Was denken die Deutschen über Friedrich den Großen?

Das hört sich fast so an als ob Maria Theresia kaum Interesse hatte, aber Katharina und Preußen auf die Annektion Österreichs 1769 der Städte Bezug genommen haben. Kommt mir irgendwie zynisch vor oder kommt nur mir das so vor?

Es war definitiv zynisch, und das haben Intellektuelle in ganz Europa auch so empfunden. Es war keineswegs nur das polnische Volk das protestierte. Der Protest hatte aber keine Folgen. Keiner der Akteure konnte historisch auch nur einigermaßen plausible Ansprüche auf polnische Gebiete anmelden. Die Initiative zur Ersten Teilung Polens ging vor allem von Katherina II. aus. Wie Solwac schon sagte, konnte aber Russland nicht polnische Gebiete annektieren, ohne den Nachbargroßmächten Österreich und Preußen Kompensationsangebote zu machen, da dadurch das Gleichgewicht der Mächte durcheinandergebracht worden wäre.
Maria Theresia mochte das Zynische dieses machiavellistischen Geschachers empfinden, andererseits konnte sie aber als Realpolitikerin nach dem Verlust der reichen Provinz Schlesien kaum tatenlos zusehen, dass Preußen sich eine größere Fläche Landes und einige Zehntausend Untertanen einverleibte und damit seine Machtbasis vergrößerte. Wenn Preußen polnische Gebiete annektierte, musste auch für Österreich etwas abfallen. Die chaotische Lage in Polen ermöglichte es Katherina, polnisches Territorium den Nachbarn zu überlassen als Gegenleistung dafür, dass Preußen und Österreich ihr im Türkenkrieg von 1768-1774 nicht in die Quere gekommen waren. Maria Theresia war wohl die Einzige, der das Ganze wirklich peinlich war, Friedrich bereitete die Polnische Teilung großes Vergnügen, ohne einen Schuss abgeben zu müssen, konnte er die Fläche seiner Provinzen und die Zahl seiner steuerpflichtigen Untertanen vergrößern und gleichzeitig eine Landverbindung zwischen Ostpreußen und dem Kernland Preußens herstellen. Die Skrupel, die Maria Theresia bei der 1. Polnischen Teilung hatte, bereiteten ihm große Heiterkeit. "Sie weinte, aber sie nahm" schrieb er ebenso zynisch wie zutreffend.
 
Danke. Ja, ich meinte vor allem die Aussage, dass Katharina sich laut dir auf Österreich und seine Annektion 1769 bezog, also ausgerechnet auf die Macht, die am ehesten der drei Mächte "Skrupel" hatte.
 
1.
Die Bedrohung Preußen lag sicher nicht direkt im Bündnis Österreichs mit England, aber London hat sicher nicht Berlin geschützt. Mir sind auch keine Subsidien bekannt, hast Du da eine Quelle? England stand im gegnerischen Lager, aus Angst um Hannover äußerte sich dies aber nicht in direkten Aktionen. Erst im Vorfeld des Siebenjährigen Kriegs näherten sich die beiden Länder an.

2.
Die Annäherung Englands an Preußen im Vorfeld des Siebenjährigen Krieges und der Wechsel Frankreichs ins Lager der Gegner Preußens war 1745 noch nicht absehbar.
1.
Genauso würde ich Reed Browning aber verstehen. Die Londoner Regierung verbuchte den Friedensschluss Österreichs mit Preußen als den größten außenpolitischen Erfolg.
Zu den Subsidien werde ich nachschlagen.

2.
Indirekt sehe ich die Annäherung schon in den 1740ern. Von einer gegen Friedrich gerichteten Stimmung George II. nach dem Motto den Aggressor zurecht stutzen zu einer versöhnlichen Haltung (vielleicht eher vom Premierminister getragen) 1745 ist es schon ein Schritt.
 
Ich habe für die Besetzung Sachsens im zweiten Schlesischen Krieg mehrere mögliche Ursachen aufgeführt. Aber da sind einige Entwicklungen natürlich schon längst gestartet worden.

Aber um mal wieder zum Thema des Strangs zurück zu kommen: Ich habe in den 80ern einerseits Fernsehfilm(e?) zum Thema Friedrich der Große gesehen, darunter mit nachgestellten Szenen (also kein kompletter Film) zum Thema Müller Arnold und mit sehr viel Vergnügen die DDR-Produktion Preußens Glanz und Sachsens Gloria. Unabhängig von den Ungenauigkeiten dürfte diese Produktion vielen die Person des Alten Fritz ins Bewusstsein gebracht haben.
 
