Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Wenn man eine empirische singuläre Beobachtung hat, wie macht man dann einen generellen Satz daraus?

55 Münzen dürften darüber hinaus keine signifikante Probe sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Insbesondere, da wir wissen, dass nach der Varusschlacht Tiberius Beschränkungen für das Mitgeführte kontrollierte. Köln taugt nicht als Gegenbeispiel für Kalkriese.

@ Riothamus,

gerade Köln und die Tiberius-Passage bei Sueton zeigen doch, das die Truppen des Germanicus bei den Feldzügen in der Germania Magna nur das nötigste an Kleingeld mit sich führten (<100 Fundmünzen bisher). Für Tiberius selbst kann das nicht entschieden werden, da der Münzhorizont der gleiche ist wie der des Varus. Wir wissen auch nicht wann Tiberius diese Konsequenz für sich gezogen hat. Das könnte ebenso gut erst nach dem "glücklich" geführten Gefecht gewesen sein (Sueton). Fakt ist, dass es 2 Gegenstempel (TIB und CA) in Kalkriese gibt, welche weder in Waldgirmes, Dorsten-Holsterhausen noch in Haltern vorkommen. Beide kommen jedoch in linksrheinischen Lagern vor.

Grüße
 
Also, wir haben ein Jahr vor dem Germanicuszug an einem der Legionsstandorte bereits ein Achtel (oder war's ein Siebtel? 7 oder 8/55?) Diffusion postvarianischer Münzen. In Kalkriese bei eine ungleich höheren Münzaufkommen Null. Mathematisch ist der Fall damit klar. Wenn man davon ausgeht, dass die ersten, die Frischgeld bekamen, Soldaten waren, dann wird die Sache noch klarer, aber selbst ohne das ist sie schon mehr als deutlich. Es müsste schon, vom Standpunkt des Stochasten aus gesehen, nicht mit rechten Dingen zugehen, wenn der Münzbefund von Köln des Jahres 14 bei einer überschaubaren Anzahl von Münzen bereits knapp Pi x Daumen 16 % postvarianischer Münzen innehätte und Kalkriese trotz der 30x höheren Anzahl an Fundmünzen glatte 0 %. Zu erwarten wäre also mindestens auch die 30x höhere Anzahl postvarianischer Münzen in Kalkriese, also knapp 210 bzw. 240 Münzen. Dabei noch ist die zusätzliche Diffusion postvarianischer Münzen vom Jahr 14 auf das Jahr 15 oder 16 noch unberücksichtigt.
 
Guten Morgen,

@ ELQ,

man muss aber aufpassen was die Fundverteilung der germanicuszeitlichen Münzfunde anbelangt, denn in Augsburg-Oberhausen gibt es für die Prägejahre 10-16 n. Chr. gerade einmal 7 (!) Fundmünzen bei 400 Münzfunden. Da geht die Kölner Rechnung nicht auf. Der Altmeister Chantraine hatte das Ende des Lagers mit 16/17 n. Chr. angegeben, was aber mittlerweile von mir widerlegt wurde. Bereits 1803 wurden an gleicher Stelle der Wertach 2 Asse des Tiberius (RIC 44) aus den Jahren 21/22 n. Chr. gefunden. Siehe dazu auch hier:

http://www.geschichtsforum.de/747724-post51.html

Grüße
 
Weiß man eigentlich, wie das Geldmitführungsverhalten von Legionären auf dem Kriegsmarsch generell aussah? (sorry, falls das schon mal aufgegriffen worden sein sollte, ich kann diesen Riesen-Thread nicht durchlesen). Bei Varus mit seinem Kirmes-Tross wird es einiges zu shoppen gegeben haben, aber hätten die Tiberius- und Germanicus-Legionäre überhaupt Verwendung für größere Mengen Bares gehabt? Ein bisschen was werden sie sicherlich dabei gehabt haben (man will ja auch mal um Geld würfeln können), aber nennenswerte Summen? Weiß da jemand Bescheid?

