Dreifunktionalität und Indo-Europäer?

Marguerite Yourcenar nannte ihn einen »genialen Gelehrten«. Ich teile ihre Meinung nur bedingt, aber das ist auch gar nicht der Punkt. Es geht ja in diesem Beitrag nicht um die politischen Ideen Evolas, sondern um die indoeuropäsiche Tradition; ein Thema, zu dem er durchaus Interessantes beigetragen hat.
 
Bei aller Gutmütigkeit, du zitierst jetzt Evola, vor drei Tagen Guillaume Faye, erwähnst Mircea Éliade, die Zeitschrift von Ernst Jünger Antaios - eine komplette Riege der Ideologen der neuen und alten Rechten - und das alles ist eine zufällige Auswahl aus wissenschaftlich-philosophischen Interesse?
Willst du mich für dumm verkaufen?
 
Mir geht es hier tatsächlich um Philosophie und (Religions-)geschichte. Mit den faschistischen Hirngespinsten Evolas habe ich rein gar nichts am Hut, ebensowenig geheuer ist mir das Neuheidentum Guillaume Fayes.

Es geht mir in beiden Fällen nicht um ihre persönlichen politischen Ansichten, sondern um das was sie Interessantes zu sagen haben. Die politischen Ansichten eines Lenin oder Bakunin hindern mich auch nicht daran, in ihren Schriften zu stöbern auf der Suche nach intellektuell Erbaulichem.

Das nennt man eben intellektuelle Neugier. Wenn du kein Problem damit hast, deine Lektüren auf Bücher zu beschränken, die nach 1945 verfaßt wurden und das Siegel der »Korrektheit« vorweisen können, dann ist das deine Sache.
 
Nochmal in aller Deutlichkeit, damit keine anderen Mißverständnisse aufkommen:

Der von mir zitierte Text von Julius Evola hat für mich einen einzigen Wert, nämlich einen rein akademischen. Die Form dieses Textes ist gräßlich, pseudo-kryptisch und -elitär, und beweist schon von ganz allein was für ein elendes, geistig und spirituell heruntergekommenes Wrack dieser Mensch war. Wahre Aristokratie ist eben Großzügigkeit - nicht Verachtung.

Darüber hinaus habe ich nur die weniger schlechten Passagen dieses Zitats hier reinkopiert, denn am Schluß dieses Textes läßt sich Evola über das Christentum aus. Wo es in meinem Zitat noch ein Körnchen Wahrheit gibt, verschwindet dieses im Folgenden völlig, davongeschwemmt von dumpfer, primär-antichristlicher Rhetorik. Evola meint, das Christentum sei das Ende der Indoeuropäer gewesen; ich denke im Gegenteil, daß es ihr Anfang war.
 
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Allerdings beschränkt sich die Dreifunktionalität bei den IE nicht auf hohe Ämter, sondern auf die gesamte Gesellschaft. Es gab also drei deutlich voneinander abgegegrenzte Kasten : Priester, Krieger und Arbeiter.

Ich beschäftige mich gerade mit der Frühgeschichte Indiens und der Einwanderung der Indoarier nach Nordindien. Dabei entstehen zunächst vier Stände, die später zu Kasten werden. An erster Stelle stehen die Priester (Brahmanen), die zweite Kaste umfasst Herrscher und Adel, die dritte die freien Bauern. In der vierten Kaste ist die unterste Schicht der Gesellschaft vertreten, nämlich Handwerker, Tagelöhner, Diener, Landarbeiter.

Seltsamerweise galten Handwerker und ihr Beruf als unrein, während z.B. der Handel keinen Makel hatte und bis zum Priesterstand ausgeübt werden konnte.
 
Thyl, ich will auch nicht reflexhaft auf jeden Namen reagieren, und auch ich habe aus Neugier Ernst Jünger gelesen - nur, worin um Gottes Willen siehst du im Zitat von Julius Evola denn einen akademischen Wert? Du distanzierst dich von der Form, also muss es ein Inhalt sein? Nur welcher? Es gibt also diverse Mythen, in verschiedenen Kulturen, die von einer "nordischen Mythos" sprechen? Ein Fantasma königlicher Männlichkeit, die über den inferioren Kräften thront? Wissenschaftlich kann ich da nichts entdecken - wenn ich deinen Text google, stoße ich als erstes auf die Seite des Thuleseminars
-> https://de.wikipedia.org/wiki/Thule-Seminar

Daher noch einmal meine Frage: welchen akademischen Wert hat dieser Text? Ich erkenne nur einen ideologischen.
 
