen Ausschreitungen in Palästina gekommen war. Mit dem Krieg und der Erfahrung der Kollaboration in den besetzten Gebieten (mit Ausnahme Dänemarks), wird einer größeren Gruppe von Juden bewusst, dass der Antisemitismus in den Staaten rund um Dtld. allenfalls durch die Demokratie gezähmt aber nicht ausgelöscht war. Dass es eben nicht nur die deutsche Behörden und Uniformträger waren, sondern auch die der besetzten Staaten, welche allzu leicht mithalfen, die Deportationen zu organisieren, diese Erfahrung ist es, die in der jüdischen Community Europas ein Umdenken bzgl. der Alija veranlasst. Nun strömen mehr Juden nach Palästina, die Konflikte zwischen Juden und Arabern sowie beiden Gruppen und der Schutzmacht weiten sich aus. 1948 gründen dann die Juden ihren Staat Israel und die arabischen Nachbarn überfallen das frisch gegründete Land, dass sich aber befreien kann. Jetzt kommt es zu Vertreibungen und ethnischen Säuberungen (Deir Yassin), als Folge dieses Krieges werden die Juden aus den arabisch-islamischen Gebieten (mit Ausnahme der Türkei) vertrieben.
In Israel war es lange so, dass es verschiedene sehr ambivalente Gruppen mit unterschiedlichem Ansehen gab.

Da waren zunächst einmal die europäischen Juden, die z.T. beriets vor der Shoa gekommen waren, z.T. auch erst als Überlebende danach und die meist europäischstämmigen amerikanischen Juden. Diese kann man wohl zunächst als Elite des israelischen Staats bezeichnen, wobei sie sich auch differenzierte: Wer nicht bereits früher nach Israel kam oder Veteran der Aufstände gegen die Deutschen war, also ein "normaler" Holocaustüberlebender, war auch in Israel nicht immer besonders beliebt. Das waren die Leute, die kein Bsp. für die Wehrhaftigkeit des jungen Staates waren. Das beobachtete Ralph Giordano noch um 1990 (Israel! Um Himmels Willen! Israel!).

Nach diesen häufig sozialistisch orientierten europäischen Juden kamen die meist eher konservativ geprägten arabischen Juden aus den Ländern von Marokko bis zum Iraq bzw. persischen Juden. Ihre Partei war die Likud.

Diese waren zwar Juden, wurden aber eher als Juden zweiter Klasse betrachtet. Interessanterweise unterscheidet sich wohl das Ivrit der europäischen und der arabischen Juden wohl bis heute in der Aussprache und das, obwohl die Sprache ja eigentlich tot war und künstlich wiederbelebt wurde (manche sprechen gar vom Neuhebräischen als einer einer Hybridsprache) und sehr im Fluss ist. Neuhebräisch ist also sehr dynamisch, was wohl auch daran liegt, dass die wenigsten Neuzuwanderer Hebräisch als Alltagssprache gelernt haben. Gewissermaßen kann man Ivrit als Kreolsprache bezeichnen.

Nach dem Ende des Kalten Krieges kam es zu einer großen Zuwanderung meist religiöser Juden aus den Gebieten der ehem. Sowjetunion. Diese stärkten die konservative, bisher hauptsächlich durch die arabischen Juden vertretene Seite, insbesondere auch den Likud. Vor 1990 war Mapai/Avoda die Partei, welche die meistenn Regierungen stellte. Seit der Einwanderung osteuropäischer Juden nach Israel hat sich das Kräftverhältnis deutlich zu Gunsten Likuds und der anderen konservativen Parteien verschoben.

Das aber hieße dann, dass ein Großteil der aus der arabisch-islamischen Welt stammenden jüdischen Einwanderer - wenn deine Äußerung, dass sie die größte Einwanderungsgruppe darstellten - in den Wahlergebnissen nicht repräsentiert wurde, da ihre Klientelpartei eben Likud und nicht Mapai war.

Als weitere größere Gruppe kommen die Araber mit israelischer Staatsbürgerschaft, die zu trennen sind von den Palästinensern als Arabern ohne israleische Staatsbürgerschaft.
In beiden Gruppen gibt es Christen und Muslime, das Gefüge ist sehr komplex, auch was das Zwischen-den-Stühlen-sitzen einzelner Untergruppen ausmacht oder auch die Loyalität zum Staat Isarel. Hinzu kommen weitere Minderheiten, wie etwa die Beduinen des Negev, die meist christlichen Armenier oder einige meist muslimische Türken und andere Überreste aus dem osmanischen Vielvölkerstaat (etwa Tscherkessen).
 