Weiterhin (vielleicht ist die Frage superdoof, ich bin Münz-Laie): Es gab ja damals deutliche Abnutzungsunterschiede bei den Münzen. Kann es sein, dass die Legionäre lieber abgerubbelte Münzen mitgeführt und ausgegeben haben und die "guten" daheim im Spind (oder sonstwo) geblieben sind? Nach dem Motto: Ich gebe erst mal die schlechten Münzen aus und hebe mir die guten auf? Heute kennen wir so ein Verhalten nicht, weil die Banken das schlechte Geld aussortieren. Aber damals?
 
@ salvus,

wo siehst du bei den Münzfunden von Kalkriese einen Zusammenhang mit Germanicus ? Ich sehe nach jetziger Lage der Münzen keinen einzigen. Und ja, es gibt einen Germanicus-Horizont bei den Münzfunden, jedoch nicht in Kalkriese.

Ich sehe keinen Zusammenhang bei den Münzfunden von Kalkriese mit Germanicus.

Und ja, mittlerweile scheint sich an anderen Orten ein Germanicus Horizont herauszubilden, aber nicht in Kalkriese.

Und genau deshalb sehe ich auch keinen Zusammenhang zwischen Kalkriese und Germanicus - abgesehen von den Knochengruben.

Und daher sehe ich eher ein Zusammenhang zwischen Kalkriese und Varus.
 
Sie ist gerade deshalb signifikant, weil sie bereits einen so hohen Anteil postvarianischer Münzen in sich trägt.

Nein. Die Probe ist viel zu klein, um eine Aussage über die damalige Mûnzverteilung in Köln zu erlauben. Hätten wir eine große Zahl solcher Proben, könnten wir bei der durchschnittlichen Verteilung' von der Gaußschen Normalverteilung ausgehen. Bei einer einzigen ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass wir es mit einer Ausnahme zu tun haben.

Es geht nicht um den Anteil einer bestimmten Münze, sondern um die Größe der Stichprobe insgesamt. Je kleiner die Probe, desto unwahrscheinlicher, dass die vorgefundene Verteilung generell zu erwarten ist. Zwar wird auch die Wahrscheinlichkeit mit mehr Münzen einer bestimmten Art größer, doch hier ist die Stichprobe insgesamt nicht signifikant.

Interessanter als Köln sind sowieso die Münzen aus den Lagern, wenn man vom selben Endpunkt 9/10 n.Chr. ausgeht. Diese sind zwar wohl über einen größeren Zeitraum in die Erde gelangt, haben aber mit Kalkriese mehr gemein als Köln.

Schon, dass Münzen bestimmter Einheiten häufiger sind als in Kalkriese, kann auf diesen Zeitraum zurückgeführt werden.

Dazu sind die Stichproben größer. Daher kann man sich hier auf die Wahrscheinlichkeit berufen.

Etwas anderes ist das Vorkommen einer bestimmten Münze generell. Kommt eine Münze vor, war sie im Umlauf. Ob sie dann 16 n.Chr. in einer Stichprobe von 1600 Münzen, immerhin noch eine relativ kleine Probe, bei der Abweichungen von bis zu 5 % regelmäßig zu erwarten sind, man denke nur an das Brexit-Votum, vorkommen muß, ist eine Frage, die wir mangels Kenntnis ihren zu erwartenden Anteils an dem kursierenden Geld, nicht beurteilen können.


Statt die Mathematik auf den Kopf zu stellen, würde ich eher versuchen, die Beziehung von der Münzverteilung der Lager zur Münzverteilung in Kalkriese aufzuzeigen.

