Konflikt und Gewalt durch komplexere neolithische Gesellschaften?

Vermutlich liegt da ein Missverständnis vor.
Ich würde den Autor so verstehen, dass um Hierarchien, also "strukturierte" Gewalt geht.
...
Es geht also nicht - so verstehe ich seine Überlegungen - um Fälle wie oben #145.

Ich fürchte ich habe den Autor schon verstanden...

„Most remarkably, unlike any other people that have been studied, hunter-gatherers appear to lack hierarchy in social organization. They have no chief or big man, no leaders or follower “

Der Herr Gray, der als Quelle bevorzugt sich selber verlinkt, legt nahe das solche Gruppen keine Hierarchie aufwiesen.

Ist das so?

Er begründet seine These damit, dass all überall ,Afrika, Asien, Südamerika, oder sonst wo (or elsewhere ) rucksack-bepackte Anthropologen diesen Eindruck gewonnen hätten.
Also kaum.

Diese Quelle https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2706200/ sichtet und untersucht hierarchische Organisationsstrukturen und geht, diesmal auch begründet, sehr wohl von hierarchischen bei den entsprechenden Gesellschaften aus.
Beschrieben wird die Fraktalität, also die selbstähnliche Verzweigungszahl der organisatorischen Hierarchie.
(horton order)

Und dass eine Gruppe von einigen Familien weniger Hierarchien hat, als der Siemens, ist dann eine so große Erkenntnis, dass man gleich davon ausgeht es existiere gar keine Hierarchie mit einhergehender ‚strukturierter‘ Gewalt?
Da kriegt man doch seinen EQ.

Den Gray muss ich wirklich missverstanden haben, oder der schreibt einen wirklichen Mist daher.
Macht aber nix.

Grüße hatl :)
 
Another possibility is that competition for resources flared up into violence and genocide. Tolerance is not a Sapiens trademark. In modern times, a small difference in skin colour, dialect or religion has been enough to prompt one group of Sapiens to set about exterminating another group. Would ancient Sapiens have been more tolerant towards an entirely different human species? It may well be that when Sapiens encountered Neanderthals, the result was the first and most significant ethnic-cleansing campaign in history.(...)

Da ist einem Autor offensichtlich die Phantasie durchgegangen und er verwechselt seine mit Vorteilen angereicherte Projektion mit einer halbwegs seriösen Erklärung. "Moderne Sichten" retrospektiv auf sehr frühe Vorgänge in der Menschheitsgeschichte zu legen, wird allgemein als problematisch und unseriös angesehen.

Die Art der Argumentation - unabhängig davon, dass Harari das Konstrukt "Genozid" umgangssprachlich verwendet, aber nicht entsprechend den präzise definierten Merkmalen - ist fatal für die scheinbare Plausibilität seines Narrativs. Er sagt, es gab schon früher einen - angeblichen - "Genozid", und erklärt ihn zu einer Art historischer Normalität. Wo ist das Problem, sich über spätere aufzuregen, da das "bischen" Genozid einfach zur Menschheitsgeschichte dazu gehört.

Er stellt somit an den Anfang der Entwicklungsgeschichte des Homo Sapiens einen - angeblichen - Genozid. Diesen begründet er durch eine - auch wieder nur umgangssprachlich definierte - Form von angeblich "normalem" Rassismus und Intoleranz. Die er als pseudo evolutionäre "Anpassung" in einem sozialdarwinistischen Sinne in einen Verdrängungswettbewerb als "ethnische Säuberung - umschlagen läßt. Dabei setzt sich der stärkere durch und der Unterlegene wird von Ausrottung bedroht.

Mit dieser Argumentation wird die Strategie des ausrottenden Sozialdarwinismus von Harari zum "Gründungsmythos" des "Homo Sapiens" erhoben und der Genozid zum "Markenzeichen" der Gattung Homo Sapiens

Dass die Evidenz seiner Thesen bei weitem nicht so ausgeprägt ist wie die Reichweite der Deutung wirft ein problematisches Licht auf seine Darstellung.

Nicht zuletzt, weil er mit seiner Sicht nicht nur einen problematischen Gründungsmythos formuliert, sondern vor allem weil dieser Narrativ die verspätete Rechtfertigung der sozialdarwinistischen Sichten von "Mein Kampf" ist. Und sich heutzutage jeder, der sich in dieser ideologischen Kontinuität wähnt, sich auf diesen irreführenden sozialdarwinistischen Gründungsmythos al a Harari beziehen kann.

Und deswegen volle Zustimmung für:
Aha, danke! Kein Mord, dafür nun Genozid.
Solche Deformierungen hält man kaum für möglich.
 
Zuletzt bearbeitet:
Da ist einem Autor offensichtlich die Phantasie durchgegangen und er verwechselt seine mit Vorteilen angereicherte Projektion mit einer halbwegs seriösen Erklärung. "Moderne Sichten" retrospektiv auf sehr frühe Vorgänge in der Menschheitsgeschichte zu legen, wird allgemein als problematisch und unseriös angesehen.

