Masken flechten?

S

Skeeks

Gast
Hallo Zusammen,

Ich sitze gerade an einem alten Kriegstagebuch von meinem Ur-Großvater und bin inzwischen im Januar 1916 während der Schlacht von Verdun angekommen. Hier schreibt er immer wieder von "2.1. Heute wurden wieder Masken geflochten, von jungen Baumstämmen" und "6.1. Masken flechten im Walde.".
Weiß jemand was damit gemeint sein könnte?

Vielen Dank im Voraus

LG
 
Bei Maske und Erster Weltkrieg denkt man natürlich als allererstes an den Gaskrieg, aber so richtig will das mit dem Maskenflechten nicht passen. Vor allem auch mit den Materialien nicht. Dann kann man natürlich noch Masken mit Karneval assoziieren - weiß ich nicht, ob das an der Front realistisch ist, wohl eher nicht. Heute würde man ja auch Tarnmasken verwenden, aber aus dem Ersten Weltkrieg ist mir einer solche Verwendung nicht bekannt, im Anfang des Krieges war die Uniformierung ja auch noch gar nicht auf die Industrialisierung des Krieges eingestellt, nur allmählich wurden Pickelhauben durch moderne Helme ersetzt, also Tarnmasken dürften als Möglichkeit auch ausfallen. Bleibt vielleicht noch ein ausgefallenes Hobby deines Großvaters, welches er vielleicht in der Etappe ausübte? Gibt es mehr Kontext? Hast du ältere oder jüngere Tagebücher deines Urgroßvaters?

Vielleicht kannst du dich mal ans Militärhist. Museum in Potsdam wenden oder an das Militärhist. Museum der Bundeswehr in DD. Vielleicht kann dir dort jemand weiterhelfen.
 
Könnten damit eine Art Tarnung gemeint sein? Ich denke nicht an Dinge für das Gesicht, sondern für den ganzen Körper, oder Ausrüstungsgegenstände, MG-Nester oä. Oder könnte es eine Bezeichnung für das Geflecht sein, mit dem die Schützengräben oft innen ausgekleidet waren? Einen Bezug zu i-einer Art Gesichtsmaske kann ich mir gerade schlecht vorstellen, da Gasmasken offensichtlich nicht gemeint sind.

In welcher Einheit (Infanterie, Artillerie etc) war der Urgroßvater denn?
 
Gesichtsmasken würde ich angesichts der »jungen Baumstämme« auch eher ausschließen. Sepiolas Lösung ist zwar lustig, doch ist es schwierig vorzustellen, dass der Urgroßvater des Gastes im Walde fortwährend Kanonenattrappen baute. Auch spricht das »Masken flechten« dagegen.
So bin ich eher der Meinung von Reinecke, dass es sich möglicherweise um die Auskleidung der Schützengräber handelt. Dazu passen auch die »jungen Baumstämme«; der Brockhaus aus 1845 empfiehlt für Faschinen Weiden-, Pappel- und Birkenholz. Faschinen sind aber eigentlich nicht geflochten, doch auf manchen Bildern aus dem 1. WK, wie bspw. hier[1], sind die Verschalungen geflochten. Auch hier ürigens.

1. Aus: F. Riedel, Zwischen Kriegsgericht und Heldentod, Numea; Leseprobe auf der Website des Verlags.
 
Faschinen würden sicher am meisten Sinn machen.
Das erklärt aber nicht, warum hier von "Masken" die Rede ist.
Habe ich in diesem Sinn auch nie gehört. »Maske« für ›Verhüllung‹, ›Verkleidung‹, wobei hier »Verkleidung« im übertragenen Sinn (für ›Verschalung‹) als »Maske« bezeichnet wird. Eine ähnliche Anwendung gibt es bspw. in der Graphik, bzw. in der Photographie, wo man bei der Spritzpistolentechnik das Papier, bzw. das Photopapier beim Vergrößern mit einer später abziehbaren Flüssigkeit maskiert.(»Maske« auch hier für ›Abdeckung‹)
 
Google mal die Kombination "Maskieren Artilleriestellungen". Da kriegst du jede Menge Treffer. Allerdings keine saubere Definition, das Maskieren und die Masken tauchen nur in Nebensätzen auf. Da musst du dich selber durchhangeln.

