kleine Geschichte der Atombombe..

Der nukleare Winter tauchte verstärkt in mehreren Modellrechnungen samt anschließender Veröffentlichung ab 1982 auf. Die Rechnungen wiesen einige Kritikpunkte auf, wurden aber im Prinzip sowohl im Westen wie auch im Osten prinzipiell akzeptiert. Die Urheberschaft der Idee eines nuklearen Winters wurde nach dem Fall des eisernen Vorhangs auch von östlicher Seite reklamiert (z.B. Sergei Tretjakow), u.a. sollte durch die Veröffentlichung die Stationierung der Pershing II verhindert werden.

Während Politiker den Druck zur Abrüstung spürten (Umwelt- und Friedensbewegungen im Westen, Gorbatschow fühlte sich bei Glasnost und Perestroika bestärkt), forschten Militärs stärker an kleineren Sprengköpfen und größerer Genauigkeit (u.a. Stichwort GPS).

Die Schreckensvision eines nuklearen Winters trug auch dazu bei, dass allgemein die Kernwaffentests gestoppt wurden und die Forschung sich auf unterkritische Tests und Computersimulationen verlegte.
 
Der Name erinnert mich an ein neueres Buch, worin er eine Rolle spielt:
Lawrence Badash: A Nuclear Winter’s Tale. Science and Politics in the 1980s. Cambridge: MIT 2009.
Kann mich leider nicht an Details erinnern, aber vielleicht kennst Du es ja auch.

Vielen Dank jschmidt für den Hinweis auf den Badash!

Ich hab das Buch jetzt durch,
also gelesen, wenngleich auch sicher noch nicht verdaut.
...
Warum man mal in Joule und dann wieder in BTU (British Thermal Units), mal in Kilogramm, mal in Pounds, mal Feet und Yard, oder Meter, mal Pascal und PSI, usw, usw, ...rechnet,
das erschließt sich wohl nur einem Angelsachsen. (Bei diesen geht es halt nicht anders, selbst wenn zwischendurch eine Raumsonde den Mars verfehlt)
...
Insgesamt ist mir der Badash aber eine große Bereicherung zum Thema.
(Er verbindet vieles, was ich selbst bisher so zusammengetragen habe, in einen Zusammenhang, den ich kannte.
.. und geht natürlich weit darüber hinaus.)

Er gibt einen guten Überblick der grundsätzlichen Problematik, die mir so nicht bekannt war:
Die wissenschaftliche Diskussion dreht(e) sich im wesentlichen um Ruß, dessen Verbleib in der Atmosphäre, und dessen Freisetzung in verschiedenen Szenarien eines möglichen, oder zu erwartenden, Atomkriegs.
(Ruß blockt das Sonnenlicht, ist aber für das Infrarot der Rückstrahlung der Erde transparent, also eine Umkehrung des Phänomens Treibhausgas)
Eine wissenschaftliche Bewertung hierzu nimmt er nicht vor, und verlässt einsichtig nicht die Rolle des Historikers.
Auch das ist positiv hervorzuheben.

Badash gibt auch einen Überblick des Zeitgeists, verschiedener Ebenen, der 80er in der Verbindung mit dem Thema.
Und er stellt auch wichtige Akteure auf die Bühne eines bleibenden Dramas.
 
NW.. noch ein Versuch.

Also ich versuche das mal irgendwie zusammen zu kriegen.
Das mit dem Nuklearen Winter (NW)..

Dabei scheinen mir drei Ebenen erkennbar.
- die Entwicklung wissenschaftlicher Erkenntnis,
- der strategische Aspekt,
- und der Zeitgeist.

Lassen wir das wunderliche Theaterstück Anfang der 80er die Bühne betreten.
Das Schwert des Damokles hängt bereits über den Köpfen der Bürger, ob Freund ob Feind, ob jung ob alt.
Das ergibt sich bereits aus dem strategischen Aspekt, der letztlich ein technischer ist.

Der Zeitgeist betritt als gespaltene Persönlichkeit die Szene.
In dem Sinne als er sich in verschiedenen und unvereinbaren Strömungen komplizierter Schichtungen Ausdruck verleiht.

Die wissenschaftliche Erkenntnis würzt die Handlungssuppe mit der Aussicht auf die totale Vernichtung, nicht nur der menschlichen Zivilisation, sondern der Spezies insgesamt.

Vorhang auf, das Spiel beginnt: „Nuklearer Winter“

Der Holländer Crutzen und sein amerikanischer Kollege Birks untersuchen am Max Planck Institut in Mainz den Einfluss von Ruß-Emissionen in die Atmosphäre („schwarzer Rauch“) auf das Klimagleichgewicht.
1982 kommt es zu einer Veröffentlichung in dem schwedischen Wissenschaftsmagazin Ambio, im sachlichen Zusammenhang mit einem möglichen Atomkrieg, vor dem die Welt, mehr oder weniger, bereits zittert.
Nun gab es schon vorher global-ökologische Bedenken zum Einsatz von Atomwaffen.
Z.B.: kann eine Atombombe die Atmosphäre oder die Ozeane abfackeln?
(Unmittelbar vor der Zündung der ersten Bombe wird das verneint. Eine experimentell Bestätigung folgt.)
Oder: Wird ein Atomkrieg die Ozonschicht der Stratosphäre wesentlich verändern? .. davon durfte man bereits ausgehen.

Nun kann eine Atombombe zwar keine Ozeane abfackeln und auch nicht ganz einfach den atmosphären Schutzflaum des Planeten.
Aber eine Atombombe kann augenblicklich weite Flächen entzünden: Teerflächen, Brennvorräte, und Gebäude, nebst deren Inhalt. Und Staub wird aufgewirbelt, viel Staub und es wird qualmen, mit schwarzem Rauch über der brennenden Welt.

Crutzen und Birks stellen fest, dass Ruß das Sonnenlicht weit besser abschirmt als Staub.
Zur gleichen Zeit wird das Rätsel der KT-Grenze (Austerben der Saurier) erforscht und kontrovers diskutiert. (Meteoriteneinschlag oder Vulkanismus)
Es werden, auch in diesem Zusammenhang, die Vulkanausbrüche von Krakatau und Tambora, sowie deren Folgen erforscht.
Und man hat Temperatur-Messdaten im Zusammenhang mit Staubstürmen auf dem Mars (Mariner 9 )
Das kommt nun erst allmählich zusammen. Badash beschreibt das im recht gut im Kapitel 2.
Eine interdisziplinäre und internationale Arbeitsgemeinschaft entsteht zu dem Thema.
(Es gibt auch noch eine besondere Zunft die erhebliche Erkenntnisse hervorgebracht hat, aber die igelt sich verständlicher Weise ein wenig ein: das Militär.)

Also die Botschaft der Wissenschaft ist:
Ein künftiger Atomkrieg wird wahrscheinlich nicht nur die Kombattanten treffen, sondern globale Auswirkungen hervorbringen, die durchaus so gravierend sein könnten, dass die Nahrungskette insgesamt unterbrochen wird und auch der Mensch ausstirbt, … so wie seinerzeit die Saurier.
Eine Studie nach der anderen legt das nahe.

Ein Einfluss auf die Strategie, also auf den technischen Aspekt, ist schwer erkennbar.
Was soll auch ein Stratege, der ohnehin schon MAD (Mutually Assured Destruction) ist, .. und eher in der Kategorie des „Chicken Game" denkt, damit anfangen?
Damit, dass solche Aussicht besteht:
im Falle einer großen Konfliktentgleisung geht möglicherweise die ganze Welt zugrunde, recht wahrscheinlich aber er selbst ohnehin.
Na und?
Mankann sich doch, in einer bevorzugten Erkenntnislage, auch so ausmalen was geschehen würde wenn 10.000 oder 20.000 Atomsprengköpfe, jede mit der Gewalt eine Großstadt zu zerstören, niederregnen würden.
Gemessen an dem ohnehin schon großen Risiko, bringt das ja keine neue Handlungsanleitung.
Entlang dieser Linie argumentiert die Reagan-Administration im Hinblick auf den Nuklearen Winter.

Der westliche Zeitgeist bringt derweilen eine populäre internationale Friedensbewegung hervor und eine ökologische.
Ozonloch, Waldsterben, Luftverschmutzung, Strahlung... Strahlung, Atomkrieg, KKW, ..alles im Topf, und ein 68er-Salz der Suppe ist das Misstrauen gegenüber den Entscheidungsträgern.
Eine Schmelze, könnte man sagen, die ihren Weg sucht.
War die beeindruckt vom NW? Ich weiß es nicht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein Einfluss auf die Strategie, also auf den technischen Aspekt, ist schwer erkennbar.
Was soll auch ein Stratege, der ohnehin schon MAD (Mutually Assured Destruction) ist, .. und eher in der Kategorie des „Chicken Game" denkt, damit anfangen?
Damit, dass solche Aussicht besteht:
im Falle einer großen Konfliktentgleisung geht möglicherweise die ganze Welt zugrunde, recht wahrscheinlich aber er selbst ohnehin.
Na und?
Man kann sich doch, in einer bevorzugten Erkenntnislage, auch so ausmalen was geschehen würde wenn 10.000 oder 20.000 Atomsprengköpfe, jede mit der Gewalt eine Großstadt zu zerstören, niederregnen würden.
Gemessen an dem ohnehin schon großen Risiko, bringt das ja keine neue Handlungsanleitung.
Entlang dieser Linie argumentiert die Reagan-Administration im Hinblick auf den Nuklearen Winter.

Es gab ja (vor allem kurz vor dem Ende des Kalten Krieges) immer Ansätze, den Atomkrieg überhaupt führbar zu machen. Sprich den taktischen vom strategischen Einsatz zu trennen. (atomare Gefechtsfeldwaffen, Mittelstreckenraketen, Miniaturisierung, Neutronenwaffen, Star Wars)

Nach der Logik des Nuklearkriegs war der erfolgreiche Einsatz von taktischen A-Waffen wahrscheinlicher, wenn der Einsatz der dicken Dinger unwahrscheinlicher wurde.

