Dreifunktionalität und Indo-Europäer?

Verstehe ich das richtig? Eine spezifisch indoeuropäische dreifunktionale Ordnung ließe sich sprachlich nachweisen? Wie würde dieser sprachliche Nachweis aussehen?
Ich kann hier unmöglich die über tausende Seiten geführte Demonstration Dumézils zusammenfassen...

Sie wurde ernstlich und mit guten Argumenten angegriffen, siehe auch meinen obigen Beitrag: Dreifunktionalität und Indo-Europäer?
Nun, die Dreifunktionalität ist als Ideal zu verstehen, besser noch als "kollektives Nachsinnen" über dieses Ideal, und nicht als in Stein gemeißeltes Naturgesetz. Beim Studium von Mythen und Sprachen sollte man nicht vergessen dass es sich um lebendige Materie handelt, und Leben ist permanente Metamorphose. Wer also (wie B. Schlerath) Dumézil die Annahme von "wechselnden Charakterisierungen und Funktionen" vorwirft, hat nicht wirklich begriffen, worum es geht...
Und wie gesagt:
In welchen Gesellschaften außer den indo-europäischen lässt sich diese Verlagerung ― von der instinktiven Praxis der Dreifunktionalität auf ein Nachsinnen über die drei Funktionen ― feststellen? Bis zu welchem Grad der Systematisierung gereichte, dort wo wir es feststellen, dieses Nachsinnen? Was ist der Umfang der religiösen, politischen, literarischen usw. Anwendungen, die es hervorbrachte?

Dass mit Dumézils Methode sich nach Belieben Dreifunktionalität auch außerhalb indoeuropäischer Kulturen feststellen lässt, hat John Brough bereits 1959 anhand des Alten Testaments demonstriert:
https://www.jstor.org/stable/609358?seq=1
Dumézil hat dieser lustigen Persiflage von J. Brough noch im selben Jahr geantwortet (in einem Artikel in der Zeitschrift Kratylos), und nach weitverbreiteter Ansicht ging er aus diesem Duell als Sieger hervor. Den Text kann man im Anhang zu Mythe et épopée (S. 343 ff.) nachlesen.
Mit gänzlich entgegengesetzter Intention hat Atshuhiko Yoshida die "idéologie tripartie" in Japan nachgewiesen und damit Dumézils Theorie letztlich ebenfalls ad absurdum geführt.

Auch hierauf hat Dumézil geantwortet. Siehe mein letzter Beitrag.
 
Ich kann hier unmöglich die über tausende Seiten geführte Demonstration Dumézils zusammenfassen...

Ist auch nicht nötig, vielleicht kannst Du aber einige Beispiele für Argumente vorstellen, die nach sprachwissenschaftlichen Kriterien als beweiskräftig gelten müssen.

Wer also (wie B. Schlerath) Dumézil die Annahme von "wechselnden Charakterisierungen und Funktionen" vorwirft, hat nicht wirklich begriffen, worum es geht...
Ich bin mir nicht sicher, ob Du Schleraths Vorwurf wirklich begriffen hast. Was an der folgenden Feststellung hältst Du für falsch?
Wechselnde Charakterisierungen der 1. und 3. Funktion. Für die 3. Funktion ist es Dum. selbst aufgefallen, daß seine Beschreibung allzu bunt und unzusammenhängend ausfällt. Die 1. Funktion wird je nach Bedarf verschieden schattiert und zu allgemein charakterisiert: "furchterregend", "menschenzugewandt", "gouvernement", "religion", "roi-prêtre", "roi-magicien", "fern", "nah".
 
Was an der folgenden Feststellung hältst Du für falsch?
Wechselnde Charakterisierungen der 1. und 3. Funktion. Für die 3. Funktion ist es Dum. selbst aufgefallen, daß seine Beschreibung allzu bunt und unzusammenhängend ausfällt. Die 1. Funktion wird je nach Bedarf verschieden schattiert und zu allgemein charakterisiert: "furchterregend", "menschenzugewandt", "gouvernement", "religion", "roi-prêtre", "roi-magicien", "fern", "nah".