Der von mir zitierte Text von Julius Evola hat für mich einen einzigen Wert, nämlich einen rein akademischen. war.

Das kann man sicher so sehen und ich persönlich wäre hinsichtlich des rechtslastigen Gedankengebäudes von Evola auch nicht so empfindlich. Wenn ich allerdings solche Sätze lese (aus deinem Post), wird mir schon etwas schwummerig:

"... jener mystischen Kraft, die den indoeuropäischen Rassen und vor allem ihren göttlichen Königen eignet; sie erblicken darin – symbolisch – den 'Ort', wo sich die kriegerische Religion Zarathustras zum ersten Male geoffenbart haben soll. Die Tradition der indischen Arier kennt dementsprechend die sweta-dvipa, die »Insel des Glanzes«, ebenfalls im äußersten Norden gelegen, wo Narayana seinen Sitz hat, der »das Licht ist« und »der, welcher über den Wassern steht«, d. h. über dem Zufall des Geschehens. Sie spricht auch von den uttarakura, einer nordischen Urrasse; ..."
 
Na wie gesagt, was ich hier vorschlage ist, diesen Text zu »filtern« und das, was Evola im Zuge eines vielleicht ungewöhnlichen Geistesblitzes richtig erkannt hat, von dem irrelevanten Rest zu trennen.

Ich glaube der Evola-Text illustriert den (spirituellen) Klassegedanken, wie wir ihn im mittelalterlichen Europa in der Form der Ständegesellschaft wiederfinden. Treibende Kraft hinter dieser Entwicklung waren ja der Adel einerseits, die Krieger, die Ritterschaft; und andererseits die Priester, der Klerus, also ebenjene soziale Schichten die (nach meiner Theorie) über die Jahrhunderte hinweg das antike spirituelle Ideal von Aristokratie, geistig/magischer Hoheit und Produktion aufrechterhalten hatten. Diese Klassen sehe ich wie gesagt nicht als hermetisch, sondern (zumindest zu Anfang) als ätherische Ideale an, zu denen sich aber bereits bei Homer Hinweise finden lassen.

Daß Evola mit seinem Text ein ganz anderes Ziel im Auge hatte, ist mir bewußt. Aber das interessiert mich hier (wie gesagt) nicht die Bohne.
 
Zuletzt bearbeitet:
Na wie gesagt, was ich hier vorschlage ist, diesen Text zu »filtern« und das, was Evola im Zuge eines vielleicht ungewöhnlichen Geistesblitzes richtig erkannt hat, von dem irrelevanten Rest zu trennen.

Ich glaube der Evola-Text illustriert den (spirituellen) Klassegedanken, wie wir ihn im mittelalterlichen Europa in der Form der Ständegesellschaft wiederfinden. Treibende Kraft hinter dieser Entwicklung waren ja der Adel einerseits, die Krieger, die Ritterschaft; und andererseits die Priester, der Klerus, also ebenjene soziale Schichten die (nach meiner Theorie) über die Jahrhunderte hinweg das antike spirituelle Ideal von Aristokratie, geistig/magischer Hoheit und Produktion aufrechterhalten hatten. Diese Klassen sehe ich wie gesagt nicht als hermetisch, sondern (zumindest zu Anfang) als ätherische Ideale an, zu denen sich aber bereits bei Homer Hinweise finden lassen.

