Lebten Jäger-Sammler besser als Bauern?

Hab grad noch das gefunden:

LiVES • Institut für Prähistorische Archäologie • Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften

Warten wir also ab, was dabei rauskommt. Wobei es bei „Lebensstandard“ immer auch um Lebenserwartung, Todesursachen, Häufigkeiten von Seuchen und Hungersnöten, Häufigkeit gewaltsamer Konflikte und mehr geht. Also eine sehr komplexe Sache. Ein Indikator für dergleichen sind allerdings auch die jeweiligen ideologischen Vorstellungen, soweit man sie heute noch rekonstruieren kann.
 
Eben. Die Auswirkungen sind seit einigen Jahren in der internationalen Forschung umstritten, wie oben dargestellt.

Nichts anderes ist hier Gegenstand der angekündigten Untersuchungen, zB
"Hier deutet sich an, dass sich die Veränderungen der Ernährungsgewohnheiten am Übergang von der überwiegend sammlerisch-jägerischen Lebensweise des Paläo-und Mesolithikums zur überwiegend pflanzenbauenden und viehhaltenden Lebensweise ab ca. 10 000 v. Chr. nicht allerorts, wie frühere anthropologische Untersuchungen (Angel 1946; Cohen - Armelagos 1984; Larsen 1995; Mummert et al. 2011) vermuten ließen, in gleicher Weise auf das Körperwachstum auswirkten. So bewegen sich im ägäischen Raum die Körperhöhen in der gesamten Vorgeschichte auf einem eher niedrigen Niveau, wohingegen im Balkan ein Abwärtstrend der Körperhöhen beider Geschlechter bereits vor der Neolithisierung einsetzt"

Dazu kommen in betrachteten Regionen Umwelteinflüsse, populationsgenetische Effekte aus den Wanderungsbewegungen (sozusagen ein Austausch "größer gegen kleiner"), etc.

Der Aspekt ist viel zu komplex für die früheren einfachen Antworten in Richtung "Landwirtschaft=Größenreduktion".
 
Ich habe in der Zwischenzeit versucht, die Sache mit dem abnehmendem Hirnvolumen ein bisschen nachzugehen. Auch hier scheint es komplexer zu sein. Offenbar scheint das ein allgemeines Phänomen zu sein, denn man hat offenbar auch bei nicht ackerbauenden Völkern wie bspw. den Aborigines ein Abnehmen des Hirnvolumens festgestellt.
In einer Kommentarspalte zu einem entspr. Artikel hat ein User dazu eine wie ich finde interessante Hypothese aufgestellt:
Das Gehirn sei ständig gewachsen, bis es eine "maximale" Grösse bzgl. Effizienz erreicht habe ("Denkleistung" zu Energieaufwand Verhältnis). Um die "Denkleistung"/Intelligenz weiter zu steigern musste an anderer Stelle optimiert werden, nämlich bei der Signalkanal-Länge (kürzere Verbindungen = schnellere Übertragung = erhöhte kognitive Fähigkeiten).
Soweit ich das aber bisher gelesen habe, ist diese Problematik aus streng wissenschaftlicher Sicht nach wie vor ein Mysterium und nicht eindeutig als Malus der neolithischen Revolution klassifizierbar.
 
Nichts anderes ist hier Gegenstand der angekündigten Untersuchungen, zB ...
Hab ich auch schon gelesen. Bleibt meinem historischen Pessimismus nur die Berufung auf Ideologie und Zahl der Konflikte und so was. (Ich find ja eigentlich auch, das früher alles besser war und nur die frühe Steinzeit richtig schön war. ;))
 
Ich habe in der Zwischenzeit versucht, die Sache mit dem abnehmendem Hirnvolumen ein bisschen nachzugehen. Auch hier scheint es komplexer zu sein. Offenbar scheint das ein allgemeines Phänomen zu sein, denn man hat offenbar auch bei nicht ackerbauenden Völkern wie bspw. den Aborigines ein Abnehmen des Hirnvolumens festgestellt.

Allgemein, weil auch ein schon längerer Prozess.