Auf jeden Fall ist bei der Artillerie mindestens seit der frühen Neuzeit Maskieren das Wort für Tarnen, Masken also für Tarnvorrichtungen.

Kann man ja auch schon in Sepiolas Links sehen

Bei den Russen heisst Tarnung auch heute noch Maskirovka.
 
Zuletzt bearbeitet:
Auf jeden Fall ist bei der Artillerie mindestens seit der frühen Neuzeit Maskieren das Wort für Tarnen, Masken also für Tarnvorrichtungen.

Bei der Artillerie und auch sonst. Einige Beispiele aus dem 1. Weltkrieg:

Im Weiterfahren bemerkt das aufmerksame Auge hinter Deckungen verborgene und mit Gezweige maskierte Ballon-Abwehrkanonen ...
https://de.wikisource.org/wiki/Kriegsbriefe_eines_neutralen_Offiziers/In_der_Woewre

Fuhrwerke und Erdwohnungen sind auch hier durch Zweige und Geäst maskiert.
https://de.wikisource.org/wiki/Kriegsbriefe_eines_neutralen_Offiziers/Sonntagsfrieden_im_Felde

„Herr Leutnant, – dort habe ich soeben eine zweite Batterie entdeckt, – neben dem einzelnen Hause mit dem Strohdach“, rief er eifrig. „Fünf Geschütze sind’s … Der Feind hat sie durch Baumzweige maskiert. Und da links vor demselben Häuschen …“
https://de.wikisource.org/wiki/Ein_Luftschifferabenteuer


Auch im Bezug auf Schützengräben bedeutet "maskiert" nichts anderes als "getarnt":

Die Gräben sollten mit Sträuchern maskiert, die Schilde und Erde mit Zweigen bedeckt werden
Alexander Jordan: Krieg um die Alpen

Anleitung zum Bau des perfekten Schützengrabens:
...
Der Aufwurf ist feindwärts durch entsprechende Anpassung an die Umgebung so gehalten (maskiert), daß er sich von dieser nicht abhebt.
Matti Münch: "Verdun: Mythos und Alltag einer Schlacht"


Nur: Das "Flechten" ist damit auch nicht erklärt...
 
»In der Befestigungskunst ist Maske eine vorliegende Brustwehr, Baum- oder Strauchpflanzung, durch die ein Werk, eine Batterie u.s.w. der Sicht des Gegners entzogen (maskiert) wird.«[1]
Mit anderen Worten, eine Sichtblende (und keine »Tarnung«, da offensichtlich geflochten); von der Machart her, wie die bereits geposteten, geflochtenen Faschinen, aber freistehend, wie hier, oder anstatt der Sandsäcke. Die Sichtblende konnte aber auch die Verlängerung der Verschalung sein, wie auf diesem Bild. (nach der Def. des Brockhaus jedoch keine »Maske«, da nicht »vorliegend«)

1. Brockhaus’ Konversations-Lexikon, 1894, S. 650; @ archive.org.
 
Zuletzt bearbeitet:
Rein technisch kann auch ganz einfach die Maskierung der Wände der Schützengräben gemeint sein. Aber gemeint ist wohl tatsächlich die Tarnung. Das geflochtene Gestell hat dieselbe Funktion wie das Netz am Helm.
 
Wow, so viele Hinweise, vielen Dank erst einmal dafür.

Es könnte tatsächlich etwas mit der Tarnung zu tun haben...