Daß Evola mit seinem Text ein ganz anderes Ziel im Auge hatte, ist mir bewußt. Aber das interessiert mich hier (wie gesagt) nicht die Bohne.
Und wenn genau diese Idee genau das Ziel bei Evola war?
"Evola reklamierte für seinen Begriff der Rasse, er gehe über den der anthropologischen Deutung des Nationalsozialismus hinaus. Im Unterschied zu der rein biologistischen Sicht etwa eines Houston Stewart Chamberlain , dem Evola seelischen Infantilismus vorwarf, interpretierte Evola „Rasse“ in einem „transzendentalen“ Sinne als Kultur, Elite und Aristokratie und forderte einen „Rassismus des Geistes“ und der Seele (dies vor allem in seinem 1938 erschienenen Buch Mito del sangue). Evola war im faschistischen Italien Ende der 1930er Jahre einer der antisemitischen Wortführer, der „dem Judentum“ unterstellte, eine der „wahren“ Transzendenz und Spiritualität diametral entgegenstehende Kraft zu bilden." (wikipedia zu Julius Evola)
 
Eben.

Was Thyl in seinem Kopf von den rassistischen oder mystischen oder Anschauungen Evolas zu filtern beabsichtigt, bleibt ihm überlassen. Hier im Forum spielt das jedenfalls keine Rolle.

Wenn irgendeine Relevanz von Evolas IE-Hypothesen nach dem Stand der Forschung behauptet wird, ist das quellenseitig anhand des derzeitigen Literaturstandes zu belegen.

Weitere weltanschauliche Äußerungen oder Gläubigkeiten werden daher gelöscht.

Das Forum wird auch nicht instrumentalisiert, um mittels angeblichen pseudo-wissenschaftlichen "Interesses" Weltanschauungen unterzubringen. Was an Evola "wissenschaftlich" interessiert, ist Gegenstand von Publikationen, und nicht von Forenbeiträgen.

Zum Nachdenken ist hier erst einmal ein paar Stunden dicht.
 
Thema ist wieder offen. Um an die vorgehende Klarstellung anzuknüpfen:

Massstab für alle weiteren Beiträge im Bereich rassistisch-faschistischen-mystischen Gedankenguts ist der harte Literatur- und Forschungsbezug.

Das Geschichtsforum ist keine Plattform für Selbstversuche "wissenschaftlicher" Filterung oder Laienanalysen in solchen Themenbereichen.

Wen es da in den Tasten juckt, und wer sich für Erkenntnisse berufen fühlt, kann sich gerne in fachlich redigierten Publikationen versuchen, und seine Analysen dort anbieten.

Im Übrigen wird darum gebeten, Zensur-Unterstellungen und Beleidigungen per PN zu unterlassen. Sind diese bislang noch dem Affekt zugeschrieben, folgen etwaigen Fortsetzungen moderative Massnahmen.
 
Zurück zum Thema. Hier meine These:

Die Dreifunktionalität ist nicht wörtlich zu nehmen, sondern ist ein Ideal, eine Intuition. Sie ist Teil der mythischen Realität der indoeuropäischen Völker. Sie fand ihren Ausdruck nur bedingt in der physischen Wirklichkeit; sie manifestiert sich in erster Linie metaphysisch und spirituell: im aristokratischen Ideal und Ehrenkodex der europäischen Ritterschaft, der Schwurgemeinschaft der slawischen Družina, und in der strikten Trennung von Klerus/Magie und Welt, die nicht nur für das mittelalterliche Christentum charakteristisch ist, sondern sich bereits bei den keltischen Druiden und anderen spezialisierten Priesterschaften wie den römischen Flamines oder dem Orakel von Delphi findet. Es handelt sich bei der Dreifunktionalität also um den »spirituellen« Typus des Priesters, des Bauern und des Kriegers.

Die Drefunktionalität ist eine mythische und symbolische Realität, keine historische. Daß das Modell Dumézil’s (bellatores, oratores, laboratores) erst im Mittelalter zur vollen Ausprägung kommt, zeigt seine Grenzen, suggeriert aber auch, daß gewisse Wertvorstellungen und Ideale (die spirituelle Rasse) über die Jahrhunderte hindurch fortgedauert haben, bis sie im europäisch-heidnischen Christentum die Gelegenheit zur vollen Entfaltung bekamen.