Nach diesen häufig sozialistisch orientierten europäischen Juden kamen die meist eher konservativ geprägten arabischen Juden aus den Ländern von Marokko bis zum Iraq bzw. persischen Juden. Ihre Partei war die Likud.
Die großen Gestalten der Likud-Partei waren meistens bereits schon vor der Staatsgründung in Palästina geboren und zwar als Nachfahren früher osteuropäischer Zionisten:

Mosche Dajan *1915 in Palästina
Ariel Sharon *1928 in Palästina
Benjamin Netanjahu * 1949 in Israel (Seine Familie wanderte bereits 1920 von Warschau nach Palästina ein.)
Ehud Olmert * 1945 in Palästina (Seine russisch-jüdischen Eltern wanderten 1933 ein.)
Menchaim Begin hingegen wurde 1913 in Brest-Litowsk geboren und gelangte erst 1942 nach größerer Odyssee nach Palästina.

Gründer und Hauptakteure des Likud waren osteuropäische Juden und deren Nachfahren. Die arabischen Juden waren in der Politik über viele Jahrzehnte völlig unterrepräsentiert bzw. spielten gar keine Rolle, obwohl sie die Bevölkerungsmehrheit stellten.

Meine Annahme einer sephardischen Bevölkerungsmehrheit spiegelt wohl eher die Realität vor den 1990ern wieder. Nach Masseneinwanderung osteuropäischer Juden nach Auflösung der Sowjet-Union haben die Aschkenasier wieder aufgeholt. Die Bevölkerungsmehrheit der arabischen und nordafrikanischen Juden in Israel ist also bereits Geschichte!
"In Israel, Middle Eastern and North African Jews were the majority of the Jewish population for decades, with numbers as high as 70 percent of the Jewish population, until the mass Russian immigration of the 1990s. Mizrahi Jews are now half of the Jewish population in Israel." Jewish Virtual Libary

1948 gründen dann die Juden ihren Staat Israel und die arabischen Nachbarn überfallen das frisch gegründete Land, dass sich aber befreien kann. Jetzt kommt es zu Vertreibungen und ethnischen Säuberungen (Deir Yassin), als Folge dieses Krieges werden die Juden aus den arabisch-islamischen Gebieten (mit Ausnahme der Türkei) vertrieben.
Die Ironie an der Geschichte ist, dass Israel zum Zeitpunkt der Staatsgründung noch gar keine Heimstätte für die Juden der Welt war, sondern erst zu dieser nach den beiden Katastrophen des israelisch-arabischen Krieges - Deir Yassin und Nakba - wurde.

Die zionistische Idee und der Staat Israel waren ein Projekt der europäischen Juden, dem die arabischen Juden am Ende zum Opfer fielen. Die Deir Yassin hatte unter Israelis eigentlich mehr Betroffene als die Shoa. Die Vertreibung durch die Araber müsste eigentlich präsenter sein als die Shoa. Die Dominanz der Shoa in der israelischen Erinnerungskultur ist nur durch die Dominanz der europäischen Juden in der israelischen Gesellschaft zu erklären. (Man kann jetzt natürlich noch einwenden, dass die Shoa das große Trauma der Menschheit sei, aber auch diese Einschätzung ist imgrunde eurozentrisch.) Man muss auch einen Unterschied in der Situation der beiden jüdischen Gruppen beachten. Ein Teil der Israelis könnte jederzeit nach Europa oder Amerika zurückkehren, während ein Rückkehr in die arabischen Staaten faktisch unmöglich ist.
Eigentlich müsste man die Ausgangsthese umkehren: Ohne Israel kein Deir Yassin.
 
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Nach diesen häufig sozialistisch orientierten europäischen Juden kamen die meist eher konservativ geprägten arabischen Juden aus den Ländern von Marokko bis zum Iraq bzw. persischen Juden. Ihre Partei war die Likud.

Die großen Gestalten der Likud-Partei waren meistens bereits schon vor der Staatsgründung in Palästina geboren und zwar als Nachfahren früher osteuropäischer Zionisten:

Mosche Dajan *1915 in Palästina
Ariel Sharon *1928 in Palästina
Benjamin Netanjahu * 1949 in Israel (Seine Familie wanderte bereits 1920 von Warschau nach Palästina ein.)
Ehud Olmert * 1945 in Palästina (Seine russisch-jüdischen Eltern wanderten 1933 ein.)
Menchaim Begin hingegen wurde 1913 in Brest-Litowsk geboren und gelangte erst 1942 nach größerer Odyssee nach Palästina.