Die Art der Argumentation - unabhängig davon, dass Harari das Konstrukt "Genozid" umgangssprachlich verwendet, aber nicht entsprechend den präzise definierten Merkmalen - ist fatal für die scheinbare Plausibilität seines Narrativs. Er sagt, es gab schon früher einen - angeblichen - "Genozid", und erklärt ihn zu einer Art historischer Normalität. Wo ist das Problem, sich über spätere aufzuregen, da das "bischen" Genozid einfach zur Menschheitsgeschichte dazu gehört.

Er stellt somit an den Anfang der Entwicklungsgeschichte des Homo Sapiens einen - angeblichen - Genozid. Diesen begründet er durch eine - auch wieder nur umgangssprachlich definierte - Form von angeblich "normalem" Rassismus und Intoleranz. Die er als pseudo evolutionäre "Anpassung" in einem sozialdarwinistischen Sinne in einen Verdrängungswettbewerb als "ethnische Säuberung - umschlagen läßt. Dabei setzt sich der stärkere durch und der Unterlegene wird von Ausrottung bedroht.

Mit dieser Argumentation wird die Strategie des ausrottenden Sozialdarwinismus von Harari zum "Gründungsmythos" des "Homo Sapiens" erhoben und der Genozid zum "Markenzeichen" der Gattung Homo Sapiens

Dass die Evidenz seiner Thesen bei weitem nicht so ausgeprägt ist wie die Reichweite der Deutung wirft ein problematisches Licht auf seine Darstellung.

Nicht zuletzt, weil er mit seiner Sicht nicht nur einen problematischen Gründungsmythos formuliert, sondern vor allem weil dieser Narrativ die verspätete Rechtfertigung der sozialdarwinistischen Sichten von "Mein Kampf" ist. Und sich heutzutage jeder, der sich in dieser ideologischen Kontinuität wähnt, sich auf diesen irreführenden sozialdarwinistischen Gründungsmythos al a Harari beziehen kann.

Und deswegen volle Zustimmung für:

Ich denke seine Intention ist eine Indizienkette zu konstruieren. Diese stellt das Aussterben von Arten in einen statistischen Zusammenhang mit der Ausbreitung des Homo Sapiens in bestimmten Regionen. Der potentielle Genozid (wie er es nennt) ist hierbei eine mögliche Erklärung neben anderen.
Damit wird nicht ein solcher Genozid moralisch für richtig befunden. Wer sich mit Harari beschäftigt weiss dass das Gegenteil der Fall ist.
Natürlich könnte eine solche These für rechte Ideologien herangezogen werden kann, aber das wäre genauso ein eklatanter Missbrauch wie die Theorie Darwins dafür zu benutzen.
Im Übrigen sollte man zweimal, besser dreimal überlegen bevor man einen israelischen Historiker mit "Mein Kampf" in Verbindung bringt.
 
Ein Genozid ist keine „Erklärung“, sondern eine neuzeitliche völkerrechtliche Qualifikation bzw. Tatbestand.
 
sich auf diesen irreführenden sozialdarwinistischen Gründungsmythos al a Harari beziehen kann.
Deine Kritik bezieht sich offenkundig nicht auf Harari selbst, der übrigens genau Deine Befürchtungen teilt und hervorhebt.
Drmarkuse möchte ich bitten die Quellen seiner Zitierungen darzulegen (welches Buch, oder welcher Beitrag von Harari).
 
@hatl: Herzlichen Dank für die Klarstellungen und die Nachfrage nach der Quelle des zitierten Textes. Eigentlich wäre es "normal" gewesen, dass "drmarkuse" von sich aus, angemessen zitiert. Ich habe Harari in der Tat nicht gelesen und mußte deswegen vermuten, dass die Zitation korrekt ist.

Soweit ich kurz in "Sapiens" reingelesen habe, zitiert "drmarkuse" zwar im Prinzip korrekt, aber sehr selektiv, einseitig und sinnentstellend die Darstellung von Harari der alternativen Theorien in "Part One". Die Ausführungen von Harari zur "Interbreeding-Theorie", die die DNA-Befunde zur Mischung der DNA von Homo Sapiens und anderen aufgreift, läßt "drmarkuse" einfach weg.
 
Zuletzt bearbeitet:
Deine Kritik bezieht sich offenkundig nicht auf Harari selbst, der übrigens genau Deine Befürchtungen teilt und hervorhebt.
Drmarkuse möchte ich bitten die Quellen seiner Zitierungen darzulegen (welches Buch, oder welcher Beitrag von Harari).


Das Zitat ist aus
Yuval Noah Harari, Sapiens, Harper; 1st edition (February 10, 2015)

Es ging um die Einführung eines möglichen Zusammenhangs zwischen der Ausbreitung des Homo Sapiens von Ost-Afrika über den Erdball und dem oft zeitgleichen Verschwinden anderer humanoider Arten und grosser Säugetiere, wie von Harari dargestellt, um daraus einen möglichen Denkansatz zum Thema Gewalt in einer Gesellschaft der Jäger und Sammler abzuleiten.

