Drachenköpfe bei Wikingerschiffe

Little_Tiger

Mitglied
In irgendeiner Dokumentation in Fernsehen sah ich Wikingerschiffe mit Drachenköpfe.

Ursprünglich dache ich, dass den Regisseur dieser Dokumentation die Fantasie durchging.
Aber eine Kurzrecherche in Google ergab, dass es wirklich Verzierungen am Bug der Wikingerschiffe gab.

siehe auch.
Das Wikingerschiff-Museum in Oslo, Norwegen

So als Mensch des 21. Jahrhundert fragt man sich, was es sich mit diesen Verzierungen (Drachenköpfe) auf sich hat. Was war deren Funktion?
 
"Nach allen Quellentypen, den literarischen, den archäologischen und den dem Bildmaterial zu urteilen, waren die Drachenköpfe auf den Schiffen relativ selten. Nach der Landnámabók war es verboten, mit dem Drachenkopf am Steven den Heimathafen anzusegeln. Die Schutzgeister des Landes könnten aufgebracht oder vertrieben werden. Der Drachenkopf hatte also einen aggressiven Gehalt. Auf Feindfahrt sollte er die Schutzgeister des Feindes vertreiben. Wer die Schutzgeister des angegriffenen Landes vertrieb und das Land unterwarf, war der neue örtliche Herrscher. Deshalb werden in den Quellen die Schiffe mit Drachenköpfen regelmäßig den Führungspersönlichkeiten der Unternehmungen zugeschrieben." sagt wiki dazu.
 
Erstmal Wikipedia:

Nach allen Quellentypen, den literarischen, den archäologischen und den dem Bildmaterial zu urteilen, waren die Drachenköpfe auf den Schiffen relativ selten. Nach der Landnámabók war es verboten, mit dem Drachenkopf am Steven den Heimathafen anzusegeln. Die Schutzgeister des Landes könnten aufgebracht oder vertrieben werden. Der Drachenkopf hatte also einen aggressiven Gehalt. Auf Feindfahrt sollte er die Schutzgeister des Feindes vertreiben. Wer die Schutzgeister des angegriffenen Landes vertrieb und das Land unterwarf, war der neue örtliche Herrscher. Deshalb werden in den Quellen die Schiffe mit Drachenköpfen regelmäßig den Führungspersönlichkeiten der Unternehmungen zugeschrieben.[8]

[8] Else Mundal: Midgardsormen og andre heidne vesen i kristen kontext. In: Nordica Bergensia 14 (1997) S. 20–38, 31.

Die Story an sich kannte ich, dass es eher selten vorkam war mir nicht bewusst, ebenso dass die Abneigung, damit heimische Gestsde anzulaufen, historisch belegt ist. Interessant.

Ich würde das ganze unter dem recht zeitlosen Phänomen "Ästhetik der Häßlichkeit" einordnen. Zumindest manche Menschen erfreuen sich (auch) an dem, was die Gesellschaft als häßlich, grotesk oder bedrohlich einstuft; einmal um seiner selbst Willen, wenn aber ein Schockeffekt bei anderen hinzukommt, umso besser. Gezähmt, weil auf bestimmte Tage beschränkt und spielerisch umgesetzt, findet sich das in allerlei Volksfesten, von der allemannischen Fastnacht über den mexikanischen Día de Muertos bis zu Halloween. Da stecken auch andere Motive hinter (religiöse, Süßigkeiten etc), aber diese Feste würden sich mE nicht solcher Beliebtheit erfreuen, wenn es Menschen nicht auch schlicht Spaß machen würde, inkl der zT grotesken, allen Schönheitsnormen widersprechenden Aufmachung. Persönlich kann ich sagen, es gibt Menschen, die viele Stunden damit verbringen, Zeichnugnen, Miniaturen oder sich selbst so hinzubekommen, dass sie möglichst exakt den Monstren der modernen Fantasy-Mythen entsprechen. Orks sind häßlich... aber dass sie häßlich sind, ist wiederum cool oder Kunst oder so. Schon das kann von eher pietistischen Personen ziemlich negativ gesehen werden.

