Dagobert I. und der Massenmord an Bulgaren in Bayern

Die "Fredegar-Chronik" ist nun einmal eine Kompilation aus verschiedensten Werken der damaligen Zeit. Der Autor/ die Autoren dürften kaum in der Lage gewesen sein, den Wahrheitsgehalt ihrer Quellen zu überprüfen. Auch die Abstammung der Franken aus Troja wird erwähnt. "Fredegar" ist kein Chronist seiner Zeit, er möchte eine Weltgeschichte schreiben. Ein Sammelsurium aus Texten aus verschiedensten Abschriften, mit den üblichen Abschreibfehlern, Missinterpratationen, politisch oder religiös motivierten Einschüben, wie damals eben üblich.
Einen gewissen Unterschied macht es aber schon, ob man über die sagenhafte Abstammung der Franken schreibt oder über ein nur etwa 30 Jahre zurückliegendes Ereignis.

Vielleicht gibt es auch nicht mehr Berichte über die Morde, weil die fränkische Führungsschicht kein Interesse daran hatte, dass hierüber geschrieben wurde. Vielleicht tat der Autor der Fredegar Chronik etwas sehr mutiges mit seinem Bericht , wagte es aber nicht die Motive zu nennen um Unannehmlichkeiten zu vermeiden. Vielleicht hätte er sonst sein Leben riskiert? Er erwähnt, dass der König auf den Rat seiner Berater hörte. Deren Namen hat er aber nicht genannt. Vielleicht hatte das seinen Grund.
So viel muss man da gar nicht hineindeuten. Die Fredegar-Chronik wollte eine umfassende Weltchronik sein, und auch wenn der Schwerpunkt auf der fränkischen Geschichte liegt, sind die Schilderungen meist eher knapp gehalten. Es wäre im Gegenteil ungewöhnlich, wenn der Autor über das Massaker ausführlich geschrieben hätte. Die Namen der Berater zu nennen wäre vollkommen überflüssig gewesen, auch wenn der Autor sie gekannt hätte, was wohl nur der Fall gewesen sein kann, wenn er selbst zum Königshof gehörte, was wir nicht wissen.
Dass es nicht mehr Berichte (außer in den späteren "Gesta Dagoberti") über die Morde gibt, ist auch leicht erklärlich: Die Fredegar-Chronik ist das einzige wenigstens halbwegs ausführliche Werk über die betreffende Zeit. Der Liber Historiae Francorum ist noch wesentlich knapper geraten, und spätere Chroniken aus karolingischer und noch späterer Zeit reichten zwar mitunter auch bis zu Adam und Eva zurück, wurden aber meist erst bei der Darstellung der Zeitgeschichte ausführlich, während sie aus früheren Jahrhunderten kaum mehr als ein paar eher stichwortartige Notizen zu Regierungszeiten, wichtigen Feldzügen und Sterbedaten von Bischöfen und Äbten enthielten.
Für byzantinische Geschichtsschreiber war ein solcher Vorgang irgendwo in Europa wohl kaum erwähnenswert.
 
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Alles very unlikely. Du könntest solche Thesen leicht überprüfen, in dem du mal einige Seiten vor- und zurückblätterst: Wie häufig werden sekundäre Personen und im Speziellen Berater überhaupt namentlich genannt? Dass "Fredegar" "Angst" gehabt hätte, ist angesichts des Gesamttextes und der Lesefähigkeit des Adels im 7. Jhdt. sowie der antizipierten Leserschaft kaum zu befürchten.

Ich habe die Chronik erst vor kurzem erhalten und habe noch nicht alles gelesen. Wenn keine Berater in anderen Zusammenhängen erwähnt werden, dann scheint das bei ihm üblich zu sein.

Dennoch lässt sich nicht grundsätzlich ausschließen, dass der Autor Angst gehabt haben könnte mehr Details zu nennen. Autoren waren doch immer schon in Gefahr, wenn sie etwas schilderten, was nicht jedem gefällt. Wir wissen doch gar nicht was für ein Mensch hinter dem Schreiber steckt? Er hätte auch durchaus Grund genug gehabt. Dagobert und die anderen fränkischen Großen hatten kein Problem damit Menschen zu töten, die sich bei ihnen unbeliebt machen. Und sie brauchten den Text gar nicht selber zu lesen. Es bräuchte ihnen nur einer zuzutragen, der lesen und der Fredegar denunzieren konnte. Solche Leute gab es schon immer.
 