Dass das in eine Rechthaberei über juristische Begrifflichkeit oder Attacken auf Harari ausartet und der ein oder andere im Eifer des Gefechts dabei übers Ziel hinausschiesst ist erst einmal nicht beabsichtigt, zumindest nicht von mir. Ist aber auch nicht so dramatisch. Das kann ja mal passieren.
 
Die Presse geht nach meinen Geschmack zu sehr auf die völlig vagen Kontexte und Motive ein.
In diesen Teilen spekuliert die Publikation (zeitgeistig?) wild drauflos. Genau das ist offenbar medienwirksam.

Dagegen fand ich die analysierten Details zum den Opfern (etwa Alter), die Untersuchungen zum mögliche Schauplatz (abseits der Fundstelle), Aussagen zur aDNA (frühe Landwirtschaft) etc. erstaunlicher und interessanter.
 
Was spricht gegen "komplexe neolithische Gesellschaften" als Ursprung?

Der berüchtigte, von Jane Goodall beobachtete "Gombe chimpanzee war"

Über den man sich bei Interesse gerne selbst erkundigt, in Wiki Artikeln, youtube Dokumentationen.

Der eben keine unkontrollierte Auseinandersetzung war, sondern gemeinschaftlich gegen eine ungehorsame Splittergruppe gerichtet, die den neuen Führer nicht anerkannte. Strategien und Taktiken aufweist, die man bis dahin für unmöglich gehalten hätte bzw. für ein Spezifikum neolithischer Hominiden.

Eine erschütternde Begebenheit mit gnadenloser Verfolgung bis der allerletzte Rebell umgebracht war. Nur um typisch Schimpanse/Mensch anschließend einer größeren Sippe weichen zu müssen, die dorthin einwanderte.

Nach Jane Goodalls Aussage, hat sie diese Beobachtung fürs Leben mit Albträumen versorgt.
 
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Was spricht gegen "komplexe neolithische Gesellschaften" als Ursprung?
Ich habe den - vielleicht falschen - Eindruck, dass du nicht weißt, was das Neolithikum ('Jungsteinzeit') bezeichnet. Das Neolithikum bezeichnet die Phase der Entwicklung des Homo Sapiens Sapiens, in der diese vom umherstreifenden Jäger und Sammler zum sesshaften oder nomadisierenden Bauern und Züchter geworden ist. Die Neolithische Revolution (oder auch, weil Revolution ja eher ein kurzes Ereignis ist die Neolithisierung) bezeichnet die mehrtausendjährige Zeit von der Domestizierung verschiedener Tiere und Pflanzen bzw. die Ausbreitung neolithischer Techniken.
 
"Was spricht gegen "komplexe neolithische Gesellschaften" als Ursprung?"

Bezog sich darauf, dass mit Jane Goodall der Krieg ganz eindeutig keine menschliche Erfindung ist. Mit Blick auf diesen "Gombe chimpanzee war". Es deutet viel daraufhin, dass der Ursprung des Krieges schon bei den Primaten vermutet werden muss. Wobei "Ursprung" ein understatement ist, weil sie sich wie gesagt schon all dieser Strategien und Taktiken bedienten.

Beispiel: Schimpansen zerstreuen sich nur ungern und nur zu einem Zweck: die Futtersuche. Logisch, soviele Früchte wachsen ja meist nicht an einem Strauch, dass die Gruppe gemeinsam daran essen könnte. Das war der Angriffszeitpunkt der Aggressoren. Die sich selber natürlich auch für die Futtersuche aufteilen mussten, sich dabei aber mit ständigen Rufen verständigten um nicht umgkehrt Opfer ihrer eigenen Strategie durch die andere Gruppe zu werden, die möglicherweise dazu lernte. Damit schufen sie sich einen taktischen Vorteil. Nach einem Prinzip, dass man durchaus auf die Grabenkriege des 1. Weltkrieges ausweiten könnte. Wo eine Seite bevorzugt auf Essensträger schoss. Die an zwei Stangen die aufgefädelten Kochgeschirre in die Gräben trugen. Und sich gegen die Retourkutsche absicherte, in dem sie ihre eigenen Kochgeschirre im Graben von Mann zu Mann weiterreichten. Dasselbe Angriffs/Eigenschutz Prinzip wie bei den Schimpansen.
 
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Affen können aber keine neolithische Gesellschaft bilden. Sie domestizieren keine Tiere und planmäßigen Ackerbau können sie auch nicht betreiben.
Aber sie können Krieg führen, nach allen Regeln der Kunst und der Thread lautet schließlich

"How did warfare originate? Was it human genetics? Social competition? The rise of complexity?"
 
Der Threadtitel lautet "Konflikt und Gewalt durch komplexere neolithische Gesellschaften?"
Dass Affen "Krieg" führen können, bzw. Konflikte bisweilen gewaltsam austragen, streite ich gar nicht ab.
 
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