Graffiti im Römischen Reich (Lateinisch/Griechisch)

Thalassa

Mitglied
Hallo, meine Frage teilt sich in zwei Teile auf:

1. Kennt ihr Bücher (physisch/digital, egal), in welchen Sammlungen von Graffiti außerhalb von Pompeji aufgezeichnet sind (Original + Transliteration + Übersetzung Deutsch/Englisch wäre optimal)? Es gibt sicher zahlreiche Graffiti in Athen oder in anderen griechischen Städten der Antike. Mir fällt bspw. das Alexamenos-Graffito in Rom ein (ΑΛΕ ΞΑΜΕΝΟϹ ϹΕΒΕΤΕ ΘΕΟΝ und ganz nah davon ΑΛΕΞΑΜΕΝΟϹ FIDELIS). Davon muss es sicher mehr gegeben haben. Also nicht nur in Rom oder Pompeji, sondern von mir aus von Spanien/Nordafrika bis Mesopotamien/naher Osten/Indien (Griechisch).

2. Gibt es eine Art Erklärung oder Legende, die die Graffito-Schrift erklärt? Die lateinischen Buchstaben, die man in Pompeji sehen kann, unterscheiden sich schon etwas von dem, was wir kennen. Als einziges Buch, das sowas beinhalten könnte (vgl. Inhaltsverzeichnis), habe ich "Graffiti als Interaktionsform: Geritzte Inschriften in den Wohnhäusern Pompejis (Materiale Textkulturen, 16, Band 16) Gebundene Ausgabe – 18. Dezember 2017" auf Amazon gefunden. Drei andere Bücher (eins ebenfalls von De Gruyter/Tusculum, ein anderes von Reclam und eins von Karl-Wilhelm-Weeber) beinhalten nur die Graffiti in Pompeji (Lateinisch/Deutsch) selbst, mit - wie ich annehme - ein paar Erklärungen zur sozio-kulturellen Situation, die in der damaligen Zeit herrschte.

Danke im Voraus für eure Beiträge.
 
Kurzer Nachtrag: Frage 1 hat sich erledigt, es gibt jeweils das Corpus Inscriptionum Latinarum und Corpus Inscriptionum Graecarum. Anscheinend gibt es sogar mehrere Corpora/Sammlungen. Allerdings habe ich das Gefühl, dass man solche Gesamtwerke nicht erwerben kann.
 
Allerdings habe ich das Gefühl, dass man solche Gesamtwerke nicht erwerben kann.
Die wären aber auch ziemlich teuer, selbst wenn irgendein Antiquariat die noch gedruckt hat. Einige Corpora wie zum Beispiel IG sind online frei verfügbar.

Drei andere Bücher (eins ebenfalls von De Gruyter/Tusculum, ein anderes von Reclam und eins von Karl-Wilhelm-Weeber) beinhalten nur die Graffiti in Pompeji (Lateinisch/Deutsch) selbst, mit - wie ich annehme - ein paar Erklärungen zur sozio-kulturellen Situation, die in der damaligen Zeit herrschte.
Die Reclam-Auswahl behandelt zwar nicht die Schrift, und übrigens auch nicht den sozio-kulturellen Kontext, hat aber ein Wörterverzeichnis am Ende mit den unklassischen Formen.
Die Tusculum-Auswahl wiederum hat kein Wörterverzeichnis, aber zusätzlich zu Einführungstexten in den Kontext einen kritischen Apparat für jede Inschrift/Graffiti.
Zum dritten kann ich leider nichts sagen, das kenne ich nicht.

J. Kramer, Vulgärlateinische Alltagsdokumente auf Papyri, Ostraka, Täfelchen und Inschriften (Berlin 2007)
Vor einem Beispielteil behandelt Kramer im ersten Teil das Vulgärlateinische selbst, wobei er mehr auf das Sprachliche eingeht, aber auch etwas zur Schriftgestalt schreibt.
 
Auf der Seite der Vindolanda-Tablets (Holztafelbriefe römischer Soldaten und ihrer Frauen aus dem castellum Vindolanda, an der Stanegate (Vorläuferbefestigung des Hadrianswalls) wird die römische Kursiva auch noch mal erläutert. Die CIL ist online, allerdings zickt die Seite heute Morgen. Vermutlich ein Serverproblem in Heidelberg.

Zu erwähnen wäre noch von Konrad Theiss: Geritzt und entziffert, mit Ritz- und Punzinschriften hauptsächlich vom Limes.
 
Du musst bedenken, dass die meisten Wachstafeln gewohnt waren und dann natürlich die Eigenheiten des Ritzens in Wachs auf andere Medien übertragen wurden. Manchmal hilft auch ein Gedanke an die Griechische Schrift. Flüssiges Lesen sollte bei Römischer Kursive und Graffiti sowieso nicht erwartet werden. Da kommt durch, dass jede Hand ihre Eigenheiten hat.