Aber zu territorialen Begehrlichkeit stärkerer Staaten.
Aufgrund der Schwäche Sachsens jenes potenzielles Opfer? Sicherlich "attraktiver", aber meiner Meinung nach nicht explizit hervorhebend. Das dürfte nur der Fall sein, wenn es im Zusammenhang mit anderen Faktoren steht (Wirtschaftliche Stärke, etc.)
 
Interessant In deinem Beitrag sagst du aber nicht warum sich der Gegensatz entwickelt hat Oder habe ich das nur übersehen?

Ich denke, dass die Rivalität zwischen den Hohenzollern und Wettinern nicht ganz zufällig war. Beide Sachsen wie Brandenburg gehörten als Kurfürstentümer zu den wichtigsten Reichsständen und beide waren aufstrebende Mittelmächte, deren Fürsten Rangerhöhung anstrebten und schließlich auch Königswürde erreichten. Die Krone Polens brachte den Wettinern Ansehen und Glanz, während Friedrich I. von vielen Zeitgenossen belächelt würde, als er sich in Königsberg krönen ließ und sich König in Preußen nannte. Wirtschaftlich war Sachsen Brandenburg überlegen, aber die Kurfürsten hatten meistens keine glückliche Hand in der Wahl ihrer Verbündeten, und die Personalunion mit Polen, die sich die Wettiner über zwei Generationen sichern konnten, brachte dem Fürstenhaus Glanz und Renommeé, dem Kurfürstentum aber keine wirklichen Vorteile ein, wegen der anarchistischen Lage in Polen war die Macht der Krone recht gering, und das Kurfürstentum Sachsen profitierte nicht von der Personalunion mit Polen, eher im Gegenteil, Kapital, dass Sachsens steuerpflichtige Untertanen aufbrachten, ging für Bauten und Repräsentation des Herscherhauses drauf, ohne dass das Kurfürstentum durch die Personalunion des Kurfürsten/Königs vitale sächsische Interessen in der Reichspolitik damit verbinden konnte und eher finanziell geschwächt wurde, auch wenn manche Betriebe durch Aufträge des Hofes profitieren konnten.
 
Man muss da unterscheiden:
Historiker, Professoren und Doktoren, müssen sich für die ganze Person interessieren. Da reichen nicht die Eckdaten eines Königs und seine größten Taten - sondern man will sich auch mit Hintergründen, Charaktereigenschaften und geheimen Vorlieben auseinander setzen.
Wenn man jemanden gründlich unter die Lupe nimmt - dann findet man bei allen historischen Persönlichkeiten "Kritisches" und Zweifelhaftes. In Deutschland ist es in Mode, genau das gern heraus zu stellen.

Für das einfache Volk und in gewissen Grenzen auch für mich haben historische Persönlichkeiten den Sinn und Zweck, möglichst Vorbild zu sein. Das Gute und Schöne anzuregen.
Dazu bietet Friedrich der Große viele Möglichkeiten. Er und seine direkten Vorgänger haben aus dem Armenhaus Brandenburg, dass auch verwaltungstechnisch und militärisch unter den Brandenburger Kurfürsten noch feudal war, einen modernen, gut funktionierenden Staat gemacht. Die vielen Anekdoten lassen ihn sympatisch und weise erscheinen.
Das versuche ich zu betonen. Und darauf liegt mein Augenmerk, wenn ich Friedrich den Großen betrachte. Das er einen Eroberungskrieg um das reiche Schlesien führte kann man natürlich auch in den Mittelpunkt stellen. Aber nur wenn man die pädagogische Absicht hat das als Vorbild in den Raum zu stellen.
 
Wenn man jemanden gründlich unter die Lupe nimmt - dann findet man bei allen historischen Persönlichkeiten "Kritisches" und Zweifelhaftes.
Das wäre vielleicht mal konsequent zu Ende zu denken und dann wäre vielleicht festzustellen, dass nur äußerst wenige Menschen sich zur Heldenverehrung eignen... es rettet dich kein höh'res Wesen, kein Gott, kein Kaiser noch Tribun!
 
es rettet dich kein andres Wesen, kein Gott, kein Kaiser noch Tribun!
*lol*
Naja - "Sozialistische Persönlichkeiten" wohl wenig. Karl Marx war ein elender Schnorrer und wäre wohl Einer der ersten Opfer von Massenmördern wie Lenin oder Mao oder anderen Typen geworden.
Insofern wäre ich auch immer vorsichtig rote, braune oder grüne Parteihymnen zu zitieren. Aber gut.

Fakt ist leider:
Menschen haben Sehnsucht nach "Helden". Da ist es pädagogisch besser ihnen verstorbene Persönlichkeiten zu liefern, sich deren Lichtseiten zu widmen - und sie hervorzuheben. Ihnen fehlt die Möglichkeit anschließend mit "Überraschungen" aufzuwarten.