Die Gefahr des Nuklearen Winters hätte nach dieser Logik den Einsatz von A-Waffen sogar erhöht. "Löst der Russe den Nuklearen Winter aus, nur weil ich seine 3. Garde-Panzerdivision atomierisiere?" Et vice versa
 
Also die Botschaft der Wissenschaft ist:
Ein künftiger Atomkrieg wird wahrscheinlich nicht nur die Kombattanten treffen, sondern globale Auswirkungen hervorbringen, die durchaus so gravierend sein könnten, dass die Nahrungskette insgesamt unterbrochen wird und auch der Mensch ausstirbt, … so wie seinerzeit die Saurier.
Eine Studie nach der anderen legt das nahe.

Das Verständnis von Atomwaffen seit 1945 hat sich dramatisch gewandelt von einem „Bigger Bang“, also einem größeren konventionellen Vernichtungspotential, hin zu einer Waffenkategorie, die die Ultima Ratio in der politischen Beurteilung der Kriegsführung und dem implizierten Mittel- Zielverhältnis, wie beispielsweise für die USA (vgl. Melzer)

Theorie des Nuklearkrieges

http://sebastian-melzer.de/storage/regionaltreffen/NachHiroshimafinalversion.pdf

Die Absurdität der Vernichtungskraft von A- bzw. H-Bomben hat dann folglich zu der richtigen Beurteilung durch Obama in 2010 geführt:

Die im Jahr 2010 erschienene Nuclear Posture Review der Obama-Administration ging noch viel weiter in der Reduktion der militärischen Rolle von Kernwaffen. In ihr wird festgehalten, dass Kernwaffen nur noch eine Funktion zukommt: die Abschreckung gegen existenzielle Bedrohungen der USA oder ihrer Verbündeten.“(vgl. Melzer)

Der Darstellung von hatl zum „nuklearen Winter möchte ich lediglich zwei weitere Links hinzufügen, die die Unführbarkeit eines thermonuklearen Krieges belegen.

1. Review zum „nuclear winter“ (1983)

http://www.bioinfo.biozentrum.uni-wuerzburg.de/fileadmin/07030400/Science-1990-Turco-166-76_1_globalNuclear.pdf

2. Review zum „nuclear winter“ (ca. 2007)

https://ratical.org/radiation/NuclearExtinction/RobockNW2006JD008235.pdf

Zentrales Ergebnis:
The indirect effects of nuclear weapons would have devastating consequences for the planet, and continued nuclear arsenal reductions will be needed before the threat of nuclear winter is removed from the Earth

Diese Einschätzung deckt sich mit den Studien von Carl F. .von Weizsäcker für die Bundesrepublik. Im Rahmen eines Simulationsmodells, das die damalige Bundesrepublik in Quadrate von 10 x 10 km Größe aufteilte, versuchten sie abzuschätzen, welche Konsequenzen ein atomarer Krieg mit lediglich „taktischen“ Atomwaffen hätte von denen ca. 5000 sich alleine in den Beständen der Nato befanden und beispielsweise ca. 700 Mittelstreckenraketen auf Seiten des WP. Im Ergebnis schlußfolgerten sie, dass die Bundesrepublik und auch kein anderes mittelgroßes Land eine Überlebensfähigkeit als Industriegesellschaft hätte (Weizsäcker, 1981, S. 223).

Diese Einsicht in eine inhumane Fortführung der atomaren Rüstung hatte bereits 1957 zur „Göttinger Erklärung“ von 18 Atomwissenschaftler geführt, die sich weigerten, bei einer potentiellen Bewaffnung der Bundeswehr mit A-Waffen, diese zu produzieren.

Diese humanistische Haltung, die bei einem Teil der bundesrepublikanischen Intellektuellen nach 1945 als „Verantwortungskultur“ gelebt wurde, fand eine Entsprechung in einer parteiübergreifenden Friedensbewegung, die nicht nach links-rechts sortiert war und hat seinen deutlichsten Ausdruck in der pazifistischen Tradition der Ostermärsche gefunden.

Und als Randbemerkung. Es ist hochgradig bedauerlich, dass diese von einer humanistischen Verantwortungsethik motivierten Intellektuellen, wie Weizsäcker, Augstein, Nannen etc in der politischen Kultur Deutschlands nicht mehr anzutreffen sind. Und das ist vermutlich ein Grund für die intellektuelle Verarmung Deutschlands in seiner neuen politischen Verfaßheit.

https://de.wikipedia.org/wiki/Ostermarsch

Der Pazifismus der APO um 1968 konzentrierte sich im wesentlichen auf die politische Ablehnung des amerikanischen Imperialismus und seiner Intervention in Vietnam. Erst im Zuge der Formierung der „Neuen Sozialen Bewegungen“ im Rahmen der „Anti-AKW“-Bewegung richtete sich die Kritik im Zuge der Friedensbewegung gegen die „Nachrüstungsbeschlüsse“ auch im Bereich der „neuen Linken“ (alternative Liste und Grüne) explizit gegen atomare Rüstung. Allerdings auch in diesem Fall war es ein ideologisch übergreifender Protest, der die „neue Linke“ mit Wertkonservativen wie Bastian oder Mechtersheimer zusammen brachte.

Weizsäcker, Carl Friedrich; Afheldt, Horst (1971): Kriegsfolgen und Kriegsverhütung. München: Wien: Carl Hanser Verlag.
Carl Friedrich v. Weizsäcker: Kriegsfolgen und Kriegsverhütung in: Weizsäcker, Carl Friedrich von (1981): Der bedrohte Friede. Politische Aufsätze 1945-1981. München, Wien: Carl Hanser Verlag, S. 217-246.
 
Erstmal vielen Dank für die Beiträge, das Interesse und die bereichernde Diskussion.

Es gab ja (vor allem kurz vor dem Ende des Kalten Krieges) immer Ansätze, den Atomkrieg überhaupt führbar zu machen. Sprich den taktischen vom strategischen Einsatz zu trennen. (atomare Gefechtsfeldwaffen, Mittelstreckenraketen, Miniaturisierung, Neutronenwaffen, Star Wars)

Nach der Logik des Nuklearkriegs war der erfolgreiche Einsatz von taktischen A-Waffen wahrscheinlicher, wenn der Einsatz der dicken Dinger unwahrscheinlicher wurde.

Die Gefahr des Nuklearen Winters hätte nach dieser Logik den Einsatz von A-Waffen sogar erhöht. "Löst der Russe den Nuklearen Winter aus, nur weil ich seine 3. Garde-Panzerdivision atomierisiere?" Et vice versa
darüber hab ich ein Weilchen gegrübelt.
Denn tatsächlich musste ja die Möglichkeit eines NW auch strategische Überlegungen beeinflussen.
Ausgerechnet S. Fred Singer, der ja alle Gelegenheiten ergriff um die Arbeiten wissenschaftlicher Kollegen zu diskreditieren, veröffentlicht 1984 (und 85?) Überlegungen zu eben dem Thema.
Es also so sei, dass die Aussicht des NW zu einer Entkopplung der Taktischen Atomwaffen von den Strategischen beitragen müsste. (Badasch S. 230)
Zudem wäre gerade die Sovietunion, im Falle der Absicht einen Erstschlag auszuführen, besonders benachteiligt.
Dies deshalb weil amerikanische Städte eine sehr viel höhere Brennstoffdichte aufwiesen, und damit mehr Ruß emittierten als etwa russische Städte.
Es gab, soviel kann man sagen, derartige Überlegungen.
(Die taktischen Atomwaffen finden sich hier wohl nur am Rande, wären aber eine eigene Betrachtung wert.)

Nur ist schwer feststellbar, dass sie Einfluss hatten.
1986 kommt der GOA-Report (den ich bereits verlinkte) zu dem Schluss, die Unwägbarkeiten und Unsicherheiten der Theorie des NW seien so groß, dass daraus keine Notwendigkeit einer Strategieänderung abgeleitet werden könne. Und gnädig werden 6,6 Mio. Dollar für die entsprechende Forschung aus staatlichen Mitteln für das Fiskaljahr1986 erwähnt.
Das ist eigentlich gar nichts, denn wenn ich es recht erinnere betrug das jährliche militärische Forschungsbudget zu dieser Zeit weit über 30 Mrd.
Und fünf Jahre später gibt es keine Sovietunion mehr und nicht mehr den Todfeind im Wortsinne.
(Der NW verschwindet erst mal sang,- und klanglos in der Klamottenkiste „by 1989, nearly all department support for university-based studies of nuclear winter had ceased“. http://climate.envsci.rutgers.edu/pdf/RobockAtomicSciNW.pdf )

Übrigens ist der Verfasser der Robock dessen Studie von 2007 die Thane eingestellt hat.
P.S. Danke für die interessanten Links und Hinweise.

In den 90ern wurde, so wie ich das verstehe, praktisch keine Forschung zum Thema mehr betrieben.
 
Mini-Nukes und das Blühen der Vielfalt.

1945 Zündung der ersten Atombombe (die Plutoniumbombe Trinity);
nur 80 Tage später, ohne Test, Abwurf einer Uranbombe auf Hiroshima,
dann Nagasaki (Plutoniumbombe).
Die Dinger wiegen 4 Tonnen, Sprengkraft 15-20 kt (Tausend Tonnen TNT-Äquivalent).

16 Jahre (1961) später wird die Davy Crockett (USA) in Dienst gestellt.
King of the Wild Frontier | Restricted Data
Der atomare Sprengkopf wiegt ca. 25 kg, wird mit einer Art Panzerfaust verschossen und hat eine Sprengkraft von gut 0,01 kt, also gut 10 Tonnen TNT.