Zitat aus dem Tagebuch: "3.1.(1916) Heute zur Stellung gewesen, um die Masken aufzustellen. Wetter ist etwas besser. Die feindliche Art. schoß zeitweise recht heftig."

und

"22.2. Morgens gegen 2 Uhr wurden wir alarmiert, die ganze Nacht donnerten die Kanonen ununterbrochen. Gegen 3 Uhr rückten wir ab und kamen nach Etray(e), hier blieben wir liegen, fortgesetzt kamen Gefangene an. Ebenfalls besahen wir uns hier die 42cm Geschütze und die Geschosse, es sind kolossal schwere Dinger. Wir waren kaum 90 Schritt von den Geschützen fort, da platzte mit fürchterlichem Krach ein Rohr und die Stücke flogen durch die Luft, es gab einige Tote und Verwundete, ein Artillerist war halb durchgerissen worden und wurde durch den Druck in einen Baum geschleudert"

Es gibt noch einige weitere Hinweise das die "Infrastruktur" der Artillerie in diesem Zeitraum von der Infantrie Einheit aus der mein Ur-Großvater berichtet unterstützt wurde.

Vielen vielen Dank für die Hinweise...

LG
 
Soldaten-Slang muss nicht logisch sein.
Hab inzwischen in ein paar Bücher reingeschaut, die den Soldaten-Slang behandeln, darunter Paul Horn "Die deutsche Soldatensprache" (Gießen 1899) und Otto Maußer "Deutsche Soldatensprache" (Straßburg 1917). In den Wörterlisten sind weder "Masken" noch "flechten" zu finden.
 
Mashenka hat es doch schon erklärt: "Maske" wird als Begriff in den Handbüchern der Artillerie im 19. Jahrhundert für "Deckungen" für Geschützstellungen (Erdmaske, Strauchmaske ...) verwendet.

ZB Schell, Studie über Taktik der Feldartillerie, 1882.
 
Erst in der Schlußphase des Krieges gab es Tarnnetze. Vorher fertigte man Tarnelenente aus Zweigen an. Da die Blätter verdorrten, war das eine ständige Aufgabe. Ich kann mich sogar noch dunkel an Zeitzeugenaussagen dazu aus den späten 80ern erinnern.

Dass 'Maske' Soldatenjargon war, ist eigentlich schon durch die Verwendung in Handbüchern wiederlegt. Hier wurde das mit dem niederdeutschen Begriff 'Pluimers', also grüne, z.B. bei Prozessionen als Schmuck des Wegesrands benutzte, Zweige beschrieben. Aufgrund der Verwendung des Dialekts ist aber zu vermuten, dass das nur eine in der Heimat verständliche Beschreibung war. Allerdings soll es ja im 1. Weltkrieg noch Soldaten gegeben haben, die nur Dialekt beherrschten.

(Der letzte, den ich kannte, der kein Hochdeutsch sprechen konnte, starb Anfang der 90er und war zu jung für den 1. Weltkrieg. Muttersprache war Hochdeutsch hier -zumindest als Regel- erst bei denen, die zu jung waren, um im zweiten Weltkrieg eingezogen zu werden. Erst wegen der Vertriebenen soll sich hier Hochdeutsch wirklich durchgesetzt haben. Und bis in die 60er Jahre wurde bei vielen Familien im Alltag Dialekt gesprochen, sobald die Kinder Hochdeutsch redeten. Die Anekdote, dass sich Reserveoffiziere teilweise besser auf Latein als auf Deutsch verständigen konnten, mag ja übertrieben sein, ist aber die Form, in der diese aktiven (!) Sprachfähigkeiten der Zeit lange im Bewusstsein verankert blieb und die auch als Propaganda gegen die Dialekte benutzt wurde. Ich erkläre das so ausführlich, weil dadurch meine Erinnerung nicht gleich ansprang.)
 
Dass 'Maske' Soldatenjargon war, ist eigentlich schon durch die Verwendung in Handbüchern wiederlegt.

Nicht zwangsläufig.

Manchmal werden auch Wörter, die man Handbüchern findet, im Soldatenslang umfunktioniert.

Als "Schanzzeug" bezeichneten die Soldaten des 1. Weltkriegs ihr Essbesteck; "durchs Scherenfernrohr sehen" bedeutete soviel wie "aus der Schnapsflasche trinken".
 
Irgendwo habe ich mal ein Bild einer Strasse gesehen, die mit kulissenartig aufgestellten rechteckigen Schirmen gegen Feindliche Einsicht (hauptsächlich von Fesselballons aus) gedeckt war. Diese waren über der Strasse angebracht und die Wagen zirkulierten unter ihnen hindurch.
 
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