Selbst völlig aus dem Zusammenhang gerissen entpuppt sich diese "Feststellung" doch auf den ersten Blick als Trugbild. Gibt es nicht etliche Beispiele für (z. B.) Gottheiten die sowohl "furchterregend" als auch "menschenzugewandt", sowohl "nah" als auch "fern" erscheinen können? Es wäre eine Leichtigkeit, das auszuführen. Es ist doch gerade Hauptgegenstand des antiken Ritualwesens, die Götter die sich "abwenden", durch Opfer und Gebete wieder zu besänftigen.
Und ich glaube es gibt hinreichend Belege dafür dass "gouvernement" und "religion" unzertrennlich verwandt sind... wenn auch nicht identisch. Es wurde ja bereits mehrmals darauf hingewiesen dass es sich bei der Dreifunktionalität nicht um feste Standesschranken hält und dass flüssige Übergänge (und somit wechselnde Charakterisierungen) selbstverständlich möglich sind. Mir scheint, es sind solche Nuancen, die es für den feinsinnigen Dumézil unmöglich machen, von schwerfälligeren Kollegen verstanden zu werden.

Ich kann dir nur raten dir ein Buch von Dumézil zu besorgen (als Einstieg z. B. das hervorragende The Destiny of the Warrior Destiny Of The Warrior Alf Hiltebeitel Georges Dumezil Brill : Pooja Thampuran : Free Download, Borrow, and Streaming : Internet Archive ) und dir dein eigenes Bild zu machen. Hier hab ich aber gerade den Eindruck, dass du dein Urteil ein für alle mal a priori gefällt hast und nicht wirklich an einer Diskussion interessiert bist.
 
Mir scheint, es sind solche Nuancen, die es für den feinsinnigen Dumézil unmöglich machen, von schwerfälligeren Kollegen verstanden zu werden. [...] Hier hab ich aber gerade den Eindruck, dass du dein Urteil ein für alle mal a priori gefällt hast und nicht wirklich an einer Diskussion interessiert bist.

Das ist ja lustig! Wer Dumézil nicht zustimmt ist einfach zu dumm. So kann man auch argumentieren.

Meine Lesart ist eher, dass du derjenige bist, der stichhaltigen Argumenten permanent ausweicht und keinem kritischen Blick auf den "verehrungswürdigen" Dumézil werfen mag.
 
Selbst völlig aus dem Zusammenhang gerissen entpuppt sich diese "Feststellung" doch auf den ersten Blick als Trugbild. Gibt es nicht etliche Beispiele für (z. B.) Gottheiten die sowohl "furchterregend" als auch "menschenzugewandt", sowohl "nah" als auch "fern" erscheinen können? Es wäre eine Leichtigkeit, das auszuführen. Es ist doch gerade Hauptgegenstand des antiken Ritualwesens, die Götter die sich "abwenden", durch Opfer und Gebete wieder zu besänftigen.
Und ich glaube es gibt hinreichend Belege dafür dass "gouvernement" und "religion" unzertrennlich verwandt sind... wenn auch nicht identisch. Es wurde ja bereits mehrmals darauf hingewiesen dass es sich bei der Dreifunktionalität nicht um feste Standesschranken hält und dass flüssige Übergänge (und somit wechselnde Charakterisierungen) selbstverständlich möglich sind. Mir scheint, es sind solche Nuancen, die es für den feinsinnigen Dumézil unmöglich machen, von schwerfälligeren Kollegen verstanden zu werden.

Gut, die zweite Frage wäre geklärt: Was Schlerath, schreibt, ist also nicht falsch, Du hältst ihn halt für zu "schwerfällig", um den "feinsinnigen" Kollegen zu verstehen.

Dann noch einmal zurück zur ersten Frage: Sind Dir inzwischen Beispiele für sprachwissenschaftlich einwandfrei geführte Nachweise eingefallen?
 
Meine Lesart ist eher, dass du derjenige bist, der stichhaltigen Argumenten permanent ausweicht und keinem kritischen Blick auf den "verehrungswürdigen" Dumézil werfen mag.
Deine Lesart natürlich in allen Ehren, aber ich hab doch oben geschrieben dass ich die Dreifunktionalität akzeptiere, weil mich die Argumente überzeugt haben, dass ich sie aber auch nicht für "gesichert" halte.
Tatsächlich sind die stichhaltigen Argumente die hier präsentiert wurden, von Dumézil selbst widerlegt worden (siehe obiger Beitrag), wo hast du also gesehen dass ich irgendwem irgendwie ausweiche?
Ich lasse mich wirklich gerne davon überzeugen, dass ich Unrecht habe, es ist sogar ziemlich nützlich, ab und zu Unrecht zu haben, denke ich. Nicht? Sehr profitabel sogar, diese Irrtümer, will ich meinen! Und bekanntlich ist es schwer, ganz ohne sie auszukommen.