Recht viel mehr kann auch für eine Panzerfaust-ähnliche Konstruktion keinen Sinn machen, sonst fliegt der Schütze mitsamt der Ausrüstung ja gleich mit weg.
Der nukleare „firecracker“ abgeschossen aus einem Rohr auf einem Jeep (der noch einen geringen Vorrat im 'Kofferraum' bevorratet),
oder von einem kleinen Dreibein,
hat indes eine höhere Sprengkraft als ein schwerer „Blockbuster“*. https://en.wikipedia.org/wiki/Blockbuster_bomb
aber nur rund 1/1000 „Hiroshima“ und markiert das untere Ende.
Im gleichen Jahr wird das obere Ende durch die AN602 (UdSSR) abgesteckt. Ca. 3000 „Hiroshimas“.
https://de.wikipedia.org/wiki/AN602
In dieser verblüffenden Spanne, die ja 6 Zehner-Potenzen (!) umfasst, bewegen sich die Erscheinungen der beiderseits vorhandenen Arsenale.
Die größte Atombombe hat eine Sprengkraft** die ein paar Millionen mal höher ist, als die kleinste.
Und es sind erst 16 Jahre seit der allerersten Nuklear-Bombe vergangen.
In geradezu rasender Geschwindigkeit entsteht eine staunenswerte Vielfalt.


* Gut 10 Tonnen beträgt die maximale Bombenladung eines schweren Bombers RAF BBMF - The Lancaster im zweiten Weltkrieg.

** Die unmittelbare Zerstörung (Druckwelle, Hitzewelle) wächst nicht linear zur Sprengkraft, sondern Zerstörung =Sprengkraft ^0,666. The Energy from a Nuclear Weapon | Effects of Nuclear Weapons | atomicarchive.com
Eine zehnfache Entladung von einem Zentrum bewirkt nur das knappe fünffache an Zerstörung, eine 100-fache Entladung lediglich das gut 20-fache, usw...
Dieser physikalische Zusammenhang begünstigt eine große Zahl an kleinen Wirkungen, gegenüber einer kleinen Zahl an großen Wirkungen.
 
Hitlers Atombombe

Um es vorweg zu nehmen: Es gab sie nicht, und sie war auch nicht in Reichweite.
Doch warum?

Im Zentrum der Diskussion finden sich u. a. die Rollen von Physikern wie Heisenberg und C.F. v. Weizsäcker oder Hahn. Und dies sehr exemplarisch für die Deutschen vor und nach dem Kollaps.
Es gibt da sehr verschiedene Erzählweisen:
Diese Leute waren begeistert, engagiert, willfährig, oder indifferent, passiv, verzögernd, oder gar waghalsige Saboteure des Grauens,
.. oder schlicht unfähig die Atombombe hervorzubringen.

Die Institute in denen sie arbeiteten (Uranverein) waren jedenfalls von Ende 1939 – Anfang 1942 dem „Heereswaffenamt verpflichtet“.
(Wie übrigens vergleichbar auch ähnliche Behörden in anderen Ländern, die Anstrengung unternahmen die Möglichkeiten der Kernspaltung auszuloten.)
Der Uranverein ist also zunächst in enger Kopplung dem Militär unterstellt, und dieses interessiert sich natürlich für die militärische Nutzbarmachung der Kernphysik.
Andererseits waren, insbesondere junge, Forscher davon bedroht an der Front zu Tode zu kommen.
Die entscheidende Instanz hier (u.k.-Stellung) war die Wehrmacht [2], und die hielt nicht viel von Grundlagenforschung;
was naheliegend erscheinen muss, angesichts eines dynamischen Tagesgeschäfts, wenn man das so sagen kann.
Die Auseinandersetzung mit den Ansprüchen des Krieges ist unausweichlich und wahrscheinlich dominierend.

Anfang1942 fällt dann die Entscheidung gegen die Entwicklung der Atombombe und der Uranverein wird dem Reichsforschungsamt unterstellt:
„Die von den Beamten des Heereswaffenamtes in den ersten Monaten des Jahres 1942 getroffene Entscheidung war endgültig. Von da an glaubte niemand mehr - weder die Militärs noch die deutsche Industrie, noch die NS-Regierung, ja nicht einmal die Hochschul- und Heereswissenschaftler selbst -, daß Atomwaffen während des Zweiten Weltkrieges gebaut werden und noch zum Einsatz kommen könnten“. [1 PDF-Seite 6]

Mark Walker kommt zu dem Schluss, dass das Prinzip der Atombombe im 3. Reich durch Hilfe der Physiker durchaus verstanden wurde, jedoch organisatorische wie wirtschaftliche Gründe eine militärische Nutzung unterbanden. Und insbesondere auch eine ganz verschiedene strategische Ausgangslage zu unterschiedlichen Vorgehensweisen führten.
Während das dritte Reich zum Zeitpunkt der technologischen Richtungsentscheidung darauf hoffen durfte, und musste, einen schnellen Sieg zu erlangen, war die Situation der Alliierten eine gänzlich andere. Weder mussten sie einen schnellen Sieg erringen, noch konnten sie darauf hoffen.
Das ergibt dann ganz verschiedene Brennpunkte der handlungsbestimmenden Wahrnehmungen. [2 Seite 207)

Im Dezemberheft des SDW findet sich eine kontroverse Erweiterung der Sicht. [3]
Der Physiker Manfred Popp postuliert, auch am Beispiel der fehlenden Zyklotrone, es habe überhaupt kein Atomwaffenprojekt gegeben. (Was nicht ganz Konsens ist, denn genauer wäre es zu sagen ab 1942, als erkannt wurde, dass das ein solches außerordentlich aufwendig ist.)
Dies deshalb, so die Argumentation, weil sich die führenden Physiker, allen voran Heisenberg, (fast) keine Gedanken dazu machten und das Anstreben einer Atombombe die eigene Existenz mehr gefährdete als der Abstand zu solch einem Vorhaben;
und zudem Heisenberg 1937-38 gelernt habe, dass man dem Nazi-Regime nur etwas verschweigen kann, was man nicht weiß.
...Und wie sich durch Farm-Hall Protokolle [5] herausstellen sollte, so argumentiert er, war Heisenberg zunächst völlig perplex durch die BBC-Nachricht der Hiroshima-Bombe, jedoch nach sehr kurzer Zeit in der Lage, nach anfänglicher Ungeschicklichkeit, entsprechende Berechnungen durchzuführen.
Er schließt daraus ein bisserl kühn, Heisenberg könne sich nicht mehr als eine Woche insgesamt vorher mit dem Thema Atombombe auseinander gesetzt haben.

Wellerstein, [4] weist darauf hin, dass diese Farm-Hall Protokolle (declassified 1992) eine sehr tückische („notoriously tricky primary source“) Quelle sind. Denn den internierten deutschen Physikern musste klar sein, dass die Räume in denen sie sich aufhielten verwanzt sein konnten.
Ihre Einlassungen sind auch nicht ohne weiteres von möglichen Bemühungen zu trennen, die eigene Rolle gegenüber einem künftigem Publikum zu gestalten. Zudem sind die Originaldateien (Audio und deutschsprachige Transkriptionen) nicht erhalten sondern nur spätere Übersetzungen ins Englische, bzw. eine Rückübersetzung ins Deutsche.

Jedenfalls, kommt Popp [3] zu dem Schluss „Auch ihnen [den Physikern] schien es wohl im Blick auf denkbare Vorwürfe im Nachkriegsdeutschland angenehmer zu sein, die "Wunderwaffe" wäre nur aus ökonomischen Gründen ausgeblieben. Tatsächlich haben sie einen großen Bogen um die Bombe gemacht.“

Ich kann es mir nicht verkneifen: besonders groß kann der Bogen nicht gewesen sein, nachdem das deutsche Atombombenprojekt just in dem Moment abgeblasen wurde, als die Amerikaner nach dem optimistischen MAUD-Report der Briten [6] zu dem Schluss kamen, ….. die Sache geht doch.
Und bis dahin waren auch die Arbeiten der deutschen Physiker einigermaßen auf Augenhöhe.

Ich will aber den Artikel von Popp [3] sehr empfehlen, weil er einen guten geschichtlichen Überblick gibt und physikalische Aspekte beleuchtet, die naheliegend zu Fehlinterpretationen führen. Hier vor allem zu nennen die Unschärfe des Begriffs „Kritische Masse“.

Das passende Schlusswort lässt der Autor [3] Otto Hahn sprechen:
„Ich danke Gott auf den Knien, dass wir die Uranbombe nicht gemacht haben.“

[1] http://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1990_1_2_walker.pdf

[2] Mark Walker – Die Uranmaschine, Mythos und Wirklichkeit der deutschen Atombombe 1990

[3] Spektrum der Wissenschaft Dezember 2016 - Spektrum der Wissenschaft
Reprint in der Zeit: NS-Zeit: Darum hatte Hitler keine Atombombe |*ZEIT ONLINE

[4] What did the Nazis know about the Manhattan Project? | Restricted Data

[5] http://germanhistorydocs.ghi-dc.org/pdf/eng/English101.pdf , als Rückübersetzung http://germanhistorydocs.ghi-dc.org/pdf/deu/German101ed.pdf
Einen sehr lesenswerten Überblick über die Protokolle gibt Walker 1993:
http://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1993_4_5_walker.pdf

[6] The MAUD Report, 1941 | Historical Documents | atomicarchive.com
 
Das Loch im Fass.

