Kolonien - warum?

Wir hatten es schon mehrfach: Für Spanien und mittelbar auch für den Rest Europas bedeuteten die Gold- und Silberimporte aus Amerika eine Inflation. Irgendwo zitierte ich auch mal Quevedo (einer der zwei ganz großen spanischen Barocklyriker) mit seinem Gedicht Don Dinero der die Inflation des Geldes in der Gestalt eines Ritters darstellt:

Quevedo: Don Dinero schrieb:
Nace en las Indias honrado
donde el mundo le acompaña;
viene a morir en España
y es en Génova enterrado;
y pues quien le trae al lado
es hermoso aunque sea fiero,
poderoso caballero
es don Dinero.
Übersetzung schrieb:
Er wird in Amerika ehrbar geboren
wo ihm alles von Welt Gesellschaft leistet
Er kommt zum Sterben nach Spanien
und wird in Genua beerdigt
Und nun, wer ihn zur Seite bringt
der ist schön, wenn er auch grausam sei
er ist ein mächtiger Ritter
Don Dinero
 
Für Spanien und mittelbar auch für den Rest Europas bedeuteten die Gold- und Silberimporte aus Amerika eine Inflation.
Was aber in erster Linie ein Problem für den Rest Europas war - weil dort die Inflationsverluste nicht durch Edelmetallzufuhren ausgeglichen werden konnten.
Für Spanien war die Bilanz insgesamt natürlich positiv (aber nicht für alle gesellschaftlichen Gruppen innerhalb Spaniens).
 
Was aber in erster Linie ein Problem für den Rest Europas war - weil dort die Inflationsverluste nicht durch Edelmetallzufuhren ausgeglichen werden konnten.

Wertverlust von Edelmetallen durch inflationäre Edelmetallzufuhr mit weiterer Edelmetallzufuhr bekämpfen - funktioniert das wirklich? Im Spanien des 16. Jahrhunderts fanden kaum noch echte Wertschöpfungsprozesse statt.
 
Wertverlust von Edelmetallen durch inflationäre Edelmetallzufuhr mit weiterer Edelmetallzufuhr bekämpfen - funktioniert das wirklich?
Für den, der die neuen Edelmetalle bekommt, funktioniert das schon.

Hast Du vorher zwei Leute mit je einem Goldstück, und für ein Goldstück kannst Du Dir einen Ochsen kaufen.

Dann bekommt einer der Beiden zwei Goldstücke dazu - entsprechend steigt der Ochsenpreis in Gold gerechnet um 100%.

Dann kann sich der eine für seine nun drei inflationsgeschädigten Goldstücke eineinhalb Ochsen kaufen und er andere für sein immer noch nur eines Goldstück nur noch einen halben Ochsen.

Etwas krudes Beispiel, aber das Prinzip wird hoffentlich deutlich.
 
Das würde allerdings voraussetzen, dass der Edelmetallfluss von Amerika nach Europa den anderen Europäern verborgen geblieben wäre. Und dem war nicht der Fall.
 
Das würde allerdings voraussetzen, dass der Edelmetallfluss von Amerika nach Europa den anderen Europäern verborgen geblieben wäre.
Im Gegenteil: Inflation gibt es, WEIL der zunehmende Vorrat an Edelmetallen allen bekannt ist und es daher in Relation an Wert verliert.


Im Minibeispiel wäre es der Ochsenbesitzer, der WEIL er vom erhöhten Goldvolumen weiß, sich nicht mehr mit dem alten Preis zufrieden gibt.
 
Was aber in erster Linie ein Problem für den Rest Europas war - weil dort die Inflationsverluste nicht durch Edelmetallzufuhren ausgeglichen werden konnten.
Für Spanien war die Bilanz insgesamt natürlich positiv (aber nicht für alle gesellschaftlichen Gruppen innerhalb Spaniens).

Ich würde sogar sagen, dass nur die Wenigsten langfristig Profit daraus ziehen konnten. Das Gold floss ja in geordnete Kanäle ...

Hier eine Grafik zur Inflation:

Diagramm: Edelmetallimporte und Inflation in Spanien

Wenn man nun sieht, dass sich die Preise in knapp 35 Jahren (1550-1585) verfünffacht hatten, ist schwer vorzustellen, dass die Entlohnung der Bevölkerung und die Produktivität damit Schritt halten konnten. Diese Preistreiberei muss auch Importeure/Schmuggler auf den Plan gerufen haben - wenn man in Spanien für seine Produkte solch traumhalte Renditen erwirtschaften konnte.

In modernen Staaten nennt man das Phänomen "Dutch Desease".

Hinzu kommt, dass der Staat durch die plötzlich verfügbaren Ressourcen gewaltige Ausgaben (Militär, Städtebau, Kirchen und Paläste) anstrengt und auf diesem Niveau weiter plant. Sinkt aber der Wert des Goldes irgendwann stärker als die Fördermenge steigt, kommt der Staat mit seinen Einnahmen nicht mehr hin. Der Staatsbankrott droht ...
 
Wenn man nun sieht, dass sich die Preise in knapp 35 Jahren (1550-1585) verfünffacht hatten, ist schwer vorzustellen, dass die Entlohnung der Bevölkerung und die Produktivität damit Schritt halten konnten.
Die Produktivität natürlich nicht. Das ist im Prinzip auch unproblematisch. Wenn einfach alle Geldzahlungen den fünffachen Betrag haben, ändert das an der Wirtschaftsstruktur ja grundsätzlich nichts.