Das in Verbindung mit realer Gewalt zu bringen ist alles andere als eine Seltenheit, die Beispiele, in denen... sagen wir beruflich Gewalt ausübende Personen das eigene Erscheinungsbild oder das ihrer Ausrüstung besonders dramatisch, ja häßlich gestalten sind Legion. Hier tritt evtl der tatsächliche Nutzen dazu, Angst zu verbreiten, oder sich der Hilfe von Geistern, Göttern oder was auch immer zu sichern (bzw sich und andere davon zu überzeugen, das dem so ist...), aber auch hier: Die haben es auch genossen, sich furchterrgend auszustaffieren; bin ich fest überzeugt von.

Ich mein, wenn ich gezwungen wär, auf i-einem blutigen Schlachtfeld Leute abzustechen (oder, vermutlich früher, abgestochen zu werden), würd ich dabei auch einen schrecklich aussehenden Dämonenhelm tragen wollen. Was denn sonst? Wenn schon, denn schon... ;)
 
aber dass sie häßlich sind, ist wiederum cool oder Kunst oder so. Schon das kann von eher pietistischen Personen ziemlich negativ gesehen werden.
@Reinecke wie denkst du über die oft bizarr-grotesken gotischen Wasserspeier an den entsprechenden riesigen & repräsentativen Gotteshäusern? (dass sich an diesen "Pietisten" oder sagen wir frömmlerische Leute gestört haben, ist mir nicht bekannt)
 
Drachenköpfe, das stimmt.

upload_2021-11-4_10-31-26.jpeg


Aber so weit wie mir bekannt ist waren solche Köpfe – Holzschnitzereien – nur an den Bug und Heck von Kriegsschiffen zu finden.

Neben Drachenköpfen hatte man auch Lindwürmer, Schlangen (hier „Ormurin Langi“ ) und auch Stiere.

Ormurin Langi –> siehe Wiki - Ormurin langi – Wikipedia

Die Drachen bliesen Feuer aus ihren Nüstern. Diese Zierte diente in erster Linie dazu den Gegner zu erschrecken und ihn in Furcht zu versetzen.

Diese Drachenköpfe waren meist abnehmbar. Wenn das Boot nach Hause kam sollten die Landgeister nicht erschreckt werden. Die Wikinger hatten ja vor der Christianisierung ihren eigenen Glauben. Ihre Götter z.B. Odin, Thor, Loki, Frey usw.

Einen Drachenkopf sieht man auch oft auf einigen nordischen Briefmarken wo es um Wikinger geht.
Einen – finde ich – besonders schönen auf einer Ausgabe von 1998 der Isle of Man (deutsch = Insel Man).
Insel autonomer Kronbesitz der direkt der engl. Krone unterstellt ist. Bekannt auch als Steueroase. Insel liegt in der Irischen See. Näheres dann hier -> https://de.wikipedia.org/wiki/Isle_of_Man#Lage
 
In irgendeiner Dokumentation in Fernsehen sah ich Wikingerschiffe mit Drachenköpfe.

Ursprünglich dache ich, dass den Regisseur dieser Dokumentation die Fantasie durchging.
Aber eine Kurzrecherche in Google ergab, dass es wirklich Verzierungen am Bug der Wikingerschiffe gab.

siehe auch.
Das Wikingerschiff-Museum in Oslo, Norwegen

So als Mensch des 21. Jahrhundert fragt man sich, was es sich mit diesen Verzierungen (Drachenköpfe) auf sich hat. Was war deren Funktion?

Bei den Langschiffen gab es wohl zwei verschiedene Verzierungen. Die auf dem Link zu findende Abbildung zeigt das in Oslo ausgestellte Wikingerschiff mit einer schneckenförmigen Verzierung.