Es ist nämlich meiner Meinung nach ein seltsamer Zufall, daß das egalitäre und universalistische Christentum in Europa zu einer strikten Standesgesellschaft und zu Mißtrauen gegenüber Andersgläubigen führte. Hier sehe ich also ein starkes Indiz dafür, daß wir es mit einem Zurückströmen der alten indoeuropäischen Mythologie zu tun haben…
 
Ich würde daher gerne wieder an die Diskussion um Duméziels Vorschlag eines Dreifunktionsschemas zurückkommen, und da zur altkeltischen Gesellschaftsordnung. Einleitend dazu aus Birkhan, Kelten, 1999:

"Die Gesellschaft könnte ursprünglich in Freie und Unfreie eingeteilt gewesen sein; die Freien grob in drei Gruppen, die ungefähr den altindischen Ständen entsprachen: die Druiden den Brahmanen, der Kriegeradel dem vedischen ksatrám und die freien Bauern dem aryaka-Stand. Diese Gliederung entspräche dem Dreifunktionsschema Duméziels. Doch als die Kelten in das Licht der Geschichte treten, sind diese rekonstuierten Verhältnisse schon empfindlich gestört. Natürlich wohnt einer solchen Aussage eine gewisse Unverfrorenheit inne, denn wie kann man sich anheischig machen, die nach Zeit und Raum differenzierte Gesellschaftsgliederung in eine solche schlichte Ordnung bringen zu wollen? Die Archäologen - lange Zeit im Kleinkrieg, ob man "Fürsten", "Herren oder gar "Ritter" der Latenezeit sagen dürfe oder solle - die erst seit einger Zeit das Problem sozialer Differenzierung enrsthaft diskutieren, zeigen uns ja auf Schritt und Tritt, wie komplex in Wirklichkeit die Verhältnisse waren."

Birkhan deutet hier leicht distanziert eine der prägenden Kontroversen an, die sich bis heute in der Archäologie fortsetzt, in Deutschland zuletzt mit der Definition von sogenannten hallstattzeitlichen "Fürstensitzen" und damit gemachten Implikationen von Herrschaftsgebieten und gesellschaftlichen Hierarchien. Dem entspricht die Annahme eines älteren (bronzezeitlichen) Sakralkönigtums in den protokeltischen Gesellschaften. Wie verschieden der gleiche Befund interpretiert wird, zwei Beispiele (aus Karl, 2006)
„Obwohl es gelang, eine Reihe statusträchtiger Beigaben auszusondern, findet das gängige „Fürstenmodell“ keine Bestätigung: es läßt sich keine, im Sinne dieses Modells, deutlich abgegrenzte Oberschicht nachweisen. [...] Eine Aussonderung der Spitzengräber aus dem allgemeinen Sozialverband ist nicht feststellbar; die „fürstlichen“ Grablegen sind, da wo beobachtbar, immer in räumlich unmittelbarem Kontext mit einfach ausgestatteten Gräbern angelegt worden. Eine Entwicklung hin zur Ausbildung „adliger“ Familien im dynastischen Sinn ist nicht zu erschließen. In Verbindung mit den geschlechts- und altersspezifischen Untersuchungen offenbart sich, daß die Gräber der „fürstlichen Oberschicht“ eine Gruppe von älteren Männern repräsentieren. [...] Bezogen auf die Gleichaltrigen kann gezeigt werden, daß jeder zweite bis dritte Mann, wenn er ein bestimmtes Alter erreichte, in eine hohe Statusposition kam. Aufgrund dieser Relation fällt es schwer, von einer „Oberschicht“ zu sprechen, eine Deutung dieser Personengruppe als Familienoberhäupter oder Familienälteste liegt näher. [...] Insgesamt läßt sich für das späthallstattzeitliche Württemberg ein Bild entwerfen, das in der Gerontokratie der homerischen Gesellschaft wie auch anderer, ethnographisch untersuchter Gesellschaften eine gute Entsprechung findet. Es entsteht der Eindruck einer wenig gegliederten Gesellschaft.“ (BURMEISTER 2000: 209–10)
Und das zweite, dem ersten konträre Beispiel:
„Wie aber bereits Wenskus(1961: 308, 311f., 410 ff.) darlegte, war in weiten Teilen des frühgeschichtlichen Europa das sakrale Königtum die vorherrschende politische Herrschaftsform. Unter Berufung auf sprachwissenschaftliche und althistorische Quellen ging er davon aus, daß es bereits in prähistorischer Zeit in Mitteleuropa entsprechende Organisationsformen gegeben haben muß. In antiken Gesellschaften waren oberste politische und höchste religiöse Stellung häufig in einer Person vereint. Die Belege reichen lückenlos vom 3. Jahrtausend v. Chr. (Mesopotamien und Ägypten) über die hethitischen Großkönige, die regelmäßig als Priester dargestellt wurden, bis hin zur römischen und keltischen Kultur der Zeitenwende. Hier sei etwa an den römischen rex sacrorum erinnert und an das Amt des Pontifex Maximus, das seit Augustus fest mit der Person des Kaisers verbunden war. Caesars Zeitgenosse und zeitweiliger Vertrauter, der »Häduerfürst« Diviciacus, war gleichzeitig politischer Führer und Druide.“ (KRAUßE1999: 354).