Gründer und Hauptakteure des Likud waren osteuropäische Juden und deren Nachfahren. Die arabischen Juden waren in der Politik über viele Jahrzehnte völlig unterrepräsentiert bzw. spielten gar keine Rolle, obwohl sie die Bevölkerungsmehrheit stellten.

Aufgrund deiner Ausführungen habe ich schon begonnen stark an mir zu zweifeln :cry:aber ein wenig Recherche hat ergeben, dass wir beide Recht haben. Der englische Wikipedia-Artikel zu Likud gibt an:
From its establishment in 1973, Likud enjoyed great support from blue-collar Sephardim who felt discriminated against by the ruling Alignment.​
Bisher habe ich mich nie besonders intensiv mit den Sephardim und Mizrahim als Teil der israelischen Bevölkerung beschäftigt, hauptsächlich mit den Sephardim als Teil der Geschichte Spaniens und hispanistisch (also das Ladino als Variante des Spanischen/Iberoromanischen, gesprochen in Nordafrika oder den ehem. Gebieten des Osmanischen Reiches, sofern nicht in der Shoa durch den Mord an den Sprechern ausgestorben). Eigentlich ganz interessant, etwa auch, wie der Mossad und der marokkanische König mehrere Zehntausend marokkanische Juden in einer Geheimoperation aus Marokko herausholten.

Deir Yassin hatte unter Israelis eigentlich mehr Betroffene als die Shoa.
Deir Yassin ist in erster Linie mal ein palästinensisches Dorf gewesen, welches nach Aussage eines Majors der israelischen Armee von den pro-israelischen Terrororganisationen Etzel und Lechi, obwohl kein militärisches Ziel, aufgemischt wurde. Die haben da im wahrsten Sinne des Wortes mit Kanonen auf Spatzen geschossen, mit dem Ziel der ethnischen Säuberung.

Eigentlich müsste man die Ausgangsthese umkehren: Ohne Israel kein Deir Yassin.
Im vorherigen Absatz habe ich noch pro-israelische Terrororganisatonen für Deir Yassin gescholten; hier kehre ich nun meine Schelte um und es ist kein Paradox: Ohne den Angriff der arabischen Staaten auf das eben gegründete Israel hätte es kein Massaker an den Palästinensern von Deir Yassin und womöglich auch die palästinensische Nakba nicht gegeben. Mittlerweile sitzen die Menschen z.T. ja seit 1948 - also seit mittlerweile 67 Jahren! - in den Flüchtlingslagern in Syrien, dem Libanon oder Jordanien bzw. in Gaza, ohne Bürgerrechte (mit Ausnahme in Gaza, weil das ja mittlerweile als Teil des palästinenischen Territoriums gilt und nicht mehr als ägyptisches Staatsgebiet, aber was nützen einem im hamasregierten Gaza Bürgerrechte?).
 
Ich habe in meinem Posting etwas ganz schon durcheinander gebracht.
Das Wort "Deir Yassin" habe ich einfach aus deinem Posting übernommen, ohne es nachzuschlagen. Der Begriff war mir vorher völlig unbekannt. Ich hielt es dann für ein Synonym für die Vertreibung der Juden aus Nordafrika und dem Nahen Osten. Diese Annahme ist offensichtlich falsch.:rotwerd:
Immer wenn ich "Deir Yassin" schrieb, meinte ich die Vertreibung der orientalischen Juden nach Israel!
 
Deir Yassin war ein palästinensisches Dorf, das der Politik der arabischen Staaten und pro-israelischer Terrororganisationen zum Opfer fiel. Das Massaker löste die Nakba aus. In der Folge kam es auch zu der als "Jüdischer Nakba" apostrophierten Yetziat yehudim/mizrachim. Das ist im Prinzip die Flucht jüdischer Bürger (oder ausgebürgerter Juden) aus den arabischen Ländern und dem Iran nach Israel, Frankreich (v.a. aus den ehem. frz. Kolonien) oder in die USA.
 
Ich versuche mich noch mal klarer und mit den richtigen Begriffen auszudrücken.
Durch die Vertreibung aus Nordafrika und den Nahen Osten (Yetziat yehudim) wurden die dortigen Juden (Mizrachim) erst in das zionistische Projekt hingetrieben. Jene arabischen und nordafrikanischen Juden bildeten lange Zeit die Bevölkerungsmehrheit unter den jüdischen Israelis. Daher liegt der Schluss Nahe, dass die Erfahrung der Yetziat yehudim bei der israelischen Bevölkerung tiefer verwurzelt sein müsste als die Shoa.