Ich hatte mir mal die Mühe gemacht, das für eine in den Lagern vorkommende, in Kalkriese fehlende Münze auszurechnen. Damals fehlten noch über 1000 Münzen, damit das Fehlen signifikant wurde. Ich werde mal schauen, ob ich die Rechnung noch irgendwo habe. Das hatte mich eine Woche gekostet. Die Schulzeit ist eben doch schon länger her. Nur eben nicht solange, dass ich glauben würde, dass eine Stichprobe von 55 Münzen signifikant ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
@ Riothamus,

gerade Köln und die Tiberius-Passage bei Sueton zeigen doch, das die Truppen des Germanicus bei den Feldzügen in der Germania Magna nur das nötigste an Kleingeld mit sich führten (<100 Fundmünzen bisher). Für Tiberius selbst kann das nicht entschieden werden, da der Münzhorizont der gleiche ist wie der des Varus. Wir wissen auch nicht wann Tiberius diese Konsequenz für sich gezogen hat. Das könnte ebenso gut erst nach dem "glücklich" geführten Gefecht gewesen sein (Sueton). Fakt ist, dass es 2 Gegenstempel (TIB und CA) in Kalkriese gibt, welche weder in Waldgirmes, Dorsten-Holsterhausen noch in Haltern vorkommen. Beide kommen jedoch in linksrheinischen Lagern vor.

Grüße

Gibt es einen Beleg für die "2 Gegenstempel (TIB und CA) in Kalkriese"?

Unter Varusforschung in Kalkriese: Die Örtlichkeit der Varusschlacht (UNIVERSITÄT OSNABRÜCK) finde ich dazu nichts. Erwähnt werden IMP, C VAL und VAR. Ob diese Informationen vollständig und aktuell sind, kann ich natürlich nicht beurteilen.
 
Nein. Die Probe ist viel zu klein, um eine Aussage über die damalige Mûnzverteilung in Köln zu erlauben. Hätten wir eine große Zahl solcher Proben, könnten wir bei der durchschnittlichen Verteilung' von der Gaußschen Normalverteilung ausgehen. Bei einer einzigen ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass wir es mit einer Ausnahme zu tun haben.
Ausnahme hin oder her: Es sind insgesamt nur 55 Münzen. Mehr als ein Jahr vor der Begehung des Varusschlachtfeldes durch Germanicus mit einem Siebtel/Achtel an postvarianischen Münzen. Es handelt sich um in der Brandbrache gefundene Einzelstücke, keinen zusammenhängenden Hort. Bei einem solchen wäre deine Kritik angebracht, bei Einzelfunden aber eben nicht. Die Brandbrache liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zu der vermuteten Fläche des Lagers der ersten Legion. Die Annahme, dass die Germanicuslegionen 15 über keinerlei postvarianische Münzen verfügt haben sollen, zumal sie ja im Rahmen ihrer Meuterei mit frischem Geld, z.T. aus Germanicus' Privatvermögen ausgezahlt wurden, ist weltfremd.



Gibt es einen Beleg für die "2 Gegenstempel (TIB und CA) in Kalkriese"?

Unter Varusforschung in Kalkriese: Die Örtlichkeit der Varusschlacht (UNIVERSITÄT OSNABRÜCK) finde ich dazu nichts. Erwähnt werden IMP, C VAL und VAR. Ob diese Informationen vollständig und aktuell sind, kann ich natürlich nicht beurteilen.
Die Gegenstempel gibt es, zumindest der TIB-Gegenstempel wird aber in den in Kalkriese vorliegenden Varianten von Berger und Wertz (den gibt's oder gab's mal online als PDF) auf Tiberius' letzte Anwesenheit in Germanien vor der clades Variana datiert. Bei CAE weiß ich nicht wie sie genau datiert sind, kann ich aber nächste Woche noch mal nachschlagen.
 