Das mit der Entlohnung ist schon interessanter. Das Hauptproblem bei Inflation ist die Ungleichzeitigkeit, mit der sie wirkt. Je nachdem, wie schnell der Inflationseffekt auf Lieferverträge, Lohnhöhen, Mieten und Pachten etc. durchschlägt.Die Preise passen sich meistens am schnellsten an - und dann haben Teile der Bevölkerung ein Problem, weil sie das auf ihrer Einnahmeseite nicht schnell genug nachziehen können.

Inflation bedeutet ja im Kern, daß ein Zahlungsmittel in der Menge schneller wächst als die Menge von Waren oder Dienstleistungen. Dann verändern sich die Angebots-Nachfrage-Strukturen und ein Stück Zahlungsmittel ist weniger wert.
Ein Problem hat damit, wessen Vermögen oder Einkommen in diesen Zahlungsmitteln gerechnet wird.
Im Vorteil ist, wer an der Quelle sitzt, wo die zusätzlichen Zahlungsmittel in den Markt kommen (also der spanische Hof bei den Goldlieferungen oder die Zentralbank beim modernen Geld).

In modernen Staaten nennt man das Phänomen "Dutch Desease".
Ja, aber das Problem liegt eigentlich weniger an der Inflation, als an falschem staatlichen Handeln.
Wenn das zusätzliche Geld einfach nur verbraten wird (wie bei den Beispielen Spanien, Holland, Rußland), dann erzeugt man diverse häßliche Nebeneffekte.
Die besonders dann häßlich werden, wenn der Einnahmestrom plötzllich versiegt.

Aber dieser Effekt ist nicht zwangsläufig, Staaten wie Norwegen, Kanada oder die USA zeigen das.

Hätten z. B. die Holländer damals die neuen Staatseinnahmen genutzt, um im gleichen Umfang Steuern zu senken und damit ihre Wirtschaft anzukurbeln, hätten sie nie eine "dutch desease" bekommen.

Hinzu kommt, dass der Staat durch die plötzlich verfügbaren Ressourcen gewaltige Ausgaben (Militär, Städtebau, Kirchen und Paläste) anstrengt
Was aber erst einmal heißt: Grundsätzlich ist der Zufluß an neuen Ressourcen für die Volkswirtschaft unterm Strich positiv.
Man kann nun mehr Kirchen bauen oder Kriege führen, als man dies aus eigener Kraft gekonnt hätte.
Und die Holländer konnten sich viel mehr schöne Importwaren leisten, als sie das vorher konnten.

...und auf diesem Niveau weiter plant. Sinkt aber der Wert des Goldes irgendwann stärker als die Fördermenge steigt, kommt der Staat mit seinen Einnahmen nicht mehr hin. Der Staatsbankrott droht ...
Exakt.
Aber der Bankrott droht nur, er ist nicht zwangsläufig.

Man kann dieses Problem so gnadenlos falsch regeln, daß der Staat hinterher ruiniert ist (das haben die Spanier wohl geschafft).

Die Holländer haben es mit einigen Unannehmlichkeiten geschafft, ihren Murks wieder hinzukriegen. Unterm Strich waren die Jahre mit zusätzlichem Wohlstand wohl mehr zu werten als die Jahre danach mit Rückbauschwierigkeiten - der Erdgas-Boom war insgesamt trotzdem noch positiv für Holland.

Wie es bei Russen laufen wird ist offen. Ich bin wenig optimistisch.
 
Das Thema Kolonialismus bzw. Imperialismus ist ein breites Feld. Sinnvoll ist es, die Entwicklung im Kontext der europäischen Expansion zu begreifen. Zum einen, um den wirtschaftlichen Aspekt zu verstehen, die europäische Konfliktsituation und auch den "zivilisatorischen" Aspekt, der ein Argument für die Richtigkeit der "Überlegenheit" des Weißen war und für seine Rolle als Kolonialmacht.

Insge4amt ist die Entwicklung eingebunden in den "Aufstieg des Westens" und auch der Rolle von "King Cotton".

Da wäre wichtig, für welche kolonien und welche Zeit du dich im Detail interessierst.

Letztlich gibt es eine Vielzahl an Studien zu einzelnen Regionen des Empire wie vor allem auch zu Indien. Allerdings fast alles in Englisch. (vgl, die Frage von Shinigami)

Egerton, Hugh Edward (2018): A short history of British colonial policy (1922). London: Routledge
Hobsbawm, Eric John; ( 1989): Das imperiale Zeitalter. 1875-1914. Frankfurt/Main, New York: Campus Verl.
Kennedy, Paul M. (1978): Aufstieg und Verfall der britischen Seemacht. Herford: Mittler.
Kennedy, Paul M. (1994): Aufstieg und Fall der großen Mächte. Ökonomischer Wandel und militärischer Konflikt von 1500 bis 2000. Frankfurt am Main: Fischer-Taschenbuch-Verl.
Münkler, Herfried (2016): Imperien. Die Logik der Weltherrschaft - vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verl.
Osterhammel, Jürgen (2013): Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts. München: Beck.
Reinhard, Wolfgang (2018): Die Unterwerfung der Welt. Eine Globalgeschichte der europäischen Expansion 1415-2015. München: Verlag C.H. Beck
Smith, Woodruff D. (1982): European imperialism in the nineteenth and twentieth centuries. Chicago: Nelson-Hall.
 
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