Dennoch lässt sich nicht grundsätzlich ausschließen, dass der Autor Angst gehabt haben könnte mehr Details zu nennen. Autoren waren doch immer schon in Gefahr, wenn sie etwas schilderten, was nicht jedem gefällt. Wir wissen doch gar nicht was für ein Mensch hinter dem Schreiber steckt? Er hätte auch durchaus Grund genug gehabt. Dagobert und die anderen fränkischen Großen hatten kein Problem damit Menschen zu töten, die sich bei ihnen unbeliebt machen. Und sie brauchten den Text gar nicht selber zu lesen. Es bräuchte ihnen nur einer zuzutragen, der lesen und der Fredegar denunzieren konnte. Solche Leute gab es schon immer.
Das Gravierendste am Massaker war doch das Massaker an sich, nicht die dahintersteckende Motivation des Königs, der zur Zeit des Berichts tot war, oder die Namen der Berater, von denen viele wahrscheinlich auch schon tot waren.
Hätte der Autor Angst gehabt, über das Massaker zu berichten, hätte er es gar nicht erwähnt statt nur solche Details zu verschweigen.
 
So viel muss man da gar nicht hineindeuten. Die Fredegar-Chronik wollte eine umfassende Weltchronik sein, und auch wenn der Schwerpunkt auf der fränkischen Geschichte liegt, sind die Schilderungen meist eher knapp gehalten. Es wäre im Gegenteil ungewöhnlich, wenn der Autor über das Massaker ausführlich geschrieben hätte. Die Namen der Berater zu nennen wäre vollkommen überflüssig gewesen, auch wenn der Autor sie gekannt hätte, was wohl nur der Fall gewesen sein kann, wenn er selbst zum Königshof gehörte, was wir nicht wissen.
Dass es nicht mehr Berichte über die Morde gibt, ist auch leicht erklärlich: Die Fredegar-Chronik ist das einzige wenigstens halbwegs ausführliche Werk über die betreffende Zeit. Der Liber Historiae Francorum ist noch wesentlich knapper geraten, und spätere Chroniken aus karolingischer und noch späterer Zeit reichten zwar mitunter auch bis zu Adam und Eva zurück, wurden aber meist erst bei der Darstellung der Zeitgeschichte ausführlich, während sie aus früheren Jahrhunderten kaum mehr als ein paar eher stichwortartige Notizen zu Regierungszeiten, wichtigen Feldzügen und Sterbedaten von Bischöfen und Äbten enthielten.
Für byzantinische Geschichtsschreiber war ein solcher Vorgang irgendwo in Europa wohl kaum erwähnenswert.

Nun ja, eine kurze Angabe des Motivs oder paar Namen von Ratgebern würde ich jetzt nicht unbedingt als "ausführlichen Bericht" ansehen. Das wären nur ein paar Zeilen mehr gewesen. Nun, vielleicht hatte er keine Angst. Vielleicht könnte man aus dieser kurzen Schilderung auch herauslesen, dass der Autor über diese Tat nicht besonders moralisch entrüstet war. Dass sich Dagobert bei der Kirche bereichert und sich der Fleischeslust hingeben hat, scheint er mehr zu kritisieren.
 
Nun ja, eine kurze Angabe des Motivs oder paar Namen von Ratgebern würde ich jetzt nicht unbedingt als "ausführlichen Bericht" ansehen. Das wären nur ein paar Zeilen mehr gewesen.
Was voraussetzt, dass er sie kannte, was ich, wie bereits früher geschrieben, für recht fraglich halte.
Außerdem, welchen Leser sollten die Namen der Berater interessieren? Wann war es jemals üblich, in einem Bericht die Namen von Beratern aufzulisten? Berichtet wird über das relevante Ergebnis, nämlich die Entscheidung des Königs.
 
Das Gravierendste am Massaker war doch das Massaker an sich, nicht die dahintersteckende Motivation des Königs, der zur Zeit des Berichts tot war, oder die Namen der Berater, von denen viele wahrscheinlich auch schon tot waren.
Hätte der Autor Angst gehabt, über das Massaker zu berichten, hätte er es gar nicht erwähnt statt nur solche Details zu verschweigen.

Selbstverständlich war das Gravierendste das Massaker an sich. Die Tatsache, dass es in der Chronik erwähnt wird, ist jedenfalls ungewöhnlich. Denn warum sollten die Franken ein Interesse daran haben, dass die Nachwelt von dieser unrühmlichen Tat erfährt? Die zweite Tatsache, dass es kaum Details gibt, ist ebenso ungewöhnlich. Es entspricht doch der menschlichen Natur über solche ungewöhnlichen Ereignisse mehr erfahren zu wollen um sie verstehen zu können.
 
Die Chronik berichtet über die meisten Ereignisse nur knapp, obwohl man über viele gerne mehr erfahren würde. Warum also ausgerechnet über das Bulgarenmassaker? Über alles ausführlich zu berichten, hätte den Umfang der Chronik gesprengt und war auch eine Kostenfrage, schließlich war das Schreibmaterial teuer.
 