Die Begriffe Dreki und Snekka (auch als „Snekkja“ oder „Snekke“ bezeichnet) unterscheiden die Langschiffe nach der Art ihres Stevenschmucks: Dreki hatte einen Drachenkopf, Snekka eine schneckenförmige Spirale. Barði hieß möglicherweise ein Schiff mit verlängertem und verstärktem Steven.​

Wikingerschiff – Wikipedia

Allerdings gibt es wohl keine Funde von Schiffen mit Drachenkopf. Aber im gleichen Museum in Oslo werden auch Pfähle mit Tierköpfen ausgestellt:

Five exquisite animal heads - Museum of Cultural History

Ob sich diese auch an Schiffen befanden, ist eine andere Frage. Im Begleittext steht, dass diese eventuell an Häusern oder am Thron angebracht wurden oder zu einem anderen Zweck dienten.

Ich vermute, dass ein Drachenkopf auch als Demonstration von Status und Macht dienen sollte. Und bei einem Angriff diente er wohl auch als Mittel der Einschüchterung.
 
Bei den Langschiffen gab es wohl zwei verschiedene Verzierungen. Die auf dem Link zu findende Abbildung zeigt das in Oslo ausgestellte Wikingerschiff mit einer schneckenförmigen Verzierung.

Die Begriffe Dreki und Snekka (auch als „Snekkja“ oder „Snekke“ bezeichnet) unterscheiden die Langschiffe nach der Art ihres Stevenschmucks: Dreki hatte einen Drachenkopf, Snekka eine schneckenförmige Spirale. Barði hieß möglicherweise ein Schiff mit verlängertem und verstärktem Steven.​

Wikingerschiff – Wikipedia
Beim Oseberg-Schiff befindet sich allerdings in der schneckenförmigen Spirale allerdings auch wieder ein Schlangenkopf. Die Unterscheidung von Drachenkopf und schneckenföriger Spirale ergibt also nicht so viel Sinn.

Das Oseberg-Schiff hat vorne und unten einen unterschiedlichen spiralförmigen Stevenschmuck. Das eine ist offensichtlich der Kopf der Schlange, das andere hingegen der Schwanz.

Zusätzlich wurde im Oseberg-Schiff noch ein weiterer Drachenkopf unbekannter Funktion gefunden.
 
Zusätzlich wurde im Oseberg-Schiff noch ein weiterer Drachenkopf unbekannter Funktion gefunden.
Es mag auf den ersten Blick lächerlich erscheinen: heutzutage kann man mehrere "Themes" am Handy haben, auch mehrere Hüllen nutzen - wenn verschiedene Bugzier am Wikingerboot ähnlich profane Hintergründe hätte? Ein Drachen für Feindfahrt, ein anderer zum repräsentieren an Feiertagen, ein Dritter für daheim usw... ;)
 
Es mag auf den ersten Blick lächerlich erscheinen: heutzutage kann man mehrere "Themes" am Handy haben, auch mehrere Hüllen nutzen - wenn verschiedene Bugzier am Wikingerboot ähnlich profane Hintergründe hätte? Ein Drachen für Feindfahrt, ein anderer zum repräsentieren an Feiertagen, ein Dritter für daheim usw... ;)
Dem widerspricht allerdings das nebeneinander von Kriegsschiffen mit und ohne Drachenkopf-Stevenfigur der normannischen Invasionsflotte auf dem Bayeux-Teppich.

Ich gehe auch nicht davon aus, dass hölzerne Stevenfiguren so leicht austauschen oder abnehmen lassen, wie es manche hier aufgrund des isländischen Landnahmebuch suggerieren. Holzverbindungen, die nur verzapft oder genagelt sind, sind kaum ohne Beschädigung lösbar.
 
Dem widerspricht allerdings das nebeneinander von Kriegsschiffen mit und ohne Drachenkopf-Stevenfigur der normannischen Invasionsflotte auf dem Bayeux-Teppich.

"Wer die Schutzgeister des angegriffenen Landes vertrieb und das Land unterwarf, war der neue örtliche Herrscher. Deshalb werden in den Quellen die Schiffe mit Drachenköpfen regelmäßig den Führungspersönlichkeiten der Unternehmungen zugeschrieben." aus wiki. Wenn nur Führungspersönlichkeiten das Recht auf einen Drachenkopf am Schiff hatten, würde das auch das Nebeneinander auf dem Teppich von Bayeux erklären.
 
Zurück
Oben