Dennoch muss ich an meiner Unterteilung in "schwerfällige" und "weniger schwerfällige" bis "feinsinnige" Menschen festhalten. Dabei können feinsinnige Menschen manchmal Blödsinn schreiben, und schwerfällige Menschen wie ich, können manchmal, wie das sprichwörtliche blinde Huhn, ein Korn finden...

Gut, die zweite Frage wäre geklärt: Was Schlerath, schreibt, ist also nicht falsch, Du hältst ihn halt für zu "schwerfällig", um den "feinsinnigen" Kollegen zu verstehen.

Doch es ist schon falsch, aus oben beschriebenen Gründen. Da weicht doch nicht etwa jemand meinen stichhaltigen Argumenten aus...

Was den Rest betrifft, kann ich nur erneut dazu einladen, den guten Georges direkt zu befragen, für eine detaillierte Antwort fehlt mir jetzt wirklich die Zeit (zumal du eine gewisse Voreingenommenheit nicht leugnest)...
 
Zuletzt bearbeitet:
Doch es ist schon falsch, aus oben beschriebenen Gründen.
Mit dem, was Du geschreiben hast, bestätigst Du doch Schlerath: Eine Charakterisierung, die "fern" und "nah" zugleich, "furchterregend" und "menschenzugewandt" zugleich einschließt, ist halt sehr allgemein.

Was den Rest betrifft, kann ich nur erneut dazu einladen, den guten Georges direkt zu befragen, für eine detaillierte Antwort fehlt mir jetzt wirklich die Zeit (zumal du eine gewisse Voreingenommenheit nicht leugnest)...
Da will sich doch nicht jemand um eine Antwort drücken? Ich hatte überhaupt nicht nach einer "detaillierten Antwort", sondern nur nach wenigen Beispielen gefragt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mit dem, was Du geschreiben hast, bestätigst Du doch Schlerath: Eine Charakterisierung, die "fern" und "nah" zugleich, "furchterregend" und "menschenzugewandt" zugleich einschließt, ist halt sehr allgemein.
Nun ja, Jesus Christus ist z. B. "fern" (als Gott) und "nah" (als Mensch); "furchterregend" (als Richter) und "menschenzugewandt" (als Selbstopfer). So ähnlich ist auch Poseidon "furchterregend" im Zorn und "menschenzugewandt" wenn er freundlicherweise die Opfergaben angenommen und eine sichere Überfahrt ermöglicht hat.
Also Herrn Schlerath in allen Ehren, aber ich sehe hier durchaus nichts Undenkbares.

Und du hast ja immer noch nicht du-weisst-schon-was geleugnet... langsam wird's unheimlich Sepiola...
 
Nun ja, Jesus Christus ist z. B. "fern" (als Gott) und "nah" (als Mensch); "furchterregend" (als Richter) und "menschenzugewandt" (als Selbstopfer). So ähnlich ist auch Poseidon "furchterregend" im Zorn und "menschenzugewandt" wenn er freundlicherweise die Opfergaben angenommen und eine sichere Überfahrt ermöglicht hat.
Also Herrn Schlierath in allen Ehren, aber ich sehe hier durchaus nichts Undenkbares.

Du scheinst Schlerath tatsächlich nicht verstanden zu haben. Niemand hat den Vorwurf des "Undenkbaren" erhoben.

Und du hast ja immer noch nicht du-weisst-schon-was geleugnet... langsam wird's unheimlich Sepiola...
Jetzt weiß ich wirklich nicht, worauf Du hinauswillst - bist Du's, Thyl?
 
Na ja kann sein, aber dann erklär mir doch mal genau worin der Vorwurf besteht.
Wir haben es mit Funktionsbeschreibungen zu tun, die sehr weit gefasst sind. In einer Funktion sind mehrere gegensätzliche Aspekte vereinigt. Dazu kommt, dass die Götter ihre Funktion ändern können. Sie können gleichzeitig zwei oder alle drei Funktionen vertreten. Der Punk ist, dass für eine Dreifunktionenlehre "all diese methodischen Ungenauigkeiten in Kauf" genommen werden müssen.