Ein weiteres, nicht nur von Archäologen und Archäologinnen festgestelltes Phänomen, dass sich in den antiken Quellen zum Beispiel in Cäsars Zweiteilung der gallischen Gesellschaft (BG, Kap 6,13) nicht wiederfindet, ist die sichtbare manufakturähnliche Organisiation von Handwerk, Bergbau, eventuell auch Schiffahrt und Handel. Die Mühlenproduktion in Mayener Steinbrüchen, mit angeschlossenem Hafen in Andernach, die Bad Nauheimer Salinen, die Siegerländer Verhüttungsstrukturen, und die Handwerkerviertel in vielen Oppida sprechen dafür, dass Handwerk und Handel eine besondere Stellung gehabt haben. (Birkahn erwähnt hier in der frühmittelalterlichen Rechtsstellung in der irischen Sozialordnung auf Seiten einer in sechs Klassen differenzierten Klasse der sóer (Gut-Freie) die sog. áes dána "Leute mit Fähigkeiten" -dazu gehörten Dichter, Musiker, Ärzte, Historiker ,Schmiede,Wagenmacher und Rechtskundige).
Da die Prosperität der spätlatenezeitlichen Oppidakultur nicht nur, aber auch von diesen Gesellschaftschichten abhing, überrascht das "Fehlen" in den antiken schriftlichen Quellen (immerhin hat der helvetische Wanderhandwerker Elico nach Plinius die keltische Eroberung Norditaliens ausgelöst) . Die vielfach bezeugte Verehrung der Handwerkergottheit Mercurius-Lugus, die wegen ihrer hohen technologische Entwicklung auch im mediterranen Raum (Wagenbau, Ferrum Noricum, Kriegsausrüstung) wertgeschätzten
speziellen keltischen Handwerke und ihre Produkte, sprechen gegen eine marginale und gesellschaftlich niedrige geschätzte Stellung dieser arbeitenden Klassen.
Die ersten Ansätze eines Wahlbeamtentums (Vergobreten, Dunnos), von Staatlichkeit kann man meiner Ansicht nach nicht sprechen, ist ein weiteres Beispiel, dass sich die keltischen Gesellschaften differenzierten, und ihre Herrschaftformen zwar überwiegend aristokratisch waren, diese jedoch in viele Interdependenzen zu anderen powergroups (Druiden, Equites- Klientel - Parteien, ökonomische Gruppen (Zünfte? Genossenschaften?), Bündnispartner eingebunden war.

Eine vielleicht mögliche ältere funktionale Dreiteilung kann für die keltischen Gesellschaften /Gesellschaftsstrukturen meiner Ansicht nach in der greifbareren Latenezeit und späten Hallstattzeit nicht mehr bestätigt werden.