"Daß ich erkenne was die Welt im Innersten zusammenhält.
Schau' alle Wirkungskraft und Samen, und thu' nicht mehr in Worten kramen." [1]​

Am 12. April 1945 stirbt Franklin D. Roosevelt. Damit wird sein Vize Harry S. Truman amerikanischer Präsident.
Nun geschieht etwas Bemerkenswertes. Der Kriegsminister Stimson und der Direktor des „Office of War Mobilisation“ Byrnes suchen ihn am folgenden Tag auf. Die zwei älteren Herren teilen ihm ernst feierlich mit, dass man gerade an der Schwelle zur Vollendung einer Waffe stünde die mächtig genug sei um die Erde zu zerstören. [2]

Am 24. April 1945, 11 Tage später, so erinnert sich Stimson, habe er mit dem neuen Präsidenten ein Memorandum (Stimson-Memorandum) zu diesem Umstand diskutiert: [3]
(Es also 1. so sei, dass innerhalb von vier Monaten die schrecklichste Waffe der Menschheitsgeschichte vollendet sein werde. Eine einzige Bombe könne eine Großstadt zerstören.
2. man in dieser technischen Entwicklung Jahre voraus sei;
3. es indes als ausgeschlossen gelten müsse, dass man selbst dauerhaft ein Monopol auf eine solche Waffe sichern könnte.
4. ein Staat eine solche sehr wirksamen Waffen im Geheimen entwickeln könne (man hat es ja gerade sehr erfolgreich selber getan).
5. Dass der erreichte moralische Fortschritt, verglichen mit dem technischen, letztlich einer solchen Waffe ausgeliefert ausgeliefert wäre. „
In
 other 
words,
 modern
 civilization
 might 
be
 completely
destroyed. „
Die weiteren Punkte 6. - 8. sind auch lesenswert. Es also keine adäquaten internationale Strukturen gäbe, um der entstanden Situation gerecht zu werden.
Das ist weitsichtig, denn es beschreibt bereits die kommenden Grundprobleme des atomaren Zeitalters. )

Am 24. April 1945 ist der Fall Nazideutschlands nun nahezu Fakt, und der Griff des Top-Tyrannen nach der Weltherrschaft abgewehrt, doch der Krieg gegen Japan geht weiter.


Nun entstand das Atom-Programm der Amerikaner und Briten wesentlich aus der Furcht vor der Nazi-Bombe. Jedenfalls lässt sich begründet annehmen, dass dies ein Antrieb der Einfluss nehmenden Wissenschaftler war. Einstein, Frisch, Peierls, Szilard, Teller, Wigner, Fermi..; alle haben als Verfolgte Grund den deutschen (und italienischen, hier Fermi) Faschismus zu fürchten.

Gehen wir zurück..
Wenige Tage vor Heiligabend 1938 führen Otto Hahn und Straßmann am Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin ein Experiment durch, dessen Ergebnis sie nicht deuten können.
Die brillante Theoretikerin Lise Meitner [4] wird ihrem Freund und wissenschaftlichen Mentor, mit dem sie 30 Jahre gearbeitet hatte, helfen können.

Mittlerweilen als Jüdin nach Schweden geflüchtet pflegt sie weiterhin von Stockholm aus einen regen fachlichen Austausch mit Hahn per Post. [5]
Februar 1939 veröffentlicht sie, und auch ihr Neffe Otto Frisch, eine theoretische Erklärung: Uranatome sind 'zerplatzt', mitsamt Massendefekt und Energiefreisetzung (E=mc^2).
Tante Meitner und Neffe Frisch verbrachten in Schweden gemeinsam die Weihnachtsferien, als ihnen das Hahn-Straßmann-Experiment zur Kenntnis gelangte, so jedenfalls Wiki ..

Der Frisch wird 1940 glücklich, kurz vor dem deutschen Einmarsch, nun aus Dänemark nach Birmingham flüchten können, zu Professor Mark Oliphant. [8]
Dort trifft der Frisch den Peierls, ebenfalls geflüchtet. Die zwei gelten offiziell als „alien foreigners“ und dürfen daher wenig schaffen, sind indes umso eifriger. Diese werden ein Memorandum[6] [7] erstellen, das über Oliphant weitergetragen zu den Maud-Reports führen wird.[8] Und dieser (diese) wiederum stellt (stellen) einen Wendepunkt der Entwicklungsgeschichte dar: Das Ding erscheint machbar. [9]
Und wenn dem so ist, dann ist nicht nur höchste Geheimhaltung geboten, sondern gleichzeitig auch größtes Misstrauen gegenüber der hochgradig aggressiven Nation, die jene Schüler hervorbrachte, die im erzwungenen Exil, die theoretischen Grundlagen der Machbarkeit darlegen.

Es ist eine so verrückte Story, dass man schwerlich darum herum kommt dem Bild von Max Born zu folgen: „ Wir sitzen alle im wahren Sinne des Wortes auf einem Pulverfaß; das hat allerdings ziemlich dicke Wände, und wir brauchten ein paar Jahrtausende, um ein Loch hineinzubohren.
….
Konnten wir nicht das Faß in Ruhe lassen und friedlich auf ihm sitzen, ohne von seinem Inhalt etwas zu ahnen?“[10]
Ja das ist eine Gundfrage: konnten wir, oder konnten wir leider nicht?

Wurde von einer weiteren Frucht vom Baum der Erkenntnis genascht? Und es ist vielleicht nicht so entscheidend von wem und wann, denn die Frucht war reif, und brodelt wieder eine neue "Hölle dort unter der Schwelle" zu Gretchens Füßen?
Und die Frage des Stimson-Memorandums [3] vom 24. April 1945 für Truman bleibt bestehen:
Ist die Mensch in seiner gegenwärtigen moralischen Verfassung gerüstet für einen solchen Sprung der technischen Machbarkeit? Oder muss er hier zur Geisel des eigenen kulturellen Geschöpfs werden, wie der Zauberlehrling Goethes, der Geister beschwört die er nicht in Schach halten kann?
[11]

...
[1] Goethe: Faust - Studierzimmer
[2] Rhodes – Making of the Atomic Bomb - S. 618
[3] http://afe.easia.columbia.edu/ps/japan/stimson_harpers.pdf S. 5ff
[4] https://www.ub.hu-berlin.de/shared/...orische-sammlungen/kustodie/biographie-lm.pdf
[5] Lise Meitner und die Kernspaltung - Spektrum der Wissenschaft
[6] Britain's Early Input - 1940-41 | Atomic Heritage Foundation
[7] https://web.stanford.edu/class/history5n/FPmemo.pdf
[8] Rhodes – The Making of the Atomic Bomb – S. 321 ff.
[9] http://atomicarchive.com/Docs/pdfs/00416632.pdf
[10] Max Born: Vom Wesen des Atomzeitalters - Vortrag vor der Evangelischen Akademie Loccum vom 21. 6. 1955
[11] Johann Wolfgang Goethe: Gedichte von Johann Wolfgang von Goethe - Text im Projekt Gutenberg
 
Zuletzt bearbeitet:
Am 24. April 1945 ist der Fall Nazideutschlands nun nahezu Fakt, und der Griff des Top-Tyrannen nach der Weltherrschaft abgewehrt, doch der Krieg gegen Japan geht weiter.

......
Konnten wir nicht das Faß in Ruhe lassen und friedlich auf ihm sitzen, ohne von seinem Inhalt etwas zu ahnen?“[10]
Ja das ist eine Gundfrage: konnten wir, oder konnten wir leider nicht?

Eine philosophische Fragestellung und eine philosophierende Antwort aus der Sicht der zwischenstaatlichen Machtpolitik.

Interessiert hat mich, wer als Philosoph dazu eine grundsätzliche Antwort gegeben hatte, die auch von einer praktischen Relevanz ist. Bei Anders finden sich in Bezug auf die A-Bombe ein paar interessante Überlegungen.

Ausgehend von dem Konflikt im WW2 waren sich die Alliierten einig, dass der - gute - Zweck, die Mittel heiligen würde. Das kommt deutlich zur Geltung in dem Anspruch der USA, das Arsenal der Demokratien zu sein. Rückwirkend erhielt der Anspruch eine ausreichende Legitimation durch den Vernichtungskrieg des NS-Regimes.

https://en.wikipedia.org/wiki/Arsenal_of_Democracy

Mit dem Ende des WW2, so die - verkürzte - Argumentation von Anders wurde mit den A-Waffen eine neue Kategorie der Vernichtung geschaffen, die einen neuartigen "Totalitätsanspruch" formulierte und die bis dahin geltende Einsicht, "Alle Menschen sind sterblich" durch die Einsicht ersetzte, "Die komplette Menschheit kann vernichtet werden".

Mit der A-Waffe wurde ein Mittel geschaffen, dass das bisherige Verhältnis des Mittels zum Zweck geändert hat. Und eine neue Legitimation der militärischen Mittel erforderte bzw. eine Diskussion über angemessene Zwecke ihres Einsatzes, auch im Sinne von Clausewitz.

Das Mittel, die A- bzw. H- Bombe, war als "militärisches Mittel" extrem in seinem Potential gewachsen. Und es stellte sich die Frage, welcher Zweck den Einsatz dieses Mittels überhaupt noch rechtfertigen konnte. Das Problem war, dass die Möglichkeit zur finalen Auslöschung einer Region bzw. der Menschheit nur noch durch eine ähnlich symbolische Übersteigerung der Ziele/Zwecke legitimiert werden konnte.

Die politische Antwort wurde auch der Ebene der Nationalstaats-Ideologie gefunden. Der finale Zweck einer nationalstaatlichen Politik ist die Verteidigung der Souveränität und die Integrität des Staates. Der Schutz der "Nation" legitimierte in der Konsequenz jedes Mittel.

In diesem Sinne mußte jede zwischenstaatliche Bedrohung während des Kalten Krieges zwangsläufig so symbolisch überhöht werden, weil es das Potential des Verlustes der Souveränität in sich barg, um durch diese symbolische Überhöhung des Zwecks eine Entsprechung zum Mittel zu konstruieren. Die USA und die UdSSR bewegten sich im Rahmen des ideologischen Konflikts zwischen den Alternativen von "Sein" oder "Nicht-Sein" des "National-Staates".

Vor diesem Hintergrund konnte mit dem neuen Mittel - der A-Bombe - die neuen Zwecke im Kalten Krieg gerechtfertigt werden. Die symbolisch überhöhte nationale Souveränität war der entsprechende Zweck zum Mittel der A-Bombe.