Für den Einstieg hilft sicher schon die Tafel zu Älterer und Jüngerer Römischer Kursive bei Wikipedia.

Ältere römische Kursive – Wikipedia
Jüngere römische Kursive – Wikipedia

Es hilft natürlich, wie bei allen Kursiven, ungemein, sich schon mit der zugrundeliegenden Schrift beschäftigt zu haben:

Capitalis rustica – Wikipedia
Capitalis quadrata – Wikipedia

Bei Graffiti kommt hinzu, dass es unzählige regional und zeitlich verschiedene Besonderheiten und Varianten gibt. Das findet sich nicht alles in einem Buch vereint.
 
Bei Graffiti kommt hinzu, dass es unzählige regional und zeitlich verschiedene Besonderheiten und Varianten gibt. Das findet sich nicht alles in einem Buch vereint.

Ich meine, irgendwo gelesen zu haben, dass sich die Schriftformen der Tafeln von Vindolanda sich nicht von denen von Papyri aus dem römischen Ägypten unterschieden haben. Wo ich das gelesen habe, weiß ich nicht mehr und habe auf die Schnelle auch dazu nichts über Google gefunden. Übrigens sind die Schreibtafeln aus Vindolanda nicht geritzt, sondern mit Tinte geschrieben.

Ich habe dabei noch gesehen, dass es auch in Vindonissa (Windisch in der Schweiz) auch einen Fundkomplex von römischen Schreibtafeln gibt.

S. hierzu: Die römischen Schreibtafeln von Vindonissa: Lateinische Texte des militärischen Alltags und ihre geschichtliche Bedeutung (habe den Text allerdings noch nicht gelesen)
 
Die Tafeln aus Vindolanda sind ja auch keine Graffiti. Ich vermute, El Quijote hat sie als Beispiel für die Schrift in den Thread gebracht.

Und was das Ritzen in Wachs angeht, geht es darum, dass dieses die Kursive beeinflusst hat, nicht darum, dass Graffiti geritzt wurden.
 
Übrigens sind die Schreibtafeln aus Vindolanda nicht geritzt, sondern mit Tinte geschrieben.
Das ist richtig.
Die Tafeln aus Vindolanda sind ja auch keine Graffiti. Ich vermute, El Quijote hat sie als Beispiel für die Schrift in den Thread gebracht.
Genau. Bzw., ich war der Meinung, dass auf der Vindolanda-Seite die römische Kursivschrift erläutert wird, habe es aber (vor)gestern beim kursorischen Überfliegen nicht mehr wiedergefunden.
 
Die wären aber auch ziemlich teuer, selbst wenn irgendein Antiquariat die noch gedruckt hat. Einige Corpora wie zum Beispiel IG sind online frei verfügbar.

J. Kramer, Vulgärlateinische Alltagsdokumente auf Papyri, Ostraka, Täfelchen und Inschriften (Berlin 2007)
Vor einem Beispielteil behandelt Kramer im ersten Teil das Vulgärlateinische selbst, wobei er mehr auf das Sprachliche eingeht, aber auch etwas zur Schriftgestalt schreibt.

Das ist interessant, werde ich näher recherchieren. Mir persönlich - als jemand der Latein gelernt hat - geht es mehr um das Schriftliche selbst. Dass es verschiedene Formen und Arten gibt, die sich vom klassischen, "klaren" Cicero-Latein unterscheiden, kann ich mir denken. Ich habe mir online viele Inschriften aus Pompeji angesehen und das größte Rätsel sind die Buchstaben selbst.

Die CIL ist online, allerdings zickt die Seite heute Morgen. Vermutlich ein Serverproblem in Heidelberg.

Zu erwähnen wäre noch von Konrad Theiss: Geritzt und entziffert, mit Ritz- und Punzinschriften hauptsächlich vom Limes.
Werde ich ebenfalls durchstöbern. :)

Du musst bedenken, dass die meisten Wachstafeln gewohnt waren und dann natürlich die Eigenheiten des Ritzens in Wachs auf andere Medien übertragen wurden. Manchmal hilft auch ein Gedanke an die Griechische Schrift.

Für den Einstieg hilft sicher schon die Tafel zu Älterer und Jüngerer Römischer Kursive bei Wikipedia.

Bei Graffiti kommt hinzu, dass es unzählige regional und zeitlich verschiedene Besonderheiten und Varianten gibt. Das findet sich nicht alles in einem Buch vereint.
Den Zusammenhang mit der griechischen Schrift habe ich nicht verstanden. Ich habe mir sehr viele Papyri des Neuen Testaments angesehen und die gut erhaltenen (bspw. Codex Vaticanus/Sinaiticus/Alexandrinus) kann man sehr gut lesen. Selbst nicht so gut erhaltene Papyri kann man lesen, solange man die Buchstaben erkennen kann. Und das sind nicht nur Papyri, die nach dem Sieg des Christentums in Ruhe und professionell verfasst wurden. Es gibt Papryri aus den ersten 3 Jhdt., die sehr leicht zu lesen sind.
Beim Lateinischen ist es anders. Falls ich kein YT-Video verlinken darf, löscht es bitte. Aber das beste Beispiel kann ich euch hier in der 7. Minute zeigen: "This one's not for the kids": A candid look at Pompeiian Graffiti - YouTube