Weiß man eigentlich, wie das Geldmitführungsverhalten von Legionären auf dem Kriegsmarsch generell aussah? (sorry, falls das schon mal aufgegriffen worden sein sollte, ich kann diesen Riesen-Thread nicht durchlesen). Bei Varus mit seinem Kirmes-Tross wird es einiges zu shoppen gegeben haben, aber hätten die Tiberius- und Germanicus-Legionäre überhaupt Verwendung für größere Mengen Bares gehabt? Ein bisschen was werden sie sicherlich dabei gehabt haben (man will ja auch mal um Geld würfeln können), aber nennenswerte Summen? Weiß da jemand Bescheid?

Weiterhin (vielleicht ist die Frage superdoof, ich bin Münz-Laie): Es gab ja damals deutliche Abnutzungsunterschiede bei den Münzen. Kann es sein, dass die Legionäre lieber abgerubbelte Münzen mitgeführt und ausgegeben haben und die "guten" daheim im Spind (oder sonstwo) geblieben sind? Nach dem Motto: Ich gebe erst mal die schlechten Münzen aus und hebe mir die guten auf? Heute kennen wir so ein Verhalten nicht, weil die Banken das schlechte Geld aussortieren. Aber damals?

@ Barschaft der Soldaten:

Ein Teil des Solds wurde einbehalten und bei den Feldzeichen aufbewahrt. Ob der Soldat diese Einlage erhöhen konnte, ist umstritten. Ebenso ist unbekannt, wann diese Kasse im Lager blieb und wann sie mitgeführt wurde.
Darüber wie üblich es war Geld zu investieren, darf ebenfalls spekuliert werden. Allerdings war der Sold auch nicht zu üppig bemessen.

Um die Hüfte wurde eine Art Schärpe (fascia ventralis) getragen. Versuche und Reenactor bestätigen, dass dadurch das Gewicht der Rüstung besser verteilt und ein durchscheuern der Tunika verhindert wird. Die letzte Schlinge wurde doppelt genommen, so dass eine Tasche entstand. Auf erhaltenen Abbildungen sieht man mitunter einen rechteckigen Gegenstand daraus hervor gucken. Früher vermutete man Militärdiplome, doch sieht man es auch bei Legionären. Daher nimmt man heute eher Schreibtafeln oder Geldbörsen an. (Graham Sumner, Roman Military Clothing (1) 100 BC - AD 200, S. 38 f; Abb. S. 8, 44.)

@ Geldbedarf auf dem Feldzug:

Es war üblich, dass Kaufleute römische Armeen begleiteten. Wenn es brenzlig wurde, mussten sie für ihren eigenen Schutz sorgen. Darunter befanden sich auch freischaffende Söldner. Daher ist schon vermutet worden, dass sie mitunter eigene Lager errichteten. Laut Caesar lagerten sie außerhalb des Lagers. Vorwiegend ging es um den Handel mit der Beute, aber natürlich besaßen die Soldaten eine gewisse Kaufkraft. Zudem mussten die Legionäre zumindest für einen Teil der Reparaturen und der Ausrüstung selbst aufkommen. (Kate Billiger, Auf dem Weg zum Imperium, S.34-37.)

@ Münzbenutzung:

Es gibt Münzen, bei denen das Münzbild zerhackt ist. Dies wird mitunter auf Rebellionen zurückgeführt. Dann sind Münzen mit Gegenstempel versehen. Die Bedeutung ist nicht überliefert. Es gibt Vermutungen, dass es sich um Sonderzahlungen der jeweiligen Statthalter handelt, oder, dass diese Münzen in bestimmten Zusammenhängen eine höhere Kaufkraft hatten.

Beschädigte Münzen wird man gewogen haben.
 
Es gibt Vermutungen, dass es sich um Sonderzahlungen der jeweiligen Statthalter handelt, oder, dass diese Münzen in bestimmten Zusammenhängen eine höhere Kaufkraft hatten.
Letztere meines Wissens nur von Einzelpersonen dieses Forums, die bisher eine Erklärung schuldig geblieben sind, wie man unter solchen Umständen der Gegenstempelfälschung begegnen wollte.

