Louis le Grand
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Wohl selten war ein Monarch mit so vielen und schweren Problemen konfrontiert wie Ludwig XVI. Um in den äußerst schwierigen Zeiten die Situation zu meistern, wäre ein König vonnöten gewesen mit der Agilität, Wendigkeit und dem Scharfsinn eines Heinrich IV. und mit der Energie, Willensstärke und Intelligenz eines Ludwig XIV. Der letzte König des Ancien Régime, Ludwig XVI., besaß zwar viel mehr gute Eigenschaften als von der aufklärerisch-freigeistigen, antimonarchischen, aber auch der aristokratischen Propaganda der Zeit behauptet und in der Folgezeit von vielen Historikern angenommen wurde; und der unglückliche Ludwig war keineswegs dieser Mann mit „nichts als Schwäche, Dummheit und Blindheit“, aber er war angesichts der Schwierigkeiten und außergewöhnlichen Ereignisse trotz besten Willens überfordert. (Peter Claus Hartmann)
Was also spricht für und gegen diesen Louis XVI. als König und Mensch ?
Contra:
- Louis XVI. erbte mit 19 Jahren den Thron und war daher noch völlig überfordert und noch nicht erfahren genug um das Amt eines absoluten Königs auszufüllen
- er hatte eine zögerliche Persönlichkeit und neigte dazu in der Politik zurückzuweichen, wenn man ihm unter Druck setzte
- 1774 ernennt der 20jährige den Grafen de Maurepas zum leitenden Minister, dieser war zu willensschwach um das Kabinett zu beherrschen; der König zu unerfahren um sich im neuen Kabinett durchzusetzen
- Maurepas macht die von Louis XV. 1770 begonnen Steuer- und Ständereformen wieder rückgängig und veranlasst den jungen Louis XVI. die Parlamente (Oberste Gerichtshöfe) wieder einzusetzen. (was zur Katastrophe führen sollte!!!)
- die Parlamente nehmen wieder ihre alten Rolle als Repräsentanten der Oberschichten ein; sie weigern sich dann vehement, die Reformen des Königs zur Registrierung zuzulassen und stemmen sich erfolgreich gegen die Einführung der Steuergleichheit und die Abschaffung der meisten Ständeprivilegien. Sie beginnen sogar offen gegen die königliche Macht zu opponieren.
- der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg kostete Frankreich 1,3 Milliarden Livres Schulden und förderte radikal-antiroyalistische Kräfte im Land
- er ließ sich von den Privilegierten unter Druck setzten, den Reformer Turgot als Finanzminister zu entlassen, dies verschlimmerte die Finanzsituation erheblich.
- mehr als 2/3 der Staatschulden (1789 4,8 Milliarden Livres) stammen aus der Regierungszeit Louis XVI., da er den Schuldendienst mit erneuten Krediten bekämpfte und sich Steuererhöhungen verweigerte; seine antiaristokratischen Steuerreformen konnte er aber auch nicht durchsetzen.
- ab 1788 war Louis XVI. zunehmend ernüchtert, resigniert, verbittert und sah sich in einer ausweglosen Situation; er verlor - angesichts der Kräfte die man gegen seine Reformen mobilisierte – seinen Optimismus und Tatandrang.
- 1788 kapituliert der König vor den Privilegierten und war praktisch den Beschlüssen der einberufenen Generalstände ausgeliefert.
- bei der Generalständeversammlung wollte er zwar Steuerungerechtigkeit schaffen und Stände abschaffen (seine eigenen Reformen), verteidigte aber konsequent die unumschränkte Macht des Königs.
- er lehnte die völlige Abschaffung der Feudalrechte und die Konstitution des Dritten Standes zur Nationalversammlung zunächst ab
- als es zu Gewaltausschreitungen in Paris kommt reagiert er nicht; was zur offenen Revolution führt
- er nahm nicht die Chance wahr sich an die Spitze der Ereignisse zu stellen (die ja teilweise seine eigenen Reformvorschläge voranbrachten), sondern reagierte zögerlich.