Leider neigt man heute dazu LEBENDE zu verehren. Um Obama hat man fast einen Messiaskult inszeniert und ihm zu Beginn(sic!!) seiner Amtszeit einen "Friedens"nobelpreis zu verleihen. Frieden hat er dann nirgendwo geschaffen - aber darauf kam es ja auch nicht an.
Momentan vermarktet man ein 16jähriges Mädchen mit Asperger-Syndrom. Unbeeindruckt dabei, was dies mit der Psyche eines Kindes macht.

Da ist es mir lieber, wenn Leute sich die Bilder längst verstorbener Könige ins Zimmer hängen - und sich auf deren Verdienste konzentrieren statt gebannt darauf zu starren, dass er doch als recht kauziger Misantroph starb.
 
Magst Du mit Deiner zweifelsohne höchst fundierten tagespolitisch-medizinischen Ferndiagnose eine Reise auf die Molukken ( höchst historisch) unternehmen? Bitte?
 
Fakt ist leider:
Menschen haben Sehnsucht nach "Helden". Da ist es pädagogisch besser ihnen verstorbene Persönlichkeiten zu liefern, sich deren Lichtseiten zu widmen - und sie hervorzuheben. Ihnen fehlt die Möglichkeit anschließend mit "Überraschungen" aufzuwarten.
Historiker sind nicht verpflichtet Helden zu liefern, Historiker sind verpflichtet, Narrative zu zerlegen.
 
*lol*
Naja - "Sozialistische Persönlichkeiten" wohl wenig. Karl Marx war ein elender Schnorrer und wäre wohl Einer der ersten Opfer von Massenmördern wie Lenin oder Mao oder anderen Typen geworden.
Insofern wäre ich auch immer vorsichtig rote, braune oder grüne Parteihymnen zu zitieren. Aber gut.

Da hat jemand die Anspielung nicht verstanden wer mit dem Kaiser bzw. Tribun gemeint war, fürchte ich.

Old Marx einen Schnorrer zu schimpfen, geht denn auch ein wenig an den historischen Tatsachen vorbei. Es mag ja richtig sein, dass er von Engels Zuwendungen erhielt, aber das ist doch nun deren persönliche Angelegenheit gewesen.
Der alte Fritz hingegen finanzierte "Sanssoucis" durch Auspressung seiner Untertanen und nach modernem Verständnis würde man das wohl eine Veruntreuung von Steuermitteln schimpfen. Insofern würde ich vorsichtig damit sein den alten Fritz zum Vorbild stilisieren zu wollen und gleichzeitig gegen "Schnorrer" zu schimpfen.

im Bezug auf die Internationale möchte ich dir übrigens nahegelegt haben deren Entstehungskontext und Rezeption mal zu recherschieren, dann wirst du feststellen, dass sich diese durchaus nicht auf den Charakter einer Parteihymne reduzieren lässt.


Fakt ist leider:
Menschen haben Sehnsucht nach "Helden". Da ist es pädagogisch besser ihnen verstorbene Persönlichkeiten zu liefern, sich deren Lichtseiten zu widmen - und sie hervorzuheben. Ihnen fehlt die Möglichkeit anschließend mit "Überraschungen" aufzuwarten.
Menschen haben aber auch so etwas wie Verstand (jedenfalls wenn man den Idealen folgt, auf die der alte Fritz persönlich seinerzeit schwor), weswegen ihnen klar sein müsste, das derlei Sehnsüchte unerfüllbar sind. Wie so viele andere Sehnsüchte auch.

Und um denn noch einmal ein anders einschlägiges Zitat anzubringen, sollte sich besagter Mensch dann vielleicht überlgen ob es sinnvoll ist, sich oder dem restlichen Volk eine entsprechende Dosis Opium verpassen zu wollen oder die Betrachtung der Realität dem vorzuziehen wäre.
Von einem erwachsenen Menschen darf man, meine ich letzteres erwarten.



Leider neigt man heute dazu LEBENDE zu verehren. Um Obama hat man fast einen Messiaskult inszeniert und ihm zu Beginn(sic!!) seiner Amtszeit einen "Friedens"nobelpreis zu verleihen. Frieden hat er dann nirgendwo geschaffen - aber darauf kam es ja auch nicht an.
Momentan vermarktet man ein 16jähriges Mädchen mit Asperger-Syndrom. Unbeeindruckt dabei, was dies mit der Psyche eines Kindes macht.

Da ist es mir lieber, wenn Leute sich die Bilder längst verstorbener Könige ins Zimmer hängen - und sich auf deren Verdienste konzentrieren statt gebannt darauf zu starren, dass er doch als recht kauziger Misantroph starb.
Dann möchte ich dem Herrn Minister für Volkserziehung (oder ist "Herr Minister für Propaganda" genehmer?) anempfohlen haben zunächst einen Blick in die Forenregeln zum Thema Tagespolitik zu werfen. Ob dich irgendwelche akteullen Entwicklungen ankotzen, gehört hier nicht hin.