In Herculaneum hat man einen Soldaten gefunden, der trug seine Geldbörse unter dem Gehänge.
 
Ausnahme hin oder her: Es sind insgesamt nur 55 Münzen. Mehr als ein Jahr vor der Begehung des Varusschlachtfeldes durch Germanicus mit einem Siebtel/Achtel an postvarianischen Münzen. Es handelt sich um in der Brandbrache gefundene Einzelstücke, keinen zusammenhängenden Hort. Bei einem solchen wäre deine Kritik angebracht, bei Einzelfunden aber eben nicht. Die Brandbrache liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zu der vermuteten Fläche des Lagers der ersten Legion. Die Annahme, dass die Germanicuslegionen 15 über keinerlei postvarianische Münzen verfügt haben sollen, zumal sie ja im Rahmen ihrer Meuterei mit frischem Geld, z.T. aus Germanicus' Privatvermögen ausgezahlt wurden, ist weltfremd.

Wieder nein:

1. Ja, es handelt sich um zufällig in die Erde geratene Münzen. Erst das macht sie zu einer Stichprobe. Und dafür gelten die Regeln der Mathematik, wenn Du generelle Aussagen treffen willst. Lies Dir das nochmal durch, Du behauptest da, dass man Ausnahmen als Regel betrachten soll. Auch bei der Stochastik sollten wir ebenso viel Sorgfalt walten lassen, wie bei der Etymologie, die uns wohl beiden näher liegt.
2. Ein Münzhort wäre eine willkürliche Zusammenstellung, von der kaum etwas ableitbar wäre. Meine Ausführungen wären darauf nicht anwendbar.
3. Das Legionslager ist nur 1 Standortfaktor von Köln.
4. Ich behaupte nicht, dass die Legionen des Germanicus keine neuen Münzen mit sich führten. Ich sage nur, dass der Kölner Münzhorizont nicht aussagekräftig ist.
5. Handelte es sich bei dem Vermögen des Germanicus und bei dem Geld, dass er sich geliehen haben soll, denn um neues Geld?
6. Woher weißt Du, wie hoch der Anteil neuen Geldes 10/15/16 n.Chr. war?
7. Ich bestehe nur auf einer sauberen Argumentation. Gerade dass immer wieder Scheinargumente gebracht werden, läßt mich zögern, Kalkriese als Ort der Varusschlacht anzuerkennen. Das soll nicht heißen, dass die Gegenargumente besser sind. Viele sind wesentlich schlechter.
8. Ich habe auch nicht destruktiv argumentiert. Wir wissen durch Köln, dass neue Münzen im Umlauf waren. Wir kennen aber nicht ihren Anteil, da die Probe nicht groß genug ist. Theoretisch, wenn auch unwahrscheinlich, können sie sogar einen Tag vor dem Brand verteilt worden sein. Aber es bringt uns einen Schritt weiter: Anhang der Funde von Kalkriese kann ein Mathematiker berechnen, wie Wahrscheinlich es ist, dass dort noch keine neue Münze gefunden wurde, obwohl sie bereits im Umlauf waren. Zunächst müsste man eine Zahl für den Anteil am Münzspektrum annehmen. Sagen wir 5%. Evt. kann ja auch an der Verteilung anderer MünzSerien eine begründete Vermutung getroffen werden. Und eben dazu taugt die kleine Kölner Stichprobe nicht.


Mein Handy verschlimmbessert mal wieder: Der Name in meinem letzten Post soll Kate G i ll i ver heißen.
 
Ich habe mal nachgeschlagen:
Reinhard Wolters, Die Schlacht im Teutoburger Wald Arminius, Varus und das römische Germanien, München 2008, S. 171 sagt sowohl, dass die Bezahlung schon wegen der Unregelmäßigkeit der Prägung zumeist mit altem Geld erfolgt sein muss, und weiter unten, dass von 'allen Forschern anerkannt' sei, dass die neuen Münzen zur Zeit des Germanicus gegenüber der Zeit des Varus nur 1% ausmachten. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus wichtig, dass die Funde von Köln eine zu kleine Stichprobe bilden.
 