- 1791 unternimmt er einen dilettantischen Fluchtversuch und hinterlässt auch noch ein Manifest, in dem er betonte, er habe die Dekrete der Nationalversammlung nur unter Zwang ratifiziert und dass er sich als Gefangener betrachtet habe. Dadurch wird das Ansehen der Monarchie erheblich beschädigt.
Pro:
- Louis XVI. war eine recht bürgerliche Erscheinung, arbeitete gern körperlich, lebte für einen frz. König eher bescheiden, da er keine Perücken trug, sehr selten aufwendige Kleidung. Zum Frühstück nahm er nur Wasser und trocken Brot zu sich, im ganzen war er anspruchslos.
- er war im Umgang mit Menschen ehrlich und aufrichtig; oft begab er sich ohne Leibwachen allein unters Volk und unterhielt sich gern mit Bauern und Handwerken
- er war von der natürlichen Gleichheit aller Menschen überzeugt und gilt als Menschenfreund
- er war nicht egoistisch und wenig auf seinen eigenen Vorteil bedacht; das Wohlergehen der Unterschichten interessierte ihn besonders; die Oberschichten mochte er hingegen kaum bis gar nicht
- als König war er fleißig und pflichtbewusst, er zeigte ehrliche Frömmigkeit, war umfassend gebildet und zeichnete sich durch eine klare Urteilsfähigkeit aus
- er machte nicht viel daraus, dass er während seiner ganzen Regierungszeit jedes Jahr den größten Teil seiner persönlichen Einkünfte (Cassette du Roi) als Almosen an die Armen verschenkte; im Jahr 1788 etwa spendete er 1.170.000 Livres (etwa 70% seines Einkommens) um arme Familien zu unterstützen. (Das er sein soziales Engagement nicht öffentlich machte, ist als contra zu vermerken.)
- er setzte sich vehement für die Glaubens- und Gewissensfreiheit ein, 1787 gelingt ihm nach schweren Kämpfen mit den Parlamenten die Durchsetzung eines allgemeinen Toleranzediktes.
- seine Regierung gilt als relativ liberal und tolerant; die Pressezensur ist weitestgehend durchlöchert, polit. Gefangene und Exilierte Louis’ XV. lässt er ausnahmslos frei und macht keine neuen, Todesurteile werden mit Ausnahme von besonders harten Kapitalverbrechen – wie mehrfacher Mord – generell nicht vollstreckt.
- in der Außenpolitik war er auf Ausgleich und Frieden bedacht; er glaubte an die Interessen der Menschheit und an das Völkerrecht
- er war maßgeblich für die Unabhängigkeit der USA verantwortlich, indem er diese als erster anerkannte, sie mit 15.000 Mann und der gesamten Kriegsflotte unterstützte, obwohl ihm Krieg verhasst war. Dabei verzichtete er auf den Rückerwerb der 1763 verlorenen Kolonien in Kanada
- Louis XVI. führt das seit 1738 nicht mehr praktizierte „Ritual des Berührens“ wieder ein, den Glauben, dass der König durch Berührung heilen kann. Im vollem Ornat berührt der König dabei die Stirn des Erkrankten und sagt: „Gott heile dich, der König berührt dich“. Er praktiziert dieses Ritual sehr häufig; es findet nicht in prächtiger Umgebung statt, sondern mitten in Paris, in den ärmsten Vierteln, wo es stinkt und dreckig ist. Dort sieht man ihn wie er manchmal 2400 Menschen in der Sommerhitze berührt und zu jedem einzelnen mit „einem Ausdruck bemerkenswerter Güte“ spricht. Für ihn war das weniger religiöser Natur, als vielmehr Ausdruck aufrichtiger, christlicher Nächstenliebe; wofür die einfachen Menschen sehr dankbar waren.
- unter dem Finanzminister Turgot wird eine strikte Sparpolitik durchgezogen, der König schränkt die Ausgaben für den Hof erheblich ein, selbst Minister und hohe Beamte beziehen nur noch halbes Gehalt; von 1775 bis 1781 wird ohne Defizit regiert. Die Sparmaßnahmen halten bis zum Sturz des Königs an.