Was voraussetzt, dass er sie kannte, was ich, wie bereits früher geschrieben, für recht fraglich halte.
Außerdem, welchen Leser sollten die Namen der Berater interessieren? Wann war es jemals üblich, in einem Bericht die Namen von Beratern aufzulisten? Berichtet wird über das relevante Ergebnis, nämlich die Entscheidung des Königs.
Es ist zwar schade, dass Fredegar die Namen nicht erwähnt hat, aber sollten nicht ein paar Namen herauszufinden sein? Was ist mit dem Hausmeier Pippin der Ältere? Er verlor zwar seinen Einfluss als Dagobert 629 Alleinherrscher wurde, doch war seine Amtszeit zwischen 624-640.
 
Die Chronik berichtet über die meisten Ereignisse nur knapp, obwohl man über viele gerne mehr erfahren würde. Warum also ausgerechnet über das Bulgarenmassaker? Über alles ausführlich zu berichten, hätte den Umfang der Chronik gesprengt und war auch eine Kostenfrage, schließlich war das Schreibmaterial teuer.

Da ist schon was dran. Auch die ersten Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg war man in Deutschland nicht daran interessiert, die begangenen Massenmorde aufzuarbeiten. Die Völker neigen nun mal dazu sich über die eigenen Greueltaten wenig Gedanken zu machen.
 
Es ist zwar schade, dass Fredegar die Namen nicht erwähnt hat, aber sollten nicht ein paar Namen herauszufinden sein? Was ist mit dem Hausmeier Pippin der Ältere? Er verlor zwar seinen Einfluss als Dagobert 629 Alleinherrscher wurde, doch war seine Amtszeit zwischen 624-640.
Herausfinden kann man (ohne zusätzliche Quellen) gar nichts, nur fruchtlos spekulieren.
 
Herausfinden kann man (ohne zusätzliche Quellen) gar nichts, nur fruchtlos spekulieren.
Wieso fruchtlos? Erst wenn man alle bekannten Details untersucht, kann man vergangene Ereignisse nachvollziehen. Das sollte legitim sein. Was war denn mit Pippin dem Älteren zu dem Zeitpunkt? War er noch ein wichtiger Ratgeber oder weiß man das nicht? Der Herzog der Baiuwaren wird wahrscheinlich ebenso zu dem Rat gehört haben. Vielleicht auch der Herzog der Alemannen.
 
Die beiden Herzöge saßen bestimmt nicht immer beim König herum, und Reisen dauerten lang.

"Fruchtlos" insofern als man ohne handfesten Beleg zu keinem echten Ergebnis gelangen kann. Man kann mutmaßen, spekulieren, Argumente abwägen, aber nicht mehr.
 
Die beiden Herzöge saßen bestimmt nicht immer beim König herum, und Reisen dauerten lang.

"Fruchtlos" insofern als man ohne handfesten Beleg zu keinem echten Ergebnis gelangen kann. Man kann mutmaßen, spekulieren, Argumente abwägen, aber nicht mehr.

Wenn eine Quelle nicht genug Informationen gibt, ist das Abwägen von Argumenten, abgesehen von archäologischen Ergebnissen, die einzige Möglichkeit Geschichtsvorgänge zu rekonstruieren. Wenn man die wichtigen Adelsfamilien der Zeit kennt, sollte es doch möglich sein festzustellen welche unter Dagoberts Herrschaft Einfluss hatten. Diese könnten zu den Ratgebern gehört haben. Das wäre doch schon mal ein Schritt. Über welche Quellen erfahren wir z.B. was über Pippin den Älteren und Arnulf von Metz. Nur über Fredegar?
 
Die beiden Herzöge saßen bestimmt nicht immer beim König herum, und Reisen dauerten lang.

"Fruchtlos" insofern als man ohne handfesten Beleg zu keinem echten Ergebnis gelangen kann. Man kann mutmaßen, spekulieren, Argumente abwägen, aber nicht mehr.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Herzog der Baiuwaren, der Anführer der Meuchelmörder, zudem ein Verwandter des Königs, nicht um seine Meinung gefragt wurde, als es um den Beschluss ging die Tat auszuführen. Er musste doch aus erster Hand erfahren wie er vorzugehen hatte.
 
Wenn eine Quelle nicht genug Informationen gibt, ist das Abwägen von Argumenten, abgesehen von archäologischen Ergebnissen, die einzige Möglichkeit Geschichtsvorgänge zu rekonstruieren. Wenn man die wichtigen Adelsfamilien der Zeit kennt, sollte es doch möglich sein festzustellen welche unter Dagoberts Herrschaft Einfluss hatten. Diese könnten zu den Ratgebern gehört haben. Das wäre doch schon mal ein Schritt. Über welche Quellen erfahren wir z.B. was über Pippin den Älteren und Arnulf von Metz. Nur über Fredegar?
Mit Vermutungen kann man keine Fakten rekonstruieren. Man kann nur - vermuten.

