Hinsichtlich die Vorkommnisse im Sommer 1789 fragt der Historiker Michel Vovelle „War es eine
Revolution oder waren es drei?“ Drei Geschehnisse prägten ebendiese Zeit: die Verfassungsrevolution in
Versailles bzw. Paris, die Revolution der städtischen Unter- und Mittelschichten und bekanntlich die
Revolution der Bauern auf dem Lande. Die beteiligten Bevölkerungsgruppen handelten jeweils aus
unterschiedlichen Motiven. Doch erst die Verschränkung jener drei Teilrevolutionen ermöglichte
die Errungenschaften, die die Gesellschaftsordnung in Frankreich von Grund auf veränderte
Ich denke, dass es massiv darauf ankommt, was man unter dem Begriff "Revolution" versteht. Man kann den Begriff natürlich sehr eng und ereignisbezogen fassen oder aber das abstrakter sehen und "Revolution" im Grunde als eine längere zeitliche Periode der Instabilität und damit verbundener vorübergehender oder dauerhafter Veränderungen begreifen.
Insofern möchte ich meinen, ist das eher eine Definitionsfrage, was die eigenen Begrifflichkeiten angeht, als eine Frage der Ausdeutung der einzelnen Umstände.
Wenn man hier von 3 Revolutionen sprechen wollte, weil man den Begriff sehr ereignissbezogen und eng sieht, müsste man sich im Übrigen auch mit der Frage beschäftigen, inwiefern diese Ereignisse und Entwicklungen als "Revolutionen", inwiefern als ihre Fortsetzung und inwiefern als Konterrevolution verstanden werden können.
Die beteiligten Bevölkerungsgruppen handelten nicht nur aus unterschiedlichen Motiven, sondern in Teilen auch auf völlig gegensätzliche Ziele hin, im Besonderen auch, wenn man den Zeithorizont ausdehnt.
Welches Argument gibt es denn dafür den Begriff "Revolution" auf das Jahr 1789 beschränken zu wollen? Ist ja nicht so, dass am Ende des Jahres 1789 irgendeine, wie auch immer stabile Ordnung dargestanden hätte, sondern die Veränderungen und dramatischen Umschwünge gingen ja weiter und relative Ruhe kehrte im Grunde erst mit dem Konsulat Napoléons ein.
Wenn man den Begriff zeitlich aber weiter fasst, wird man auch nicht umhin kommen, festzzustellen, dass das Handeln der beteiligten Akteursgruppen in keiner Weise gleichförmig war.
1789 mögen die Partikularintressen der städtischen und ländlichen Bevölkerung in Frankreich dazu beigetragen haben, die Rahmenbedingungen für die Revolution zu schaffen.
Fünf Jahre später, wenn man sich das am Beispiel Lyons oder an den bürgerkriegsähnlichen Zuständen in der Vendée besieht, sind mindestens Teile dieser Akteure dezidierte Gegner dessen, was sich infolge von 1789 entwickelt hatte.
Ich würde vor diesem Hintergrund schon sehr stark dafür plädieren den Begriff der Revolution nicht so stark ereignisbezogen auf einen Punkt zu interpretieren, sondern ihn in weiterer Auslegung auf den gesamten Zeitabschnitt, von den Ereignissen von 1789, bis mindestens zum Abgang des Direktoriums zu beziehen. Die Geschichte ist ja bei den Entwicklungen des Sommers 1789 nicht stehengeblieben.