Dazu vertiefend ein umfangreiches grundlegendes Werk von Raimund Karl Altkeltische Sozialstrukturen zur Vertiefung - sehr anregend
http://homepage.univie.ac.at/raimund.karl/Sozialstrukturen.pdf

Und eine Studie / Artikel von Dobesch, der meiner Ansicht sehr konkret das Zusammenspiel von persönlicher Macht (potestas), politischem Erfolg (Fortuna), Rechtnormen (leges) am Beispiel einer spezifischen historischen Situation und zweier Akteure, der Häduer Diviacus und Dumnorix, darstellt.
https://suche.gmx.net/web?origin=moz_splugin_ff&q=Einige+Beobachtungen+zu+Politik+und+Tod+des+Haeduers+Diviciacus+und+seines+Bruders+Dumnorix%2C+Tyche+19+%282004+%5B2005%5D%29+19%E2%80%9374&enc=UTF-8
PDF auf Seite von Tyche zum Downloaden, oder beim zweiten link zum Anschauen, direkte Verlinkung ist nicht vorhanden

 
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Ich würde daher gerne wieder an die Diskussion um Duméziels Vorschlag eines Dreifunktionsschemas zurückkommen,

Dazu habe ich weiter vorn schon etwas ausgeführt und zwar:

Der Sprachwissenschaftler Harald Haarmann meint, dass sich die von Dumézil propagierten drei sozialen Schichten bei den Indoeuropäern wiederfinden.

Er sagt:

"Das vergleichende Studium von Georges Dumézil in den 1930er Jahren zu den Mythen der indischen, iranischen und europäisch-antiken Kulturen führte zur Identifizierung von drei sozialen Schichten. Diese Dreigliederung manifestiert sich ebenso in den religiösen Vorstellungen und im Ritualwesen der Indoeuropäer. Die elementaren Funktionen der sozialen Gruppen in der Gesellschaft sind mit bestimmten Gottheiten und mit spezifischen Opferhandlungen assoziiert, wobei folgende Polaritäten zu erkennen sind:

- Souveränität, rechtmäßige Ordnung und Führung (vertreten durch eine priesterliche Oberschicht) [...]

- Schutz der Gemeinschaft (vertreten durch eine aristokratische Kriegerkaste) [,,,]

- Fruchtbarkeit und Sicherung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage (vertreten durch Hirten und Ackerbauern) [...]"

(Harald Haarmann, Auf den Spuren der Indoeuropäer, München 2016, S. 80 f.)

Haarmann erläutert diese drei Eckpunkte noch sehr ausführlich, was ich mir hier aus Zeitgründen geschenkt habe.
 
Dazu habe ich weiter vorn schon etwas ausgeführt

Ja, das war gestern um 17:21 Uhr.

http://www.geschichtsforum.de/774464-post19.html

Jede, aber auch wirklich jede Zivilisation auf dieser Erde hat irgend eine Art der "rechtmäßigen Ordnung" entwickelt, ergreift Maßnahmen zum "Schutz der Gemeinschaft" und bemüht sich um "Sicherung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage". Daher gibt es in jeder Zivilisation so etwas wie Priester, Krieger, Bauern/Hirten. Ob bei den Cherokee, bei den Japanern oder bei den Guanchen. Was daren "indoeuropäisch" sein soll, verstehe, wer will. Daher muss schon mehr als nur das bloße Vorhandensein dieser drei Funktionen belegt werden.

Wenn wir die einzelnen indoeuropäischen Gesellschaften anschauen, ist allerdings eine wirkliche Dreiteilung der Gesellschaft in drei Stände (Priester/Krieger/Bauer) nirgends anzutreffen. Außer im europäischen Mittelalter. Wobei hier der Priesterstand auf die Christianisierung zurückgeht.

Konsequenterweise müsste man sagen, dass die "indoeuropäische" idéologie tripartie ein Produkt des Mittelalters ist.
Oder in Thyls Worten:
Evola meint, das Christentum sei das Ende der Indoeuropäer gewesen; ich denke im Gegenteil, daß es ihr Anfang war.

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Da lese ich:
In den letzten Jahren seines Lebens wurde Dumézil jedoch sehr selbstkritisch. Obwohl er als einer der größten Verfechter der indogermanischen Sprachenforschung galt, begann er vor allem diese in Frage zu stellen: Die “Indo-europäischen Zivilisationen” sind als Produkte von Romanautoren einzustufen.[4]

Man darf doch Wiki nie etwas ungeprüft glauben.