Mitverantwortlich für das Massaker von Deir Yassin war auch der spätere Likud-Gründer Menchaim Begin, der die Taten auch noch verteidigte. Von Begin stammt auch die These, ohne Deir Yassin wäre Israel nicht möglich gewesen. Die Shoa nutzte er nicht als Rechtfertigung.

Ohne den Angriff der arabischen Staaten auf das eben gegründete Israel hätte es kein Massaker an den Palästinensern von Deir Yassin und womöglich auch die palästinensische Nakba nicht gegeben.
Rein chronologisch ist das nicht richtig.
Das Massaker von Deir Yassin fand am 9. April 1948 statt.
Der Angriff der arabischen Staaten erfolgte jedoch erst am 14. Mai 1948 - also Nach Ende des Britischen Mandats und der Unabhängigkeitserklärung Israels. (Einzelne Gruppierungen waren schon vorher in Kämpfe des Bürgerkriegs verwickelt.)
 
Zuletzt bearbeitet:
Rein chronologisch ist das nicht richtig.
Das Massaker von Deir Yassin fand am 9. April 1948 statt.
Der Angriff der arabischen Staaten erfolgte jedoch erst am 14. Mai 1948 - also Nach Ende des Britischen Mandats und der Unabhängigkeitserklärung Israels.

Du mögest mir diesen Lapsus verzeihen. Ich hab grad mal nachgerechnet, es ist bereits fünfzehn Jahre her, dass ich mich mit dem Deir Yassin-Massaker beschäftigt habe. Da hat sich was falsch in meine Erinnerung eingefressen.
 
In der Chronologie hinzuweisen ist allerdings auf den im März schon laufenden Bürgerkrieg mit der von der Arabischen Liga unterstützten ALA, was zur Belagerung bzw. Einschließung von Jerusalem und dann zur Operation Nachshon führte.
 
Wie auch immer - die arabischen und nordafrikanischen Juden wurden plötzlich und gewaltsam in die zionistische Sache hineingezogen.

Ich habe beim Bundesamt für politische Bildung einen interessanten Artikel gefunden, bei dem es genau um das Thema geht.

In Israel habe es zunächst wenig Interesse an der Opferrolle gegeben. Den Holocaust-Überlebenden wurde vorgehalten, dass sie schwach waren und nicht gekämpft haben. Der Schwerpunkt des Gedenkens lag daher nicht auf der Auschwitzbefreiung, sondern auf den Aufstand im Warschauer Ghetto.
Die Shoa habe anfangs auch nicht als Rechtfertigung gedient.
Der Regierungswechsel von der Arbeiterpartei zum Likud unter Menachem Begin im Jahr 1977 bedeutete nicht nur einen Machtwechsel in Israel, sondern läutete auch einen Generationswechsel nach der Ära der Gründerväter um David Ben-Gurion ein. Menachem Begin, selbst Überlebender, benutzte den Begriff Shoah so häufig wie kein anderer Politiker vor und nach ihm. Durch ihn wurde die Instrumentalisierung des Begriffes in der israelischen Öffentlichkeit salonfähig und wird bis heute weiter praktiziert. Die Shoah fand spätestens durch die permanente Präsenz in den Medien, Eingang in den Alltag der israelischen Bevölkerung. In der Politik und im öffentlichen Leben wurde der Shoaherinnerung ein immer größerer Raum zuteil.
Es hat schon eine gewisse Ironie, dass ausgerechnet Menachim Begin die Shoa allgegenwertig machte.

Die Sepharden haben sich inzwischen auch des Themas angenommen. Dass wahrscheinlich nur ein geringer Prozentsatz der Israelis tatsächlich von Shoa-Überlebenden abstammt, spielt offensichtlich keine Rolle.
Bei einer aktuellen Umfrage aus dem Jahr 2007, die von Yad Vashem durchgeführt wurde, kam es zu dem Ergebnis, dass 89% der jüdischen Bevölkerung Israels das Shoahgedenken als bedeutenden Bestandteil ihrer Identität ansehen. Bemerkenswert daran ist, dass die Bedeutung der Shoah sowohl bei ashkenasischen als auch sephardischen Jugendlichen beinahe den gleichen Stellenwert einnimmt.
 
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