Gründe:
Am 29. August 1934 trafen die beiden Angeklagten von Paris
kommend in Darmstadt ein. Sie stiegen im Hotel "Darmstädter Hof"
ab. Dann begaben sich beide mittels Kraftwagen oder Straßen-
bahn zur ehem.[?] Fabrik F.[?]. Merk. Während der Angeklagte Andreani
vor der Fabrik auf- und abging, begab sich der Angeklagte Bachofener
in die Fabrik. Da er jedoch Dr. Merk nicht antraf, kehrte er
nach kurzer Zeit wieder zurück und begab sich mit dem Angeklagten
Andreani wieder nach Darmstadt. Bachofener schrieb nun einen
Brief an die Firma Merck, worin er mitteilte, daß er durch gute
Verbindungen in Paris in der Lage sei, das Rezept für
die Herstellung eines neuerfundenen unsichtbaren Giftgases zur be-
kommen und ihr zu übergeben[?], falls die Firma bereit sei, ihm
hierfür 150 kg Kokain zu liefern. Diesen Brief gab der
Angeklagte Bachofener persönlich bei Merk ab. Am Nachmittag desselben
Tages begab sich sodann der Angeklagte Bachofener wieder in
die Geschäftsräume der Firma, wo er von Direktor Dr.
Landmann empfangen, dem er dann den Zweck seiner
Vorsprechens darlegte.
Dieser Sachverhalt ist durch die Beweisaufnahme eindeutig festge-
stellt worden. In seiner Einlassung bestreitet der Angeklagte
Bachofener sich strafbar gemacht zu haben. Er tue zwar nicht leugnen,
daß ihm die [???] Gesetzgebung, die den unerlaubten Handel mit
Rauschgiften unter Strafe stellt, bekannt ist. Er behauptet jedoch, daß
er nicht die Absicht gehabt habe Kokain auf illegalem Wege zu
erwerben, sondern daß es ihm als gutem Deutschen lediglich
darauf angekommen sei, Deutschland einen chemisch-militärischen
Vorteil zu verschaffen, da er in der Lage sei, an einem
französischen Militärchemiker das Rezept über die Herstellung eines
neuerfundenen unsichtbaren Giftgases zu erhalten, falle er diesem 150 kg
Kokain ließe. Aus diesem Grunde sei er an die Firma
Merk herangetreten. Dieser Einwand des Angeklagten ist als
durchaus unglaubhaft zu betrachten und zwar nicht deshalb, weil
er unmöglich scheint, daß ein Franzose sein Vaterland verriet,
denn derartige Sachen pflegen immer wieder einmal vorzukommen,
sondern deshalb weil es von dem Militärchemiker direkt thöricht
wäre, sich dem ihm erst seit 5 Stunden beekannten Bachofener in einer
------------------
Sache von einer derartigen Tragweite anzuvertrauen würde die Geschichte
mit dem Giftgas auf Wahrheit beruhen, so würde dieser Militär-
chemiker sich zumindest den Rücken durch Vorschieben einer
Mittelsperson gedeckt haben, da er damit rechnen mußte, daß
im anderen Falle Bachofener ihn nachher anzeigen oder erpressen
könne. Auch die ganze weitere Einlassung des Angeklagten ist
unwahr und voller Widersprüche. So hat der Angeklagte bald
von einem Offizier, bald von einem Militärchemiker gesprochen,
außerdem hat er früher nie etwas von einer Giftgasprobe, die in
einer Ampulle eingeschlossen, Merck übergeben werden sollte, gesagt.
Wenn nun der Angeklagte auch damit einverstanden war, daß die
ganze Angelegenheit dem Innenministerium unterbreitet werden
dürfte, so ist das nur als ein Scheinmanöver aufzufassen;
denn dem Angeklagten war ganz genau bekannt, daß die
Opiumstelle die zuständige Stelle ist, die die Erlaubnis zum
Kokainerwerb zu erteilen hat. Daß der Angeklagte vielmehr
die Absicht gehabt hat Kokain auf illegalem Wege zu erwerben,
geht schon daraus hervor, daß er den Vorschlag machte, das
Kokain in Paketen ohne Etiketten an bestimmte französische
Apotheker zu schicken. Der Angeklagte hat sich somit eines ver-
suchten Vergehens gegen § 10 Z. 1 des Opiumgesetzes schuldig gemacht und
ist deshalb zu bestrafen.
Das Gericht hat als angemessene Sühne eine Strafe von 2 Jahren
und 6 Monaten Gefängnis sowie 2000 RM Geldstrafe für angemessen
------------------
angesetzt und bei der Strafzumessung berücksichtigt, daß der Angeklagte
mit einem Gift Handel treiben wollte, das geeignet ist, die Ge-
sundheit Tausender von Menschen zu untergraben und dieselben seelisch
und körperlich vollkommen zu ruinieren. Derartige Leute, die
auf Kosten der Gesundheit ihrer Mitmenschen Geschäfte machen wollen
sind als gemeingefährlich zu betrachten und müssen deshalb in
eine besonders hohe Strafe genommen werden.
===
Der Angeklagte Andreani bestreitet in seiner Einlassung etwas
von der ganzen Kokaingeschichte gewußt zu haben. Er gibt vielmehr an,
daß er lediglich nach Deutschland gekommen sei, um Essenzen für die
Herstellung von Parfümier- und Bijouteriewaren zu kaufen, da er
aus einer Preisliste, die ihm Bachofener gezeigt habe, ersehen habe, daß
dieselben in Deutschland billiger seien. Bachofener habe er des-
halb mitgenommen, weil dieser der Deutschen Sprache mächtig sei.
Er habe keine Ahnung gehabt was Bachofener bei Merk wolle.
Diese Darstellung des Angeklagten wird in der heutigen Hauptver-
handlung durch die Aussage des Bachofener unterstützt, der jedoch
keine große Bedeutung beizumessen ist, da ja die ganze
Einlassung des Angeklagten Beschner unglaubhaft und voller Wider-
sprüche ist. Feststeht jedenfalls daß die Sache mit den Essenzen
zum erstenmale in der heutigen Hauptverhandlung vorgebracht worden
ist, [???] daß Andreani zumindest einen Teil der Reise und des
Aufenthaltes in Deutschland finanziert hat, außerdem daß er mindestens
einmal zusammen mit Bachofener zu Merk hingegangen ist. Wenn
------------------
auch der dringendste Verdacht besteht, daß Andreani zusammen mit
Bachofener nach Deutschland gekommen ist, um hier auf illegale
Weile Kokain zu erwerben, hi daß er im Verdacht steht der
eigentliche Drahtzieher der ganzen Angelegenheit zu sein, so ist
doch ein voller Beweis, auf den sich eine Verurteilung
stützen könnte, nicht erbracht worden. Der Angeklagte war somit
mangels Beweises freizusprechen. Eine Entschädigung für die erlittene
Untersuchungshaft steht ihm nicht zu, da er nach wie vor der Teilnahme
verdächtig ist.
Kostenentscheid beruht auf § 465, 467 Gt. S. O.
[unleserliche Unterschrift]