Ich habe mal nachgeschlagen:
Reinhard Wolters, Die Schlacht im Teutoburger Wald Arminius, Varus und das römische Germanien, München 2008, S. 171 sagt sowohl, dass die Bezahlung schon wegen der Unregelmäßigkeit der Prägung zumeist mit altem Geld erfolgt sein muss, und weiter unten, dass von 'allen Forschern anerkannt' sei, dass die neuen Münzen zur Zeit des Germanicus gegenüber der Zeit des Varus nur 1% ausmachten. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus wichtig, dass die Funde von Köln eine zu kleine Stichprobe bilden.

Da stellt sich mir die Frage, wie es denn kommt, dass " von allen Forschern anerkannt sei", dass die neuen Münzen nur 1 % des gesamten Münzbestandes ausmachen. Da müssen doch eindeutig Münzfunde vorliegen, die in die Zeit des Germanicus datiert werden können. Und in der Gesamtheit dieser Münzfunde müßten dann die neuen Münzen lediglich 1 % ausmachen.

El Q. hat auf die Nähe des Münzfundes aus Köln zu dem vermuteten Militärlager hingewiesen, und daraus läßt sich doch vermuten, dass ein Teil dieser Münzen von den Soldaten stammt.

Aber unabhängig von der Frage, ob im Kontext von Münzfunden des Germanicushorizontes nur 1% oder 10 % oder x % an neuen Münzen erwartet werden dürften, so ist doch der archäolgische Befund, dass wir keinerlei neuen Münzen in Kalkriese haben. Bei knapp 2000 Münzen müßte selbst bei einem Anteil von nur 1 % neuer Münzen doch ca. 20 Stück davon zu erwarten sein, aber wir haben keine einzige.
 
1% liegt noch in der Fehlertoleranz. Wenn wir es der Einfachheit halber mit Wahl vorhersagen in Deutschland vergleichen -ich habe keine Lust zu rechnen-, dann kann eine Partei durchaus auf 1% kommen, ohne in der ausgewerteten Stichprobe eine einzige Stimme zu haben. Die Fehlertoleranz gibt an, wie große Abweichungen wahrscheinlich zu erwarten sind. 5% wäreine typische Fehlertoleranz im Bereich von 1000-2000 und auch die Fehlertoleranz bei den Vorhersagen zum Brexit, die bekanntlich ausgeschöpft wurde.

Und innerhalb der Fehlertoleranz kann man eben keine Funde sicher erwarten. 5% wären bei 2000 Münzen 100.

Die 1% nimmt Wolters aus Berger, Die Datierung der Varusschlacht in Lehmann/Wiegels, Römische Präsenz und Herrschaft in Germanien der augusteischen Zeit, Göttingen 2007. Ich hatte aber angekündigt, mich um leicht zugängliche Literatur zu bemühen. Da es wohl noch keine Rolle spielt, ob es sich um 1, 2 oder 3% handelte, habe ich zur Zeit nicht vor, dem weiter nachzugehen.

Ich kann auch vermuten, dass in Köln ein Münzmeister besoffen Münzen durch die Gegend warf und eine Kerze umstieß. Das ist fraglos unwahrscheinlich. Aber genauso unwahrscheinlich ist es, dass jede der Münzen aus militärischen Zusammenhang stammt. Es war eben nur dem Lager benachbart.
 
Es geht doch um die Frage, ob man die in Kalkriese gefundenen Münzen nun mit Sicherheit der Varusschlacht (9 n. Chr.) oder auch den späteren Feldzügen des Germanicus (15 /16 n. Chr.) zuordnen kann (wahrscheinlich haben wir das hier im Thread schon x-mal diskutiert).