Es ließe sich sogar m.E. die These in Anlehnung an Anders aufstellen, dass die Verschärfung der Systemrivalität, also die ideologische Verschärfung des Konflikts, die notwendige Voraussetzung waren für die lange unproblematisierte Akzeptanz der A-Waffen gerade auch in den USA. Die intensiven spiegelbildichen Feindbilder des sowjetischen Kommunismus respektive des aggressiven US-Imperialismus waren auch im Hinblick auf eine psychologische Vorbereitung eines Krieges und der Rechtfertigung des Einsatzes alles Waffen wichtige Voraussetzungen.

Mit dem Kalten Krieg mußte somit erstmalig das Mittel den Zweck heiligen und stellte auch einen Paradigmenwechsel her. Der A-Waffenkrieg war nicht mehr die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, sondern der Zweck mußte den Mitteln entsprechen.

Mit der A-Bombe wurde zunächst im Rahmen der "massiven Vergeltungsstrategie" nur der Zweck zugelassen zwischen "Sein" oder "Nicht-sein" einer Nation und damit der Zweck auf diese simple Dichotomie verkürzt.

Die Absurdität dieser Situation hat zu einer Anpassung im Rahmen der "flexible Response" geführt. Aber hat nicht das grundsätzliche Dilemma gelöst, ob es Technologien gibt, die die moralische und ethische Verantwortlichkeit übersteigen.

Mit dem Wegfall des "Kalten Krieges 1.0" und dem "Ende der Ideologien" konnte nur kurzfristig die "Friedens-Dividende" eingestrichen werden. An die Idee des Einsatzes von A-Waffen scheinen wir uns in der Zwischenzeit gewöhnt zu haben. Das Ritual der Kritik an den A-Waffen läßt die Zivilgesellschaft abstumpfen. Wird schon nicht so schlimm und Korea ist weit weg.

Aber vielleicht brauchen wir einen "kleinen Atom-Krieg", damit wir uns wieder vorstellen können, was der atomare Tod bedeutet. Es wird sicherlich der - mögliche - atomare - Showdown in Korea in Sondersendungen live übertragen werden, inklusive der zwangsläufigen "Betroffenheits-Talkshows" und dem guten Willen aller Beteiligten. Vielleicht auch zur finalen atomaren Abrüstung.

Dennoch: Eigentlich haben alle schon vorher gewußt, daß A-Waffen keine Option sein können.

Anders, Günther (1980): Die Antiquiertheit des Menschen. Über die Seele im Zeitalter der zweiten industriellen Revolution. Bd. 1, 2 Bände. München: Beck
 
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Vielen Dank Thane.

Letztlich muss das ja eine philosophische Fragestellung sein.
Wäre es nicht ausreichend so begriffen, unausweichlich würden die ungesteuerten Dynamiken über dem Willen der selbstbestimmten menschlichen Vernunft stehen.
Und dann wäre es so, wie Du Anders wiedergibst:
„Mit dem Kalten Krieg mußte somit erstmalig das Mittel den Zweck heiligen und stellte auch einen Paradigmenwechsel her. Der A-Waffenkrieg war nicht mehr die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, sondern der Zweck mußte den Mitteln entsprechen.“

Und auch das wär unvermeidlich:
„Mit dem Ende des WW2, so die - verkürzte - Argumentation von Anders wurde mit den A-Waffen eine neue Kategorie der Vernichtung geschaffen, die einen neuartigen "Totalitätsanspruch" formulierte und die bis dahin geltende Einsicht, "Alle Menschen sind sterblich" durch die Einsicht ersetzte, "Die komplette Menschheit kann vernichtet werden".“

Blöderweise ist es aber so... und 'wär' nicht nur, zumindest beim zweiten Aspekt.
Und was den ersten Aspekt angeht, der auch plausibel ist, so wird die Frage Stimsons, ob die Menschheit mit der Geschwindigkeit ihrer moralischen Entwicklung, der Geschwindigkeit der technischen Entwicklung standhalten könne, eher negativ beantwortet.

Jetzt hat also der Mensch, nach vielen tausenden Jahren, das Loch in dicke Wand des Fasses der Naturgesetze gebohrt, in die Büchse der Pandora. (um ungefähr beim Bild von Max Born zu bleiben)
Damit stellt sich unvermeidlich die Frage mit welcher Wahrscheinlichkeit eine Zivilisation ein solches Tun überlebt. (Und wie viele weitere Wände unser Überraschungs-Fass noch hat.)

Es ist die Frage auch nach dem Fermi-Paradoxon.
(Ungefähr so: Wenn man statistisch davon ausgehen darf, dass unsere Galaxie eine riesige Anzahl Zivilisationen (Drake-Gleichung) beherbergt, und diese,, sofern sie Eifer zeigten, sich im zeitlichen Bereich von nur einigen zehn Millionen Jahren ausdehnen könnten, .. dann darf man sich wundern wo sie denn sind..?
Susan Blackmore ergänzt in einem Vortrag die Gleichung im dem Sinne, dass die schnelle Aneignung von Fähigkeiten grundsätzlich eine Gefahr für eine Spezies darstellen müsse, und daher ein weiterer, auch durchaus spekulativer, Faktor eingeführt werden sollte: nämlich die Wahrscheinlichkeit, dass eine Zivilisation ihre eigene Forstschritte überlebt. Und je nach Faktor sind die ET's da, oder nicht)

Das ist auch gar nicht so ganz OT.
Nachdem ja die Menschheit, in immer schnellerer Folge, neuen und ungeahnten Konsequenzen ihres ausufernden Wirkens gegenübersteht, muss man sich schon fragen: wie wahrscheinlich verwelkt solch großartige Blüte in langen kosmischen Zeitmaßstäben.?
Ja, und wo sind sie? Die Außerirdischen des Fermi-Paradoxons?

So weit vorwärts, und zurück, muss mE die Betrachtung gehen.
Denn wir haben ja keine weiteren Indizien, ob eine Zivilisation typischerweise die Explosion ihrer eigenen Fähigkeiten überlebt, oder auch nicht.
Und schaut man sich geschichtlich die Steigerungen derselben an, dann kann man schwerlich umhinkommen diese als 'Explosion' zu deuten.
Denn so richtig los ging es ja erst um 1800, vor nur 200 Jahren. Weniger als ein Wimpernschlag eines Wimpernschlags der Zeit, selbst des HS selbst.
Gerade da wurde das Loch ins Fass gebohrt.
Es ist geradezu unglaublich, dass wir uns gegenwärtig in der aufspringenden kulturellen Blüte eines voran gegangenen langen Schlafes finden.
 
Lise Meitner und das Loch im „Fass“.

.. die Wandung desselben war schon sehr dünn geworden, was wir in der Rückschau besser wissen als die Akteure am Jahreswechsel 1938 auf 1939.
Denn diese zeigten sich überrascht als sie unerwartet ein kleines Loch in das Innere bohrten.

Als Zurückblickender ist man ebenfalls überrascht wenn man sich den Versuchsaufbau anschaut, mit dem das Kernspaltungsexperiment durchgeführt wurde.
http://www.deutsches-museum.de/sammlungen/meisterwerke/meisterwerke-i/kernspaltungstisch/
Schaut aus, man kann es kaum anders sagen, wie eine Art Bastel-Tisch, und ich würd mal sagen; in gewisser Weise war er das auch.
Das eigentliche Ding ist der kreisrunde 'Gugelhupf' aus Paraffin und Kernbereich rechts oben.
Der Rest ist Peripherie (auch interessant).
http://www.deutsches-museum.de/file.../020_Meisterwerke/010_I/Hahn-Tisch_Skizze.jpg
Im 'Gugelhupf' selbst ist ein Neutronenstrahler platziert.

Sechs Jahre vorher gelang Chadwick mit einer entsprechenden Anordnung von Alphastrahler und Beryllium das Neutron nachzuweisen.
Dieses war bereits prognostiziert. Denn ohne Neutronen sollten die, all bereits bekannten, Protonen der Atomkerne auseinanderstreben.

Das geladene Proton, lässt sich damals bereits nicht nur nachweisen sondern auch messen. Und man versteht wohl auch, dass solche Teilchen schwerlich in einen Atomkern eindringen und diesen gezielt so verändern können, dass er etwas von seinem Geheimnis preisgibt.
Was aber wenn man den Atomkern mit elektrisch neutralen, jedoch Masse behafteten Teilchen beschösse und denselben dergestalt auch treffen und dergestalt also Isotopen, oder gar andere Elemente hervorbringen könnte?

Das Thema ist spannend; in Fachkreisen.
Die Erörterung hat ein langes Vorfeld und ist fachübergreifend. Der Physiker braucht den Chemiker und umgekehrt. Ein solches Gespann entsteht aus der Beziehung Otto Hahn und Lise Meitner.

Die Tochter einer jüdischen Familie in Wien ist hochintelligent und tiefgreifend fasziniert vom Wesen der Physik und überwindet mit bewundernswerter Ausdauer, und auch der Hilfe des Vaters, die zunächst größte Hürde der Zeit: die Diskriminierung des weiblichen Geschlechts.
Bereits mit 14 hat sie in Wien die, für Mädchen, maximal mögliche Schulzeit, beendet (1892).[1]

Nun, sie wird dennoch, auch mit bewundernswerter Unterstützung ihrer Eltern, ihren Weg gehen, und wird sich wohl auch des Vorbilds von Marie Curie bewusst gewesen sein.

1907 kommt sie nach Berlin, mit einem relativ frisch gebackenen Doktor der Physik (1905),
als zweite Frau überhaupt, der Uni Wien. (Zu der Zeit treibt sich in dieser Stadt ein verlotterter „Künstler“ herum,[2] der später nach ihrem Leben trachten wird.)