Ganz aktuell hier:
The Human Brain Has been Getting Smaller Since the Stone Age - The Crux

Seit den 80ern wird das wohl verstärkt untersucht. Es gibt seitdem eine ganze Palette von Hypothesen zur Erklärung.
Nix Genaues weiß man nicht. :D
 
Die Größe des Gehirns sollte schon auf die Körpergröße bezogen werden. Und auch die Größe des Körpers sagt wenig über die Fitness aus, sondern eher über die Anpassung an die jeweilige Umgebung, was sich in den Genen wiederfindet. Optimale Ernährung bewirkt in der Regel nur das Wachstum bis zu der in den Genen festgelegten Größe und nicht darüber hinaus.

Dass z.B. Südeuropäer durchschnittlich kleiner sind als die Nordeuropäer, bedeutet wahrscheinlich: Kleinere Menschen waren/sind auf das Leben südlich der Alpen besser angepasst als große.

Um zum Ursprungsthema zurückzukehren: Die neolithische Revolution hat nicht nur stattgefunden, sie war auch erfolgreich – der Beweis dafür sind 7 Milliarden Menschen, die heute auf der ganzen Welt leben. Der Mensch kann vor allem dank der Nahrungsproduktion und der Vorratshaltung, die beide vom Prinzip her im Neolithikum erfunden wurden, heute in ganz unterschiedlichen Umgebungen, von der Arktis bis in den Tropen, in den Bergen wie in den Niederungen, in trockenen wie in feuchten Gegenden leben.

Auch manche der mit den geänderten Ernährungsgewohnheiten einhergehenden Krankheiten (z.B. Karies) haben wir überwunden, andere (z.B. Diabetes) noch nicht, wobei diese letzte Krankheit mit dem Überangebot an kohlenhydratreichen Nahrung zusammen hängt, nicht an der Nahrung an sich.

Was ich sagen will: Evolution, die kein Falsches und kein Richtiges kennt, dauert an.
 
Grade ist ein Buch erschienen, dass wieder das schöne Leben der Wildbeuter im Unterschied zu den neolithischen Kulturen hervorhebt:

James C. Scott: Die Mühlen der Zivilisation. Eine Tiefengeschichte der frühesten Staaten, Suhrkamp Verlag, Berlin 2019 (Link)

(Es wäre schön, wenn Links zu nichtkommerziellen Seiten wie perlentauer.de stehen bleiben könnten. Sie funktionieren auch nach Jahren noch und bieten einen ersten Blick in Inhalt und bereits erschienene Rezensionen. Überhaupt lohnt ein regelmäßiger Blick auf perlentaucher, das die Rezensionen der großen deutschen Zeitungen und Zeitschriften fast täglich aktuell zusammenfasst.)
 
Gerade wird weiter die Vorstellung unterminiert, Jäger/Sammler hätten nur von der Hand in den Mund gelegt und keine "Lagerhaltung" betrieben.

Eine Studie in der ScienceAdvances über den Zeitraum 200-400.000 BP geht von Nachweisen für planmäßig gelagertes/gehortetes Knochenmark und Fett aus, sozusagen gehaltvolles Futter für schlechte Zeiten.

Berichte zB
Knochenmark - die Dosensuppe der Altsteinzeit | MDR.DE

Abstract ~ deepL
Knochenmark und Fett stellen eine wichtige Nahrungsquelle dar und wurden seit der Vorgeschichte von Menschen deswegen beachtet. Der Markkonsum ist mit dem unmittelbaren Konsum nach der Beschaffung und Entfernung von Weichteilen verbunden.

Hier stellen wir die frühesten Nachweise für die Lagerung und den zeitverzögerten Konsum von Knochenmark in der Qesem-Höhle, Israel (~420 bis 200 kya), vor. Mit Hilfe von experimentellen Serien, die die Expositionszeit und die Umgebungsparameter steuern, kombiniert mit chemischen Analysen, haben wir den Erhalt des Knochenmarks evaluiert.

Die Kombination aus archäologischen und experimentellen Ergebnissen ermöglichte es uns, spezifische Markierungen im Zusammenhang mit der Entfernung trockener Haut zu isolieren und eine geringe Rate des Knochenmarkabbaus von bis zu 9 Wochen Exposition zu bestimmen. Dies ist der früheste Beweis für ein solches bisher unbekanntes Verhalten, und es bietet Einblicke in die Sozioökonomie der menschlichen Gruppen, die in Qesem lebten, und kann eine Schwelle zu neuen Formen der paläolithischen menschlichen Anpassung markieren.


Aufsatz:
Bone marrow storage and delayed consumption at Middle Pleistocene Qesem Cave, Israel (420 to 200 ka)
 
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