Das Zitat lautet korrekt:

Éribon: Un jour, vous m'avez dit: si j'ai tort, ma vie n'a pas de sens
Dumézil: Ma vie scientifique, oui. Mais même cela n'est pas vrai: même si j'ai tort, elle aura eu une fonction, elle m'aura amusé. De toute façon, aujourd'hui, il est trop tard pour la refaire, je ne peux plus lui échapper. À supposer que j'aie totalement tort, mes Indo-Européens seront comme les géométries de Riemann et de Lobatchevsky: des constructions hors du réel. Ce n'est déjà pas si mal. Il suffira de me changer de rayon dans les bibliothèques: je passerai dans la rubrique 'romans'.



Eribon: "Einmal haben Sie zum mir gesagt: Wenn ich unrecht habe, hat mein Leben keinen Sinn".
Dumézil: Mein wissenschaftliches Leben, ja. Aber nicht einmal das ist wahr: auch wenn ich unrecht hätte, hätte es eine Funktion gehabt: es hat mir Spaß gemacht. Wie auch immer, heute ist es zu spät, noch mal von vorn anzufangen, ich komme da nicht mehr raus. Angenommen, ich lag total falsch, werden meine Indogermanen wie die Geometrien von Riemann und Lobatschewski sein: Konstruktionen außerhalb der Realität. Das ist schon nicht so schlecht. Es wird genügen, mich im Bibliotheksregal umzuräumen: Ich wandere in die Rubrik 'Romane'.
 
@ Dieter:
Gibt es hierfür einen Erklärungsansatz?

Die Autoren des mir vorliegenden Buchs [1] erklären das so: Die von den Aryas unterworfenen Einwohner Nordindiens verfügten über hohe handwerkliche Fähigkeiten. Die zunächst ethnisch bedingte Abgrenzung gegenüber dem dunkelhäutigen Varna der Ureinwohner führte fast zwangsläufig auch zur Diskriminierung der von ihnen ausgeübten Berufe.

In der Ursprünglich handwerklichen Unterlegenheit der Aryas liegt somit sicherlich eine der Ursachen für die Entstehung des Kastensystems, das die gesellschaftlich-politische Überlegenheit der erobernden Aryas ideologisch festschreiben sollte.

[1] Hermann Kulke, Dietmar Rothermund, Geschichte Indiens, München 1998/2006, S. 58
 
Wobei besagtes Kastensystem auch nicht so undurchlässig war, wie es den Anschein hat. Die zentralindische Provinz Āryāvarta, die historisch gesehen »arischste« Region des Landes, ist heute wohl die buntgemischteste in ganz Indien. Vielleicht weil man nicht so recht auf die begabten Handwerker verzichten mochte und sie in Scharen importierte?

@Sepiola

Man darf doch Wiki nie etwas ungeprüft glauben.
Halleluïa! Da fällt mir aber ein Stein vom Herzen. Ich hab's doch geahnt, daß an diesem ganz und gar undumézil'schen Pessimismus etwas faul war =)
 
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Da möchte ich doch wieder einhaken: "von den Griechen übernommen" stimmt so nicht. Jupiter und Mars waren italische Gottheiten, die die Römer erst mal von ihren Vorfahren geerbt hatten und die dann mit den griechischen Göttern Zeus und Ares gleichgesetzt wurden.
Im Fall Iuppiter ist noch hinzuzufügen, dass der Name (Gen. Iovis) mit dem griechischen Zeus zweifellos auf eine gemeinsame indoeuropäische Form zurückzuführen ist.
So habe ich das auch in Erinnerung. In der Gemania sucht Tacitus ja auch bei den Germanen nach entsprechenden Gottheiten. Er setzt wohl z.b. Wodin mit Merkur gleich.

Die Trifunktionalitaet scheint etwas "typisch Indogermanisches" zu sein, allerdings gibt es das rudimentaer auch bei anderen Voelkern. Ich denke hier an die Chaldaeer, dort erkenne ich auch Gottheiten der Weisheit, des Krieges und der Fruchtbarkeit.
 
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