Schaut man sich an wer dabei ihre, notgedrungen männlichen, Unterstützer waren, dann findet man nicht nur so große Namen wie Planck und Boltzmann, sondern auch deren tief sitzenden Vorbehalte gegen Frauen. Also die Lise muss auch in Berlin erst mal unentgeltlich schuften und das neugegründete Labor Hahns durch den Hintereingang betreten.
(Dieses ist übrigens eine ehemalige Holzwerkstatt[3], und vielleicht hat das auch ein wenig die Gestalt des berühmten „Hahn-Tisches“ zu tun, der vielleicht besser Straßmann-Meitner-Hahn-Tisch hieße).
Als sie Juli 1938 überstürzt vor dem Wiener Streuner aus Linz, ihr Leben über die Niederlande nach Schweden retten muss, gibt ihr Hahn einen Diamantring seiner verstorbenen Mutter mit auf den Weg, damit sie Grenzposten bestechen könne.
Holländische Physiker-Kollegen helfen ihr. [4]

Lise Meitner ist zu dieser Zeit insgesamt mit der internationalen Avantgarde ihrer personell überschaubaren Kunst vernetzt.

Über Holland und Dänemark geht es nach Schweden, dort gibt es einen kleinen, jedoch entwürdigenden, Job, aber auch Verwandtschaft.

Der Hahn vermisst sie. Die beiden schreiben einander viel und diskutieren Rätsel der Kernphysik.
Am 19. Dezember 1938 schreibt er an die „Liebe Lise“, dass Straßmann unermüdlich an „Urankörpern“ forsche, und er selbst dies auch tue, soweit er dazu komme. [5]

Es habe sich nun ein sehr überraschende Resultat gezeigt „und vielleicht kannst Du irgendeine phantastische Erklärung vorschlagen“. Der berühmte Satz im Brief.

Weihnachten geht die Lise Meitner mit ihrem Neffen Otto Robert Frisch spazieren, durch die Schneelandschaft Schwedens.
Man hat sich zu Weihnachten bei der Verwandtschaft getroffen.

Frisch ist ebenfalls Kernphysiker und mittlerweile nach Dänemark geflüchtet.
(Er ist bei Niels Bohr untergekommen, erste Adresse der Zeit.)

Am 29. Dezember schreibt Lise Meitner an Hahn:
„Liebster Otto! … Otto R. [Robert] und ich haben uns sehr die Köpfe zerbrochen.“

Im Januar 1939 werden beide, Tante und Neffe, eine Theorie der Kernspaltung veröffentlichen.
Fast unbemerkt, im Wirbel einer schrecklichen Zeit, bohrt sich eine Fistel durch die Wand des Fasses.

Lise Meitner wird Ansinnen zurückweisen, an der militärischen Nutzung der Kernspaltung mitzuwirken.



[1] http://terzadecade.it/download/lise_meitner_-_microfisica_inquieta/04 - Ruth Lewin Sime - Lise Meitner A life in Physics (1996).pdf PDF-Seite 9
[2] Brigitte Hamann – Hitlers Wien
[3] Sexl, Hardy - Lise Meitner - S. 43
[4] http://bnrc.berkeley.edu/Famous-Women-in-Physical-Sciences-and-Engineering/lise-meitner.html
[5] Sexl, Hardy - Lise Meitner – S. 89
 
Gelber Kuchen aus Südafrika.



Der Uranabbau beginnt zunächst mit der Erkundung der Erzvorkommen.
Einstein nennt in seinem berühmten Brief an Roosevelt 1939 „some good ore in Canada and former Czechoslovakia, while the most important source of uranium is in the Belgian Congo.“ [1]

Uran ist der Grundstoff, und der wird aus uranhaltigem Erz gewonnen. Die Suche nach Vorkommen beschleunigt sich mit dem Erkennen der sich plötzlich offenbarenden Möglichkeiten und wesentlich mit dem Manhatten Project, welches mit sehr hohem Aufwand schließlich die Machbarkeit der Atombombe beweisen wird.

1944 ergeht von britischer Seite die Bitte an den MP der Südafrikanische Union Jan Smuts Berichten über Uranvorkommen nachzugehen. Und dieser vermeldet nach eingehenden Untersuchungen es sei tatsächlich Uran in den heimischen Goldminen vorhanden.
Ab ca. 300g Natururan pro Tonne Erz wird die Sache interessant, als grober Daumenwert des unteren Endes, welches dadurch gekennzeichnet ist , dass eine Ausbeutung solch magerer Quellen nur im Verbund mit dem Abbau anderer Kostbarkeiten wie Gold, Silber oder Kupfer lohnend erscheint.
Im Falle Südafrika findet sich das Tandem Gold-Uran. Große Vorräte von eher geringer Konzentration, aber die ausgelaugten Schlämme der reichen Goldquellen lassen sich erfolgreich nachbehandeln, nachdem tausende von Tonnen des Gesteins ohnehin schon zermahlen wurden.


Prinzipiell geht die Urangewinnung technisch hier so:

Das Erz wird in einer großen Anlage fein zerstampft und mit Säuren, die das Uran lösen, behandelt.
Aus diesen lässt sich, nachdem man sie als Flüssigkeit abgezogen hat, durch Verdampfung Uranoxid (U3O8) abscheiden. Das ergibt dann ein gelbes Pulver welches man Yellowcake nennt. Gelber Kuchen.
1952 geht die erste produktive südafrikanische Anlage in Betrieb, errichtet mit weitgehender amerikanischer und britischer Hilfe.

1955 sind bereits solcher 16 vorhanden. [2]
(Theoretisch hätte man ja auch das Erz selber beziehen können. Die Wirtschaftlichkeit eines solchen Transports blieb wohl wenigstens fraglich, angesichts des geringen Uran-Gehalts. Und will man tatsächlich solche Fabriken selber haben, womöglich in der Nachbarschaft, wenn sie andernorts bleiben können?)
Also wir erwerben jetzt als Atommacht den Yellowcake [3].

Aus dem wird anschließend Uranhexafluorid gemacht[4].
Dieser hochgiftige Feststoff geht ab 57°C in die Gasphase über und dann kann diesen zentrifugieren. Mit nicht unerheblichem Aufwand, aber es geht. (Einen Backstein kann man ja überhaupt nicht zentrifugieren, es braucht ein Newtonsches Fluid, flüssig oder gasförmig.)

Und so kann man, wenn man mehrere tausend Zentrifugen hintereinander schaltet, auch eine Isotopentrennung, sprich Anreicherung und Veredelung des begehrten Stoffes bewerkstelligen.
Und genau das haben die Südafrikaner gemacht [5], und die Distanz zur Bombe hatte sich ebenso verkürzt, wie der Abstand zum Puls der damals gegenwärtigen Zeit.
Denn unvermeidlich stellte sich die Frage ob es nicht möglich, und damit möglicherweise unverzichtbar sei, selbst Atommacht zu werden.
Mitte der 60er beginnt die Anreicherung, und Mitte der 70er beginnt das geheime Südafrikanische Atomwaffenprogramm, welches schließlich international unbemerkt 6 Hiroshimas mitsamt dem unverzichtbaren Trägersystem hervorbringen wird.



[1] https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/bf/Einstein-Roosevelt-letter.png

[2] https://isis-online.org/uploads/isi...visitingSouthAfricasNuclearWeaponsProgram.pdf PDF-Seite 15

[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Yellowcake.
[4] http://www.atomicarchive.com/Glossary/Glossary10.shtml

[5] By the end of August 1979, the plant had produced only about 64 kilograms of 80 percent enriched uranium during a period of 1.66 years. Nonetheless, this amount was enough for South Africa’s first nuclear explosive, which was completed in November 1979. [2 – PDF-Seite 52]

Für 64 Kilogramm 80% angereichert U235, im Erz mit, sagen wir mal ungefähr 1kg Urangehalt pro Tonne Erz und sicher 0,7% U235 im Natururan, braucht man überschlägig 5.000 t Erz. (Vielleicht hat jemand endlich Lust solch flapsige Rechnungen zu prüfen .;))
 
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Der Compton Report (und der Flaschengeist)



Evt ist der hier noch nicht verlinkt worden: Report des Uranium Kommitee an den Präsidenten vom 17.5.41, Perspektive: Atombombe und überlegene Schiffs- bzw. UBoot-Antriebe.



https://nsarchive2.gwu.edu//dc.html?doc=3913457-Report-of-the-Uranium-Committee-Arthur-H-Compton



Vielen Dank silesia für den sehr interessanten Link (Compton-Report Mai 1941)

Der verlinkte Bericht vom Mai 1941 zeigt mit welch professioneller Ernsthaftigkeit in den USA zu diesem Zeitpunkt die Sache in die Hand genommen wurde.