Die Münzen geben natürlich den tpq (terminus post quem - s. http://www.geschichtsforum.de/516164-post2290.html), zeigen also, dass diese im Jahr 9 oder später verloren wurden. Aber wie El Q. schon gezeigt hat, gibt es eine große Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Verlust in den späteren Jahren auch jüngere Münzen dabei sein müßten.

Wenn in Kalkriese nur 10 oder 100 Münzen gefunden worden wären, dann wäre eine Aussage zum Zeitpunkt des Verlustes schwieriger zu machen. Aber wir haben ca. 2000 Fundmünzen, von denen keine später als 9 n. Chr. datiert. Wenn die Germanicus-Armee mit einem Anteil von 1 % Neuprägungen in Germanien operiert hat, dann wären doch wohl ca. 20 Stück im Fundspektrum zu erwarten, vielleicht auch 10 oder 30. Aber dass wir keine einzige Neuprägung in Kalkriese haben, ist doch ein starkes Indiz dafür, dass die Münzen 9 n. Chr. verloren worden sind.
 
Vielleicht kann man es so zusammenfassen:

Mathematisch gesehen ist der Kölner Befund vielleicht nicht so eindeutig, wie er sein müsste.

Aber auch archäologisch/historischer Sicht, die ja immer auch vom Zufall abhängig ist, ist der Kölner Befund zumindest ein bedenkenswertes Indiz.
 
Die Gegenstempel gibt es, zumindest der TIB-Gegenstempel wird aber in den in Kalkriese vorliegenden Varianten von Berger und Wertz (den gibt's oder gab's mal online als PDF) auf Tiberius' letzte Anwesenheit in Germanien vor der clades Variana datiert. Bei CAE weiß ich nicht wie sie genau datiert sind, kann ich aber nächste Woche noch mal nachschlagen.

Guten Abend,

@ ELQ,

nicht CAE (!), sondern CA (bei Werz CA 58). Wie kann der TIB 193 Stempel vorvarianisch sein, wenn dieser bei Wertz im Katalog weder in Anreppen, Haltern, noch in Dorsten-Holsterhausen oder Waldgirmes auftaucht?.

Grüße
 
@ Carolus

Nein, die Mathematik zeigt etwas anderes.

Es sei denn, man nimmt die Kölner Münzen als repräsentativ für alle im Umlauf befindlichen Münzen. Da es aber nur 55 sind, ist ihre Anzahl dafür nicht groß genug.

Es ist eben zu erwarten, dass 0 bis 120 neue Münzen gefunden werden, wenn man von 5% und 2000 Münzen ausgeht. Selbst, wenn man nur von einem Fehler von 1% ausgeht, wären zwischen 0 und 40 neue Münzen zu erwarten. Stochastik und Statistik sind fr viele ein Albtraum, aber diesen Punkt bekommen wir bei jeder Wahl von neuem erklärt.

Damit sind aber die Münzen in Kalkriese in der Frage 9 n.Chr. oder später nicht aussagekräftig. Sollten neue Münzen gefunden werden und diese nicht eindeutig mit den Kampfhandlungen in Verbindung stehen, würde auch das die eigentliche Frage nicht lösen, da Germanicus später vor Ort war. Sollten irgendwann neue Münzen ausgeschlossen werden können, was bei weiteren Funden zu erwarten ist, kann Kalkriese auf 7-9 n.Chr. datiert werden. Und da Germanicus nicht jeden Ort des Gefechtsmarschs aufgesucht haben muss -zu dem Schluss berichtet Tacitus generell zu ungenau-, zudem kein anderer Konflikt in jenen Jahren berichtet ist, wird Kalkriese dann als der oder ein Ort der Varusschlacht gesichert sein.

Woher kommt denn die Fehlertoleranz von 0,5%, die Du voraussetzt, Carolus?

Wenn es da korrekte Rechnungen gibt, akzeptiere ich das.
 
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