Das hab ich jetzt noch weniger verstanden...
Mir kam es so vor, als ob Du auf eine frühere Diskussion mit Thyl anspielst, da ich keinen aktuellen Bezug finde. Und "du-weisst-schon-was" sagt mir leider nichts.
 
Wir haben es mit Funktionsbeschreibungen zu tun, die sehr weit gefasst sind. In einer Funktion sind mehrere gegensätzliche Aspekte vereinigt. Dazu kommt, dass die Götter ihre Funktion ändern können. Sie können gleichzeitig zwei oder alle drei Funktionen vertreten. Der Punk ist, dass für eine Dreifunktionenlehre "all diese methodischen Ungenauigkeiten in Kauf" genommen werden müssen.
Also hatte ich das doch richtig verstanden...
Gegensätzliche Aspekte innerhalb einer Funktion lassen sich relativ einfach erklären, wie ich weiter oben beschrieben habe. Auch sind es nicht nur die Könige und Krieger die kämpfen, auch Bauern kämpfen, selbst Priester kämpfen (was christliche Priester betrifft, in erster Linie spirituell-metaphorisch). Könige und Bauern beten; Priester und Könige „arbeiten“.
Dass Götter ihre Funktion ändern können bzw. mehrere Funktionen gleichzeitig vertreten, ist auch keine Sensation, da genügt der erste Blick auf den nordischen oder griechischen Pantheon.

Mit „du-weisst-schon-was“ war dein fehlendes Abstreiten einer von mir unterstellten Voreingenommenheit gegenüber der Dreifunktionalität gemeint...
 
Also hatte ich das doch richtig verstanden...

Offensichtlich nicht, sondst würdest Du nicht schreiben:
Gegensätzliche Aspekte innerhalb einer Funktion lassen sich relativ einfach erklären
Es hat nämlich auch niemand den Vorwurf des "schwer Erklärbaren" oder dergleichen erhoben.

Dass Götter ihre Funktion ändern können bzw. mehrere Funktionen gleichzeitig vertreten, ist auch keine Sensation
Nein, das ist eine schlichte Tatsache. Erneut bestätigst Du, dass Schlerath hier lediglich eine Feststellung getroffen hat.

Mit „du-weisst-schon-was“ war dein fehlendes Abstreiten einer von mir unterstellten Voreingenommenheit gegenüber der Dreifunktionalität gemeint...
Ich habe mich ja schon früher positioniert; wenn Du daraus die Unterstellung einer Voreingenommenheit konstruierst, kann ich nichts dagegen machen.

Deine Unterstellungen interessieren mich auch nicht weiter. Mich interessiert, ob Du etwas zur Sache zu sagen hast.
 
Es hat nämlich auch niemand den Vorwurf des "schwer Erklärbaren" oder dergleichen erhoben.
Richtig, der Vorwurf lautete “wechselnde, allgemeine Charakterisierungen“, und jene lassen sich eben erklären. Vielleicht gehst du mal darauf ein statt gebetsmühlenartig immer die gleichen Sophismen zu wiederholen...

Ich habe mich ja schon früher positioniert; wenn Du daraus die Unterstellung einer Voreingenommenheit konstruierst, kann ich nichts dagegen machen.
Du gehst da wirklich mit einer vorgefertigten Meinung ran, schön das passiert uns allen mal, aber wenn ich deine anderen Beiträge hier so lese, habe ich doch den Eindruck dass dir das ziemlich oft passiert. Unfehlbar ist niemand.
Und damit hat sich die Diskussion auch für mich erledigt, ich hab besseres zu tun als gegen eine Wand zu reden...
 
[…]

Ich muss dringend bitten, das abzustellen und Sachargumente sprechen zu lassen!

Edit: Thread wieder offen
 
Richtig, der Vorwurf lautete “wechselnde, allgemeine Charakterisierungen“, und jene lassen sich eben erklären. Vielleicht gehst du mal darauf ein
Worauf bitte soll ich eingehen? Der Vorwurf liegt ja nicht darin, dass diese schwimmenden Charakterisierungen sich nicht irgendwie erklären ließen.

Nun interessiert mich aber immer noch, wo Du bei Dumézil beweiskräftigen sprachwissenschaftliche Argumente gefunden hast. Einige Beispiele aus "Mythe et Épopée" mit Angabe von Kapitel bzw. Seite würden genügen.
 
Zurück
Oben