Ich versuche das mal in eine Zeitlinie (und eine andere) zu bringen.
1938 auf 39:
Hahn gelingt die Kernspaltung, ohne sie als solche deuten zu können.
Frisch und Meitner entwickeln eine Theorie der Kernspaltung noch zur Jahreswende.
Frisch muss weiter fliehen, landet in England bei Marc Oliphant, und trifft dort den ebenfalls geflüchteten Physiker Peierls.
Die beiden überlegen und rechnen eifrig und verfassen März 1940 ein Memorandum 1) welches nicht nur die die Machbarkeit der Atombombe nahelegt, sondern auch darauf hinweist, dass im Falle einer Deutschen Atombombe, weder Schutz vor dieser möglich sei, noch eine Aussicht bestünde in kurzer Zeit gleichzuziehen. Daher bestünde dringende Notwendigkeit sich des Themas anzunehmen.
„If one works on the assumption that Germany is, or will be, in the possession of this weapon, it must be realized that no shelters are available that would be effective and that could be used on a large scale. The most effective reply would be a counter-threat with a similar bomb. Therefore it seems to us important to start production as soon and as rapidly as possible, even if it is not intended to use the bomb as a means of attack. Since the separation of the necessary amount of uranium is, in the most favourable circumstances, a matter of several months, it would obviously be too late to start production when such a bomb is known to be in the hands of Germany, and the matter seems, therefore, very urgent.“

Daraufhin wird die MAUD- Kommission ins Leben gerufen.
Diese beendet ihre Arbeit im März 1941. Die Wirksamkeit dieser besteht im Wesentlichen in einer fundierten Empfehlung an die USA die Arbeiten in größerem Stil aufzunehmen.
Auch hier wird das Risiko hervorgehoben sich einer überlegenen Waffe in Feindeshand ausgesetzt zu finden. („.. risk being caught without a weapon of such decisive possibilities.")
2)

Nur zwei Monate später legt in den USA Compton seinen Bericht zu Atombombe vor. Er beschreibt die grundsätzlichen technischen Möglichkeiten im bekannten physikalischen Rahmen und gibt unvollständige Hinweise auf den zu erwartenden wirtschaftlichen Aufwand..
Und bemerkenswert auch hier, eher untypisch für eine wissenschaftliche Expertise, der Hinweis auf die Dringlichkeit anderen Nationen bei der Entwicklung der Superbombe zuvorzukommen.
„We recognize that this is a heavy demand on the funds available for national defense research. We believe, however, that the military possibilities of atomic fission are so vast, and the dangers
of its neglect until some other nation has outdistanced us are so serious, that if necessary a request should be made for a special appropriation to cover this work. Within a half dozen years the
consequences of such investigations may be crucial in determining the nation's military position.“

Wehe wenn eine feindliche Nation den Flaschengeist zuerst entkorkt!
Es geht eigentlich von Anfang an darum, wer in der Lage sein wird zuerst des Stöpsel zu ziehen.
Bereits April 1939, rund ein viertel Jahr vor dem Einstein-Brief an Roosevelt, machen Harteck und Groth das deutsche Militär auf die Möglichkeit von Atomsprengstoffen hin. Sie versehen dies mit dem Hinweis „daß das Land, das als erstes Kernsprengstoffe einsetze, eine „nicht einzuholende Überlegenheit“ besitze“ 4)
Der Drang des schlummernden Ginis den Stöpsel zu heben scheint durchgehend abgebildet zu sein beim Blick auf Dokumente dieser Zeit. .

Danke nochmals für den Link.
Besonders technisch-physikalisch ist der verlinkte Compton Report ein wirklich sehr interessantes Dokument. Er beschreibt die naturwissenschaftliche Erkenntnislage ebenso klar wie die möglichen technischen Lösungsansätze, und gibt zudem Hinweise auf die Größenordnung wirtschaftlicher Aufwände.

  1. https://web.stanford.edu/class/history5n/FPmemo.pdf

  2. http://www.atomicarchive.com/Docs/Begin/MAUD.shtml

  3. Anmerkung zum Compton Report: Interessant ist auch der Hinweis auf das Element 94 (Auch Transuran genannt, später Plutonium)
    In einem Reaktor mit nuklearer Kettenreaktion würde dieses wahrscheinlich entstehen und könnte einen im Überfluss verfügbaren Kernsprengstoff darstellen.
    „It is possible that element 94, usable for this purpose [violently explosive bombs], may be produced abundantly by the chain fission reaction.
    Dezember 1942 wird der erste solche Reaktor (Chicago Pile) unter der Federführung von Fermi verwirklicht und liegt damit zeitlich sehr gut im abgesteckten Rahmen des Berichts.
    Ebenso wie auch der Zeitbedarf für eine tatsächliche Verwirklichung der Atombombe zutreffend geschätzt wird: „atomic bombs can hardly be anticipated before 1945.“

  4. Mark Walker – Die Uranmaschine … - Seit 30/31
 
Der Kampf des Leo Szilard.



Geboren 1898 in Budapest, ein Wunderkind, liest im Alter von vier in einer Sprache (Deutsch) und mit zehn in drei Sprachen.
Nach dem ersten Weltkrieg ist die Habsburger Monarchie zerplatzt, Ungarn wird Räterepublik unter Bela Kun,

..und Leo Szilard ist zu der Zeit (preisgekrönter) Student an der Technischen Universität der Stadt.
Und er ist politisch sehr aktiv gemäß seiner Vorstellung des Sozialismus.
Im Sommer 1919 kommt die Konterrevolution Horthy's ins Rollen während die Räterepublik zusammenbricht.

Als er im September zusammen mit seinem Bruder die Uni betreten will, verweigert eine Schar von einigen dutzend Kommilitonen den Zutritt: Ihr seid Juden, ihr könnt hier nicht studieren.

Als sie protestieren werden sie die Marmortreppe der Eingangshalle herunter geprügelt.

Leo Szilard emigriert nach Berlin.
Er hat das bereits vorbereitet, aber nun wird es eng, denn seine mühsam erworbenen Papiere haben nur eine Gültigkeit von 11 Tagen. So macht er sich also am ersten Weihnachtsfeiertag auf den Weg, ängstlich darauf bedacht, Horthy's Agenten auszuweichen.
In Berlin wird der junge Leo nicht nur Karriere als Physiker machen, sondern auch die väterliche Freundschaft seines Lehrers Einstein erfahren. Eine Freundschaft die anhalten wird.
Januar 1933 fällt Deutschland, und das was Szilard so verabscheut und fürchtet hat sich die Bahn gebrochen.

Packt also im März seine zwei großen Koffer und über Wien geht es nach London. Er versäumt es nicht seine Eltern und die Schwester in Budapest aufzusuchen: Verlasst Europa! Hitler heißt Krieg, und er wird gewinnen!

Noch im gleichen Jahr fängt er an sich in eine Art fixe Idee zu verbeißen.

Im Vorjahr hatte sein Kollege Chadwick die Existenz des Kernbausteins Neutron nachgewiesen.

Und das bedeutet ja, dass man damit einen Atomkern viel leichter treffen könnte, als mit dem bereits bekannten Atombaustein Proton, (welcher geladen ist und daher auch früher entdeckt werden konnte).
Nun, der Leo überlegt sich folgendes: Angenommen man schießt ein Neutron in einen Atomkern, und der regiert dann so, dass er zwei Neutronen abgibt;
ja dann kann das rasend schnell gehen und in kürzester Zeit geht Materie in einen neuen Energiezustand über. Und das macht dann den sehr drastischen Unterschied aus, der sich in der Formel Einsteins ausdrückt: E=mc^2.

Also er tut und macht,
(patentiert 1934 gar die Nutzung der nuklearen Kettenreaktion. Das Patent überlässt er vorsorglich der Royal Navy.)
Szilard ist auch das was wir heute als „networker“ bezeichnen, gleichzeitig macht er Versuche; mit dem falschen Element: Beryllium.
Meitner, Straßmann, Hahn haben in seinem Berlin das richtige Element im Labor befragt: Uran.
Als Liese Meitner und ihr Neffe Otto Frisch, die mittlerweilen auch vor dem Naziterror fliehen mussten, im Januar 1939 eine Theorie der Kernspaltung veröffentlichen, bleibt für Szilard, nunmehr Forscher in den USA, noch die kritische Frage: Kann das die Kettenreaktion auslösen?

Die Pariser Kollegen des Labors von Joliot-Curie kommen im März 1939 zu dem Schluss, dass mehr als nur ein Neutron beim Zerplatzen des Urankerns (U235) frei wird.
Szilard, und auch sein Freund und Kollege Wigner, meinen nun klar zu sehen: Es wird die Atombombe geben.
Und es ist nur die Frage wer sie als erster hervorbringt.

Szilard setzt alle ihm erreichbaren Hebel in Bewegung um zu verhindern, dass die Nazis die ersten sind. Nicht nur, dass er am Manhattan-Projekt mitarbeitet, er ist einer der wesentlichen Initiatoren desselben.
Als der Bau der Bombe vor der Vollendung steht, ist Nazi-Deutschland besiegt, die Gefahr ist vorbei.
Leo Szilard versucht nun mit aller Kraft den Einsatz gegen Japan zu verhindern.
Diesen Kampf wird er verlieren.



Sehr gut beschreibt das William Lanouette:
„Genius in the shadows.
A biography of Leo Szilard, the man behind the bomb.“
 
Zuletzt bearbeitet:
Was ist eine kritische Masse?


Soviel Zündstoff läßt sich doch nicht ansammeln, ohne daß es schließlich losgeht. Narrenturm, elendiger.“ Bertha von Suttner 1911. [1]


Man kann eine solche bei verschiedenen Erscheinungen argwöhnen.

1.
Derzeit leicht vorstellen kann man sich z.B. eine kritische Dichte der Dummheit, deren Überschreitung zum Verlust der Vernunft führt. Man kann sich auch vorstellen, dass ein solcher Effekt durch das Überschreiten einer kritischen Masse an handelnder Macht verstärkt oder gemindert werden kann.
Das hängt recht stark von den vorhandenen Bedingungen ab und durchdringt alle Bereiche.
Versucht man auf die Vorgeschichte des Ersten Weltkriegs durch die Augen der Bertha zu schauen, dann wird man vielleicht an eine kritische Masse der Bewaffnung denken, an eine kritische Zeitverkürzung der militärischen Handlungsoptionen, oder an ein infektiöses Anschwellen nationalistischer Wallungen oder sonstigen Eifers.
Kritische Gegebenheiten, also solche die rückkoppeln, sind ja auch all überall zu schauen und es lassen sich schier endlose Beispiele finden, bis weit hinab ins vergleichsweise reaktionsträge Neolithikum.