Natürlich kann man sich ansehen, welche Großen unter Dagobert bedeutend waren und möglicherweise auf ihn Einfluss hatten. Aber das bedeutet noch nicht, dass sie ihn konkret zum Bulgarenmassaker beraten haben.
Umgekehrt können unter den Beratern auch Personen gewesen sein, die völlig unbekannt sind. Dennoch kann gerade ihre Meinung ausschlaggebend gewesen sein.

Zu Arnulf von Metz gibt es u. a. eine eigene Heiligen-Vita, außerdem hat Paulus Diaconus eine Geschichte der Bischöfe von Metz verfasst.

Zu Pippin dem Älteren sind Fredegar, der Liber Historiae Francorum und diverse Annalen relevant.
 
Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Herzog der Baiuwaren, der Anführer der Meuchelmörder, zudem ein Verwandter des Königs, nicht um seine Meinung gefragt wurde, als es um den Beschluss ging die Tat auszuführen.
Ich kann mir das schon vorstellen.

Warum soll es nicht so abgelaufen sein, wie 'Fredegar' schreibt?

"consilio Francorum Dagobertus Baioariis jubet" - nach dem Rat der Franken befiehlt Dagobert den Bajuwaren... "quod protinus a Baioariis est impletum" - was von den Bajuwaren sogleich erfüllt wurde.
 
Mit Vermutungen kann man keine Fakten rekonstruieren. Man kann nur - vermuten.

Natürlich kann man sich ansehen, welche Großen unter Dagobert bedeutend waren und möglicherweise auf ihn Einfluss hatten. Aber das bedeutet noch nicht, dass sie ihn konkret zum Bulgarenmassaker beraten haben.
Umgekehrt können unter den Beratern auch Personen gewesen sein, die völlig unbekannt sind. Dennoch kann gerade ihre Meinung ausschlaggebend gewesen sein.

Zu Arnulf von Metz gibt es u. a. eine eigene Heiligen-Vita, außerdem hat Paulus Diaconus eine Geschichte der Bischöfe von Metz verfasst.

Zu Pippin dem Älteren sind Fredegar, der Liber Historiae Francorum und diverse Annalen relevant.

Danke. Dann werde ich mir das ansehen.
 
Ich kann mir das schon vorstellen.

Warum soll es nicht so abgelaufen sein, wie 'Fredegar' schreibt?

"consilio Francorum Dagobertus Baioariis jubet" - nach dem Rat der Franken befiehlt Dagobert den Bajuwaren... "quod protinus a Baioariis est impletum" - was von den Bajuwaren sogleich erfüllt wurde.

Natürlich könnte der König auch einen Boten nach Bayern gesandt haben , der dem Herzog mitteilt was er zu tun hat. Ausschließen kann man das nicht. Ich stelle mir aber die Frage, welchen Einfluss die Stammesherzöge im fränkischen Reich hatten, insbesondere zur Zeit Dagoberts. Als Heerführer spielten sie wohl eine wichtige Rolle. Wenigstens Chrodobert, der Herzog der Alemannen, der seine Alemannen gegen Samo führte.
 
Und? Wurde der gefragt?
Möglich, wenn die Besprechung über das Schicksal der Bulgaren zum gleichen Zeitpunkt stattgefunden hat, wie der Kriegsrat gegen Samo. Wie ich in einem vorherigen Beitrag bereits geschrieben habe, vermute ich einen Zusammenhang zwischen beiden Aktionen. Immerhin fällt auf, dass die Baiuwaren nicht am Feldzug teilgenommen haben. Es wird erwähnt, dass Dagobert plante mit vier Heeren gegen Samo vorzugehen. Am Ende werden nur drei erwähnt (austrasisches Hauptheer, Alemannen unter Chrodobart und friulanische Langobarden). Vermutlich sollten die Baiuwaren das Vierte stellen, wurden aber für die Mordaktion abgestellt. So fiel den Bulgaren gar nicht auf, dass so viele Bewaffnete sich um sie versammelten. Sie glaubten, dass diese gegen Samo zogen. Je länger man sich mit den Einzelheiten der Ereignisse von 631/632 beschäftigt, desto mehr macht das Ganze einen Sinn.

Den Baiuwaren brauchte Dagobert nur zu sagen, dass die Bulgaren heimlich mit Samo paktieren. Dann brauchte man keine langen Erklärungen zu machen und die Mörder mussten sich keine großen Gewissenbisse machen.
 
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