Man findet dazu erstaunlich wenig im Netz
Es gibt aber ein interessantes Buch:
Der Briefwechsel zwischen Carl Diem und Werner March - "Unsere gemeinsam gelöste Lebensaufgabe", bearbeitet von Karl Lennartz und Thomas Schmidt, Sankt Augustin 2002
Carl Diem, Generalsekretär des Organisationskomitees für die XI. Olympiade Berlin 1936, hat über viele Jahre mit Werner March eng zusammengearbeitet. Aus dieser Zeit gibt es leider nur wenige Briefe, weil sich die beiden regelmäßig trafen.
In dem Buch ist auch der Vertrag zwischen dem Reichsfiskus und dem Architekten Werner March vom 24.4.1934 abgedruckt. Ich zitiere daraus:
Beim Grunewald-Stadion hat Herr March in den Jahren 1927-31 mehrere Vorentwürfe für den DRA. [Deutscher Reichsausschuß für Leibesübungen] aufgestellt und diesem im September 1932 ein abschließendes erstes Vorprojekt vorgelegt, für das er vereinbarungsgemäß vom DRA. 12 000 RM erhalten hat. Für einen zweiten Entwurf zum Stadionbau, abschließend mit 3 900 000 RM Baukosten, der im September 1933 dem Reichsfiskus als künftigem Rechtsnachfolger des DRA. übergeben wurde, aber auch nicht zur Ausführung kommen konnte, hat Herr March von DRA. bisher 15 000 RM erhalten.
Der Herr Reichskanzler hat in einer ab 5. Oktober 1933 durchgeführten Ortsbesichtigung zur tatkräftigen Förderung des gesamten deutschen Sports und im Hinblick auf die im Jahre 1936 in Berlin stattfindenden XI. Olympiade angeordnet, daß das Sportforum und das Grunewald-Stadion mit erheblich erweitertem Programm aus Reichsmitteln ausgebaut werden sollen. Die Ausarbeitung der neuen Entwürfe für Sportforum und Stadion ist durch den Herrn Reichskanzler ebenfalls dem Architekten Werner March übertragen worden.
[Für das neue Projekt wurde nunmehr eine Bausumme von insgesamt 14 500 000 RM veranschlagt]
Der Briefwechsel stammt größtenteils aus den Jahren ab 1945. Man kann daraus ersehen, wie Diem und March ihre "gemeinsam gelöste große Lebensaufgabe" in späteren Jahren sahen.
1952 erschien in der "Fachpresse", in einem ungenannten "kleinen Blättchen" ein kritischer Artikel, der dem Brief leider nicht mehr beiliegt.
March an Diem, 14.11.1952:
Zu dem anliegenden wenig erfreulichen Artikel hätte ich gern Ihre Meinung hinsichtlich des überholten Raumprogramms gehört. Über die technischen Nöte will ich mich in Berlin selbst informieren und werde Ihnen gelegentlich darüber berichten.
Diem an March, 15.11.1952:
Ich kann nur sagen, wenn ich noch einmal aufgefordert würde, das Programm für ein neues Reichssportfeld zu machen, es würde haargenau so aussehen, wie das vergangene, aber bis heute ist nirgendwo ein Bedürfnis nach größeren Anlagen vorhanden. Es kommen natürlich Veranstaltungen vor, bei denen statt 100 000 auch 120 000 Zuschauer erscheinen würden, man hätte aber dann für die übrigen Zeit entsprechende Lücken und außerdem höhere Unterhaltungskosten. Wie leichtfertig solche Aufsätze geschrieben werden, sehe ich aus dem Satz 'architektonisch liegt es in der Auffssung der nationalsozialistischen Gestaltungsart'. Wir beide wissen, daß wir uns gerade davon abgesetzt und mit List und Tücke den Einfluß verhindert haben.
Gegen Pläne, das Stadion zu überdachen oder mit großen Beleuchtungsmasten zu versehen, wehrten sich March und Diem gemeinschaftlich. Ein solcher Plan konnte 1961 verhindert werden.
March an Diem 25.1.1961:
Sie wissen, wie dankbar ich Ihnen stets gewesen bin, dass Sie sowohl bei der Bedachung als auch in der Frage der Vermeidung der Beleuchtungstürme durch Ihre lebhafte Fürsprache geholfen haben, dass der naturverbundene und organisch reine Charakter unseres Stadions erhalten blieb, und es seine Klarheit und Schönheit wesentlich dem Verzicht auf technische Apparaturen verdankt.
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie der Bundesbaudirektion, z.Hd. Herrn Baudirektor Fulge, Berlin-Charlottenburg, Fasanenstrasse, ein Schreiben senden würden, in dem Sie sich lebhaft für die Beibehaltung der bisherigen Beleuchtungsanlage einsetzen.
[...]
Ich selbst beabsichtige, mich lebhaft gegen die Errichtung von vier hohen Pylonen auszusprechen, die unvermeidlich den Masstab des Bauwerks und insbesondere auch der mit ihm verbundenen Türme zerstören würde.
Diem an Baudirektor Fulge, 2.2.1961
Mein alter Freund und Kampfgenosse Professor Werner March schreibt mir recht traurig, daß Bestrebungen bestünden, die Beleuchtungsanlage des Olympiastadions durch 4 50 m hohe Masten zu ersetzen. Man hat dies auch im hiesigen Stadion getan und, obwohl ich nun schon seit langem hier residiere, kann ich mich an den scheußlichen Anblick nicht gewöhnen.
[...]
Ich darf mir ein Urteil erlauben. Ich kenne so ziemlich alle großen Kampfbahnen der Welt. Davon ist das Olympiastadion zu Berlin und das Reichssportfeld die edelste und - vom Corbusier-Haus abgesehen, die am wenigsten gestörte. Überall anderswo drückt sich der Geschäftsgeist unserer Zeit in jämmerlicher Weise aus und erstickt den Adel der Baukunst.
Ich möchte Sie bitten, Ihren Einfluß gegen dieses Projekt geltend zu machen, das ja nichts anderes als ein vermeintliches Zuschauergeschäft anstrebt.
March an Diem, 9.8.1961
Wie dankbar müssen wir also sein, daß 1933 - 1936 ein so aufnahmebereiter Boden für Ihre Forschungen und Ideen uns vom Schicksal geschenkt war, und daß damals sonderbarliche [?] Gestalt gewinnen durfte, mit dem wir einmal vor späteren Generationen bestehen können, ob mit parteilichem Rufen oder nicht, ist doch ganz gleichgültig.
[...]
Die 4 50 m hohen Beleuchtungsmaste, die Frau Ella Kay um unser Stadion forderte, sind gottlob vom Programm abgesetzt.
March (Kondolenzschreiben an Frau Diem), 18.12.1962
Tief bewegt erfahre ich aus der heutigen Morgenzeitung die Nachricht vom Tode Karl Diems meines verehrten Freunds und steten Förderers. Er war für mich als dem Baumeister im Sportforum und später im Reichssportfeld der nie zu entbehrende ideale Bauherr und geistige Initiator.
[...]
So hat er sich und dem olympischen Geist in den Berliner Bauten ein Denkmal gesetzt, das sich von den übrigen Sportanlagen der Welt unterscheidet und in Generationen fortwirken wird.