2.
Nehmen wir aber mal was ganz Modernes welches eine andere Analogie bietet:
Die Satellitendichte in der Erdumlaufbahn nimmt rasch, ja sogar beschleunigt, zu. [2]
Nun sind Satelliten ja notwendigerweise sehr schnell unterwegs, weil sie sonst herabstürzten und keine solchen wären. Das sind ca. 8 km pro Sekunde.
Wenn sich deren Bahnen kreuzen dann treffen die künstlichen Trabanten mit ungleich höherer Geschwindigkeit aufeinander als etwa militärische Projektile [3] auf ihr Ziel.
Wenn es also einen Satelliten zerreißt, bei so einer Gelegenheit, dann spuckt der vielleicht tausende von Projektilen in den Orbit und dann zerreißt es den nächsten und so weiter, und eine Kettenreaktion findet statt:
In kurzer Zeit sind dann alle zertrümmert ( und das Radio verstummt, der Fernseher bleibt blind, die Worte schweigen, die Logistik bricht zusammen).
„Im Erdorbit befinden sich rund 20.000 bekannte Objekte – aktive und außer Dienst gestellte Satelliten, Teile von Raketen sowie jede Menge Trümmer. Das Problem wird immer größer: Allein 2017 kamen mindestens 1800 Stück hinzu.“ [2]
(Daher ist man nun bemüht Strategien zu entwickeln den Schrott einzufangen; man könnte auch sagen: das Anschwellen der Kritizität einzudämmen.)


Will man das letztgenannte Beispiel auf die Kritische Masse nuklearer Ereignisse übertragen, dann stelle man sich diese Grafik http://blog.nuclearsecrecy.com/wp-content/uploads/2015/04/1977-Glasstone-Critical-mass-600x421.jpg [4] angewandt auf eine Hohlkugel vor, (deren Aufladung mit reaktiven Elementen zudem über den Verlauf der Zeit steigt).

Eine solche Hohlkugel beschreibt und berechnet Leo Szilard in seiner Patentschrift von 1934 spekulativ. [5]
Er spricht hier von einer 'Kritischen Dicke' des Mantels eines solchen Gebildes,was sinngemäß auf die „kritische Masse“ herauskommt.
In jedem Falle aber, so scheint es, spiegelt sich das eine Muster im anderen vor dem Hintergrund einer sich verdichtenden Zeit.


[1] zitiert von Brigitte Hamann – Bertha von Suttner, S. 288
[2] „2017 haben kommerzielle Unternehmen, militärische und zivile Behörden sowie private Initiativen mehr als 400 Satelliten in die Umlaufbahn gebracht, viermal so viel wie im Jahresmittel von 2000 bis 2010. Noch stärker könnten die Zahlen steigen, wenn Unternehmen wie Boeing, OneWeb und SpaceX wie geplant Hunderte bis Tausende von Kommunikationssatelliten ins All schicken“ - spektrum.de/artikel/1609512

[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Projektil
[4] http://blog.nuclearsecrecy.com/2015/04/10/critical-mass/

[5] https://worldwide.espacenet.com/pub...&KC=A&FT=D&ND=&date=19360330&DB=&locale=en_EP
 
2.
Nehmen wir aber mal was ganz Modernes welches eine andere Analogie bietet:
Die Satellitendichte in der Erdumlaufbahn nimmt rasch, ja sogar beschleunigt, zu. [2]
Nun sind Satelliten ja notwendigerweise sehr schnell unterwegs, weil sie sonst herabstürzten und keine solchen wären. Das sind ca. 8 km pro Sekunde.
Wenn sich deren Bahnen kreuzen dann treffen die künstlichen Trabanten mit ungleich höherer Geschwindigkeit aufeinander als etwa militärische Projektile [3] auf ihr Ziel.
Wenn es also einen Satelliten zerreißt, bei so einer Gelegenheit, dann spuckt der vielleicht tausende von Projektilen in den Orbit und dann zerreißt es den nächsten und so weiter, und eine Kettenreaktion findet statt:
In kurzer Zeit sind dann alle zertrümmert ( und das Radio verstummt, der Fernseher bleibt blind, die Worte schweigen, die Logistik bricht zusammen).
„Im Erdorbit befinden sich rund 20.000 bekannte Objekte – aktive und außer Dienst gestellte Satelliten, Teile von Raketen sowie jede Menge Trümmer. Das Problem wird immer größer: Allein 2017 kamen mindestens 1800 Stück hinzu.“ [2]
(Daher ist man nun bemüht Strategien zu entwickeln den Schrott einzufangen; man könnte auch sagen: das Anschwellen der Kritizität einzudämmen.)
Der erste Teil ist schlicht falsch. Die Satelliten in einer sehr ähnlichen Umlaufbahn haben auch sehr ähnliche Geschwindigkeiten, von daher sind die 8 km/s im Referenzsystem Erde vor Ort unwichtig wenn ein Satellit sich gegenüber einem anderen mit vielleicht 1 cm/s bewegt. Das ist wie auf der Autobahn beim "Elefantenrennen", der eine LKW fährt 87 km/h, der andere 86 km/h. Gibt es jetzt eine Berührung, dann kommt jeglicher Schaden nicht von diesem Aufprall sondern von Wechselwirkungen mit der restlichen Umwelt.

Deine Schilderung suggeriert ein wildes Durcheinander, aber die Satelliten folgen in ihrer Bahn zu 99% der Drehrichtung der Erde. Dies ist einfach energetisch so viel günstiger, dass der Start deutlich billiger ist. Es gibt also keine Geisterfahrer. Der Weltraumschrott ist deswegen so gefährlich, weil der Umfang so groß geworden ist, dass nicht mehr alle Trümmer erfasst werden können und neue Satelliten auf ihrer Bahn in diese Trümmer geraten kann. Außerdem erleiden kleine Trümmer eine relativ deutlich stärkere Abbremsung durch die obersten Schichten der Atmosphäre, so dass sie ihre Umlaufbahn verlassen und langsam zur erde stürzen. Dabei kreuzen sie dann die Bahnen anderer Objekte und dies bei einer dann deutlich größeren Relativgeschwindigkeit und entsprechend größerem Schaden bei einem Zusammenprall. Schon kleine Objekte können Satelliten aus der Bahn werfen (also Bahnstörungen verursachen, die die Steuerantriebe - wenn vorhanden - nicht mehr ausgleichen können), Bauteile wie Sonnenkollektoren (tragen meist hauptsächlich zum Querschnitt bei) zerstören oder sogar das ganze Objekt in Bruchtteile zerlegen.
 
Der erste Teil ist schlicht falsch. Die Satelliten in einer sehr ähnlichen Umlaufbahn haben auch sehr ähnliche Geschwindigkeiten, von daher sind die 8 km/s im Referenzsystem Erde vor Ort unwichtig wenn ein Satellit sich gegenüber einem anderen mit vielleicht 1 cm/s bewegt. Das ist wie auf der Autobahn beim "Elefantenrennen", der eine LKW fährt 87 km/h, der andere 86 km/h. Gibt es jetzt eine Berührung, dann kommt jeglicher Schaden nicht von diesem Aufprall sondern von Wechselwirkungen mit der restlichen Umwelt.



Deine Schilderung suggeriert ein wildes Durcheinander, aber die Satelliten folgen in ihrer Bahn zu 99% der Drehrichtung der Erde. Dies ist einfach energetisch so viel günstiger, dass der Start deutlich billiger ist. Es gibt also keine Geisterfahrer. Der Weltraumschrott ist deswegen so gefährlich, weil der Umfang so groß geworden ist, dass nicht mehr alle Trümmer erfasst werden können und neue Satelliten auf ihrer Bahn in diese Trümmer geraten kann. Außerdem erleiden kleine Trümmer eine relativ deutlich stärkere Abbremsung durch die obersten Schichten der Atmosphäre, so dass sie ihre Umlaufbahn verlassen und langsam zur erde stürzen. Dabei kreuzen sie dann die Bahnen anderer Objekte und dies bei einer dann deutlich größeren Relativgeschwindigkeit und entsprechend größerem Schaden bei einem Zusammenprall. Schon kleine Objekte können Satelliten aus der Bahn werfen (also Bahnstörungen verursachen, die die Steuerantriebe - wenn vorhanden - nicht mehr ausgleichen können), Bauteile wie Sonnenkollektoren (tragen meist hauptsächlich zum Querschnitt bei) zerstören oder sogar das ganze Objekt in Bruchtteile zerlegen.

Ich sag mal so, mein Vergleich hinkt natürlich. Das ist klar.
Aber so daneben ist der nicht.
Schau dir mal folgendes an und spiel ein bisserl herum damit, macht echt Spaß!
Du kannst auch einzelne anklicken und deren Orbit erscheint als grafische Darstellung.
https://maps.esri.com/rc/sat2/index.html#
Das geht tatsächlich kreuz und quer und durcheinander.
Was für einen Sinn sollte denn auch eine exklusive Äquatorialbahn haben (nur da kann dein Einwand gelten) wenn man etwa Kartierungen vornehmen oder ein Navigationssystem betreiben will?
Treffen z.B. zwei erdnahe Satelliten unter dem Winkel von 90° aufeinander, dann beträgt die Relativgeschwindigkeit zwischen diesen 'Geisterfahrern' die 1,41 fache der Orbit-Geschwindigkeit, also ca. 12 km/s.
Jetzt stellen wir uns mal idealisiert vor ein Satellit von 50kg zerplatzt bei der Gelegenheit in 5000 Einzelteile zu je 10g.
10g ist die ungefähre Masse des Projektils eines NATO-Sturmgewehrs.
5,56 × 45 mm NATO – Wikipedia

Die Geschwindigkeit dieses Geschosses beträgt ca. 1km/s.
Wäre es jedoch mit 8 km/s unterwegs hätte es, hier als taumelnder Querschläger, die 64-fache (!) Bewegungsenergie.
Also man kann sich das schon vorstellen, dass dann, mit der Überschreitung einer kritischen Schwelle, schlagartig einer neuer Zustand eintritt.

„Bereits Trümmerteile aus wenigen Zusammenstößen könnten eine unkontrollierbare Kaskade immer neuer Fragmente auslösen und den erdnahen Weltraum unbenutzbar machen.“
https://www.spektrum.de/magazin/wie-beseitigen-wir-den-weltraumschrott/1609512


Man weiß nicht zu welchem Zeitpunkt dieses Ereignis eintreten wird, weiß aber, in welcher Weise die Wahrscheinlichkeit dafür steigt.
 
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