Das um lebende Personen Zinnober gemacht wird, ist im übrigen keine Entwicklung neueren Datums und wenn wir gerade beim alten Fritz sind, dem war doch gerade daran nicht besonders ungelegen, sein Bild in zeitgenössischer Wahrnehmung und Geschichte entsprechend zurechtzuschneidern, dass es in teilen kultische Formen annimmt.
Siehe dazu:

Clark, Christopher: Von Zeit und Macht

Und dann dort die entsprehcnden Ausführungen über den "Roi Historien" und dessen Bemühungen der Selbstinszenierung.
Vielleicht sollte man sich auch Abschriften der Kirchenbücher von Leuthen, Zorndorf, Kuhnersdorf oder Prag oder Lobositz mit den Eintragungen der dabei produzierten Toten an die Wand hängen, wenn wir schon bei den Verdiensten sind?
 
@derralf

Weitere tagespolitische Rundumschläge werden gelöscht.
Die früheren moderativen Hinweise dazu gelten übrigens unverändert.
 
*lol*
Naja - "Sozialistische Persönlichkeiten" wohl wenig. Karl Marx war ein elender Schnorrer und wäre wohl Einer der ersten Opfer von Massenmördern wie Lenin oder Mao oder anderen Typen geworden.
Insofern wäre ich auch immer vorsichtig rote, braune oder grüne Parteihymnen zu zitieren. Aber gut.

Über den allgemeinen historisch angehauchten Unsinn, den "derralf" hier zum Besten gibt, mag man ja noch hinwegsehen. Er weiss es offensichtlich nicht besser.

Zur Zumutung wird es aber dann, wenn der Satz nach der Nennung von "Massenmördern" mit "Insofern" weiter geht und dadurch "grüne Parteihymnen"in einen direkten Kontext zu den "Massenmördern gestellt werden.

An diesem Punkt überschreitet für mich die historische Inkompetenz deutlich ein akzeptables Maß an politischer Verunglimpfung. Die Partei der Grünen mit "Massenmördern" in einen Kontext zu bringen, offenbart ein massiv gestörtes Verhältnis und komplettes Unverständnis zum Wertesystem der Berliner Demokratie und der sie tragenden politischen Parteien.

Und es darf angemerkt werden, dass bei der Auflistung der politischen Farbenlehre vor allem die "blauen" Parteihymnen - die "schwarze" auch - fehlen, wobei als Entschuldigung angeführt werden kann, dass es zwischen der "blauen" und "braunen" lediglich marginale ideologische Unterschiede gibt.

Allerdings: Dass meine Antwort den Nachteil hat, auf die bewußte Provokation von "derralf" mit einer deutlichen Antwort zu reagieren, Konflikte im Forum zu verschärfen, dürfte Jedem klar sein. Der Zweck provokativer und inhaltsfreier Statements ist ja die sinnfreie Polarisierung. Deswegen war die inhaltliche Antwort von Shinigami so hilfreich, die historischen Verirrungen von "derralf" gerade zu rücken.
 
Wenn ich was von den „Alten Fritz“ höre, denke ich immer zuerst an den „schönsten Nachbarschaftsstreit des 18. Jahrhundert“.
An den Müller Namens Johann, Wilhelm, Ludewig Grävenitz und an Friedrich der II. – der Große.

Die Mühle klapperte und staubte.

Wahr ist dabei, „Dem König gefiel diese Mühle, weil sie „dem Schloß eine Zierde sey““. Quelle „Antenne Brandenburg“.

Hier ein Bild dazu.

Anmerkung: Zu unseren Freund den > Pfadfinder < ist, glaube ich, genug gesagte worden.
Ich würde was den „Schnorrer“ anbelangt auf die Grabrede von F. Engels verweisen und was die "Sehnsucht nach Helden" anbelangt, auf Engels Brief an Walter Borgius in Breslau, 25.01.1894.


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Zuletzt bearbeitet:
Historiker sind nicht verpflichtet Helden zu liefern, Historiker sind verpflichtet, Narrative zu zerlegen.
Die Aufgabe von Historikern ist in erster Linie die fundierte Erforschung historischer Zusammenhänge.
Die Frage dieses Fadens ist allerdings eine Andere. Hier wird nicht gefragt "was sagt die Forschung über Friedrich den Großen als Person?" sondern "was denken die Deutschen über Friedrich den Großen?".
Insofern ist die Frage durch mich richtig beantwortet.
Menschen suchen Helden - und im Alten Fritz werden sie fündig. Und in diesem Fall ist das von Vorteil.
 
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