Das Wort "minimum" sieht folgendermaßen aus: |llllNl|lllV|lll
Heutzutage würde wahrscheinlich fast jeder, der die lateinische Schrift täglich benutzt, niemals auf die Idee kommen, dass diese "Transliteration" das Wort minimum darstellen soll. Griechische Manuskripte oder Inschriften sind aber sicher mit Leichtigkeit von heutigen ("modernen") Griechen zu entziffern. Verstehen/Übersetzen ist natürlich etwas anderes, es geht mir nur um das Entziffern/Ablesen selbst. Ich erwarte auch nicht, dass alle möglichen Schreibfehler und Schreibformen aufgelistet werden. Es geht mir mehr um (anscheinend) verbreitete Formen der Darstellung von Buchstaben. |lll = M und II = E sind die beiden Beispiele, die ich in diesem Video kennengelernt habe.
Ich habe mich lediglich gefragt, ob es eine Liste gibt, die diese aufgreift. Dein Link zur kursiven Schrift auf Wikipedia geht genau in diese Richtung. Das "S" in der verlinkten Tabelle sieht man überall in den pompejanischen Graffiti.

Ich meine, irgendwo gelesen zu haben, dass sich die Schriftformen der Tafeln von Vindolanda sich nicht von denen von Papyri aus dem römischen Ägypten unterschieden haben.

S. hierzu: Die römischen Schreibtafeln von Vindonissa: Lateinische Texte des militärischen Alltags und ihre geschichtliche Bedeutung (habe den Text allerdings noch nicht gelesen)
Schreibtafeln habe ich noch überhaupt nicht berücksichtigt. Es klingt plausibel, dass das die Schrift auf den Wänden dadurch beeinflusst wurde.

Die Tafeln aus Vindolanda sind ja auch keine Graffiti. Ich vermute, El Quijote hat sie als Beispiel für die Schrift in den Thread gebracht.

Und was das Ritzen in Wachs angeht, geht es darum, dass dieses die Kursive beeinflusst hat, nicht darum, dass Graffiti geritzt wurden.
Es könnte aber tatsächlich sein, dass die Schriften ähnlich waren. Ich muss mal einen Blick auf solche Tafeln werfen, die es bis in die heutige Zeit geschafft haben.
 
Den Zusammenhang mit der griechischen Schrift habe ich nicht verstanden.

Die Römische Kursive erinnert manchmal eher an Griechische Schriftzeichen. Gleiche Schreibutensilien können ja zu ähnliche Formen führen. Und die Schrift war ja auch nicht gänzlich unbekannt.

Wichtiger als der Zusammenhang ist für uns, dass es manchmal ganz praktisch beim Lesen hilft, an das Griechische Alphabet zu denken.

Bei Graffiti kommt hinzu, dass es da auch manchmal Griechisches gibt, insbesondere übrigens bei den christlichen Graffiti der Katakomben.

Wenn du dich für die lateinische Schrift selbst interessierst, wirst du auf Dauer nicht an Adriano Cappelli, Dizionario di Abbreviature latine ed italiane, Milano, mehrere Auflagen vorbeikommen. Nachschlagen klappt zwar auch ohne Italienischkenntnisse, es ist aber vor einigen Jahren auch auf Deutsch erschienen. Der Fokus liegt auf Mittelalter mit Schwerpunkt auf Italien, was die Datenbasis angeht, aber es enthält natürlich an Abkürzungen, was es ins Mittelalter schaffte und auch, was von den Tironischen Noten übrigblieb. Es kann also, muss aber nicht für die Antike weiterhelfen. Da du dich für die Schrift interessierst und Latein hattest, mag es weiterhelfen. Meiner Erfahrung nach ist es trotz räumlicher und zeitlicher Beschränkung vom Altertum bis weit in die Neuzeit sehr hilfreich. Es kommt allerdings manchmal auch auf die Intuition an, um ein aktuelles Beispiel im Lexikon wiederzufinden. Ich empfehle, es sich erst einmal in einer Bibliothek anzuschauen.

Jeder Buchstabe wird an der Spitze seiner Einträge gleichsam als Überschrift in verschiedenen Schriftarten gezeigt. Darunter werden vor den Abkürzungen noch wichtige Ligaturen gezeigt, die wirklich hilfreich sein können. Dann sind die Abkürzungen verzeichnet.

Wie gesagt, vorwiegend Mittelalter und Italien. Ein deutsches Kasten-h ist da z.B. nicht zu finden. (Hier uninteressant sind sonst auch die Zusammenstellung Arabischer Ziffern und sieben genügend groß ausklappbare mittelalterliche Urkunden zum Üben erwähnenswert.)
 
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