- er ließ die Generalständeversammlung durch freie Wahlen einberufen und machte zahlreiche Zugeständnisse an den Dritten Stand
- bereits zu Beginn der Revolution lehnte er jede Gewaltanwendung und Blutvergießen ab. Ein Gewaltstreich gegen die Ereignisse von 1789 kamen für ihn nicht in frage.
- als die 10.000 Frauen nach Versailles zogen, da akzeptierte er die Bedingungen des Dritten Standes und erkannte die Menschenrechtserklärung an.
- nach dem Fluchtversuch 1791 fängt er an, sich mit der Situation abzufinden und wird „König der Franzosen“. Als Chef der Exekutive beginnt er damit seine Finanzreformen fortzusetzen und findet dabei die Unterstützung der Legislative.
- 1792 erlassen die Girondisten und Jakobiner unter Führung Robespierres ein Dekret, welches die Deportation zehntausender Priester vorsieht. Der König legt als „Wahrer der Verfassung“ sein Veto ein und entlässt verfassungsmäßig das Girondistenministerium mit dem Hinweis, dass besagte Dekrete gegen die in der Verfassung verankerten Menschenrechte und die Glaubensfreiheit fundamental verstoßen. Robespierre versucht daraufhin den König unter Druck zu setzen und lässt am 20.6.1792 tausend Sansculotten das Tuilerien-Schloss stürmen, welche den König bedrohen und beleidigen. Louis XVI. jedoch bleibt standhaft und weigert sich den Verfassungsbruch zu legitimieren.
- als auch die Legislative den Drohungen der Radikalen nicht nachgibt, bereiten diese unter Leitung Robespierres den Staatsstreich vor und putschen sich in der Nacht vom 9. auf den 10.8.1792 an die Macht. Die Radikalen übernahmen Paris, und 20.000 Anhänger, mit Kanonen bewaffnet, stürmten die Tuilerien. Völlig überrascht floh die Königsfamilie in die legislative Versammlung, doch die Massen stürmte diese und der König gab Befehl das Feuer in der Stadt einzustellen, um weiteres Blutvergießen zu verhindern. Der größte Teil der Deputierten war in völliger Panik geflohen. Der verbliebene Rest gehörte zu den Girondisten und Jakobinern und erklärte – obwohl keine Mehrheit vorhanden war – den König für abgesetzt und inhaftierte ihn und seine Familie im Temple.
- Robespierre ließ den Nationalkonvent neu wählen, allerdings unter Bedrohung und Manipulation, bei der nur pro-revolutionäre Kräfte an die Macht kommen konnten. Es gab im Nationalkonvent nur noch republikanische Deputierte. Da man die geheime Korrespondenz des Königs mit dem Ausland gefunden hatte, legte man ihm diese auf willkommene Weise als vermeintlichen Hochverrat aus. Man braucht nicht daran zu Zweifeln, dass Robespierre den Tod des Königs von vornherein geplant hatte. Der Nationalkonvent führte den Hochverratsprozess gegen Louis XVI. und obwohl nur Republikaner vertreten waren, konnte ein Todesurteil mit nur einer Stimme Mehrheit erwirkt werden. Die zahlreichen Bittschriften und Anträge zu Gunsten des Königs, welche auch ganz Frankreich eintrafen, ignorierte der Konvent.
- Louis XVI. wurde am 21.1.1793 auf der Place de la Concorde in Paris guillotiniert. Die Stärke und Würde die er ausstrahlte, als er das Schafott betrat und die Ruhe in die er sich ergab, trugen maßgeblich dazu bei, das Ansehen des Königs und der Monarchie wieder enorm zu steigern.
Seine Hinrichtung entsprach nicht dem Willen des französischen Volkes, als sie bekannt wurde brachen im ganzen Land royalistische Aufstände aus. 2/3 Frankreichs versanken im Chaos, was Robespierre dazu veranlasste seine Schreckensherrschaft zu verstärken.